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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 04.05.2005
Aktenzeichen: 5 B 03.1371
Rechtsgebiete: BayVwVfG, RuStAG, StAngRegG, EheG, StGB


Vorschriften:

BayVwVfG Art. 48
RuStAG § 8
RuStAG § 9
StAngRegG § 24
EheG § 20
StGB § 171
Zur Rücknahme einer Einbürgerung.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

5 B 03.1371

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Rücknahme einer Einbürgerung;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 25. Januar 1999,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 4. Mai 2005

am 4. Mai 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung.

1. Der 1964 in Pakistan geborene Kläger wurde im Alter von 12 oder 13 Jahren von seinem Vater nach islamischem Recht mit seiner Cousine B. verheiratet. Aus dieser Verbindung gingen drei Kinder hervor (geboren am 23.4.1978, 23.9.1979 und 18.7.1981). Während B. mit den Kindern in Pakistan blieb, reiste der Kläger im Juni 1981 nach Deutschland und beantragte ohne Erfolg die Anerkennung als Asylberechtigter. Nach Abschluss des Asylverfahrens wurde sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet zunächst geduldet. Im Dezember 1986 heiratete der Kläger die deutsche Staatsangehörige S.; ein gemeinsames Kind wurde 1987 geboren. Mit Blick auf die Eheschließung erhielt der Kläger am 16. Dezember 1986 eine Aufenthaltserlaubnis, die zunächst auf ein Jahr befristet war, mehrfach verlängert und schließlich am 5. Oktober 1990 unbefristet erteilt wurde.

Im November 1989 beantragte der Kläger beim Landratsamt Garmisch-Partenkirchen seine Einbürgerung. Im Antragsformular nannte er in der Rubrik "Ehegatte" Frau S. und kreuzte bei der Frage nach früheren Ehen die Antwort "Nein" an; in der Spalte für Kinder ("minderjährige und volljährige, eheliche und nichteheliche" auch "aus früherer Ehe") führte der Kläger lediglich seinen aus der Ehe mit Frau S. stammenden Sohn an. Auf der Grundlage des § 9 RuStAG wurde der Kläger von der Regierung von Oberbayern am 17. April 1991 eingebürgert. Die Behörden gingen davon aus, dass der Kläger seine bisherige Staatsangehörigkeit nach dem pakistanischen Staatsangehörigkeitsrecht mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verliert; ein Entlassungsverfahren hat nicht stattgefunden.

2. Nachdem die Ehe mit Frau S. geschieden worden war, heiratete der Kläger im November 1992 die deutsche Staatsangehörige U. Aus dieser Ehe ging ebenfalls ein Kind hervor. Als der Kläger im August 1994 von einer Reise nach Pakistan nicht zum angekündigten Termin zurückkehrte, brachte Frau U. in Erfahrung, dass er bereits seit langem in Pakistan verheiratet sei und mehrere Kinder habe. Auf ihren Antrag hin stellte das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen mit Urteil vom 16. Dezember 1994 die Nichtigkeit der zwischen ihr und dem Kläger geschlossenen Ehe fest. Im Urteil ist ausgeführt, dass der Kläger zugegeben habe, in Pakistan gültig verheiratet und auch heute noch nicht geschieden zu sein. Auf Veranlassung von Frau U. informierte die Deutsche Botschaft in Islamabad das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen über die Familienverhältnisse des Klägers in Pakistan. Das Landratsamt wiederum legte den Vorgang am 24. Juli 1995 der Regierung von Oberbayern mit der Bitte um Prüfung vor, ob die Einbürgerung des Klägers zurückgenommen werden könne.

Der Kläger ließ auf seine Anhörung hin unter dem 14. August 1995 vortragen, dass er im Alter von 12 oder 13 Jahren auf Veranlassung seiner Eltern entsprechend islamischen Gepflogenheiten verheiratet worden sei und aus dieser Ehe drei Kinder stammten. Nach einer Ehedauer von vier bis fünf Jahren sei er im Alter von 17 Jahren nach Deutschland gereist. Die pakistanische Ehe habe er im Einvernehmen mit seiner Ehefrau für aufgehoben erklärt, ohne das allerdings in Pakistan rechtlich abzusichern. Für ihn sei die Ehe mit seiner Übersiedlung nach Deutschland beendet gewesen. Seitdem habe er Pakistan nur dreimal besucht und sich dort mit seinen Kindern getroffen, aber keinen ehelichen Kontakt mehr mit seiner pakistanischen Ehefrau aufgenommen. Er, der Kläger, habe zwar bei seiner ersten Eheschließung in Deutschland (1986) gewusst, dass er nach islamischem Recht noch formell verheiratet sei, aber geglaubt, diese Kinderehe sei nach deutschem Recht nicht wirksam. Deshalb habe er sie bei den deutschen Behörden auch nicht erwähnt.

Die Regierung von Oberbayern gab den Vorgang mit der Bitte um Stellungnahme an das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen ab. Dieses holte bei der Deutschen Botschaft in Islamabad eine Auskunft zum Vorbringen des Klägers ein. Mit Schreiben vom 28. Februar 1996 teilte die Botschaft mit, dass die Eheschließung in Pakistan rechtswirksam gewesen sei; eine Kinderehe sei nach pakistanischem Recht zwar strafbar, aber nicht ungültig. Weiter vertrat sie die Ansicht, dass das klägerische Vorbringen nur als Versuch gewertet werden könne, die offensichtlichen Falschangaben im Einbürgerungsverfahren zu relativieren. Das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen legte das Schreiben der Botschaft zusammen mit der Einbürgerungsakte unter dem 23. Juli 1996 erneut der Regierung von Oberbayern vor.

Der Kläger wurde durch Urteil des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 18. Juli 1996 wegen Doppelehe (§ 171 StGB a.F.) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Seine Berufung gegen diese Entscheidung nahm er zurück.

2. Mit Bescheid vom 1. Oktober 1996 nahm die Regierung von Oberbayern nach Art. 48 BayVwVfG die Einbürgerung zurück. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und legte ein Schreiben eines pakistanischen Rechtsanwaltes vor, wonach die Eheschließung in Pakistan im Kindesalter nicht gesetzmäßig gewesen sei. Die Regierung von Oberbayern holte daraufhin bei der Deutschen Botschaft in Islamabad eine weitere Auskunft (vom 8.4.1997) ein. Sie erhielt ferner zur Frage der Wirksamkeit der Eheschließung mit B. ein Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht vom 28. Februar 1997, das im strafrechtlichen Berufungsverfahren erstellt worden war. Beide Stellungnahmen gelangten zu dem Ergebnis, dass die Ehe nach pakistanischem Recht gültig und die Auskunft des pakistanischen Rechtsanwaltes falsch sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 1997 wies die Regierung von Oberbayern daraufhin den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Der Kläger sei in Deutschland eine unter Strafe stehende Doppelehe eingegangen. In seinem Antrag auf Einbürgerung habe er verschwiegen, dass er bereits in Pakistan wirksam geheiratet habe und diese Ehe bis heute wirksam sei. Im Ergebnis habe er die Staatsangehörigkeitsbehörden bewusst und arglistig getäuscht und sich dadurch die Ermessenseinbürgerung nach § 9 RuStAG erschlichen. Er könne nicht auf den Fortbestand der Einbürgerung vertrauen. Ansonsten wäre er besser gestellt als diejenigen, deren Einbürgerung auf Grund wahrheitsgemäßer Angaben abgelehnt werden müsse. Unter Abwägung dieser Gründe sei die Einbürgerung zurückzunehmen.

3. Der Kläger hat Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und geltend gemacht, dass die Rücknahme der Einbürgerung nach Art. 48 BayVwVfG ausgeschlossen sei, zumal er sonst staatenlos würde. Im Übrigen sei seine Eheschließung in Pakistan nicht wirksam gewesen. Auch könne ihm kein arglistiges Erschleichen der Einbürgerung vorgeworfen werden, denn er sei stets davon ausgegangen, dass die in Pakistan nach moslemischem Recht geschlossene Kinderehe keine wirksame Ehe im Sinne der deutschen Rechtsvorschriften sei. Auch hätten sich seine angeblich unrichtigen Angaben nicht auf die Einbürgerung ausgewirkt, weil unabhängig davon die Einbürgerungsvoraussetzungen vorgelegen hätten; seine erste Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen sei nämlich lediglich geschieden, nicht aber für ungültig erklärt worden. Ferner habe die Regierung von Oberbayern bereits im Juli 1995 Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen gehabt, so dass die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG bei Erlass des Rücknahmebescheids abgelaufen gewesen sei. Schließlich leide die Rücknahmeentscheidung an einem Ermessensfehler, weil die besonderen Umstände der pakistanischen Kinderehe, sein Bemühen um Aufklärung und sein 16 Jahre dauernder unbescholtener Lebenswandel in Deutschland auch nicht ansatzweise berücksichtigt worden seien.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 1. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 26. Juni 1997 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Vertreter des Beklagten erklärt, dass bei der Abwägung der öffentlichen Interessen an der Zurücknahme der Einbürgerung und dem Interesse des Klägers an deren Beibehaltung noch Folgendes zu berücksichtigen sei: Die Falschangaben des Klägers bei seiner Einbürgerung zu den Fragen nach früheren Ehen und ehelichen oder nichtehelichen Kindern würden schwer wiegen. Es gehe nicht an, die Behörde in dieser Form zu täuschen, um in den Genuss einer Einbürgerung zu gelangen. Das öffentliche Interesse an der Rücknahme müsse hier den Vorrang haben. Insgesamt sei die Täuschung so gravierend, dass das private Interesse des Klägers als weniger gewichtig einzustufen sei. Der Kläger ist dem entgegen getreten und hat geltend gemacht, dass seine in Pakistan geschlossene Ehe mittlerweile durch Urteil vom 28. August 1995 geschieden worden sei.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. Januar 1999 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Art. 48 BayVwVfG sei anwendbar und trage die angefochtene Rücknahmeentscheidung. Die Einbürgerung des Klägers sei rechtswidrig gewesen, weil entgegen § 9 Abs. 1 Nr. 1 RuStAG nicht gewährleistet gewesen sei, dass der Kläger sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordne. Denn er sei bei seiner ersten Eheschließung in Deutschland wie bei seiner Einbürgerung bereits in Pakistan wirksam verheiratet gewesen. Der Kläger sei demnach in Deutschland eine unter Strafe stehende Doppelehe eingegangen. Die deutschen Lebensverhältnisse seien aber maßgeblich durch das Prinzip der Einehe geprägt. Dieses Prinzip wäre auch dann missachtet, wenn die Ehe des Klägers in Pakistan bereits bei Eingehen der Ehe in Deutschland endgültig gescheitert gewesen sein sollte. Der Kläger genieße keinen Vertrauensschutz, weil er seine Einbürgerung durch arglistige Täuschung erschlichen, jedenfalls aber durch Angaben erwirkt habe, die in wesentlicher Beziehung unrichtig und unvollständig gewesen seien. Selbst wenn er aus seiner Sicht die Frage nach früheren Ehen "zu Recht" verneint habe, hätte er zumindest seine drei pakistanischen Kinder angeben müssen. Die Täuschung oder die falschen Angaben seien kausal für die Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung gewesen. Der Rücknahmebescheid vom 1. Oktober 1996 könne selbst dann nicht an der Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG scheitern, wenn dem Kläger keine arglistige Täuschung vorzuwerfen sei. Denn es handle sich um eine Entscheidungsfrist, die erst dann zu laufen beginne, wenn die Behörde alle für eine Entscheidung über die Rücknahme relevanten Tatsachen kenne; das aber sei frühestens mit Erhalt der Stellungnahme der Deutschen Botschaft in Islamabad vom 28. Februar 1996 der Fall gewesen. Schließlich sei die Rücknahmeentscheidung auch ermessensgerecht. Zwar würden der Ausgangs- und der Widerspruchsbescheid nur sehr begrenzte Ermessenserwägungen enthalten, die sich hauptsächlich in generalpräventiven Ausführungen erschöpften. Jedoch habe der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nach § 114 Satz 2 VwGO hinreichende Ermessenserwägungen nachgeschoben und das Individualinteresse des Klägers in ausreichendem Umfang mit den öffentlichen Interessen abgewogen.

4. Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus, dass er seine Beziehung mit Frau U. auch nach der Nichtigerklärung ihrer Ehe aufrechterhalten habe und 1997 ein weiteres Kind geboren sei. Die Rücknahme der Einbürgerung widerspreche Art. 16 Abs. 1 GG, weil er dann staatenlos würde. Auch die Ausführungen im angefochtenen Urteil zu § 9 RuStAG könnten nicht überzeugen. Denn zum einen sei bereits fraglich, ob das Institut der Einehe die deutschen Lebensverhältnisse auch heute noch präge; zum anderen hätten sein unbescholtener Werdegang in Deutschland und seine geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt werden müssen. Die Regierung von Oberbayern habe ferner entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ihr Ermessen in fehlerhafter Weise ausgeübt. Sie habe nicht berücksichtigt, dass er, der Kläger, auf Anraten seines vormaligen anwaltlichen Vertreters bereits im Jahre 1995 das Scheidungsverfahren in Pakistan eingeleitet habe und seinen minderjährigen Kindern in Deutschland Unterhalt leiste. Die Ermessensfehler seien durch die abstrakten Erwägungen des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht geheilt worden. Diese Erklärung sei nach entsprechendem Hinweis des Verwaltungsgerichts mit dem erkennbaren Ziel abgegeben worden, das bisherige Ergebnis festzuschreiben.

Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 7. Juni 2002 auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet, um den Einbürgerungsbehörden Gelegenheit zur Prüfung zu geben, ob dem Kläger - für den Fall der Rücknahme der am 17. April 1991 vorgenommenen Einbürgerung - heute ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 85 AuslG (mittlerweile § 10 StAG) zustehen würde. Die Behörden sind zu der Auffassung gelangt, dass die dem Kläger ursprünglich erteilte und durch seine Einbürgerung erloschene Aufenthaltserlaubnis durch deren Rücknahme nicht wieder aufleben könne, unabhängig davon, ob die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit oder für die Zukunft erfolgt sei. Der Kläger müsse deshalb im Falle der Bestandskraft des Rücknahmebescheids zunächst einen rechtmäßigen Aufenthalt erwirken und sich dann zu gegebener Zeit erneut um eine Einbürgerung bemühen.

Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat der Beklagte auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass der Kläger im Falle einer Rücknahme seiner Einbürgerung nicht staatenlos würde. Zwar seien die Einbürgerungsbehörden 1991 mit Blick auf pakistanische Einbürgerungsbewerber allgemein noch vom automatischen Verlust der pakistanischen Staatsangehörigkeit mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband ausgegangen. Mittlerweile sei aber aufgrund einer Mitteilung des pakistanischen Außenministeriums bekannt, dass das pakistanische Recht bereits damals für den Verlust der pakistanischen Staatsangehörigkeit ein Verzichtsverfahren vorausgesetzt habe. Das aber habe der Kläger nicht durchgeführt. Der Kläger hält dem entgegen, dass die Verbindlichkeit dieser Aussage zum pakistanischen Recht zweifelhaft sei, und meint, dass die Einbürgerungsbehörde sich in jedem Fall mit der Frage der Staatenlosigkeit im Rahmen der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung hätte auseinandersetzen müssen.

Dem Senat haben die Ausländer- und Einbürgerungsakten des Landratsamtes Garmisch-Partenkirchen (drei Heftungen) und der Regierung von Oberbayern (eine Heftung) vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Unterlagen und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtene Rücknahme der Einbürgerung ist rechtmäßig und kann den Kläger deshalb auch nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Rücknahme der Einbürgerung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 48 BayVwVfG. Diese allgemeine Vorschrift des Verwaltungsverfahrensrechts ist mangels einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung im Staatsangehörigkeitsrecht zum Wegfall der Staatsangehörigkeit im Falle einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung jedenfalls dann anwendbar, wenn die Einbürgerung durch bewusste Täuschung erwirkt worden ist (BVerwG, U. vom 3.6. 2003 - 1 C 19.02 - BVerwGE 118, 216/218 ff. und vom 9.9.2003 - 1 C 6.03 - BVerwGE 119, 17/19 m.w.N.). Denn bei einer solchen "erschlichenen" Einbürgerung verlangt das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Verfassungsprinzip der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns eine Korrekturmöglichkeit. Der Rücknahme einer durch bewusste Täuschung erlangten Einbürgerung stehen weder das Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) noch grundsätzlich das Verbot des Verlusts der Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen beim Eintritt von Staatenlosigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG) entgegen.

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung, die Einbürgerung des Klägers zurückzunehmen, rechtmäßig.

a) Die Einbürgerung des Klägers war von Anfang an rechtswidrig.

Die Einbürgerung, durch die der Kläger am 17. April 1991 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, erfolgte mit Blick auf seine Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen S. auf der Grundlage des § 9 RuStAG und des § 8 RuStAG (in der bis 30.6.1993 geltenden Fassung). Danach sollen Ehegatten Deutscher eingebürgert werden, wenn sie - unter anderem - einen unbescholtenen Lebenswandel geführt haben (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG) und gewährleistet ist, dass sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG). An diesen gesetzlichen Voraussetzungen fehlte es im Zeitpunkt der Einbürgerung, weil der Kläger bei der Eheschließung mit Frau S. - wie auch bei seiner Einbürgerung und später, nach Scheidung der Ehe mit Frau S., bei der Eheschließung mit Frau U. - noch mit seiner in Pakistan verbliebenen Cousine B. wirksam verheiratet war und sich deshalb das Vergehen der Doppelehe (§ 171 StGB a.F., nunmehr § 172 StGB) vorhalten lassen musste.

Die Ehe mit Frau B. in Pakistan ist nach dem für die Beurteilung allein maßgeblichen pakistanischen Familienrecht wirksam geschlossen worden, obwohl der Kläger damals erst 12 oder 13 Jahre alt war und durch seinen Vater vertreten worden ist. Das hat das Verwaltungsgericht, wie zuvor bereits das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen sowohl im Ehenichtigkeitsverfahren auf Antrag der Frau U. (U.v. 16.12.1994 - 8 F 0280/94) als auch im Strafverfahren gegen den Kläger (U.v. 18.7.1996 - 3 Cs 43 Js 29154/95), zutreffend festgestellt. Aus den überzeugenden Auskünften der Deutschen Botschaft in Islamabad vom 28. Februar 1996 und 8. April 1997 sowie dem Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht vom 28. Februar 1997 ergibt sich eindeutig, dass das pakistanische Recht zwar Strafvorschriften zur Einschränkung von Kinderehen enthält, dass diese Vorschriften aber die Wirksamkeit solcher Ehen nicht berühren. Die Wirksamkeit einer Ehe bestimmt sich vielmehr wegen der Religionszugehörigkeit des Klägers ausschließlich nach dem nicht kodifizierten islamischen Recht. Dieses kennt kein Mindestalter für die Eheschließung. Die Ehemündigkeit tritt nach islamischem Recht mit der körperlichen Reife ein, die nach einer wichtigen Rechtsquelle bei Jungen bereits mit 12 Jahren erreicht ist, jedenfalls aber mit Vollendung des 15. Lebensjahres vermutet wird. Ein minderjähriges Kind kann von seinem Vater kraft der diesem zustehenden elterlichen Gewalt aber auch ohne Einwilligung verheiratet werden. In einem solchen Fall kann das Kind mit Erreichen der körperlichen Reife unter bestimmten Umständen über das Fortbestehen der Ehe selbst entscheiden, wobei die Beiwohnung ab Erreichen der Ehemündigkeit als Bestätigung der Ehe gewertet wird. Vor diesem Hintergrund muss die Eheschließung zwischen dem Kläger, vertreten durch seinen Vater, und seiner Cousine B. selbst dann als wirksam angesehen werden, wenn der Kläger damals noch nicht ehemündig gewesen sein sollte. Denn er selbst hat diese Ehe als gültig bestätigt, indem er seiner Frau (zumindest auch) noch mit über 15 Jahren beigewohnt hat, wie die Geburt seines (immerhin dritten) Kindes im Jahr 1981 belegt. Der Kläger, der die Richtigkeit dieser Auskünfte selbst nicht in Zweifel zieht, war demnach mit Frau B. bis zur Scheidung der Ehe im Jahr 1995 wirksam verheiratet.

Die Ehe, die der Kläger im Dezember 1986 in Deutschland mit Frau S. geschlossen hat, war demnach wegen Verstoßes gegen das Verbot der Doppelehe nichtig (§ 5 und § 20 Abs. 1 des bis 30.6.1998 geltenden Ehegesetzes - EheG). Dabei bleibt es ohne Bedeutung, dass der Kläger und seine pakistanische Ehefrau B. ihre Ehe mit dem Wegzug des Klägers nach Deutschland im Jahr 1981 seinem Vorbringen nach als beendet angesehen haben. Für die zivilrechtliche und strafrechtliche Beurteilung kommt es alleine darauf an, dass die Ehe mit B. rechtlich nicht aufgelöst worden war. Das aber ist, wie der Kläger selbst einräumt, erst im Jahr 1995 geschehen. Im Zeitpunkt seiner Einbürgerung war der Kläger trotz Eingehens einer verbotenen Doppelehe mit Frau S. dennoch "Ehegatte einer Deutschen" im Sinne von § 9 Abs. 1 RuStAG; denn diese Ehe musste im Einbürgerungsverfahren nach § 23 EheG als gültig angesehen werden, weil sie - anders als die spätere Ehe des Klägers mit Frau U. - nicht durch ein gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden war. Es fehlte jedoch an den Einbürgerungsvoraussetzungen des unbescholtenen Lebenswandels (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG) und der Gewährleistung des Einordnens in die deutschen Lebensverhältnisse (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG).

Die Einbürgerungsvoraussetzung, einen unbescholtenen Lebenswandel zu führen, erfüllt in der Regel nicht, wer eine Straftat begangen hat. Dabei kann einerseits eine einzelne Verfehlung, vor allem wenn sie längere Zeit zurück liegt und nicht besonders schwer ist, unberücksichtigt bleiben, wenn nur die für eine Einbürgerung zu fordernden "charakterlichen Mindestvoraussetzungen" gegeben sind; andererseits kann die Unbescholtenheit auch dann entfallen, wenn der Einbürgerungsbewerber nicht bestraft worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 2.12.1983 - 1 B 153.83 - NJW 1984, 1317 f. m.w.N.). Gemessen an diesem Maßstab muss für den Zeitpunkt der Einbürgerung (17.4.1991) die Unbescholtenheit des Klägers verneint werden, weil dieser im Dezember 1986 vorsätzlich die Straftat der Doppelehe (mit Frau S.) begangen hat. Diese Verfehlung ist zwar nicht Gegenstand der strafrechtlichen Verurteilung gewesen. Denn das Urteil des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 18. Juli 1996, durch das der Kläger wegen Doppelehe zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt wurde, betrifft nur die - nach der Einbürgerung und nach Scheidung der Ehe mit S. erfolgte - Eheschließung mit Frau U., während es mit Blick auf die Eheschließung mit Frau S. von einer Verfolgungsverjährung ausgeht. Die strafrichterliche Bewertung der späteren Eheschließung, die der Senat in vollem Umfang teilt, muss indes ohne Einschränkung auf die Eheschließung mit Frau S. übertragen werden. Der für den Kläger sprechende Umstand, dass es sich bei der Ehe in Pakistan um eine "Kinderehe" handelte, ändert nichts an dem Vorwurf, dass er im Erwachsenenalter und im Bewusstsein, in Pakistan zumindest noch formell gültig verheiratet zu sein, in Deutschland eine weitere Ehe in Widerspruch zur Rechtsordnung und unter Verschleierung seiner Familienverhältnisse geschlossen hat. Diese vorsätzliche Missachtung einer zentralen Vorschrift des deutschen Eherechts - wie auch der Interessen seines neuen Ehegatten - ist so gewichtig, dass sie die Unbescholtenheit des Klägers im Zeitpunkt seiner Einbürgerung hat entfallen lassen.

Zugleich war nicht hinreichend gewährleistet, dass der Kläger sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnet. Diese sind, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, geprägt durch das Prinzip der Einehe, so dass die Einbürgerungsvoraussetzung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG regelmäßig nicht erfüllt, wer eine Doppelehe führt (vgl. Marx, in: GK-StAR, RdNr. 64 zu § 9 StAG).

Mithin fehlte es an den gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung des Klägers im Ermessenswege, sei es nach der Sonderregelung des § 9 RuStAG für Ehegatten deutscher Staatsangehöriger, sei es nach der allgemeinen Bestimmung des § 8 RuStAG. Die Einbürgerungsbehörde hätte die begehrte Einbürgerung daher zwingend ablehnen müssen, ohne dass ihr bei der Entscheidung ein Ermessensspielraum eröffnet gewesen wäre.

b) Der Kläger hat seine von Anfang an rechtswidrige Einbürgerung durch bewusste Täuschung erlangt.

Der Kläger hat die Behörde dadurch über das Fehlen von Einbürgerungsvoraussetzungen bewusst getäuscht, dass er im Einbürgerungsantrag seine in Pakistan lebende Ehefrau B. verschwiegen und als Ehegatte nur Frau S. angegeben hat. Dabei war dem Kläger klar, dass seine Ehe mit B. nach wie vor gültig war. Das hat er später im Ehenichtigkeitsverfahren wie auch im Widerspruchsverfahren der Sache nach selbst eingeräumt. Dass im Antragsformular nicht unmittelbar nach einer - nach der deutschen Rechtsordnung verbotenen - Doppelehe gefragt war, ist unerheblich. Denn es versteht sich von selbst, dass der Einbürgerungsbehörde gegenüber bei der Frage nach "dem Ehegatten" erst recht die Existenz eines weiteren Ehegatten offen gelegt werden muss. Das Vorbringen des Klägers, er habe seine pakistanische "Kinderehe" deshalb nicht erwähnt, weil er sie nach deutschem Recht für unwirksam gehalten habe, kann nicht überzeugen. Zum einen bleibt unklar, weshalb er diese Ehe dann nicht wenigstens bei der Frage nach "früheren Ehen" oder zumindest in seinem Lebenslauf angegeben hat. Insbesondere aber erklärt das zum anderen nicht, dass der Kläger auch seine drei Kinder aus der Ehe mit B. verschwiegen hat. Auf die ausdrückliche Frage im Antragsformular nach allen "minderjährigen und volljährigen, ehelichen und nichtehelichen Kindern" auch "aus früherer Ehe" hat er nämlich nur das gemeinsame Kind mit Frau S. angegeben. Auch in dem vom Kläger vorgelegten Lebenslauf finden sich keine weitergehenden Angaben. Gerade aus diesem Umstand wird aber offenkundig, dass der Kläger entgegen der unglaubhaften Schutzbehauptung seine Familienverhältnisse in Pakistan der Einbürgerungsbehörde gegenüber gezielt und mit Täuschungswillen deshalb verschwiegen hat, um seine "problemlose" Einbürgerung als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen zu erreichen.

Der Kläger hat vor diesem Hintergrund seine Einbürgerung durch arglistige Täuschung im Sinne von Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG und durch in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben im Sinne von Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG erwirkt. Er kann sich deshalb nicht auf Vertrauen in den Fortbestand seiner Einbürgerung berufen.

c) Die Entscheidung der Regierung von Oberbayern, von der durch Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG eröffneten Möglichkeit der Rücknahme Gebrauch zu machen, weist keinen Ermessenfehler im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO auf.

Auch wenn der Kläger die Einbürgerung durch bewusste Täuschung erlangt hat und ihm wegen Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und 2 BayVwVfG kein schutzwürdiges Vertrauen zur Seite steht, ist das Rücknahmeermessen gleichwohl nicht zu seinen Lasten "auf Null" reduziert. Auch bei einer "erschlichenen" Einbürgerung müssen vielmehr die betroffenen öffentlichen und privaten Belange einander gegenübergestellt werden, wobei dem - unter Umständen gegenläufigen - öffentlichen Interesse an der Herstellung rechtmäßiger staatsangehörigkeitsrechtlicher Verhältnisse einerseits und an der Vermeidung von (dauernder) Staatenlosigkeit andererseits besonderes Gewicht zukommt. Die Regierung von Oberbayern hat ihren Entscheidungsspielraum erkannt und das Rücknahmeermessen - noch - hinreichend ausgeübt. Sie hat das private Interesse des Klägers am Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit im Ausgangs- und im Widerspruchsbescheid - wenn auch denkbar knapp - in die Ermessensabwägung mit eingestellt und diese in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nach § 114 Satz 2 VwGO in zulässiger Weise ergänzt. Dass sie dabei dem rechtsstaatlichen Interesse an der Herstellung rechtmäßiger staatsangehörigkeitsrechtlicher Verhältnisse insbesondere auch aus Gründen der Gleichbehandlung gegenüber "ehrlichen" Einbürgerungsbewerbern entscheidendes Gewicht zugemessen hat, ist mit Blick auf den Ausschluss schutzwürdigen Vertrauens auf Seiten des Klägers nicht zu beanstanden.

Unschädlich bleibt, dass die Regierung von Oberbayern sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob der Kläger in Folge einer Rücknahme der Einbürgerung staatenlos wird. Ausführungen hierzu hätten sich zwar deshalb aufgedrängt, weil sie selbst bei der Einbürgerung des Klägers noch davon ausgegangen war, dass dieser mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit seine bisherige Staatsangehörigkeit kraft pakistanischen Rechts verliert. Diese Annahme war indes unzutreffend. Es ist vielmehr mit dem Beklagten davon auszugehen, dass der Kläger im Besitz der pakistanischen Staatsangehörigkeit geblieben ist. Denn nach pakistanischem Staatsangehörigkeitsrecht muss zwar ein im Ausland lebender volljähriger pakistanischer Staatsangehöriger, der eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, eine Erklärung über den Verzicht auf die Staatsangehörigkeit Pakistans abgeben. Er verliert seine pakistanische Staatsangehörigkeit aber nur, wenn diese Erklärung in der vorgeschriebenen Form vor der pakistanischen Auslandsmission am Wohnsitz des Betreffenden abgegeben wurde, von dieser an die zuständige Passbehörde in Islamabad, den Director of Immigration and Passports, zur Registrierung übersandt und dort registriert wurde. Erst mit dieser Registrierung wird der Verzicht wirksam. Ein Auszug aus dem Register wird dann der pakistanischen Auslandsvertretung übersandt, die ihn wiederum dem Betreffenden als Nachweis über den Verlust der pakistanischen Staatsangehörigkeit aushändigt. Das ergibt sich aus dem vom Beklagten in der Berufungsverhandlung übergebenen Schreiben der Deutschen Botschaft in Islamabad vom 4. Oktober 1993 samt Anlagen und entspricht den aus der Literatur bekannten Materialien zum pakistanischen Staatsangehörigkeitrecht (vgl. Weishaupt, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Nr. II.A.2. zu Pakistan unter Hinweis auf eine Verbalnote des pakistanischen Außenministeriums vom 8.3.1993). Es ist weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich, dass für den Kläger ein solches förmliches Verzichtsverfahren bis zur Registrierung in Pakistan durchgeführt worden ist. Demnach muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger weiterhin die pakistanische Staatsangehörigkeit besitzt und somit bei Rücknahme seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nicht staatenlos wird.

Sonstige private Belange von Gewicht, die dem Kläger trotz des ausgeschlossenen Vertrauensschutzes zur Seite stehen könnten, sind nicht zu erkennen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren hervorgehobenen Umstände, dass er bereits seit 1981 in Deutschland lebt, auf Anraten seines damaligen Bevollmächtigten 1995 die Scheidung seiner pakistanischen Ehe eingeleitet hat und für seine deutschen Kindern (pflichtgemäß) Unterhaltzahlungen erbringt, mögen für die Frage eines ausländerrechtlichen Aufenthaltsrechts von Bedeutung sein; für die Frage, ob die durch arglistige Täuschung erlangte Einbürgerung bestehen bleiben soll, haben sie kein, jedenfalls kein ausschlaggebendes Gewicht.

Bei der Ermessensentscheidung war schließlich auch kein Anspruch auf Einbürgerung aus einem anderen Rechtsgrund zu berücksichtigen (vgl. OVG Hamburg, B.v. 28.8.2001 - 3 Bs 102/01 - InfAuslR 2002, 81/85, zur strittigen Frage, ob ein solcher Anspruch einer Rücknahme der Einbürgerung entgegensteht). § 9 RuStAG scheidet als Anspruchsgrundlage schon deshalb aus, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung (sowohl bei Erlass des Rücknahmebescheids am 1.10.1996 als auch des Widerspruchsbescheids am 26.6.1997) nicht mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet war und kein Ausnahmefall nach Absatz 2 dieser Vorschrift vorlag. Als weitere Rechtsgrundlage für einen Einbürgerungsanspruch des Klägers käme nur die Regelung über eine erleichterte Einbürgerung von Ausländern mit langem Aufenthalt in Betracht (§ 86 AuslG 1990). Diese verlangt indes, dass der Einbürgerungsbewerber seit 15 Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat (§ 86 Abs. 1 Halbs. 1 AuslG 1990) und im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung ist (§ 86 Abs. 3 i.V.m. § 85 Abs. 2 Satz 1 AuslG 1990). Daran fehlte es schon deshalb, weil die erforderliche Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts nicht erfüllt war. Der 15-jährige Zeitraum begann erst mit der Legalisierung des dauernden Aufenthalts des Klägers in Deutschland durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 16. Dezember 1986, weil der Aufenthalt zur Durchführung des (erfolglosen) Asylverfahrens ebenso wenig berücksichtigungsfähig ist wie der geduldete Aufenthalt nach rechtskräftiger Ablehnung des Asylbegehrens (vgl. BVerwG, U.v. 16.10.1990 - 1 C 15.88 - BVerwGE 87, 11/20; BayVGH, U.v.3.5.2005 - 5 BV 04.3174 - juris); er endete demnach erst im Dezember 2001, also nach dem Erlass der in Streit stehenden Bescheide. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die dem Kläger ursprünglich erteilte und mit der Einbürgerung erloschene Aufenthaltserlaubnis im Falle der Rücknahme der Einbürgerung überhaupt wieder mit der Folge aufleben würde, dass der zwischenzeitliche Aufenthalt rückwirkend als ausländerrechtlich "rechtmäßig" anzusehen wäre (verneinend OVG Hamburg a.a.O. S. 85 f.).

d) Der Rücknahmebescheid ist ferner inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, auch wenn der Bescheidstenor nicht erkennen lässt, ob die Rücknahme der Einbürgerung mit Wirkung für die Vergangenheit oder für die Zukunft gelten soll. Denn aus den Bescheidsgründen, die dem Kläger wegen arglistigen Erschleichens der Einbürgerung ein schutzwürdiges Vertrauen in deren Bestand absprechen, ergibt sich noch ausreichend deutlich, dass die Rücknahme entsprechend der gesetzlichen Regel des Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen soll.

e) Die Regierung von Oberbayern war schließlich nicht durch Zeitablauf gehindert, die Einbürgerung zurückzunehmen.

Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG, wonach die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres ab Erlangung der Kenntnis von den Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen, zulässig ist, findet nach Satz 2 dieser Vorschrift keine Anwendung, weil der Kläger die Einbürgerung durch arglistige Täuschung im Sinne von Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG erwirkt hat. Das Verwaltungsgericht hat zudem mit Recht darauf hingewiesen, dass diese Frist auch eingehalten wäre: Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG beginnt nämlich erst zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahme außerdem erheblichen Tatsachen, einschließlich der für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände, vollständig bekannt sind (BVerwG, B.v. 19.12.1984 - Gr.Sen. 1 u. 2.84 - BVerwGE 70, 356/362 ff.). Danach wurde die Jahresfrist erst in Lauf gesetzt, als die Regierung von Oberbayern den gesamten Vorgang, den sie dem Landratsamt Garmisch-Partenkirchen zur Vorprüfung abgegeben hatte, am 29. Juli 1996 von dort zurückbekam und Kenntnis von der Stellungnahme der Deutschen Botschaft in Islamabad vom 28. Februar 1996 zum Vorbringen des Klägers über die Umstände seiner Eheschließung in Pakistan erhielt; denn erst dann war sie ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme der Einbürgerung zu entscheiden. Die Jahresfrist wäre mithin selbst im Falle ihrer Anwendung bei Erlass des Rücknahmebescheids am 1. Oktober 1996 beachtet.

Auch wenn die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG nicht gilt, ist die Rücknahme einer durch arglistige Täuschung erwirkten Einbürgerung allerdings nicht zeitlich unbegrenzt zulässig. Eine feste Zeitgrenze, ab der die Rücknahme einer Einbürgerung im Interesse der Rechtssicherheit, des Rechtsfriedens und des Vertrauensschutzes zwingend ausgeschlossen ist, vermag der Senat allerdings nicht zu erkennen (offen OVG NRW, U.v. 2.9.1996 - 25 A 2106/94 - NVwZ-RR 1997, 742/745). Sie lässt sich insbesondere nicht dem § 24 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22. Februar 1955 (BGBl I S. 65, geändert durch Art. 3 § 1 Nr. 2 des Gesetz vom 15.7.1999, BGBl I S. 1618) - StAngRegG - entnehmen. Nach dieser Vorschrift ist die Einbürgerung nach den §§ 6, 8 ,9 ,11 und 12 StAngRegG unwirksam, wenn durch das Verschulden des Betroffenen Tatsachen nicht bekannt waren, die der Einbürgerung entgegengestanden hätten, sofern nicht die Einbürgerungsbehörde die Voraussetzungen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 oder § 13 StAG für gegeben erachtet (Absatz 1); die Unwirksamkeit ist durch förmliche Entscheidung auszusprechen (Absatz 2 Satz 1), die aber nur bis zum Ablauf von 5 Jahren nach erfolgter Einbürgerung ergehen kann (Absatz 2 Satz 2 Halbs. 1). § 24 StAngRegG enthält mithin auch für den Fall einer arglistig erschlichenen Einbürgerung eine absolute Zeitgrenze für den Statusverlust. Er betrifft indes nur besondere Einbürgerungen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des nationalsozialistischen Staatsangehörigkeitsrechts und der Folgen des Zweiten Weltkriegs. Er soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die in den genannten Einbürgerungstatbeständen berechtigten Personen zu einem beträchtlichen Teil außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes leben und deswegen die Überprüfung ihrer Einbürgerungsanträge besondere, das Risiko fehlerhafter Entscheidungen begründende Schwierigkeiten bereitet. Deshalb kann § 24 StAngRegG nicht generalisiert und auf die im Falle des Klägers maßgeblichen allgemeinen Einbürgerungsermächtigungen der §§ 8 und 9 RuStAG übertragen werden (vgl. BVerwG, B.v. 13.4.1989 - 1 B 54.89 - NVwZ-RR 1990, 220/221). Das gilt auch für die Fünfjahresfrist des § 24 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 StAngRegG.

Die Frage, bis wann eine durch arglistige Täuschung erlangte Einbürgerung nach den §§ 8 und 9 RuStAG/StAG zurückgenommen werden darf, kann nur mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls nach den allgemeinen Regeln der Verwirkung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, RdNr. 131 zu § 48 und RdNr. 15 ff. zu § 53) beantwortet werden. Von einer Verwirkung der Befugnis zu Rücknahme kann im vorliegenden Fall allerdings nicht die Rede sein, weil die Einbürgerung des Klägers im Zeitpunkt ihrer Rücknahme erst etwa 51/2 Jahre zurück lag und die Behörde einerseits die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG eingehalten sowie andererseits beim Kläger zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt hat, dass sie von einer Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung absehen würde.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 8.180 Euro (entspricht 16.000 DM) festgesetzt (§ 14, § 13 Abs. 1 und § 73 Abs. 1 GKG in der bis 30. Juni 2004 geltenden Fassung).

Ende der Entscheidung

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