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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 5 BV 06.283
Rechtsgebiete: GG, StAG


Vorschriften:

GG Art. 16 Abs. 1
StAG § 25 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

5 BV 06.283

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Staatsangehörigkeitsrechts;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Dezember 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Prof. Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz

ohne mündliche Verhandlung am 8. März 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 StAG in der seit dem 1. Januar 2000 geltenden Fassung (vom 15.7.1999, BGBl I S. 1618) durch den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit verloren hat.

Der Kläger wurde im Juli 1999 in den deutschen Staatsverband eingebürgert. Auf seine frühere türkische Staatsangehörigkeit hatte er im Einbürgerungsverfahren verzichtet (Entlassungsurkunde des Türkischen Generalkonsulats vom 12.10.1999). Auf seinen Antrag vom 12. Oktober 1999 erwarb der Kläger durch Beschluss des türkischen Ministerrats am 18. Oktober 2000 wieder die türkische Staatsangehörigkeit. Das teilte er der dem Bürgeramt der Beklagten auf eine Anfrage hin im Juni 2005 unter Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des Türkischen Generalkonsulats N. mit.

Mit seiner am 6. Juli 2005 erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung beantragt, dass er deutscher Staatsangehöriger sei. Die Neufassung der Verlustregelung in § 25 StAG, die zum Wegfall der sog. Inlandsklausel geführt habe, richte sich offenbar gerade gezielt gegen türkische Staatsangehörige und sei verfassungswidrig. Jedenfalls hätte es einer Übergangsregelung für die Fälle bedurft, in denen der Antrag auf Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit bereits vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1. Januar 2000 gestellt worden sei. Die Änderung der Rechtslage sei unbekannt gewesen; zudem habe er auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Einbürgerung in den türkischen Staatsverbands keinen Einfluss gehabt, weil dies durch Ministerratsbeschluss geschehe.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom14. Dezember 2005 abgewiesen. Der Kläger habe die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 StAG verloren, weil er auf seinen Antrag die türkische Staatsangehörigkeit wieder erworben habe. Nach seinem eindeutigen Wortlaut und ihrem Zweck finde der Verlusttatbestand auch dann Anwendung, wenn der Antrag auf Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit vor dem Inkrafttreten am 1. Januar 2000 gestellt worden sei. Entscheidend komme es allein darauf an, dass der Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit nach diesem Zeitpunkt und auf Antrag des Betroffenen erfolgt sei; beides treffe auf den Kläger zu.

Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, die Regelung des § 25 Abs. 1 StAG sei zumal mit der ihr vom Verwaltungsgericht zugemessenen Bedeutung verfassungswidrig. Das gelte schon deshalb, weil die gravierende Rechtsfolge kraft Gesetzes und nicht in Folge eines Verwaltungsverfahrens eintrete. Zudem verletze § 25 StAG mit Blick auf die Türkei das europarechtliche Diskriminierungsverbot, weil bei Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union im Rahmen des § 12 Abs. 2 StAG die doppelte Staatsangehörigkeit hingenommen werde. Jedenfalls aber fehle es an der gebotenen Übergangsregelung für diejenigen Personen, die, wie der Kläger, im Vertrauen auf den Fortbestand der alten Rechtslage die Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit noch vor der Gesetzesänderung beantragt hätten und die den Verlauf des türkischen (Wieder-)Einbürgerungsverfahrens in zeitlicher Hinsicht nicht haben überschauen können. Es stehe auch keineswegs fest, dass dem Kläger eine Antragsrücknahme bei den türkischen Behörden überhaupt möglich gewesen wäre. Mit der Antragstellung, für die er weder einen Nachweis noch ein Bearbeitungszeichen erhalten habe, sei die Angelegenheit für ihn vielmehr beendet gewesen. Er habe davon ausgehen dürfen, dass seine Einbürgerung unmittelbar nach der Antragstellung erfolge.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2005 festzustellen, dass der Kläger deutscher Staatsangehöriger ist.

Die Beklagte und der Vertreter des öffentlichen Interesses verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts und beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren entscheiden kann, bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Feststellungsklage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit mit dem auf seinen Antrag vom 19. Oktober 1999 erfolgten Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit im Oktober 2000 verloren hat.

Nach § 25 Abs. 1 StAG verliert ein volljähriger Deutscher seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag erfolgt. Diese Fassung hat die Bestimmung durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I S. 1618) erhalten, das insoweit zum 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist; entfallen ist ab diesem Zeitpunkt die in der Vorgängerregelung (§ 25 Abs. 1 RuStAG) enthaltene Beschränkung des Verlusttatbestands auf Deutsche, die im Inland weder ihren Wohnsitz noch ihren dauernden Aufenthalt haben (sog. Inlandsklausel). Die Neuregelung erfasst entgegen der Ansicht des Klägers nach ihrem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck auch solche Fälle des Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit, in denen der zugrunde liegende Antrag schon vor ihrem Inkrafttreten gestellt wurde. Der Senat hat dazu im Beschluss vom 23. September 2005 - 5 C 05.2108 (NVwZ-RR 2006, 732) ausgeführt:

"Der Wortlaut legt im Hinblick auf mögliche zeitliche Anknüpfungspunkte für die Anwendung der Neufassung des § 25 Abs. 1 StAG vielmehr das Abstellen auf den Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit nahe, weil damit - und nicht mit der Antragstellung - die Rechtsfolge des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit unmittelbar verknüpft ist (vgl. BVerwG, U.v. 21.5.1985 - 1 C 52.82, BVerwGE 71, 309/312 zur Relevanz des Wohnsitzes im Zeitpunkt des Erwerbs der ausländischen Staatsangehörigkeit noch unter der Geltung der Inlandsklausel). Das spricht - wenn auch nicht zwingend - dafür, in intertemporaler Hinsicht allein auf den Zeitpunkt des Erwerbs der ausländischen Staatsangehörigkeit abzustellen.

Bestätigt wird das ... durch die Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes vom 15. Juli 1999. Die - unverändert Gesetz gewordene - Streichung der "Inlandsklausel" in § 25 Abs. 1 StAG wurde in dem Gesetzentwurf damit begründet, dass die bisherige Fassung der Vorschrift "... häufig genutzt [wird], um den Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung zu unterlaufen: Die vor der Einbürgerung aufgegebene ausländische Staatsangehörigkeit wird nach der Einbürgerung sanktionslos wiedererworben. Die Aufhebung der "Inlandsklausel" beseitigt diese Mißbrauchsmöglichkeit." (BT-Drs. 14/533, S. 15). Auch im Allgemeinen Teil der Entwurfsbegründung wurde der status quo ante als "Umgehung des Grundsatzes der Vermeidung von Mehrstaatigkeit" gekennzeichnet, die mit der Neufassung verhindert werden solle (BT-Drs. 14/533 S. 12). Diese deutlich negative Bewertung der vorgefundenen Ausgangssituation, die der Gesetzgeber zum Anlass für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des gesetzlichen Verlusttatbestands genommen hat, legt eine intertemporal möglichst weit greifende Auslegung der Novellierung nahe. Es liegt eher fern, dass der Gesetzgeber die von ihm als Missbrauch und Umgehung angesehene Vorgehensweise nicht möglichst rasch und effektiv unterbunden wissen wollte. Wäre ein engerer Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 StAG n.F. beabsichtigt gewesen, hätte der Gesetzgeber sinnvollerweise durch eine spezielle Übergangsregelung angeordnet, dass sich die Rechtsfolgen bereits anhängiger Wiedereinbürgerungsanträge nach bisher geltender Rechtslage richten.

Verfassungsrechtlich bestehen gegen den Auslegungsbefund einer unechten Rückwirkung des neu gefassten § 25 Abs. 1 StAG keine Bedenken."

An diesen Erwägungen hält der Senat auch mit Blick auf das Berufungsvorbringen fest (ebenso auch OVG RhPf, U.v. 21.9.2006 - 7 A 10483/06, juris).

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Auslegung des § 25 Abs. 1 StAG mit Beschluss vom 8. Dezember 2006 - 2 BvR 1339/06 (juris) als verfassungsgemäß bestätigt. Es hat entschieden, dass die Anwendung des § 25 StAG auf Inlandsdeutsche, die den Antrag auf Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit bereits vor dem 1. Januar 2000 gestellt hatten, keine nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verbotene Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit darstelle; Insbesondere fehle es weder an der verfassungsrechtlich gebotenen Vorhersehbarkeit des Staatsangehörigkeitsverlustes, noch werde der verfassungsrechtlich gewährleistete Vertrauensschutz missachtet.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Bürgern türkischer Herkunft ebenso wenig vor wie ein Verstoß gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot. Der Verlusttatbestand des § 25 Abs. 1 StAG gilt für alle Betroffenen gleich welcher Herkunft. Dass Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union unter der Voraussetzung des § 12 Abs. 2 StAG Anspruch auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Hinnahme ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit haben, kann den Anwendungsbereich der Verlustregelung des § 25 StAG nicht zu Gunsten des Klägers einschränken.

Auf die Frage, ob der Kläger seinen am 12. Oktober 1999 gestellten Antrag auf Wiedereinbürgerung bei den türkischen Behörden überhaupt noch wirksam hätte zurücknehmen können, kommt es nicht an. Selbst wenn das - wofür nichts ersichtlich ist - zu verneinen sein sollte, wäre dieser Umstand im zu entscheidenden Fall ungeeignet, schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit zu begründen. Das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts war nach längerer Diskussion über die Abschaffung des Inlandsprivilegs am 7. Mai 1999 durch den Bundestag beschlossen und 23. Juli 1999 im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Mit der faktischen Übergangsfrist zwischen Verkündung und dem Inkrafttreten zum 1. Januar 2000 hat der Gesetzgeber auf die Belange der Betroffenen ausreichend Rücksicht genommen. Wenn der Kläger noch nach Verkündung der Gesetzesänderung und im Anschluss an sein eben erst abgeschlossenes deutsches Einbürgerungsverfahrens, in dem ihm die Aufgabe seiner türkischen Staatsangehörigkeit abverlangt worden war, einen Antrag auf Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit stellt, so ist sein Vertrauen darauf, die Gesetzeslücke noch rechtzeitig nutzen zu können, verfassungsrechtlich nicht geschützt (vgl. BVerfG, B.v. 8.12.2006, a.a.O., Absatz-Nrn. 28 bis 38).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,00 Euro festgesetzt (§ 47 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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