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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.01.2006
Aktenzeichen: 5 C 05.2633
Rechtsgebiete: GVG, PatG, VwGO


Vorschriften:

GVG § 17a
PatG § 65
VwGO § 40
Für den Streit über den (behaupteten) Anspruch gegenüber dem ********* ******* *** *********, die Veröffentlichung einer Patentschrift zu unterlassen, ist der Rechtsweg zum Bundespatentgericht und nicht der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

In der Verwaltungsstreitsache

5 C 05.2633

wegen Unterlassung der Veröffentlichung einer Patentschrift

hier: Beschwerde der Klägerin gegen den Verweisungsbeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. August 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz,

ohne mündliche Verhandlung am 9. Januar 2006

folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

IV. Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten (Deutsches Patent- und Markenamt - DPMA), die Patentschrift DE 43 32 545 der Beigeladenen für Aufreißdeckel aus Blech für eine Dose nur in der Weise zu veröffentlichen und zugänglich zu machen, dass darin ihr auf der Grundlage eines eigenen Patents hergestelltes Produkt nicht abwertend beschrieben wird.

1. Die Klägerin ist als Nachfolgerin der S.-L.-AG Inhaberin des Patents EP 0236736 für Aufreißdeckel aus Metall für Dosen, das u.a. mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist. Sie fertigt seit ca. 10 Jahren nach diesem Patent insbesondere ovale Aufreißdosendeckel, die in der Lebensmittelindustrie Verwendung finden (Hansa-Ringpull-Deckel).

Für Blechdeckel dieser Art wurde am 24. September 1993 anderweitig ein Patent angemeldet; die Anmeldung wurde im Laufe des Verfahrens auf die Beigeladene übertragen. In der Offenlegungsschrift OS 4332545 wurde die Erfindung unter Bezug auf das Patent der Klägerin auszugsweise wie folgt beschrieben:

"Diese Versteifungsrippen werden jedoch durch die U-förmige Sicke unterbrochen, so dass dadurch auch entsprechend die durch sie erzielbare Versteifungswirkung weitgehend verloren geht. ... Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass bei der Herstellung der vielen Sicken und die damit verbundenen Verformungen Verspannungen im Blech des Deckels auftreten, die zu unerwünschten Verwerfungen im Blech führen.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, einen Aufreißdeckel der im Oberbegriff des Anspruchs 1 genannten Art zu schaffen, der die bekannten Nachteile nicht aufweist, bei dem also das Maß der Verwerfungen durch bei der Herstellung bewirkten Spannungen im Blech verringert und der Zugring leicht hochhebelbar ist. ... Bei dem vertieften Feld ist das Maß der erzeugten und das vertiefte Feld umgebenden Böschungen auf ein Mindestmaß beschränkt, so dass auch die Gefahr von Spannungen und Verwerfungen des Blechs verringert ist."

Die Klägerin wandte sie sich gegen die Herabwürdigung ihres Patents sowie des danach hergestellten Produkts. Am 25. Juni 2002 beschloss die Beklagte die Erteilung des beantragten Patents. Die Beschreibung war von der Prüfstelle abgeschwächt worden:

"Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass bei der Herstellung der vielen Sicken und die damit verbundenen Verformungen Spannungen im Blech des Deckels auftreten können, die zu unerwünschten Verwerfungen im Blech führen können.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen Aufreißdeckel ... zu schaffen, der die bekannten Nachteile nicht aufweist, bei dem also das Maß eventueller Verwerfungen durch bei der Herstellung bewirkte Spannungen im Blech verringert ... Bei dem vertieften Feld ist das Maß der erzeugten ... Böschungen auf ein Mindestmaß beschränkt, so dass auch die Gefahr von eventuellen Spannungen und Vertiefungen des Blechs verringert ist".

Ein weitergehendes Eingreifen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 15. Juli 2002 ab.

2. Die Klägerin beantragte beim Landgericht München I den Erlass einer gegen die Beklagte gerichteten einstweiligen Verfügung, um die Veröffentlichung der Patentschrift hinsichtlich der von ihr als verunglimpfend empfundenen Äußerungen zu unterbinden. Mit Beschluss vom 6. August 2002 (Az. 7 O 12622/02) hat das Landgericht München I den angerufenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht München verwiesen. Die sofortige Beschwerde der Klägerin wies das Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 18. September 2002 zurück (Az. 6 W 2090/02).

Das Verwaltungsgericht gab dem Antrag mit Beschluss vom 30. Oktober 2002 statt. Auf die Beschwerde der Beigeladenen hob der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung mit Beschluss vom 27. Mai 2003 auf und lehnte den Antrag ab (Az. 5 CE 02.2931, GRUR-RR 2003, 297).

3. In dem Zivilrechtsstreit zwischen der Klägerin und der Beigeladenen hat das Landgericht Dresden die Beigeladene am 18. November 2005 verurteilt, drei der von der Klägerin angegriffenen Äußerungen im geschäftlichen Verkehr nicht aufzustellen oder zu verbreiten sowie gegenüber dem DPMA zu erklären, dass die Behauptungen vorbehaltlos und mit rückwirkender Kraft aus der erteilten Patentanmeldung zu streichen seien (Az. 45 O 0390/03). Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig.

4. Am 24. Oktober 2003 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht, um den von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruch in der Hauptsache weiter zu verfolgen. Nachdem das DPMA am 24. Dezember 2003 die in Streit stehende Patentschrift in der von der Klägerin bekämpften Form veröffentlicht hat, begehrt diese nunmehr die Verpflichtung der Beklagten zur Streichung der von ihr als abwertend empfundenen Passagen in einer neu zu veröffentlichenden Patentschrift sowie hilfsweise die Feststellung, dass die Veröffentlichung rechtswidrig war.

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. August 2005 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Bundespatentgericht verwiesen. Zur Begründung hat die Kammer darauf abgestellt, dass gemäß § 65 Abs. 1 PatG das Bundespatentgericht für Entscheidungen über Beschwerden gegen Beschlüsse der Prüfungsstellen oder Patentabteilungen des Patentamts sowie für Entscheidungen über Klagen auf Erklärung der Nichtigkeit von Patenten und in Zwangslizenzverfahren zuständig sei. Der Inhalt der Patentschrift werde durch den Erteilungsbeschluss bestimmt und müsse mit diesem übereinstimmen; eine fehlerhafte Patentschrift könne entsprechend dem Patenterteilungsbeschluss berichtigt werden. Folglich müsse für Klagen gegen den Inhalt der Patentschrift die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts eröffnet sein, da in diesen Fällen die Beschwerde statthaft sei. Dies müsse auch für Angriffe gegen den Inhalt der Beschreibung gelten, die Gegenstand des vom DPMA als abschließende Regelung zu erlassenden Erteilungsbeschlusses sei. Das Bundespatentgericht sei das sachnähere Gericht; dieses habe die Beschwerdebefugnis der Klägerin zu prüfen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde. Nach § 74 PatG steht die Beschwerde (nur) den am Verfahren vor dem Patentamt Beteiligten zu; dazu zähle die Klägerin als unbeteiligte Dritte nicht. Sie habe kein Beschwerderecht gegen den Erteilungsbeschluss. Das Bundespatentgericht besitze keine rechtliche Handhabe, um eine Änderung der Beschreibung zu verfügen; dies sei weder Gegenstand des Einspruchs- noch des Nichtigkeitsverfahrens. Effektiver Rechtsschutz müsse daher durch die Verwaltungsgerichte gewährleistet werden.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. August 2005 aufzuheben.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Begehren der Klägerin stehe in unmittelbarem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit dem Patenterteilungsverfahren, das abschließend und vollständig im Bundespatentgesetz geregelt sei. Der Rechtsstreit sei daher dem Bundespatentgericht zugewiesen; insoweit komme den Gesichtspunkten der Sachkunde, Sachnähe sowie des Sachzusammenhangs besondere Bedeutung zu. Zur Beseitigung eventueller Rechtsschutzdefizite sei das Bundespatentgericht, nicht jedoch die Verwaltungsgerichtsbarkeit berufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Gerichts- und Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Gem. § 65 Abs. 1 PatG ist für die Entscheidung über den (behaupteten) Anspruch gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt, die Veröffentlichung einer Patentschrift zu unterlassen, der Rechtsweg zum Bundespatentgericht und nicht der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Es unterliegt keinem Zweifel, dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Die Qualifizierung einer Streitigkeit als öffentlich-rechtlich richtet sich nach der wirklichen Natur des (behaupteten) Rechtsverhältnisses, aus dem der Anspruch hergeleitet wird (BVerwG, U.v. 19.5.1994 - 5 C 33.91, BVerwGE 96, 71/73 f. m.w.N.). Mit der Veröffentlichung einer Patentschrift als Publizitätsakt gemäß § 58 Abs. 1 Satz 2 PatG steht ein spezifisches Verwaltungshandeln des DPMA als Behörde im Zentrum des hier vorliegenden Rechtsstreits (vgl. auch BVerwG, U.v. 13.6.1959 - I C 66.57, BVerwGE 8, 350 ff.). Demzufolge ist der von der Klägerin verfolgte Unterlassungsanspruch, dessen Begehren nach Veröffentlichung der Patentschrift entsprechend modifiziert wurde, öffentlich-rechtlicher Natur. Fraglich ist allein, ob dieser Streit durch Bundesgesetz einem anderen Gericht zugewiesen ist. Das ist der Fall.

§ 65 Abs. 1 PatG weist als Sonderregelung i.S. des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Entscheidung u.a. über Beschwerden gegen Beschlüsse der Prüfungsstellen oder Patentabteilungen des Patentamts dem Bundespatentgericht zu; diese Vorschrift erfasst nach Sinn und Zweck sämtliche Rechtsschutzbegehren gegenüber dem DPMA im Patenterteilungsverfahren. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend hervorgehoben, dass es für die Frage des Rechtswegs nicht auf das Bestehen der Beschwerdebefugnis (§ 74 Abs. 1 PatG) ankommen kann. Denn über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels hat das zuständige Gericht unter Berücksichtigung des seine Tätigkeit regelnden Prozessrechts zu befinden; ihm obliegt die Auslegung der entsprechenden Verfahrensregelungen auch mit Blick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit, (vermeintliche) Rechtsschutzdefizite in anderen Prozessordnungen zu kompensieren.

Die Auffassung der Klägerin hätte demgegenüber eine unerträgliche Rechtswegspaltung zur Folge: Zur Entscheidung über den von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruch gegen die Veröffentlichung der Patentschrift wären die Verwaltungsgerichte berufen. Nähme das DPMA jedoch z.B. unsachliche Äußerungen in einer Patentschrift zum Anlass, Mängel der Anmeldung zu rügen und die Anmeldung wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 3 PatAnmV gem. § 42 Abs. 3 PatG zurückzuweisen (vgl. dazu BPatG, B.v. 18.4.2001 - 8 W (pat) 38/00 <juris>), hätte über die Beschwerde des Anmelders das Bundespatentgericht zu befinden. Ein derartiges Ergebnis widerspräche offensichtlich den Gesichtspunkten der Sachnähe sowie des Sachzusammenhangs, denen bei der Auslegung von Vorschriften über die Rechtswegzuweisung im Zweifel besondere Bedeutung zukommt (BVerwG, B.v. 23.12.1998 - 3 B 22.98, NVwZ-RR 1999, 316 unter Verweis auf den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, B.v. 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73, NJW 1974, 2087/2088). Haben unterschiedliche Streitkonstellationen, etwa die Geltendmachung von Schutz- bzw. von gegenläufigen Abwehransprüchen, dasselbe Verwaltungshandeln - hier: Maßnahmen des DPMA gegen herabsetzende Äußerungen in einer Patentschrift - zum Gegenstand, spricht der Aspekt des Sachzusammenhangs für die Zuweisung an dieselbe Gerichtsbarkeit.

Mit dieser Auffassung setzt sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht in Widerspruch zu der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes getroffenen Beschwerdeentscheidung (BayVGH, B.v. 27.5.2003 - 5 CE 02.2931, GRUR-RR 2003, 297). Nach Verweisung des Rechtsstreits durch das Landgericht war im Beschwerdeverfahren - worauf der Senat ausdrücklich hingewiesen hat - die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nicht mehr zu prüfen (§ 17a Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 GVG).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Festsetzung der Streitwerts beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gem. § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; vgl. BVerwG, B.v. 16.3.1994 - 4 B 223.93, NVwZ 1994, 782).



Ende der Entscheidung

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