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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: 5 B 02.1224
Rechtsgebiete: GG, BVFG, StAG


Vorschriften:

GG Art. 116
BVFG § 4 Abs. 3 Satz 2
BVFG § 15
BVFG § 26
BVFG § 27
BVFG § 100 Abs. 5
StAG § 40a
Die vertriebenenrechtlichen Vorschriften zur Aufnahme der Abkömmlinge von Spätaussiedlern (§§ 4 Abs. 3 Satz 2, 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG Fassung 1993) stellen eine abschließende anderweitige Regelung i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG dar mit der Folge, dass Abkömmlinge von Aussiedlern ohne eigene deutsche Volkszugehörigkeit seit 1. Januar 1993 keine Aufnahme mehr finden können.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

5 B 02.1224

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Feststellung der Eigenschaft als Deutsche i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG;

hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. März 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz,

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28. Juli 2004 am 29. Juli 2004 folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger, Vater und Tochter, begehren die Feststellung, Deutsche i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG zu sein. Der Kläger ist am 22. November 1957 im Gebiet von Nowosibirsk geboren, seine Tochter am 15. August 1981 in Kasachstan. Laut Bescheinigung des Konsulats der Republik Kasachstan in Düsseldorf vom 15. Mai 2000 besitzen die Kläger nicht die kasachische Staatsbürgerschaft; ungeklärt ist, ob sie russische Staatsangehörige sind.

Die Mutter des Klägers bzw. Großmutter der Klägerin reiste am 27. Juli 1992 mit einem am 17. Januar 1992 ausgestellten Aufnahmebescheid als Aussiedlerin nach Deutschland ein und erhielt am 27. Dezember 1994 einen Vertriebenenausweis.

Das Bundesverwaltungsamt erteilte dem Kläger am 16. September 1996 einen Aufnahmebescheid, in den die Klägerin als Abkömmling einbezogen ist. Daraufhin reisten die Kläger am 13. Dezember 1996 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 19. Dezember 1996 erteilte ihnen eine Außenstelle des Bundesverwaltungsamts einen Registrierschein.

Mit Bescheid vom 19. November 1998 lehnte das Zentrale Ausgleichsamt Bayern beim Landratsamt Fürth - Außenstelle Augsburg - den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Bescheinigung für Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 BVFG und den Antrag der Klägerin auf Ausstellung einer Bescheinigung für Abkömmlinge eines Spätaussiedlers nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BVFG ab. Dieser Bescheid ist bestandskräftig.

Am 8. Februar 2000 beantragten die Kläger die Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Kläger seien mit der Erteilung des Registrierscheins sowohl als Spätaussiedler als auch als Abkömmlinge eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit aufgenommen worden. Mit Schreiben vom 20. März 2000 lehnte die Beklagte das Begehren ab, da die Registrierung ausschließlich im Vollzug des zuvor erteilten Aufnahmebescheids unter Annahme der eigenen Spätaussiedlereigenschaft erfolgt sei. Eine "Aufnahme als Abkömmling eines Vertriebenen" liege nicht vor, was sich bereits durch die Änderung des Bundesvertriebenengesetzes zum 1. Januar 1993 mit der den Art. 116 Abs. 1 GG einschränkenden anderweitigen gesetzlichen Aufnahmeregelung erkläre. Des weiteren sei die bestandskräftige Ablehnungsentscheidung des Ausgleichsamts verbindlich.

Die auf Feststellung der Statusdeutscheneigenschaft gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. März 2002 ab. Unter welchen Voraussetzungen eine Person i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG Aufnahme gefunden habe, bestimme sich seit Inkrafttreten der geänderten Fassung des Bundesvertriebenengesetzes am 1. Januar 1993 abschließend nach den Bestimmungen dieses Gesetzes; das habe auch für Angehörige dieser Personen zu gelten. Wenn § 4 Abs. 3 Satz 1 BVFG eine abschließende Regelung für den Erwerb des Deutschen-Status darstelle, so könne für § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG nichts anderes gelten. Die Kläger erfüllten jedoch nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG, denn sie seien nicht Abkömmlinge eines Spätaussiedlers im Sinne dieser Bestimmung. Die Mutter bzw. Großmutter väterlicherseits sei nicht Spätaussiedlerin, sondern Aussiedlerin nach altem Recht. Demnach sei der Erwerb der Statusdeutscheneigenschaft für die Kläger ausgeschlossen.

Dagegen richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung. Zur Begründung führt die Klägerseite im wesentlichen aus, dass die erfolgte Aufnahme der Kläger auf der Grundlage von § 27 BVFG sowie deren Registrierung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als umfassende Aufnahme unter allen rechtlichen Gesichtspunkten anzusehen sei. Darüber hinaus habe die Beklagte auf einem Formular am 23. September 1996 bestätigt, dass die Kläger sich gem. § 23 AuslG im Bundesgebiet aufhalten dürften (Wysow); auch darin liege ein Aufnahmeakt. Schließlich ergebe sich aus der Regelung des § 100 Abs. 5 BVFG, dass die Kläger nicht nur Abkömmlinge einer Vertriebenen, sondern zugleich auch einer Spätaussiedlerin seien.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und festzustellen, dass die Kläger Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG sei auf den Kläger nicht anwendbar, da dieser nicht Abkömmling einer Spätaussiedlerin, sondern einer Aussiedlerin sei. Seine zuvor eingereiste Mutter sei Vertriebene i.S. der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Rechtslage.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag, unterstützt aber die Auffassung der Beklagten. Für die Kläger komme die Annahme der Statusdeutscheneigenschaft nach Art. 116 Abs. 1 GG seit Inkrafttreten der durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz geänderten Fassung des BVFG zum 1. Januar 1993 nicht in Betracht, weil sie nicht Angehörige einer Spätaussiedlerin, sondern einer Aussiedlerin nach altem Recht seien.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2003 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag auf nachträgliche Einbeziehung des Klägers in den Aufnahmebescheid seiner Mutter gem. § 27 Abs. 2 BVFG ab.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenaktenakten (Staatsangehörigkeitsakt, Ausländerakte, Vertriebenenakte der Kläger sowie der Mutter des Klägers) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Kläger keine Deutschen i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG sind.

Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist nach Art. 116 Abs. 1 GG vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat. Die Kläger sind keine deutschen Staatsangehörigen. Sie haben die deutsche Staatsangehörigkeit weder durch Geburt noch durch Einbürgerung erworben; denn auch § 40a Satz 1 StAG greift nicht zu ihren Gunsten, da sie am 1. August 1999 keine Statusdeutschen waren.

1.1 Aus eigenem Recht vermag sich der Kläger nicht auf die Statusdeutscheneigenschaft zu berufen. Er ist kein deutscher Volkszugehöriger; das steht für das Gericht gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 BVFG nach bestandskräftiger Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer entsprechenden Bescheinigung mit Bescheid vom 19. November 1998 verbindlich fest (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2001 - 1 C 26.00, BVerwGE 114, 332/337 ff.).

1.2 Der Kläger hat den geltend gemachten Status aber auch weder durch Geburt (gem. § 4 Abs. 1 RuStAG analog) noch später als Abkömmling durch abgeleiteten Erwerb erlangt. Zwar ist er mit einem Aufnahmebescheid als prinzipiell geeignetem Aufnahmeakt eingereist und seine Mutter ist Vertriebene gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG (Aussiedlerin). Nach der seit 1. Januar 1993 geltenden Bestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG als abschließender anderweitiger Regelung des Aufnahmefindens für Abkömmlinge i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG scheidet sie jedoch als Anknüpfungspunkt für einen abgeleiteten Erwerb der Statusdeutscheneigenschaft als Stammberechtigte aus; denn sie ist nicht Spätaussiedlerin (§ 4 BVFG). Dazu hat der Senat erwogen:

1.2.1 Nachdem die Einreise des Klägers in das Bundesgebiet aufgrund des Aufnahmebescheids vom 16. September 1996 im Dezember 1996 erfolgte, bestimmt sich das Aufnahmefinden anhand der durch Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes (vom 21.12.1992, BGBl. I S. 2094) ab 1. Januar 1993 geltenden §§ 4, 26 ff. BVFG als "anderweitiger gesetzlicher Regelung" i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG. Personen ohne eigene deutsche Volkszugehörigkeit können danach als Abkömmlinge eines Vertriebenen nur noch Aufnahme finden, wenn sie Abkömmlinge eines Spätaussiedlers im Sinne des § 4 Abs. 1 oder 2 BVFG als Stammberechtigtem sind (§ 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG). Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes in der seit 1. Januar 1993 geltenden Fassung stellen insoweit die gemäß Art. 116 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber vorbehaltene abschließende gesetzliche Regelung für den Erwerb des Deutschen-Status dar (BVerwG, U.v. 20.4.2004 - 1 C 3.03, UA S. 4; zuvor für Abkömmlinge noch offen gelassen im U.v. 19.6.2001 - 1 C 26.00, BVerwGE 114, 332/335). Demzufolge ist eine Aufnahme als Abkömmling ohne eigene deutsche Volkszugehörigkeit nur noch im Wege der Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid eines (zukünftigen) Spätaussiedlers möglich (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG).

Die seit 1. Januar 1993 geltenden Bestimmungen des Bundesvertriebenengesetzes (§§ 4 Abs. 3 Satz 2, 26 ff. BVFG) erweisen sich auch in intertemporaler Hinsicht als abschließende Regelung des Aufnahmefindens für Abkömmlinge i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG, wenn diese nach dem genannten Zeitpunkt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Der erkennende Senat folgt insoweit der Auffassung des VGH Mannheim (U.v. 26.6.2001 - 13 S 2555/99, EZAR 280 Nr. 9), wonach dem Kriegsfolgenbereinigungsgesetz eine auf Kontingentierung, Kanalisierung und zahlenmäßige Beschränkung des Zuzugs von Aussiedlungswilligen ausgerichtete geschlossene Konzeption zugrunde liegt. Für ein abgeschlossenes System der Möglichkeit des Aufnahmefindens allein durch Spätaussiedler und deren Angehörige sprechen insbesondere die ausschließlich auf diesen Personenkreis bezogenen belastenden und begünstigenden Regelungen im Bundesvertriebenengesetz sowie die Neuregelungen des Staatsangehörigkeitsrechts in §§ 7 und 40a StAG durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts (vom 15.7.1999, BGBl. I S. 1618). Wenn der Gesetzgeber bei der Verschaffung der deutschen Staatsangehörigkeit für Statusdeutsche sämtliche Formen des Aufnahmefindens, die vor dem 1. August 1999 bestanden, berücksichtigen wollte und trotzdem nur den Spätaussiedler, seinen nichtdeutschen Ehegatten und seine Abkömmlinge in den Blick genommen hat, belegt dieser Umstand die Geschlossenheit der seit 1. Januar 1993 geltenden gesetzliche Regelung für den Erwerb des Deutschen-Status auch für Abkömmlinge (VGH Mannheim vom 26.6.2001 a.a.O. S. 9 f.). Dafür spricht zudem, dass im Rahmen des Kriegfolgenbereinigungsgesetzes die frühere Vorschrift des § 94 BVFG a.F. über die Familienzusammenführung bewusst als entbehrlich angesehen und aufgehoben worden ist (vgl. BT-Drs 12/3212 S. 27): Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass der weitaus größte Teil der Angehörigen ohnehin selbst die Voraussetzungen für die Feststellung der Spätaussiedlereigenschaft erfüllt und es wegen der Möglichkeit, als Spätaussiedler im Rahmen des Verfahrens nach §§ 26 ff. BVFG Aufnahme zu finden, keiner weiteren Regelung bedarf. Für diejenigen Angehörigen, denen diese Möglichkeit etwa wegen der fehlenden deutschen Volkszugehörigkeit nicht offen steht, hat er dagegen das Interesse an einer Familienzusammenführung durch die ausländerrechtlichen Vorschriften über den Nachzug ausländischer Familienangehöriger von Deutschen (§ 23 AuslG) als ausreichend gewährleistet angesehen. Deshalb gilt § 94 BVFG a.F. auch nicht etwa wegen der Übergangsregelung in § 100 Abs. 1 BVFG für den unter §§ 1 bis 3 BVFG fallenden, früher begünstigten Personenkreis weiter (BVerwG, U.v. 5.12.2000 - 1 C 24.00, DVBl. 2001, 664). Vor diesem Hintergrund kann der Einwand nicht überzeugen, der Gesetzgeber habe die Gruppe der Ehegatten und Abkömmlinge von bereits vor dem Stichtag 1. Januar 1993 ausgesiedelten Vertriebenen lediglich übersehen. Vielmehr soll für diese Personen, sofern sie selbst keine deutschen Volkszugehörigen sind, ein Aufnahmefinden und damit der Erwerb der Statusdeutscheneigenschaft ab diesem Zeitpunkt ausgeschlossen sein.

Auch aus § 100 Abs. 5 BVFG ergibt sich nichts anderes, denn danach sind entgegen der Rechtsauffassung der Klägerseite nicht etwa alle Aussiedler (zugleich) als Spätaussiedler anzusehen. Diese Übergangsregelung betrifft vielmehr, wie sich aus der Zusammenschau mit § 100 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BVFG ergibt, nur Personen, die nach dem 1. Januar 1993 im Besitz eines davor erhaltenen Aufnahmebescheids in das Bundesgebiet eingereist sind und deren Vertriebenenverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Für diesen Personenkreis stellt der Gesetzgeber - trotz Erteilung des Aufnahmebescheids mit Blick auf § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG - nur noch die statusrechtliche Kategorie des Spätaussiedlers zur Verfügung; ein weiterer Beleg für die Abgeschlossenheit der mit dem Kriegsfolgenbereinigungsgesetz getroffenen Regelungen in intertemporaler Perspektive. Vertrauensschutz mit Blick auf den nach alter Rechtslage erteilten Aufnahmebescheid wird diesen Personen dadurch gewährt, dass zu ihren Gunsten bei der Feststellung ihrer Vertriebeneneigenschaft die beiden Prüfungsmaßstäbe des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG sowie des § 4 BVFG nebeneinander eröffnet sind (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.1999 - 5 C 1.99; OVG Koblenz, B.v. 15.11.2002 - 12 A 11500/02, juris m.w.N.). Die vor dem 1. Januar 1993 in die Bundesrepublik Deutschland eingereiste Mutter des Klägers ist daher ausschließlich Aussiedlerin gem. § 100 Abs. 2 Satz 1 BVFG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG; auf sie ist § 100 Abs. 5 BVFG nicht anwendbar.

Verfassungsrecht steht dieser abschließenden Interpretation der §§ 4 Abs. 3 Satz 2, 26 ff. BVFG mit Blick auf Abkömmlinge von Flüchtlingen und Vertriebenen nicht entgegen, denn die in Art. 116 Abs. 1 GG genannten Personen erwerben erst dann die Statusdeutscheneigenschaft, wenn sie Aufnahme gefunden haben. Die rein statusrechtliche Vorschrift des Art. 116 Abs. 1 GG gewährt selbst kein subjektives Recht auf Aufnahme (BVerwG, B.v. 20.1.1999 - 5 B 11.99, BA S. 2 m.w.N.); ob ein Aufnahmeanspruch besteht, richtet sich ausschließlich nach den jeweils geltenden einfachgesetzlichen Bestimmungen (BVerwG, B.v. 7.7.1998 - 9 B 1202.97, BA S. 4). Insbesondere ist dem Gesetzgeber eine Beschreibung der Vertriebenen und Flüchtlinge durch die Festlegung bestimmter Merkmale oder Stichtage für die Einreise in das Bundesgebiet gestattet (vgl. Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl., Art. 116 GG Rdnr. 13). Für den von der Klägerseite gerügten Verstoß gegen das Willkürverbot ist nichts ersichtlich.

1.2.2 Selbst auf der Grundlage der vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Auffassung der Klägerseite, die § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG in intertemporaler Hinsicht nicht als abschließende Regelung ansieht, sondern für Abkömmlinge von Aussiedlern den Rückgriff auf die verfassungsrechtliche Ausgangsregelung des Art. 116 Abs. 1 GG zulassen will, bliebe die Berufung des Klägers aus mehreren Gründen ohne Erfolg.

Aufnahme finden setzte nach der verfassungsrechtlichen Ausgangslage des Art. 116 Abs. 1 GG voraus, dass der Betroffene mit dem Zuzug einen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet erstrebt hat und aufgrund eines Tätigwerdens oder sonstigen Verhaltens der Behörden der Schluss berechtigt war, dass ihm die Aufnahme nicht verweigert wird (BVerwG, U.v. 21.10.1959 - V C 163.57, BVerwGE 9, 231/233; U.v. 24.6.1971 - I C 26.69, BVerwGE 38, 224/229; U.v. 12.5.1992 - 1 C 54.89, BVerwGE 90, 173/175). Aufnahme finden als Abkömmling forderte nach Wortlaut und Zweck des Art. 116 Abs. 1 GG darüber hinaus einen kausalen Zusammenhang zwischen der mit behördlicher Zustimmung erfolgten Aufenthaltsnahme des Abkömmlings im Hinblick auf den Aufenthalt der Bezugsperson im Bundesgebiet (BVerwG, U.v. 12.5.1992 a.a.O. S. 175 ff.). Dieser Zusammenhang war gegeben, wenn die familiäre Verbundenheit den wesentlichen Grund der Aufnahme bildete, sie also zur Wahrung der familiären Einheit erfolgte (BVerwG a.a.O.).

1.2.2.1 Der Kläger ist zwar mit einem Aufnahmebescheid in das Bundesgebiet eingereist, aber dieser vom Bundesverwaltungsamt mit Blick auf seine eigene deutsche Volkszugehörigkeit verfügte Aufnahmeakt genügt nicht dem objektiven Kausalitätserfordernis des Art. 116 Abs. 1 GG. Dieses erforderte über die subjektive Motivation der Wahrung der familiären Verbundenheit seitens des Betroffenen hinaus, dass die Aufnahme auch seitens der Behörde mit Blick auf die familiäre Einheit erfolgte (so auch VGH Mannheim, U.v. 4.3.1999 - 13 S 1228/96, juris Rdnr. 20). Die Gegenauffassung, die das Erfordernis der objektiven Kausalität des Aufnahmeakts ausblendet, weil die Abkömmlingseigenschaft von einem Aussiedler nicht Prüfungsgegenstand im Aufnahmeverfahren sei (vgl. OVG Münster, B.v. 20.6.2003 - 19 A 1592/02), vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Der auch von ihr geteilte Befund einer seit dem 1. Januar 1993 nicht mehr möglichen Aufnahme von Abkömmlingen, deren Bezugsperson keine Spätaussiedler sind, rechtfertigt nicht die Aufweichung der verfassungsrechtlichen Aufnahmevoraussetzungen in Art. 116 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat - wie bereits ausgeführt - mit der Aufhebung des § 94 BVFG (durch Art. 1 Nr. 32 KfBG) sehenden Auges in Kauf genommen, dass in Zukunft der Kreis der zuzugsberechtigten Abkömmlinge kleiner wird (BT-Drs. 12/3212 S. 27; vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2000 - 1 C 24.00, DVBl. 2001, 664/665 f.). Bedurfte es nach der verfassungsrechtlichen Ausgangslage gem. Art. 116 Abs. 1 GG für die Aufnahme der Kausalität auch hinsichtlich des Aufnahmeakts, hat der Kläger durch die Einreise mit dem ihm erteilten Aufnahmebescheid keine Aufnahme als Abkömmling gefunden.

Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2001 (Az. 5 C 10.01, NVwZ-RR 2002, 387) ergibt sich nichts anderes: Der in dieser Entscheidung enthaltene Rechtssatz, dass der Begriff des "Verlassens der Aussiedlungegebiete im Wege des Aufnahmeverfahrens" alle nach § 27 BVFG möglichen Verfahrensgestaltungen erfasse, bezieht sich explizit nur auf § 7 Abs. 2 BVFG und wird vom Bundesverwaltungsgericht dem Kausalitätserfordernis des Art. 116 Abs. 1 GG gerade als andere Regelung gegenübergestellt. Diese Entscheidung spricht daher nicht für, sondern gegen die Rechtsauffassung der Klägerseite.

Die mit Erteilung des Registrierscheins am 19. Dezember 1996 dokumentierte Einbeziehung in das Verteilungsverfahren nach dem Bundesvertriebenengesetz war kein tauglicher Aufnahmeakt i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG. Diese Bedeutung kam der Registrierung jedenfalls nach Einführung des Aufnahmeverfahrens i.S. der §§ 26 ff. BVFG nicht mehr zu (BVerwG, B.v. 29.4.1997 - 9 C 4.96, EZAR 270 Nr. 8). Darüber hinaus würde auch insoweit der erforderliche Kausalzusammenhang fehlen.

1.2.2.2 Schließlich bliebe die Berufung selbst dann ohne Erfolg, wenn man mit der Klägerseite für Abkömmlinge von Aussiedlern ein Aufnahmefinden i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG auch nach dem 1. Januar 1993 noch außerhalb des Verfahrens der §§ 26 ff. BVFG allein auf der Grundlage ausländerrechtlicher Entscheidungen für möglich halten wollte. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang angeführte Bescheinigung des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes (Anforderung = Wysow), die auf Betreiben der Mutter des Klägers für diesen von der Beklagten am 23. September 1996 abgestempelt und unterzeichnet worden ist (Staatsangehörigkeitsakte Bl. 67), wäre selbst nach früherer Rechtslage kein tauglicher Aufnahmeakt gewesen. Der Vordruck enthält verschiedene Varianten von eine Einreise in das Bundesgebiet legitimierenden Akten (Staatsangehörigkeitsfeststellung, Übernahmegenehmigung, Aufnahmebescheid, Einreise gem. § 23 AuslG) und wird vom Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes bereitgestellt, um den Behörden der früheren Sowjetunion im Rahmen des angestrebten Verlassens der Aussiedlungsgebiete vorgelegt zu werden. Eine derartige, vor der Einreise des Betroffenen erteilte Bestätigung einer deutschen Behörde zur Verwendung gegenüber einer ausländischen Stelle im Zusammenhang mit den nach dortigem Recht erforderlichen Ausreiseformalitäten stellt nicht einmal eine Zusicherung (Art. 38 BayVwVfG) eines Aufenthaltstitels für die darin bezeichnete Person dar und äußert für diese keine statusbegründende Wirkung.

2. Nachdem feststeht, dass der Kläger kein Statusdeutscher ist, muss auch die Berufung der Klägerin, seiner Tochter, ohne Erfolg bleiben. Darüber hinaus muss sich die Klägerin die Bindungswirkung des Bescheids vom 19. November 1998 entgegenhalten lassen, mit dem ihr Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung für Abkömmlinge eines Spätaussiedlers nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BVFG abgelehnt worden ist.

3. Nachdem die vertriebenenrechtlichen Vorschriften zur Aufnahme der Abkömmlinge von Spätaussiedlern (§§ 4 Abs. 3 Satz 2, 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG Fassung 1993) eine abschließende anderweitige Regelung i.S. des Art. 116 Abs. 1 GG darstellen mit der Folge, dass Abkömmlinge von Aussiedlern ohne eigene deutsche Volkszugehörigkeit seit 1. Juli 1993 keine Aufnahme mehr finden können, stellt sich die im Zulassungsbeschluss vom 5. August 2002 aufgeworfene Frage ihrer nachträglichen Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Vertriebenen nicht mehr.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 16.000,00 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung).



Ende der Entscheidung

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