Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 5 B 05.3039
Rechtsgebiete: StAG


Vorschriften:

StAG § 19 Abs. 2
StAG § 25 Abs. 1
Ein minderjähriges Kind verliert die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 25 Abs. 1 StAG, wenn es eine ausländische Staatsangehörigkeit lediglich kraft automatischer gesetzlicher Erstreckung mit der Einbürgerung seiner Eltern erwirbt (hier: Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit).
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

5 B 05.3039

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Feststellung der Staatsangehörigkeit;

hier: Berufung der Beteiligten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. September 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Wagner

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. November 2007

am 14. November 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung der Landesanwaltschaft Bayern gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. September 2005 (Az. W 6 K 05.490) wird zurückgewiesen.

II. Die Landesanwaltschaft Bayern hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Landesanwaltschaft Bayern kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit durch den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 StAG (in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999, BGBl I S. 1618) verloren hat.

1. Der Kläger wurde am 1. Juni 1981 als eheliches Kind türkischer Eltern in Deutschland geboren. Nachdem sie sich zum Verzicht auf die türkische Staatsangehörigkeit verpflichtet hatten, erwarben der Kläger und seine Eltern am 14. Mai 1999 durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit. Das türkische Generalkonsulat in N. stellte daraufhin dem Vater des Klägers am 21. Mai 1999 eine Entlassungsurkunde aus, aus der hervorgeht, dass zusammen mit diesem auch der namentlich aufgeführte Kläger als minderjähriges Kind die türkische Staatsangehörigkeit verloren hat.

Am 15. Juni 2001 wurden der Kläger und seine Eltern durch Beschluss des türkischen Ministerrates wieder in die türkische Staatsangehörigkeit aufgenommen. Unstreitig hatten die Eltern am 21. Mai 1999 bei Aushändigung der Entlassungsurkunden im türkischen Generalkonsulat ihre Wiedereinbürgerung beantragt. Strittig ist zwischen den Beteiligten, ob ein solcher Antrag auch für den (am 1. Juni 1999 volljährig gewordenen) Kläger gestellt worden ist.

2. Der Kläger hat mit Blick auf eine behördliche Fragebogenaktion zu einem Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit am 19. Mai 2005 Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und die Feststellung beantragt, dass er deutscher Staatsangehöriger ist.

Zur Begründung hat der Kläger geltend gemacht, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 25 Abs. 1 StAG in der seit 1. Januar 2000 geltenden Fassung durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit verloren habe. Es fehle an einem dafür erforderlichen (Wieder-)Erwerb "auf Antrag". Auf den Antrag, den seine Eltern am 21. Mai 1999 im türkischen Generalkonsulat gestellt hätten, könne es schon deshalb nicht ankommen, weil das noch vor der Änderung des § 25 StAG geschehen sei und dieser nicht rückwirkend auf einen vor dem Inkrafttreten gestellten Antrag auf Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit angewendet werden dürfe. Jedenfalls aber habe er die türkische Staatsangehörigkeit nicht auf Antrag erworben. Denn nach dem türkischen Staatsangehörigkeitsrecht erfolge die Einbürgerung eines minderjährigen Kinder kraft Gesetzes, der Einbürgerung des Vaters folgend, wobei es entscheidend auf das Alter des Kindes im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Vater ankomme. Daher sei kein Grund für die Vermutung der Beklagten ersichtlich, dass einer Wiederaufnahme des Klägers in die türkische Staatsangehörigkeit eine Willensbetätigung seiner Eltern zugrunde gelegen habe. Er selbst habe keinen Antrag auf Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt. Demnach könne seine Einbürgerung nur aufgrund eines automatischen Erstreckungserwerbs stattgefunden haben. Zum Nachweis hat der Kläger eine Bescheinigung des türkischen Generalkonsulats vom 9. September 2005 vorgelegt, wonach er "ohne eigene Interventionsmöglichkeit und ohne eigenen Willen" mit dem persönlichen Antrag seines Vaters erneut in die türkische Staatsbürgerschaft aufgenommen worden sei.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, dass die Neufassung des § 25 Abs. 1 StAG unabhängig davon Anwendung finde, ob der Antrag auf Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit vor ihrem Inkrafttreten gestellt worden sei. Von einem zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führenden Antragserwerb müsse beim Kläger ausgegangen werden. Von anderen Betroffenen sei schon mehrfach vorgetragen worden, dass die Eltern für die Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit auch einen Antrag für minderjährige Kinder hätten unterschreiben müssen, ohne dass aber eine Kopie eines solchen Antrags bislang vorgelegt worden sei. Im Übrigen scheide ein Erstreckungserwerb nach türkischem Staatsangehörigkeitsrecht aus, weil der Kläger bereits am 1. Juni 1999 volljährig geworden sei.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses ist der Auffassung der Beklagten beigetreten und hat betont, dass eine antragsunabhängige Wiedererteilung der türkischen Staatsangehörigkeit nach Volljährigkeit unmöglich sei.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 28. September 2005 stattgegeben und festgestellt, dass der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Der Kläger habe sie nicht verloren, weil der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit nicht auf Antrag, sondern kraft Gesetzes wegen der Einbürgerung des Vaters erfolgt sei. In einem derartigen Fall eines gesetzlichen Erstreckungserwerbs liege nur dann ein Erwerb auf Antrag vor, wenn eine Willensbetätigung der Sorgeberechtigten erkennen lasse, dass diese mit ihrer eigenen Einbürgerung auch diejenige des Kindes herbeiführen wollten, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob nach dem ausländischen Recht eine solche Willensbetätigung der Eltern für den Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit rechtliche Bedeutung habe. Es seien weder den Akten noch dem Vortrag der Beteiligten greifbare Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Kläger selbst oder seine gesetzlichen Vertreter für ihn einen solchen Antrag auf Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt hätten.

3. Die Landesanwaltschaft Bayern rügt als Vertreterin des öffentlichen Interesses mit ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassenen Berufung, dass das Verwaltungsgericht seiner Aufklärungspflicht nicht genügt habe. Es habe nicht hinreichend aufgeklärt, ob und in welcher Form im Antrag seiner Eltern auch für den Kläger ein Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt worden sei. Nach Auskunft der türkischen Seite gebe es kein amtliches Antragsformblatt. Es komme daher auf die Umstände des Einzelfalles an, die aber im erstinstanzlichen Verfahren nicht ermittelt worden seien. Zur Aufklärung hätte das Verwaltungsgericht die im Staatsangehörigkeitsrecht ausdrücklich normierte Mitwirkungslast des Klägers beachten und bei diesem auf die Beibringung ergänzender Auskünfte und Unterlagen drängen oder selbst im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht die türkischen Behörden kontaktieren müssen. Die Bescheinigung des türkischen Generalkonsulats vom 9. September 2005 sei unzureichend, weil sie sich auf reine Rechtsausführungen beschränke. Hinzu komme, dass für den Kläger ein Erstreckungserwerb nach türkischem Recht durchaus Zweifeln begegne, weil er bei Antragstellung der Eltern zwar noch minderjährig gewesen sei, im Zeitpunkt der Einbürgerung aber bereits volljährig. Zu einer derartigen Konstellation gebe es von türkischer Seite unterschiedliche Auskünfte. Einerseits werde mitgeteilt, dass es auf die Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Vater ankomme. Andererseits werde in einer Verbalnote der Botschaft der Republik Türkei vom 12. Juli 2006 ausgeführt, es sei nach türkischem Recht nicht möglich, dass Kinder, die bei Antragstellung des maßgeblichen Elternteils noch nicht volljährig sind, jedoch zum Zeitpunkt des Ministerratsbeschlusses über die Einbürgerung des Elternteils bereits die Volljährigkeit erlangt haben, gemeinsam mit dem Elternteil die türkische Staatsangehörigkeit erwerben, und dass Entscheidungen zu Anträgen von Personen, die sich in einer solchen Situation befänden und aufgrund eines Irrtums gemeinsam mit dem Elternteil die türkische Staatsangehörigkeit erworben hätten, widerrufen werden könnten. Aus der Verbalnote müsse weiter geschlossen werden, dass der Erstreckungserwerb der türkischen Staatsangehörigkeit durch minderjährige Kinder nach Art. 16 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in allen Fällen von einer Willensbetätigung der Eltern abhänge; entweder müssten sie zum Zwecke der Miteinbürgerung "gemeldet" werden oder es müsse der klare Wille vorhanden sein, dass der einzubürgernde Elternteil auch die Wiedereinbürgerung der Kinder haben wolle. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass auch die Eltern des Klägers für diesen die Wiedereinbürgerung in den türkischen Staatsverband beantragt hätten mit der Folge, dass die deutsche Staatsangehörigkeit verloren gegangen sei.

Die Landesanwaltschaft Bayern beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. September 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen, dass nach türkischer Rechtslage für Einbürgerungen Minderjähriger kein Antrag vorgesehen und deshalb von seinen Eltern oder von ihm auch nicht gestellt worden sei. Ihm könne weder eine Beweisvereitelung noch eine Verletzung von Mitwirkungspflichten vorgeworfen werden. Er habe sich gemeinsam mit seinen Eltern am 22. Februar 2007 zum türkischen Generalkonsulat begeben und um eine Ablichtung des Einbürgerungsantrags seiner Eltern gebeten. Das sei jedoch vergeblich gewesen; sein Vater habe lediglich eine weitere Bescheinigung erhalten, nach der "Ihr Sohn ... weil noch minderjährig ... ohne eigene Interventionsmöglichkeit, ohne eigenen Willen und ohne eigene Willensbekundung mit Ihrem (des Vaters) persönlichen Antrag in diesem Rahmen erneut in die türkische Staatsbürgerschaft aufgenommen worden" sei. Damit habe der Kläger seiner Beibringungslast genügt. Er sei nicht verpflichtet, eine Negativtatsache zu beweisen.

Mit Blick auf die am 28. August 2007 in Kraft getretene Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (durch Art. 5 des Gesetzes vom 19.8.2007, BGBl I S. 1970) hat der Kläger weiter vorgetragen, dass für die nunmehr in § 30 Abs. 1 StAG n.F. vorgesehene behördliche Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 StAG ausreichend sei, wenn durch schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sei, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und danach nicht wieder verloren gegangen sei. Gemessen an diesem herabgestuften Maßstab müsse seine Klage in jedem Fall Erfolg haben. Der Kläger hat seinen Klageantrag ergänzt und beantragt nunmehr hilfsweise für den Fall, dass die Feststellungsklage unzulässig geworden sein sollte, die Beklagte zu verpflichten, das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit festzustellen und ihm einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen.

Die Beklagte hält an ihrer bisherigen Auffassung fest, ohne einen Antrag zu stellen.

Auf ein Auskunftsersuchen des Senats zu den Modalitäten eines (Wieder-)Erwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit bei Minderjährigen nach türkischem Recht hat das Auswärtige Amt eine Antwortnote des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Türkei vom 30. Juli 2007 vorgelegt, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird. Das Auswärtige Amt hat zudem mit E-Mail vom 9. August 2007 darauf hingewiesen, dass nach türkischem Recht ein Anspruch auf Akteneinsicht bestehe und es auch von Deutschland aus ohne weiteres möglich sei, mit Hilfe eines im Internet bereitgestellten Formulars per E-Mail direkt Kontakt mit dem Generaldirektorat für Einwohner- und Staatsangehörigkeitswesen, einer dem türkischen Innenministerium nachgeordneten Behörde, aufzunehmen und bestimmte Fragen bezüglich der Wiedereinbürgerung zu klären. Der Kläger hat auf diesem Weg am 22. August 2007 um Übersendung von beglaubigten Auszügen derjenigen Unterlagen oder Anträge gebeten, auf deren Grundlage er die türkische Staatsangehörigkeit wieder erworben hat. Darauf wurde mit E-Mail vom 5. September 2007 u.a. mitgeteilt: "Auf Urteil und Entscheidung des türkischen Generalkonsulates ... erfolgte mit Antrag vom 21/05/1999 gemäß § 16 <des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes Nr. 403> abhängig von Ihrem Vater, Ihrem Vater folgend und gebunden, durch Ministerialratsentscheid vom 15/06/2001 per Urteil ... Ihre erneute Wiedereinbürgerung." Die erbetenen Unterlagen wurden hingegen nicht übermittelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Landesanwaltschaft Bayern bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

1. Die mit dem Hauptantrag aufrecht erhaltene Feststellungsklage ist weiterhin zulässig (§ 43 Abs. 1 VwGO). Zwar sieht das Staatsangehörigkeitsgesetz seit seiner Änderung durch Art. 5 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) nunmehr erstmals eine verbindliche behördliche Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit als rechtsgestaltenden Verwaltungsakt vor (vgl. § 30 StAG n.F.). Demnach kann der Kläger inzwischen sein Rechtsschutzziel statt mit einer Klage auf gerichtliche Feststellung durch eine Klage auf Verpflichtung zum Erlass einer solchen behördlichen Statusentscheidung verfolgen, wie er das mit seiner Klageerweiterung im Berufungsverfahren auch hilfsweise unternimmt. Gleichwohl scheitert die bereits anhängige Feststellungsklage nicht an ihrer in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO normierten Subsidiarität gegenüber der Verpflichtungsklage. Denn maßgeblich für die Subsidiarität ist der Zeitpunkt der Klageerhebung. Entsteht die Möglichkeit der Leistungs- oder Gestaltungsklage erst im Laufe des Feststellungsprozesses, so gilt die Subsidiaritätsklausel nicht, weil sie ihre Funktion, den erforderlichen Rechtsschutz auf ein gerichtliches Verfahren zu beschränken, nicht mehr erfüllen kann (vgl. Happ in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2006, RdNr. 40 zu § 43 m.w.N.). Ein berechtigtes Interesse an einer baldigen gerichtlichen Feststellung steht dem Kläger aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen nach wie vor zur Seite.

2. Die Feststellungsklage ist begründet. Der Kläger hat die durch Einbürgerung am 14. Mai 1999 erworbene deutsche Staatsangehörigkeit durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit am 15. Juni 2001 nicht verloren.

a) Nach § 25 Abs. 1 StAG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I S. 1618) verliert ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19 StAG die Entlassung beantragt werden könnte. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 StAG kann die Entlassung einer Person, die unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft steht, nur von dem gesetzlichen Vertreter und nur mit Genehmigung des deutschen Vormundschaftsgerichts beantragt werden. Nach § 19 Abs. 2 StAG ist die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht erforderlich, wenn der Vater oder die Mutter die Entlassung für sich und zugleich kraft elterlicher Sorge für ein Kind beantragt und dem Antragsteller die Sorge für die Person dieses Kindes zusteht. Wenn beide Eltern die elterliche Sorge für das minderjährige Kind innehaben, wie das beim Kläger bis zum Eintritt in die Volljährigkeit am 1. Juni 1999 der Fall war, dann ist § 19 Abs. 2 StAG im Rahmen des § 25 Abs. 1 StAG in dem Sinne anzuwenden, dass beide Elternteile den Antrag auf Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit für sich und zugleich für das Kind gestellt haben müssen. Denn auch bei Minderjährigen tritt der Staatsangehörigkeitsverlust nur ein, wenn die fremde Staatsangehörigkeit auf einen für sie gestellten Antrag erworben wird. Die entsprechende Anwendbarkeit des § 19 Abs. 2 StAG lässt nicht das Erfordernis des Erwerbs auf Antrag entfallen, sondern führt lediglich zur Entbehrlichkeit der vormundschaftlichen Genehmigung, wenn die Eltern einen Antrag auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit für sich und zugleich für ihr Kind stellen (BVerwG, U.v. 9.5.1986 - 1 C 40.84, NJW 1987, 1157). § 19 StAG bezweckt den Schutz minderjähriger Personen vor nachteiligen Verfügungen über ihre Staatsangehörigkeit und geht als Sondervorschrift den allgemeinen Regelungen über die Geschäftsfähigkeit und die staatsangehörigkeitsrechtliche Handlungsfähigkeit nach § 37 StAG i.V.m. § 68 Abs. 1 und 3 AuslG (§ 80 Abs. 1 und 3 AufenthG) vor.

b) Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit liegen beim Kläger nicht vor.

aa) Der Kläger hat allerdings die türkische Staatsangehörigkeit nach dem dafür allein maßgeblichen türkischen Recht wirksam erworben. Er wurde zusammen mit seinem Vater durch Beschluss des türkischen Ministerrates vom 15. Juni 2001 erneut in die türkische Staatsangehörigkeit aufgenommen, aus der sie am 21. Mai 1999 zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit entlassen worden waren. Der Wiederaufnahme lag ein Antrag zugrunde, den der Vater - in Widerspruch zu der gegenüber den deutschen Behörden eingegangenen Verpflichtung - am 21. Mai 1999 bei dem türkischen Generalkonsulat in N. gestellt hatte. Die türkischen Behörden bestätigen, dass der Kläger als - bei Antragstellung - minderjähriges Kind mit der Wiedereinbürgerung seines Vaters - allein - diesem folgend gemäß Art. 16 Abs. 1 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 (abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, II. B. 2.) türkischer Staatsangehöriger geworden ist. Das ergibt sich aus den insoweit eindeutigen Bescheinigungen des türkischen Generalkonsulats vom 9. September 2005 und 22. Februar 2007 an den Vater des Klägers sowie der Auskunft, die das türkische Generaldirektorat für Einwohner- und Staatsangehörigkeitswesen dem Kläger am 5. September 2007 erteilt hat.

Der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit ist wirksam, auch wenn ihm nach türkischem Recht ein Fehler anhaftet. Denn der am 1. Juni 1981 geborene Kläger war zwar im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Vater am 21. Mai 1999 nach deutschem wie türkischem Recht (Art. 11 des Zivilgesetzbuchs, abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O. III.B.3.) noch minderjährig und mithin nach türkischem Staatsangehörigkeitsrecht nicht handlungsfähig; er konnte deshalb selbst keine beachtlichen Erklärungen zum Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit abgeben. Im Zeitpunkt des Ministerratsbeschlusses über die Einbürgerung am 15. Juni 2001 hatte der Kläger jedoch bereits die Volljährigkeit erlangt, so dass er nicht mehr dem Anwendungsbereich der Erwerbsvorschrift für Minderjährige unterfiel. Für eine solche Fallkonstellation hat das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Türkei auf Anfrage des Senats (über die Deutsche Botschaft) mit Note vom 30. Juli 2007 klargestellt, dass das volljährig gewordene Kind die türkische Staatsangehörigkeit nicht nach Art. 16 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes mit dem Vater oder - im Ausnahmefall - mit der Mutter erwerben kann und dass für den Fall seiner irrtümlichen Einbürgerung "der auf diese Person lautende Wiedereinbürgerungsbeschluss widerrufen (wird)", wenn diese einen entsprechenden Antrag stellt oder zuständige Behörden den Irrtum feststellen. Aus dieser Auskunft lässt sich entnehmen, dass die Einbürgerungserstreckung auf ein nach Antragstellung volljährig gewordenes Kind nach türkischem Recht zwar fehlerhaft ist, dieser Fehler aber nicht bewirkt, dass die irrtümlich beschlossene Wiederaufnahme in die türkische Staatsangehörigkeit von vornherein als unwirksam anzusehen ist; denn sonst bedürfte es keiner Beseitigung durch einen behördlichen Widerruf. Der Kläger hat demnach wirksam eine ausländische Staatsangehörigkeit erworben. Die Möglichkeit, dass die wirksam erworbene ausländische Staatsangehörigkeit nachträglich wieder entfällt, ist im Rahmen des § 25 Abs. 1 StAG selbst dann unbeachtlich, wenn das mit Rückwirkung geschehen sollte (Marx in GK-StAR, IV-2 § 25 RdNrn. 25 ff.; Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, RdNr. 27 zu § 25 RuStAG).

bb) Der Kläger hat die deutsche Staatsangehörigkeit dennoch nicht verloren, weil er die türkische Staatsangehörigkeit als (vermeintlich) minderjähriges Kind nicht in der von § 25 Abs. 1 StAG geforderten Weise auf Antrag erworben hat. Da der Kläger selbst auch nach Erlangen der Volljährigkeit (am 1.6.1999) unstreitig keinen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt hat, könnte die Verlustfolge allenfalls durch Erklärungen ausgelöst worden sein, die seine sorgeberechtigten Eltern, nicht nur der nach türkischem Recht insoweit maßgebliche Vater, als gesetzliche Vertreter für ihn am 21. Mai 1999 beim türkischen Generalkonsulat in Zusammenhang mit ihren eigenen Wiedereinbürgerungsanträgen abgegeben haben. Das ist indes - aus verschiedenen Gründen - nicht der Fall:

(1) Unbeachtlich ist entgegen der Ansicht des Klägers zunächst der Umstand, dass seine Eltern die Wiedereinbürgerungsanträge noch gestellt hatten, bevor der Anwendungsbereich des § 25 StAG durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I S. 1618) auch auf im Inland wohnende Personen erweitert wurde. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass für die Anwendbarkeit des neugefassten § 25 StAG allein der Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit nach dem Inkrafttreten am 1. Januar 2000 maßgeblich ist und es nicht darauf ankommt, ob der darauf gerichtete Antrag vor oder nach diesem Zeitpunkt gestellt worden ist (BayVGH, B.v. 23.9.2005 - 5 C 05.2108, NVwZ-RR 2006, 732, U.v. 8.3.2007 - 5 BV 06.283, juris; BVerfG, B.v. 8.12.2006 - 2 BvR 1339/06, NVwZ 2007, 441; BVerwG, B.v. 14.2.2007 - 5 B 190.06, juris).

(2) Es fehlt jedoch an einem auf (Wieder-)Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichteten Antrag für den Kläger. Ein Antrag, der nach § 25 Abs. 1, § 19 Abs. 2 StAG die Verlustfolge auslösen könnte, läge nur vor, wenn beide sorgeberechtigten Elternteile des Klägers in Verbindung mit den Anträgen auf ihre eigene Wiedereinbürgerung in den türkischen Staat ihren Willen dahin zum Ausdruck gebracht hätten, die Einbürgerung auf den damals noch minderjährigen Kläger zu erstrecken. Dazu müsste eine Willensbetätigung beider sorgeberechtigten Elternteile vorliegen, die erkennen lässt, dass sie mit ihrer eigenen Einbürgerung auch diejenige des Kindes herbeiführen wollen. Ein bloßes Hinnehmen der gesetzlichen Erstreckungswirkung oder ein inneres Einverständnis mit ihr reicht hingegen nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.1986 - 1 C 40.84, NJW 1987, 1157/1158).

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass jedenfalls nicht beide Elternteile des Klägers solche, ihren damals noch minderjährigen Sohn mit einbeziehenden Anträge gestellt haben. Gegen eine derartige, vom Kläger glaubhaft bestrittene Willensbetätigung der Eltern sprechen die türkische Rechtslage und die Umstände der Wiedereinbürgerung. Nach Art. 16 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes werden minderjährige Kinder im Falle der Einbürgerung ihres Vaters diesem folgend türkische Staatsangehörige (Abs. 1); nur unter bestimmten, hier offenkundig ausscheidenden Voraussetzungen folgen sie ihrer Mutter in die türkische Staatsangehörigkeit (Abs. 2). In beiden Fällen handelt es sich, wie bereits der Gesetzeswortlaut nahe legt, um einen zwingenden gesetzlichen Erstreckungserwerb, der weder den Eltern noch den türkischen Staatsangehörigkeitsbehörden irgendeinen Entscheidungsspielraum belässt. Die Zweifel an dieser Sichtweise, die von der Landesanwaltschaft mit Blick auf einzelne missverständliche Formulierungen in Auskünften türkischer Auslandsvertretungen vorgebracht wurden, sind durch die vom Senat eingeholte Auskunft des türkischen Außenministeriums vom 30. Juli 2007 ausgeräumt. Dort wird zur türkischen Rechtslage und Verwaltungspraxis im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes mitgeteilt, dass bei einer Wiedereinbürgerung des Vaters (oder im Fall des Art. 16 Abs. 2 der Mutter) für die Kinder unter 18 Jahren eine Nichteinbürgerung nicht in Frage komme. Der Vater oder die Mutter stellten den Antrag auf Wiedereinbürgerung für sich selbst. Da bei der Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft die Namen der unmündigen Kinder mit den Eltern im Entlassungsantrag angeführt seien, sei es nicht nötig, die Kinder im Antrag für die Wiedereinbürgerung anzugeben. Auch wenn die Kinder bei der Antragstellung des maßgeblichen Elternteils nicht mit Namen angegeben seien, würden sie im Falle, dass sie bei dem Beschluss über die Einbürgerung noch unmündig seien, mit dem Vater oder der Mutter eingebürgert. Anträge unmündiger Kinder würden nicht angenommen.

Dieser generellen Verfahrensweise der türkischen Behörden bei Entlassung und Wiedereinbürgerung entspricht auch diejenige im vorliegenden Fall, soweit sie anhand der Akten belegt ist. In den Entlassungsurkunden, die seinen Eltern vom türkischen Generalkonsulat am 21. Mai 1999 ausgehändigt wurden, ist der Kläger nur in der Urkunde des Vaters namentlich als minderjähriges Kind aufgeführt (Erstreckungsverlust nach Art. 32 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes), während er in derjenigen der Mutter nicht erwähnt wird. In sämtlichen vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen über den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit wird zudem hervorgehoben, dass der Kläger als (vermeintlich noch) minderjähriges Kind mit der Einbürgerung des Vaters und dem Vater folgend, nicht etwa nach der Mutter, wieder türkischer Staatsangehöriger geworden ist. Vor diesem Hintergrund drängt es sich auf, dass die von den Eltern des Klägers nach Entgegennahme ihrer Entlassungsurkunden beim Generalkonsulat "postwendend" gestellten Wiedereinbürgerungsanträge entsprechend der türkischen Rechtslage dazu spiegelbildlich gestaltet sind: Entweder wurde der Kläger - nach der vom türkischen Außenministerium geschilderten Praxis - in den Wiedereinbürgerungsanträgen der Eltern gar nicht erwähnt, wie dies auch der Bruder des Klägers dem Senat in der Berufungsverhandlung mit Blick auf seine eigenen Kinder (die Kläger im Parallelverfahren 5 B 05.2958) überzeugend geschildert hat; oder der Kläger wurde nur im Antrag des Vaters zur Bestimmung der Erstreckungswirkung mit aufgeführt, nicht hingegen im Antrag der Mutter. Für eine darüber hinausgehende Willensbetätigung des Vaters und erst recht der Mutter dahin, dass der Kläger von ihrer eigenen Einbürgerung erfasst werden solle, bestand nach türkischem Recht keinerlei Anlass. Dass beide Elternteile mangels der Verwendung eines von türkischer Seite vorgegebenen "amtlichen" Antragsformulars dennoch eine (in zweifacher Hinsicht) überflüssige Willensbetätigung für den Kläger abgegeben haben könnten, muss als lediglich fern liegende theoretische Möglichkeit außer Betracht bleiben.

Dem Kläger kann nicht zum Nachteil gereichen, dass die von seinen Eltern gestellten Wiedereinbürgerungsanträge den deutschen Behörden und Gerichten nicht vorliegen. Für eine Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 37 Abs. 1 StAG i.V.m. § 82 AufenthG) oder gar eine Beweisvereitelung besteht kein Anhaltspunkt. Abgesehen davon, dass die Reichweite der Mitwirkungspflichten im Verfahren über den Verlust der Staatsangehörigkeit gegenüber der Verpflichtung beim Erwerb eingeschränkt ist (Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, RdNr. 8 zu § 37; Marx in GK-StAR, IV-2 § 37 RdNr. 12), haben sich der Kläger und sein Vater wiederholt bei den türkischen Behörden um Einsicht in die Akten und Aushändigung einer Kopie des Einbürgerungsantrags bemüht. Das ist, ebenso wie entsprechende Versuche der Betroffenen in den Parallelverfahren 5 B 05.2958 und 06.2769, ohne Erfolg geblieben. Es besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, diese Bemühungen könnten nur vorgeschoben sein, zumal der Kläger nach seinen glaubhaften Angaben nicht nur zusammen mit seinen Eltern bei dem Generalkonsulat vorgesprochen, sondern auch den vom Auswärtigen Amt aufgezeigten Weg einer E-Mail-Anfrage an das türkische Generaldirektorat für Einwohner- und Staatsangehörigkeitswesen beschritten hat. Seine erneute ausdrückliche Bitte, ihm beglaubigte Auszüge der Anträge zu übersenden, die zu seiner Wiedereinbürgerung in die türkische Staatsangehörigkeit geführt haben, blieb ebenfalls erfolglos; die Antwort des Generaldirektorats vom 5. September 2007 beschränkt sich, wie bereits die schriftlichen Bescheinigungen des Generalkonsulats vom 9. September 2005 und 22. Februar 2007, auf eine den konkreten Inhalt des Antrags offen lassende Information über den Ablauf der Entlassung und Wiedereinbürgerung. Damit hat der Kläger alles ihm zumutbare zur Aufklärung der Umstände seiner Wiedereinbürgerung in die türkische Staatsangehörigkeit beigetragen. Für den Senat besteht kein Anlass für eine weitere Aufklärung von Amts wegen. Das gilt umso mehr, als weder die Landesanwaltschaft noch die Beklagte einen Bezugsfall haben benennen können, in dem von türkischer Seite der Antrag auf Wiedereinbürgerung in die türkische Staatsangehörigkeit dem Betroffenen oder einer deutschen Stelle in Original oder Kopie zugänglich gemacht worden wäre. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung, ob der Kläger sich auf die nunmehr in § 30 Abs. 2 Satz 1 StAG vorgesehene Beweiserleichterung berufen kann.

(3) Selbst wenn aber beide Elternteile des Klägers auch für diesen einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt haben sollten, so wäre gleichwohl die Verlustfolge des § 25 Abs. 1 StAG nicht eingetreten. Denn ein solcher - unterstellter - Antrag der Eltern kann für den Staatsangehörigkeitserwerb des Klägers nicht ursächlich geworden sein, sodass es sich nicht um einen Erwerb "auf Antrag" im Sinne des § 25 Abs. 1 StAG handelt.

Mit der Voraussetzung, dass die fremde Staatsangehörigkeit auf einen Antrag erworben sein muss, will das Gesetz den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ausschließen, wenn der Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes erfolgt (BVerwG, U.v. 9.5.1986 - 1 C 40.84, NJW 1987, 1157). Der Staatsangehörigkeitsverlust tritt nur als Folge eines freiwilligen und damit willensabhängigen Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit ein, wodurch sichergestellt ist, dass er keine durch Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit darstellt (vgl. BVerfG, B.v. 8.12.2006 - 2 BvR 1339/06, NVwZ 2007, 441/442). Damit ist, wie schon der Wortlaut des § 25 Abs. 1 StAG nahe legt, grundsätzlich eine Ursächlichkeit des Antrags für diesen Erwerb zu verlangen (vgl. Makarov/ v. Mangoldt, a.a.O., RdNr. 28. zu § 25 RuStAG, Marx in GK-StAR, IV-2 § 25 RdNrn. 29 ff.). Gleichwohl wird mit Blick auf minderjährige Kinder die Ansicht vertreten, dass die Verlustfolge des § 25 Abs. 1 StAG in Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz auch dann eintreten kann, wenn sich die Einbürgerung der Eltern allein kraft Gesetzes auf das Kind erstreckt, also ohne eine wie auch immer geartete Entscheidung durch die ausländische Staatsangehörigkeitsbehörde; es reiche aus, dass die Eltern den Willen bekundet hätten, dass neben ihnen auch das Kind die beantragte Staatsangehörigkeit erwerben solle (vgl. Makarov/v. Mangoldt, a.a.O., RdNrn. 42 ff. zu § 25 RuStAG; Marx, a.a.O., § 25 RdNrn. 29 ff.; kritisch Hailbronner/Renner, a.a.O., RdNr. 20 zu § 25 StAG).

Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage bislang ausdrücklich offen gelassen (BVerwG, U.v. 9.5.1986 - 1 C 40.84, NJW 1987, 1157; anders noch die Vorinstanz BayVGH, U.v. 27.6.1984 - 5 B 81 A. 1580). Der Senat vertritt die Auffassung, dass der Staatsangehörigkeitsverlust nach § 25 Abs. 1, § 19 Abs. 2 StAG auch bei minderjährigen Kindern eine Ursächlichkeit des Antrags voraussetzt und mithin entsprechend dem allgemeinen Grundsatz bei einer ausschließlich durch das Gesetz bewirkten Einbürgerungserstreckung ausscheidet. Der für die Gegenansicht allein angeführte Grund, anderenfalls wäre der vom Gesetz für Sorgeberechtigte und Kinder gemeinsam gewollte Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit unmöglich (Makarov/v. Mangoldt, a.a.O., RdNrn. 43 zu § 25 RuStAG), kann nicht überzeugen. Denn ein solches Konzept der Familieneinheit beim Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit liegt § 25 Abs. 1, § 19 Abs. 2 StAG gerade nicht zugrunde. Indem das Gesetz die Verlustfolge an den für jeden Familienangehörigen gesondert zu beurteilenden Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit auf Antrag knüpft (vgl. oben 2a), nimmt es hin, dass sich die staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern unterschiedlich entwickeln können, je nachdem ob ein Antragserwerb erfolgt oder nicht. Damit aber fehlt es an einem tragfähigen Grund, bei Minderjährigen von dem Erfordernis einer Ursächlichkeit des Antrags für den Staatsangehörigkeitserwerb abzusehen. Die bloße Willensbekundung der Eltern kann den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit mit seinen weitreichenden Folgen nicht rechtfertigen, wenn das Recht des aufnehmenden Staates ihr keinerlei rechtliche Bedeutung beimisst und die Einbürgerungserstreckung zwingend auf die minderjährigen Kinder vorschreibt, ob die Eltern das wollen oder nicht. Denn zum einen knüpft § 25 Abs. 1 StAG die Verlustfolge nicht an die Willensbekundung als solche, sondern an den durch sie bewirkten und deshalb freiwilligen Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Zum anderen kommt einer elterlichen Willensäußerung im Fall des gesetzlichen Erstreckungserwerbs allenfalls geringe Aussagekraft zu, weil es typischerweise von Zufälligkeiten, wie etwa dem verwendeten Antragsformular oder der Beratung durch die Behörde des aufnehmenden Staates abhängt, ob die Eltern hinreichend deutlich erklären, die (gesetzlich zwingende) Erstreckung der eigenen Einbürgerung auf ihre minderjährigen Kinder zu "wollen" oder diese nur hinnehmen. Den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit an solche rechtlich unbeachtlichen und in ihrem Aussagegehalt zweifelhaften Willenbekundungen zu knüpfen, lässt sich mit der verfassungsrechtlich gebotenen Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus (vgl. BVerfG, U.v. 24.5.2006 - 2 BvR 669/04, BVerfGE 116, 24/44 f.) schwerlich vereinbaren.

Beim Kläger kann der Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zudem umso weniger auf einen selbstverantwortlichen und freien Willensentschluss zurückgeführt werden, weil er nach türkischem Recht im maßgeblichen Zeitpunkt der Einbürgerung seines Vaters nicht mehr der Vorschrift über den gesetzlichen Erstreckungserwerb für Minderjährige unterfiel, und seine Wiederaufnahme in die türkische Staatsangehörigkeit daher irrtümlich und rechtswidrig erfolgt ist [vgl. oben 2. b) aa)]. Ein solcher nach dem Recht des aufnehmenden Staates rechtswidrig "aufgedrängter", Staatsangehörigkeitserwerb kann die Verlustfolge des § 25 Abs. 1 StAG erst recht nicht auslösen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,00 Euro festgesetzt (§ 47 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück