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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.02.2007
Aktenzeichen: 4 ZB 06.799
Rechtsgebiete: BayVwVfG


Vorschriften:

BayVwVfG Art. 48
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

4 ZB 06.799

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Rückforderung von Zuwendungen;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Februar 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 4. Senat,

durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Motyl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Prof. Dr. Kraft

ohne mündliche Verhandlung am 27. Februar 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 26.587,17 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der klagende Zweckverband wendet sich gegen die teilweise Rückforderung einer staatlichen Zuwendung für seine Wasserversorgungseinrichtung (BA 03).

1. In seinem Zuwendungsantrag vom 17. November 1995 führte der Kläger als anrechenbare zuwendungsfähige Kosten des Gesamtvorhabens von 1980 - 1995 (Vordruck gemäß RZWas 1991, Anlage 4) u.a. 5.243.000 DM für Bauwerke und den Betrag von 4.380.000 DM für die Wasserverteilung auf. Daraufhin stellte das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg mit Bescheid vom 8. Dezember 1995 für den Bauabschnitt 03 Zuwendungen bis zu 349.000,00 DM als Anteilsfinanzierung in Aussicht. Nach Prüfung der Verwendungsnachweise bezifferte es mit Bescheid vom 21. Juli 1997 die zuwendungsfähigen Kosten auf 751.000,00 DM und setzte die Zuweisungen auf 349.000,00 DM fest.

2. Das Staatl. Rechnungsprüfungsamt Bayreuth teilte dem Wasserwirtschaftsamt mit Schreiben vom 2. März 2001 mit, dass die vom Kläger angegebenen zuwendungsfähigen Kosten teilweise frühere Bauabschnitte beträfen und außerhalb des 16-Jahres-Zeitraums angefallen seien.

Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen dem Rechnungsprüfungsamt und dem Wasserwirtschaftsamt wurden in mehreren Gesprächen erörtert. In einer gemeinsamen Besprechung am 25. April 2003 wurde Einigkeit erzielt und die Aufteilung der Kosten auf die vergangenen 16 Jahre abgestimmt (Schreiben WWA vom 10.5.2005, VG Bl. 29).

Mit Bescheid vom 4. November 2003 hob das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg den Bescheid vom 21. Juli 1997 auf, setzte die Zuwendung für den BA 03 auf nunmehr 151.853,69 Euro fest und forderte den überzahlten Betrag in Höhe von 26.587,17 Euro zurück.

Auf den Widerspruch des Klägers hob die Regierung von Mittelfranken mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2004 den Bewilligungsbescheid vom 4. November 2003 auf, da eine nachträgliche Änderung der zuwendungsfähigen Kosten nicht vorgelegen habe (Nr. 2.1 ANBest-K).

Mit dem streitgegenständlichen Schlussbescheid vom 27. Dezember 2004 nahm das Wasserwirtschaftsamt Nürnberg den Bescheid vom 21. Juli 1997 teilweise zurück, setzt den Zuwendungssatz auf 39,55 v.H. und die Zuweisungen auf 151.853,69 Euro fest und forderte den überzahlten Betrag in Höhe von 26.587,17 Euro zurück.

Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage mit Urteil vom 14. Februar 2006 abgewiesen. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der den Zuwendungsbescheid vom 8. Dezember 1995 ersetzende Bescheid vom 21. Juli 1997 bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses hinsichtlich der Berechnung des Zuwendungssatzes rechtswidrig gewesen sei. Der Beklagte habe dabei die Angaben des Klägers zugrunde gelegt, die nicht - wie von der staatlichen Rechnungsprüfung festgestellt - den Förderrichtlinien entsprochen hätten. Der Zweckverband habe vor dem Jahre 1979 angefallene Kosten in die Berechnung einbezogen. Angesichts der unrichtigen Angaben des Klägers habe es keiner weitergehenden Ermessenserwägungen bedurft; ein atypischer Sonderfall liege nicht vor. Gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG bestehe kein Vertrauensschutz. Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG sei gewahrt; denn der zuständige Amtsträger beim Wasserwirtschaftsamt Nürnberg habe bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2004 nicht erkannt, dass der Zuwendungsbescheid vom 21. Juni 1997 bereits im Erlasszeitpunkt rechtswidrig gewesen und damit der Anwendungsbereich des Art. 48 BayVwVfG eröffnet sei.

Dagegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend.

a) Fehlerhaft sei die Rechtsansicht des Rechnungsprüfungsamts zur Berechnung des 16-Jahres-Zeitraums, der sich das Verwaltungsgericht angeschlossen habe. Die ursprünglich vom Wasserwirtschaftsamt vertretene Auffassung habe zutreffend darauf abgestellt, dass die Aufteilung der innerhalb der 16 zurückliegenden Jahre angefallenen zuwendungsfähigen Kosten möglichst einfach erfolgen solle und dazu die Kosten gemäß den Verwendungsnachweisen einzubeziehen seien. Auch wenn Werkunternehmer Anspruch auf vorläufige Abschlagszahlungen hätten, sei letztlich sei auf die Gesamtfälligkeit des Werklohnanspruchs abzustellen.

Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00, NVwZ 2000, 1163/1164). Daran fehlt es.

Die Antragsbegründung verfehlt den zutreffenden Ansatzpunkt bei dem Versuch, die Rechtmäßigkeit der ursprünglich gewährten Förderung zu begründen. Mangels expliziter gesetzlicher Ausgestaltung steht die staatliche Förderung des Ausbaus kommunaler Wasserversorgungsanlagen im Ermessen des beklagten Freistaats. Dieser hat seine Ermessensausübung zu den Bewilligungsvoraussetzungen u.a. durch die hier einschlägigen Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben (RZWas 1991, Bek. des Bayer. Staatsministeriums des Inneren vom 19.12.1991, AllMBl. 1992, 18) ausgeformt. Diese ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift gehört nicht zum Außenrecht und unterliegt daher - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht der eigenständigen richterlichen Auslegung wie eine Rechtsnorm. Für die gerichtliche Überprüfung einer Förderung (bzw. ihrer Rücknahme) ist vielmehr entscheidend, wie die Behörden des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV) gebunden sind. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen der Wortlaut einer Verwaltungsvorschrift auslegungsbedürftig erscheint (BVerwG, U.v. 17.1.1996 - 11 C 5.95, DVBl. 1996, 814 m.w.N.; BayVGH, U.v. 21.8.2002 - 4 B 00.1936, BayVBl. 2003, 154; ständ. Rspr.).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem formularmäßigen Bewilligungsantrag (Rückseite des Formblattantrags nach Anlage 4 der RZWas 1991) "Ermittlung der anrechenbaren zuwendungsfähigen Kosten, die innerhalb von 25 Jahren für das Gesamtvorhaben angefallen sind oder anfallen werden ...", dass der Beklagte für die Vergangenheit auf die 16 Jahre vor der staatlichen Finanzierung für das Gesamtvorhaben angefallenen Kosten abstellt. Der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass in der nach Jahren aufgeschlüsselten Tabelle nur diejenigen Kosten anzusetzen seien, die in dem jeweiligen, vom 16-Jahres-Zeitraum erfassten Jahr tatsächlich verausgabt worden sind. Der direkt unterhalb der vom Antragsteller auszufüllenden Tabelle abgedruckte Hinweis "Die zuwendungsfähigen Kosten geförderter Vorhaben sind aus den Zuwendungsbescheiden, der abgeschlossenen Verfahren aus den geprüften Verwendungsnachweisen zu übernehmen." steht dazu nicht im Widerspruch; denn er setzt in zeitlicher Hinsicht die Zuwendungsfähigkeit der einzustellenden Kosten bereits voraus und verhält sich nur zur Ermittlung von deren Höhe. Für das Vorliegen einer von diesem nahe liegenden Verständnis der ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift abweichenden landesweiten Verwaltungspraxis spricht nicht bereits der Umstand, dass Bedienstete einzelner Ämter die genannten Vorgaben anders verstanden haben.

b) Das Vorbringen der Antragsbegründung zur Nichteinhaltung der Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG begründet keine ergebnisbezogenen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Die Kammer hat zutreffend auf die Auslegung dieser Vorschrift durch das Bundesverwaltungsgericht abgestellt, derzufolge die Jahresfrist erst zu laufen beginnt, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die weiteren für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (BVerwG, U.v. 24.1.2001 - 8 C 8.00, BVerwGE 112, 360 mit Hinweis auf B.v. 19.12.1984 - Gr.Sen. 1 und 2.84, BVerwGE 70, 356). Die sich von dieser Entscheidung abgrenzende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X (U.v. 27.7.1989 - 11/7 RAr 115/87, NVwZ 1990, 697) ist für die Rücknahme staatlicher Subventionen gemäß Art. 48 BayVwVfG ohne Bedeutung.

Im vorliegenden Fall waren erst nach der gemeinsamen Besprechung vom 25. April 2003 zwischen Vertretern des Staatl. Rechnungsprüfungsamts und des Wasserwirtschaftsamts Nürnberg als der für die Rücknahmeentscheidung zuständigen Behörde alle tatsächlichen Umstände geklärt. Erst jetzt war die Sache für das Wasserwirtschaftsamt entscheidungsreif, so dass der Rücknahmebescheid vom 4. November 2003 innerhalb der Jahresfrist ergangen ist. Mit der Aufhebung dieses Bescheids durch den Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2004 begann die Frist des Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG erneut zu laufen (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.1988 - 7 B 79.88, NVwZ 1988, 822).

c) Schließlich sind auch die Ausführungen zur Ausübung des Rücknahmeermessens in der angefochtenen Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat auf der Grundlage der Rechtsprechung zum intendierten Rücknahmeermessen (BVerwG, U.v. 16.6.1997 - 3 C 22.96, DVBl. 1998, 145) keinen atypischen Ausnahmefall gesehen. Anhaltspunkte dafür bzw. für schutzwürdiges Vertrauen des Klägers zeigt auch die Antragsbegründung nicht auf, wenn sie darauf abstellt, dass das Wasserwirtschaftsamt in die Ausfüllung des Bewilligungsantrags eingebunden war und den vom Kläger nicht weiter aufgeschlüsselten Pauschalbetrag ohne entsprechenden Hinweis akzeptiert habe. Die Struktur des in den Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben festgelegten Förderverfahrens, in dem der Zuwendungsbescheid Zuwendungen als Maximalförderung lediglich in Aussicht stellt, diese nach Baufortschritt sukzessive abgerufen werden und die staatliche Förderung erst nach Prüfung der Verwendungsnachweise endgültig im Schlussbescheid festgesetzt wird, weist dem Antragsteller das Risiko vollständiger und richtiger, d.h. dem Förderungsprogramm entsprechender Angaben zu. Sein Vertrauen erweist sich nach der in den Zuwendungsbescheid übernommenen Nr. 2.1 ANBest-K auch nicht als schutzwürdig. Nach dieser auflösenden Bedingung ermäßigt sich die Zuwendung, wenn sich nach der Bewilligung die in dem Finanzierungsplan veranschlagten zuwendungsfähigen Ausgaben ermäßigen. Für den Bedingungseintritt ist es unerheblich, auf welche Weise sich die zuwendungsfähigen Ausgaben ermäßigen; es genügt jeder Unterschied zwischen dem bei der Bewilligung angenommenen und dem später festgestellten Umfang der zuwendungsfähigen Ausgaben (BayVGH, U.v. 18.12.1990 - 4 B 88.3152, GK 1991 Nr. 72; B.v. 29.12.1999 - 4 B 99.526, BayVBl. 2000, 245/246; U.v. 28.7.2005 - 4 B 01.2536, BayVBl. 2006, 731 entgegen der Auffassung des VG München, U.v. 13.5.2004 - M 4 K 03.2680).

2. Die Zulassung der Berufung kommt auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO in Betracht. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache sind nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), im Übrigen aber unter Berücksichtigung der oben wiedergegebenen Rechtsprechung auch nicht erkennbar.

3. Die Geltendmachung grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) führt nicht zum Erfolg. Das aufgeworfene Problem des Beginns der in einer Verwaltungsvorschrift vorgesehenen Frist betrifft nach dem oben Ausgeführten keine in einem Berufungsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage. Den weiteren Fragen ist keine über den konkreten Fall hinausweisende abstrakte Klärungsfähigkeit zu entnehmen; vielmehr greift der Kläger damit im Gewande der Grundsatzrüge lediglich die Würdigung des Verwaltungsgericht im konkreten Einzelfall an.

4. Die Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) führt nicht zur Zulassung der Berufung. Die angeführte Fundstelle "NVwZ 1990, 697" betrifft keine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, sondern das oben bereits zitierte Urteil des Bundessozialgerichts zur Auslegung des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X (U.v. 27.7.1989 - 11/7 RAr 115/87). Dieses Gericht wird in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht genannt und zudem ist die dort angesprochene Fragestellung für die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Rücknahme von Verwaltungsakten gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG bzw. Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG durch die Entscheidung des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (BVerwG, B.v. 19.12.1984 - Gr.Sen. 1 und 2.84, BVerwGE 70, 356).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, Abs. 1 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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