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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 27.05.2003
Aktenzeichen: 5 B 00.1819
Rechtsgebiete: GG, StAG, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 6
StAG § 9
AuslG § 85
AuslG § 86 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

5 B 00.1819

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Einbürgerung;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. April 2000,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz,

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. Mai 2003

am 27. Mai 2003

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. April 2000 und die Bescheide der Regierung von Niederbayern vom 11. November 1998 und 17. Februar 1999 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 5. Oktober 1964 in K**** geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Nach dem Studium der Chemie in der Türkei leistete er dort seinen Wehrdienst ab und war im Anschluss daran als Lehrer an verschiedenen türkischen Schulen tätig. Nach seiner Einreise im Oktober 1993 heiratete er am 4. November 1993 die deutsche Staatsangehörige Johanna S. Am 24. November 1993 erhielt er zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis bis zum 4. November 1996; am 28. Oktober 1996 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Am 7. Mai 1997 beantragte der Kläger seine Einbürgerung bei der Stadt Landshut. Im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens teilte das Bayer. Staatsministerium des Innern der Regierung von Niederbayern mit, dass der Kläger dem Landesamt für Verfassungsschutz seit Anfang 1995 als Aktivist der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bekannt sei. Am 14. Oktober 1995 sei er von der Polizei in den Räumen des "Kurdischen Elternvereins" anlässlich eines Treffens führender PKK-Mitglieder angetroffen worden. Er habe offensichtlich in Kontakt zu dem ehemaligen Verantwortlichen des PKK-Gebietes München gestanden, da seine Telefonnummer handschriftlich im Adressenverzeichnis des Herrn A. notiert sei. Bis zum 24. September 1995 habe der Kläger als Beisitzer im Vorstand des Kurdischen Elternvereins e.V. München fungiert, der am 20. November 1995 wegen Unterstützung der PKK bzw. der ERNK verboten worden sei. Bei einer Wohnungsdurchsuchung im Rahmen des Verbotsvollzugs seien beim Kläger Publikationen der PKK und Bücher des PKK-Vorsitzenden Öcalan sowie anderes Material sichergestellt worden. Der Kläger habe bis zum Verbot des Vereins und auch danach an öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen teilgenommen habe, die zumindest von der PKK mit initiiert gewesen seien.

Der Kläger und seine Ehefrau waren Mitglied der "Landshuter Flüchtlingshilfe Kurdistan", die im Verfassungsschutzbericht 1997 des Bayer. Staatsministeriums des Innern als Unterstützergruppe der PKK eingestuft worden war; dieser Verein hat sich mittlerweile aufgelöst.

Bei einer Anhörung am 16. Februar 1998 gab der Kläger an, er habe mit Ausnahme seiner Verwandtschaft keine Beziehungen in die Türkei und fühle sich als Teil der deutschen Gesellschaft. Als Journalist schreibe er gelegentlich für kurdische und türkische Zeitungen, sei Mitglied der IG-Medien und gehöre ferner dem Kurdischen Lehrerverband e.V. und der Flüchtlingshilfe Kurdistan e.V. an. Er habe Kontakt zum Verein für interkulturelle Zusammenarbeit e.V. in München. Im Vorstand des Kurdischen Elternvereins München sei er nur für kurze Zeit gewesen; er habe den Eltern die Wichtigkeit (des Unterrichts in) der kurdischen Muttersprache klarmachen wollen. Es könne sein, dass er auch an Veranstaltungen und Versammlungen des Vereins teilgenommen habe. Die Ziele der PKK halte er für gerechtfertigt, sie müssten allerdings politisch erreicht werden. Er sei gegen Gewalt. An einer von verschiedenen kurdischen Organisationen initiierten Demonstration am 5. Juni 1996 in Hamburg habe er teilgenommen; ebenso habe er als Journalist an einer Sportveranstaltung am 20. Juli 1996 in München teilnehmen wollen. Deren Verbot sei ihm nicht bekannt gewesen. Die bei der Hausdurchsuchung gefundenen Schriften der PKK habe er aus Interesse und als Journalist für Informationszwecke besessen. Wie seine Telefonnummer in die handschriftlichen Aufzeichnungen des Herrn A. gelangen konnte, sei ihm nicht erklärbar. Er akzeptiere das Verbot der PKK; gleichzeitig denke er aber, dass die Menschen ihre Meinung gegen das Verbot friedlich äußern können müssten. Zur Zeit seiner Vorstandstätigkeit für den Kurdischen Elternverein e.V. sei dieser noch nicht verboten gewesen; danach habe er sich nicht mehr für den Verein betätigt. Von den zum Vereinsverbot führenden Umständen habe er nichts gewusst.

Die Regierung von Niederbayern lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 11. November 1998 ab. Eine Einbürgerung nach § 9 RuStAG setze eine freiwillige und dauernde Hinwendung zu Deutschland, Grundkenntnisse der staatlichen Ordnung und ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Im Hinblick auf seinen Bildungsstand und seiner Tätigkeit als Journalist sei nicht glaubhaft, dass er den engen Zusammenhang zwischen dem verbotenen kurdischen Elternverein e.V. in München und der ebenfalls verbotenen PKK nicht gekannt habe. Er habe auch regelmäßig an Veranstaltungen des Vereins und anderer PKK-Unterstützervereine teilgenommen. Wenig glaubhaft sei, dass der Kläger einerseits nach seinen Angaben für den Bereich Europa einer türkischen Tageszeitung zuständig sei, andererseits über die Organisation der PKK in Deutschland angeblich nichts wisse. Es bleibe dem Kläger unbenommen, sich im legalen Rahmen für kurdische Belange einzusetzen. Unvereinbar mit seinem Einbürgerungswunsch sei aber die Zugehörigkeit und Anhängerschaft zu Organisationen, die in Gegnerschaft zur freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland stünden. Eine dauerhafte Hinwendung zu Deutschland sei grundsätzlich nicht anzunehmen, wenn sich der Einbürgerungsbewerber in einer politischen Emigrantenorganisation betätige. Als solche seien der Kurdische Elternverein und die Flüchtlingshilfe Kurdistan anzusehen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Regierung von Niederbayern mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1999 zurück.

Zur Begründung seiner auf Verpflichtung des Beklagten zur Einbürgerung gerichteten Klage ließ der Kläger vortragen, dass er während seiner nur wenige Monate andauernden Vorstandstätigkeit im Kurdischen Elternverein ausschließlich für den insbesondere für Kinder durchgeführten Kurdischunterricht zuständig gewesen sei. Nach Übernahme dieser Veranstaltung durch die Volkshochschule sei seine Vorstandsmitgliedschaft nicht mehr notwendig gewesen. Am 24. September 1995 habe er sich ausschließlich zu Unterrichtszwecken in den Vereinsräumen aufgehalten. Zu dem Verantwortlichen des PKK-Gebietes München, A., habe er keinen persönlichen Kontakt gehabt. Er sei seit Jahren regelmäßig als Journalist für kurdische Zeitungen tätig. In dieser Funktion habe er sich selbstverständlich auch mit der PKK auseinandergesetzt und hierüber Fachliteratur für seine journalistische Tätigkeit gesammelt. Seine Anwesenheit bei verschiedenen nicht verbotenen Versammlungen seien ausschließlich auf seine Funktion als Journalist zurückzuführen. Nicht richtig sei, dass die Flüchtlingshilfe Kurdistan e.V. sich für die PKK einsetze; sie trete wie viele andere Organisationen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens lediglich für die Aufhebung des PKK-Verbotes ein.

Bestritten werde, dass der Kläger am 14. Juni 1998 in den Vereinsräumlichkeiten des Vereins für interkulturelle Zusammenarbeit an einer Versammlung teilgenommen habe, die durch ehemalige Verantwortliche der PKK-Region Bayern geleitet worden sei. Auch werde bestritten, dass der vorgenannte Verein ein Sammelbecken der PKK-Anhängerschaft aus dem Gebiet München sei. Der Kläger habe in seiner Funktion als Journalist am 27. Februar 1999 an einer Demonstration zum Thema "Freiheit für Öcalan" und an einer Veranstaltung am 19. Juni 1999 in Nürnberg teilgenommen.

Der Beklagte macht geltend, dass der Kläger nach Erkenntnissen des Bayer. Staatsministeriums des Innern am 14. Juni 1998, 27. Februar 1999 und 19. Juni 1999 im Kreise einer PKK-Anhängerschaft an politischen Veranstaltungen zu Gunsten von Öcalan teilgenommen habe.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. April 2000 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einbürgerung gem. §§ 8 und 9 des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Eine der "Wohlwollensklausel" genügende freiwillige und dauernde Hinwendung zu Deutschland sei nicht festzustellen. Der Kläger sei ein hochintelligenter kurdischer Volkszugehöriger, der sich unter großem persönlichen Einsatz für die kurdischen Interessen einsetze und dem seine gesamte Lebensführung untergeordnet habe. Dies belege der Sprachunterricht für Kinder in kurdischer Sprache zur Erhaltung ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit sowie die Mitgliedschaft bei kurdischen Vereinen, die teils als Unterstützungsvereine der PKK (Kurdischer Elternverein München) verboten worden seien, teils als solche in Verfassungsschutzberichten auftauchten (Flüchtlingshilfe Kurdistan Landshut, Verein für interkulturelle Zusammenarbeit München). Der Kläger habe ferner zahlreiche Artikel zu überwiegend kurdischen Themen in kurdischen bzw. türkischen Zeitungen geschrieben und sei im Großraum München für sein Engagement in dieser Hinsicht bekannt. Ferner habe er an zahlreichen Kundgebungen auch zu Gunsten des Führers der PKK, Öcalan, teilgenommen. Offen bleibe, ob dieses Engagement eine Intensität erreicht habe, die erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtige. Die Aktivitäten zeigten jedoch, dass eine Hinwendung des Klägers zu Deutschland im außerfamiliären Bereich jedenfalls derzeit nicht in ausreichendem Maße stattgefunden habe. Nachdem auch seine Ehefrau sich den Einsatz für die kurdischen Interessen zueigen gemacht habe, entfalle der gesetzliche Zweck des § 9 StAG, die Vermeidung des Hineintragens von Loyalitätskonflikten auf Grund verschiedener Nationalitäten in eine Ehe. Wenn der Kläger seit einigen Monaten im Zusammenhang mit einer beruflichen Umorientierung nicht mehr allein die Kurdenfrage als Lebensmittelpunkt zu begreifen scheine, möge dies auf eine beginnende Hinwendung zu Deutschland schließen lassen. Dieser Prozess sei aber derzeit noch nicht so weit fortgeschritten, dass die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nach §§ 8, 9 StAG bejaht werden könnten.

Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Seine Tätigkeit als Sozialpädagoge, Schul- und Bildungsberater bei der öffentlichen Hand belege seine vollständige berufliche Integration. Er sei Mitarbeiter des Internationalen Beratungszentrums und fest angestellt beim Kreisjugendring Münchner Land im Projekt "Junge Ausländer". Für kurdische/türkische Medien sei er nicht mehr journalistisch tätig geworden. Die ihm vorgehaltene, strafrechtlich irrelevante Durchführung von Sprachunterricht in den Räumen des kurdischen Elternvereins und seine Vorstandsmitgliedschaft lägen mittlerweile mehr als fünf Jahre zurück. Ereignisse aus der nahen Vergangenheit, die die Beeinträchtigung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland belegen könnten, lägen nicht vor. Der Kläger und seine Ehefrau hätten mittlerweile ein Kind bekommen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 12. April 2000 sowie die Bescheide der Regierung von Niederbayern vom 11. November 1998 und 17. Februar 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen,

hilfsweise nach Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die noch bis in die jüngste Vergangenheit reichenden politischen Aktivitäten des Klägers für die PKK erlaubten in der Zusammenschau mit den in den Bescheiden genannten Ereignissen nicht die Annahme, das seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse für die Zukunft gesichert sei. Die Belange der Bundesrepublik Deutschland würden nach wie vor durch seine politischen Aktivitäten erheblich beeinträchtigt. Der Kläger habe zumeist in dem Presseorgan "Özgur Politika" veröffentlicht, das als Propagandainstrument der PKK anzusehen sei. Er sei bis 9. Februar 1998 Mitglied des Vereins für Interkulturelle Zusammenarbeit gewesen, einem Sammelbecken der PKK-Anhängerschaft in München. Am 19. Oktober 1999 habe er auf einer DKP-Veranstaltung zum Thema "Perspektiven für Kurdistan? Die Einstellung des bewaffneten Kampfes der PKK und die aktuelle Lage in der Türkei" referiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung gem. § 9 Abs. 1 StAG.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Zuwanderungsgesetz vom 20. Juni 2002 für nichtig erklärt hat (BVerfG vom 18.12.2002, BGBl. I 2003 S. 126), ist vorliegend § 9 StAG i.d.F. des Gesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266) anzuwenden. Danach sollen u.a. Ehegatten Deutscher unter den Voraussetzungen des § 8 eingebürgert werden, wenn

1. sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit verlieren oder aufgeben oder ein Grund für die Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach Maßgabe von § 87 des Ausländergesetzes nicht vorliegt und

2. gewährleistet ist, dass sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnen, es sei denn, dass der Einbürgerung erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere solche der äußeren oder inneren Sicherheit sowie der zwischenstaatlichen Beziehungen entgegenstehen.

a) Das Verwaltungsgericht hat die Einordnung des Klägers in die deutschen Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt seiner Entscheidung (noch) verneint. Ob alle dafür angeführten Kriterien dem § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG entsprechen, kann dahinstehen, denn jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehen an einer ausreichenden Integration des Klägers in die deutschen Lebensverhältnisse keine Zweifel. Durch seinen rechtmäßigen Aufenthalt von neuneinhalb Jahren im Bundesgebiet, die hinreichenden deutschen Sprachkenntnisse, von denen sich der Senat in der mündlichen Verhandlung zu überzeugen vermochte, sowie die feste berufliche Anstellung beim Kreisjugendring Münchner Land erfüllt der Kläger die grundlegenden Integrationsanforderungen dieser Vorschrift (vgl. dazu BVerwGE 79, 94/96 ff.). Die Geburt eines gemeinsamen ehelichen Kindes deutscher Staatsangehörigkeit hat seine Bindungen an Deutschland weiter gefestigt. Damit liegen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG vor. Ob der Einbürgerung eventuelle frühere politischen Aktivitäten des Klägers entgegenstehen, ist keine Frage der in dieser Vorschrift geregelten Integrationsvoraussetzungen.

b) Auch die Mindestanforderungen des § 8 Abs. 1 StAG sind gegeben. In der Person des Klägers liegt insbesondere kein Ausweisungsgrund im Sinne der §§ 47 Abs. 2 Nr. 4, 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG (i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus - Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 9.1.2002, BGBl. I S. 361) vor. Danach kommt eine Einbürgerung nicht in Betracht, wenn der Betroffene die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zu Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder wenn Tatsachen belegen, dass er einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Davon kann hinsichtlich der Person des Klägers zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt keine Rede sein.

Dieser Ausschlussgrund verlangt die gegenwärtige Erfüllung zumindest eines der genannten Tatbestandsmerkmale. Nachdem die dem Kläger entgegengehaltenen Aktivitäten allenfalls unter die letzte Variante der Vorschrift zu subsumieren wären, fordert das Gesetz dafür den Beleg durch Tatsachen, die die volle richterliche Überzeugungsgewissheit für das Vorliegen einer derartigen Unterstützungshandlung begründen. Der Beklagte hat diesbezüglich keine einschlägigen aktuellen Erkenntnisse vorgetragen, sondern problematisiert die seines Erachtens früher vorliegende Nähe des Klägers zu PKK-nahen Organisationen und stellt eine - bereits zum jetzigen Zeitpunkt - hinreichend belegte Abwendung des Klägers davon in Frage. Selbst wenn man der Einschätzung des Beklagten folgt und die einmonatige Vorstandsmitgliedschaft des Klägers im Kurdischen Elternverein im Jahr 1995 und die Mitgliedschaft im Verein für interkulturelle Zusammenarbeit bis Ende 1998 nicht (allein) durch die Sprachvermittlung motiviert ansieht sowie den Besitz von Propagandamaterial der PKK im November 1995 und die (versuchte) Teilnahme an vier Demonstrationen zwischen 1996 und 1999 nicht (allein) auf journalistische Gründe zurückführt, und daraus eine Nähe zu PKK-nahen Organisationen herleitet, kann damit angesichts der verstrichenen Zeit eine aktuelle Unterstützungshandlung i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG nicht begründet werden.

c) Der Beklagte ist der Auffassung, dass die früheren politischen Aktivitäten des Klägers zumindest seiner Einbürgerung entgegenstehende erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland i.S. des § 9 Abs. 1 2. Hs. StAG begründen. Es sei fraglich, ob von der - seiner Einschätzung nach - zuvor gegebene Nähe des Klägers zu PKK-nahen Organisationen eine hinreichend belegte Abwendung schon jetzt festgestellt werden könne. Dem folgt der erkennende Senat nicht. Ob die festgestellten früheren Aktivitäten des Klägers damals erhebliche Belange der äußeren oder inneren Sicherheit im Sinne der genannten Ausschlussklausel tangiert haben, kann hier dahinstehen, da jedenfalls die qualitative Schwelle der Erheblichkeit jetzt nicht (mehr) erreicht wird.

§ 9 Abs. 1 2. Hs. StAG benennt als im Rahmen der Entscheidung über eine Einbürgerung selbstverständlich relevant die Belange der äußeren und inneren Sicherheit. Auch diese Belange müssen indes erheblich sein, um den grundsätzlichen Einbürgerungsanspruch des mit einer deutschen Staatsangehörigen verheirateten Bewerbers auszuschließen (BVerwGE 77, 164 LS 2). Erheblich sind solche Belange, die nach den konkreten Gegebenheiten des Falles ein deutliches Übergewicht haben gegenüber dem in dieser Vorschrift gesetzlich anerkannten Interesse an einer einheitlichen Staatsangehörigkeit in Ehe und Familie (BVerwG a.a.O.). Die gebotene Abwägung ist nicht lediglich nach abstrakten Merkmalen vorzunehmen, sondern nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles, wobei der einschlägige Belang in seiner jeweiligen konkreten Erscheinung zu berücksichtigen ist (BVerwGE 77, 164/170).

Sicherheitsbelange genießen hohes Gewicht. Das folgt mit Blick auf die äußere Sicherheit aus dem Selbstschutz des Staates und seiner autonomen Definitionsbefugnis hinsichtlich der von ihm im Rahmen des Völkerrechts verfolgten auswärtigen Belange. Die innere Sicherheit legitimiert sich aus dem mit dem staatlichen Gewaltmonopol korrespondierenden Staatszweck und der Staatsaufgabe der Sicherheitsgewährleistung für seine Bürger. Im Lichte der Terrorismusbekämpfung haben sich die Maßstäbe in den letzten Jahren deutlich verschärft. Der Gesetzgeber hat mit § 86 Nr. 2 AuslG (i.d.F. des Gesetzes vom 15.7.1999, BGBl. I S. 1618) die Ausschlussgründe im Rahmen der Anspruchseinbürgerung nach dem Ausländergesetz ins Vorfeld verlegt. Angesichts der Nachweisprobleme gegenüber vielfach verkappt agierenden Aktivisten sollte unter Senkung der Nachweisschwelle "die Einbürgerung von PKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn entsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden können." (BT-Drs 14/533 S. 18 f.). Ein Einbürgerungsanspruch nach § 85 AuslG besteht daher gemäß § 86 Nr. 2 AuslG nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Einbürgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Einbürgerungsbewerber macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.

Bei der Bewertung der Erheblichkeit der einer Einbürgerung entgegenstehenden Belange der äußeren oder inneren Sicherheit i.S. des § 9 Abs. 1 2. Hs. StAG als offenem, dynamisch angelegtem Maßstab kann diese gesetzgeberische Entscheidung für eine Absenkung der Nachweisschwelle nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Freilich bedeutet das nicht eine undifferenzierte Übernahme des gesamten Ausschlussgrundes oder aller darin enthaltenen materiellen Wertungen. Eine derartige Pauschallösung wäre angesichts der unterschiedlichen teleologischen Hintergründe der Einbürgerungsgrundlagen des § 85 AuslG und § 9 StAG wenig überzeugend: Während § 85 AuslG ganz allgemein der Integration langjährig im Bundesgebiet lebender Ausländer dient (vgl. Berlit in: GK-StAR, § 85 Rdnr. 23 f.), schützt § 9 StAG das Interesse an einer einheitlichen Staatsangehörigkeit der Familie und privilegiert u.a. Ehegatten Deutscher als Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG (BVerwGE 64, 7/12; 77, 164/167 f.; 79, 94/98).

Unter Berücksichtigung dieser unterschiedlichen legislatorischen Motive und ihrer nur im letztgenannten Fall greifenden Fundierung durch Art. 6 Abs. 1 GG als wertentscheidender Grundsatznorm kann das in § 86 Nr. 2 AuslG enthaltene Modell der Anknüpfung an früheren Aktivitäten des Bewerbers mit der Zäsur durch eine Abwendung auch im Rahmen des § 9 Abs. 1 2. Hs. StAG als Hilfsmaßstab fruchtbar gemacht werden: Im Regelfall dürften nach § 86 Nr. 2 AuslG irrelevant gewordene frühere Unterstützungshandlungen kaum als erhebliche, einer Einbürgerung nach § 9 Abs. 1 2. Hs. StAG entgegenstehende Belange anzusehen sein. Jedenfalls in dieser Richtung - ohne Bindung auch für den Umkehrschluss - erscheint eine Parallelisierung der gesetzlichen Wertungen gerechtfertigt.

Würdigt man die dem Kläger seitens des Beklagten entgegengehaltenen Aktivitäten in Ansehung dieses Hilfsmaßstabs, braucht nicht mehr entschieden zu werden, ob der Kläger damals sicherheitsrelevante Bestrebungen unterstützt hat. Dem Beklagten ist zuzugeben, dass das Gesamtbild auf den ersten Blick durchaus tatsächliche Anhaltspunkte für eine Verortung des Klägers im Umfeld PKK-naher Organisationen bot. Allerdings hat sich der Beklagte mit durchaus nachvollziehbaren und schlüssigen Einlassungen des Klägers nicht differenziert auseinandergesetzt. So erscheint z.B. der Schluss allein von dem Veröffentlichungsforum einer Publikation ohne Berücksichtigung ihres Inhalts angesichts der komplizierten Abgrenzung zwischen der Unterstützung der inkriminierten Ziele der PKK und des legitimen Einsatzes eines Ausländers für die kurdische Autonomie zumindest in kultureller Hinsicht nur schwerlich tragbar. Dies belegt das dem Kläger vorgehaltene Referat bei der DKP mit dem Titel "Perspektiven für Kurdistan?", in dem der Referent sich - nach Wiedergabe in dem vom Beklagten vorgelegten Rundbrief der DKP München vom November 1999 - für eine friedliche Entwicklung einschließlich der "Eigeninitiative der Menschen im Sinne Mahatma Gandhis" ausgesprochen hat. Das alles kann aber letztlich dahinstehen. Selbst wenn die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten Ausdruck einer mit der PKK sympathisierenden Gesinnung gewesen sein sollten, hat er glaubhaft gemacht, sich davon abgewandt zu haben.

Abwenden verlangt mehr als ein bloß äußeres - zeitweiliges oder situationsbedingtes - Unterlassen und setzt einen individuellen oder mitgetragenen kollektiven Lernprozess voraus, aufgrund dessen angenommen werden kann, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig die Verfolgung oder Unterstützung inkriminierter Bestrebungen - auch in Ansehung der durch die Einbürgerung erworbenen Rechtsposition - auszuschließen ist (Berlit a.a.O. § 86 AuslG RdNr. 143 ff.). Auch der Beklagte geht nicht davon aus, dass der Kläger als in die Hierarchie eingebundener Funktionär der PKK anzusehen war. Mit Blick auf seine - selbst bei Zugrundelegung der Einschätzung des Beklagten - Stellung als Randfigur, das abnehmende Gewicht seiner Aktivitäten und die verstrichene Zeit manifestiert sich in der Ablösung von der Fixierung auf den türkisch-kurdischen Konfliktherd hin zu einem integrationspolitischen Interesse in Deutschland und der damit einhergehenden gewandelten politischen Einstellung eine Abkehr von der ihm bislang seitens des Beklagten vorgehaltenen Überzeugung. Diese Abwendung hat der Kläger durch die gewachsene Beherrschung der deutschen Sprache als Vorbedingung seines stärkeren beruflichen und gesellschaftlichen Engagements in Deutschland auch plausibel erklärt.

In der Gesamtschau überwiegt daher das in § 9 StAG gesetzlich anerkannte Interesse an der einheitlichen Staatsangehörigkeit in der Familie des Klägers die allenfalls noch verbleibenden Reste der seitens des Beklagten reklamierten Sicherheitsbelange. Diese erweisen sich infolge des Zeitablaufs keinesfalls (mehr) als ausreichend gewichtig, um der Einbürgerung des Klägers entgegenstehen zu können.

d) Ein atypischer Ausnahmefall liegt nicht vor, so dass § 9 Abs. 1 StAG dem Kläger prinzipiell einen Einbürgerungsanspruch zu vermitteln vermag (vgl. BVerwG vom 16.5.1983 DVBl. 1983, 1002/1004 m.w.N.). Nachdem der Kläger nach wie vor zur Aufgabe seiner türkischen Staatsangehörigkeit bereit ist und ein Grund für die Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach Maßgabe von § 87 AuslG nicht vorliegt (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 StAG), war der Beklagte antragsgemäß zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung zu verpflichten (vgl. BVerwG vom 31.3.1987, NJW 1987, 2180 f.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 8.180,00 Euro (entspricht 16.000,00 DM) festgesetzt (§ 13 Abs.1, § 14 i.V.m. § 73 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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