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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.02.2007
Aktenzeichen: 5 C 06.970
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, StARegG


Vorschriften:

VwGO § 91
VwGO § 166
ZPO § 114 Satz 1
ZPO § 119
StARegG § 17 Abs. 1
StARegG § 27 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

5 C 06.970

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Einbürgerung (Prozesskostenhilfe);

hier: Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. März 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Prof. Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz

ohne mündliche Verhandlung am 9. Februar 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. März 2006 (Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe) wird aufgehoben.

Gründe:

I.

Der Kläger, ein afghanischer Staatsangehöriger, begehrt die Einbürgerung.

Am 5. September 2003 stellte er einen entsprechenden Antrag bei der Stadt Straubing und erklärte in dem Antragsformular, wegen seiner "Asylberechtigung" nicht zur Aufgabe seiner bisherigen Staatsangehörigkeit bereit zu sein. Das Bundesamt teilte auf entsprechende Anfrage der Stadt Straubing vom 18. November 2003 mit Schreiben vom 9. Juni 2004 mit, dass gegen den Kläger ein Widerrufsverfahren eingeleitet worden sei.

Am 17. September 2004 erhob der Kläger eine auf Einbürgerung gerichtete Untätigkeitsklage gegen die Stadt Straubing. Mit Beschluss vom 12. November 2004 wurde ihm Prozesskostenhilfe bewilligt und sein Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.

Am 29. Dezember 2004 meldete der Kläger seinen Hauptwohnsitz in der Stadt Köln an. Auf entsprechenden gerichtlichen Hinweis änderte der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 1. März 2005 die Klage; neue Beklagte solle die Stadt Köln sein. Die Stadt Straubing erklärte sich mit dem Beklagtenwechsel einverstanden.

Nach Anhörung des Klägers lehnte die Stadt Köln den Einbürgerungsantrag mit Bescheid vom 21. September 2005 ab. Den Widerspruch wies die Bezirksregierung Köln mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2005 zurück.

Am 16. Januar 2006 bezog der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Bescheid der Stadt Köln vom 21. September 2005 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 15. Dezember 2005 in das Verfahren ein.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beantragte der Kläger am 24. März 2006 vorsorglich erneut, ihm unter Beiordnung seines Bevollmächtigten auch für das Verfahren gegen die Stadt Köln Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. März 2006 ab. Die Entscheidung über den vorsorglich gestellten Antrag sei erforderlich, weil die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12. November 2004 sich nur auf das Verfahren gegen die damalige Beklagte (Stadt Straubing) bezogen habe. Der Beklagtenwechsel sei nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt. Deshalb seien die Erfolgsaussichten gegen die nunmehrige Beklagte gesondert zu prüfen und aus den Gründen des klageabweisenden Urteils vom gleichen Tag abzulehnen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde, der die Beklagte und der Vertreter des öffentlichen Interesses entgegentreten.

II.

Die Beschwerde ist begründet.

1. Das mit der Beschwerde verfolgte Begehren des Klägers ist dahingehend auszulegen, dass im Hauptantrag die Aufhebung des Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 27. März 2006 erstrebt und die (erneute) Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur hilfsweise für den Fall begehrt wird, dass die zuvor erfolgte Bewilligung (Beschluss vom 12.11.2004) nicht fortwirkt. Dieses Verständnis des Beschwerdeantrags liegt unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung nahe, weil die Klägerseite hervorhebt, den erneuten Prozesskostenhilfeantrag - entgegen der eigenen Rechtsauffassung des weiterwirkenden Bewilligungsbeschlusses vom 12. November 2004 - nur rein vorsorglich gestellt zu haben.

2. Der auf die Aufhebung des Beschlusses vom 27. März 2006 gerichtete Hauptantrag ist begründet. Über den nur vorsorglich erneut gestellten Prozesskostenhilfeantrag vom 24. März 2006 war vom Verwaltungsgericht sachlich nicht zu befinden, weil die im Beschluss vom 12. November 2004 ausgesprochene Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Klägerbevollmächtigten auch die durch den Parteiwechsel auf der Beklagtenseite eingetretene Verfahrenssituation erfasst. Dazu hat der Senat erwogen:

a) Nach § 27 i.V. mit § 17 Abs. 1 StARegG (i.d.F. des Gesetzes vom 15.7.1999, BGBl. I S. 1618) ist für die Einbürgerung die Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Bewerber seinen dauernden Aufenthalt hat. Die örtliche Zuständigkeit der Staatsangehörigkeitsbehörde muss in dem Zeitpunkt gegeben sein, in dem die Behörde die Einbürgerung vornimmt; dass sie zu Beginn eines wegen der Einbürgerung geführten Verwaltungsrechtsstreits zuständig war, genügt nicht (BVerwG, U.v. 31.3.1987 - 1 C 32.84, NJW 1987, 2179). Nachdem der Kläger während des auf Einbürgerung gerichteten Verwaltungsprozesses seinen dauernden Aufenthalt aus der Stadt Straubing in die Stadt Köln verlegt hat, konnte die Stadt Straubing den geltend gemachten Anspruch bereits mangels Zuständigkeit nicht mehr erfüllen; denn eine zuständigkeitsbewahrende Vereinbarung gemäß § 17 Abs. 3 StARegG ist nicht zustande gekommen. Die beklagte Stadt Straubing konnte daher unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr verpflichtet werden, den Kläger einzubürgern.

b) Durch diese behördliche Zuständigkeitsverlagerung wäre der gegenüber der Stadt Straubing geltend gemachte Verpflichtungsantrag im relevanten Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht infolge weggefallener Passivlegitimation unbegründet geworden. Angesichts der eingetretenen Erledigung hätte der Kläger auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag übergehen können (BVerwG, U.v. 31.3.1987 - 1 C 32.84, a.a.O.; BayVGH, B.v. 22.2.2006 - 5 ZB 05.1398 <juris>). Er musste das jedoch nicht tun, sondern konnte sein Primärziel auch unmittelbar weiterverfolgen und der geänderten Sachlage durch einen gewillkürten Parteiwechsel auf der Beklagtenseite Rechnung tragen. Denn anders als im Falle eines gesetzlich angeordneten Zuständigkeitswechsels der beklagten Behörde, der prozessrechtlich als gesetzlicher Parteiwechsel angesehen wird und eine bloße Rubrumsberichtigung auslöst (vgl. BayVGH, U.v. 11.12.2003 - 5 B 00.1739 <juris>), begründet die Verlegung des Aufenthaltsorts durch den Kläger als Zuständigkeitsänderung im Einzelfall (BVerwG, U.v. 31.3.1987 - 1 C 32.84, a.a.O.) die Notwendigkeit einer prozessualen Reaktion - hier: durch eine subjektive Klageänderung gemäß § 91 VwGO (dazu Rennert in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 91 Rdnrn. 20 ff.).

c) Im Grundsatz zutreffend hat das Verwaltungsgericht für den Fall einer Klageänderung die Prüfung der Erfolgsaussichten des neuen Antrags für erforderlich gehalten und aus diesem Grund die Wirkung der bereits erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf den ursprünglichen Streitgegenstand beschränkt, der mit Blick auf den ausgewählten Beklagten auch ein personales Element enthält (so BayVGH, U.v. 17.2.2005 - 5 B 04.392, VGH n.F. 58, 55/59; Rennert in: Eyermann, a.a.O.). Die dafür vom Verwaltungsgericht als Beleg angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, B.v. 22.9.2005 - IX ZB 163/04, NJW-RR 2006, 429; vgl. auch VGH Mannheim, B.v. 11.1.2006 - 12 S 1962/05, NVwZ-RR 2006, 508) betrifft freilich einen Fall einer objektiven Klageänderung.

In der hier vorliegenden Fallkonstellation eines gewillkürten Parteiwechsels als subjektiver Klageänderung auf der Beklagtenseite, der das ursprüngliche Begehren sachlich nicht verändert hat, von den Regelungen der Verwaltungskompetenz her infolge des während des Prozesses eingetretenen Aufenthaltswechsels vorgezeichnet war und die Erfolgsaussichten nicht negativ ändern konnte, sondern vielmehr zu deren Erhaltung erforderlich war, bedarf es keiner Begrenzung der Wirkungen einer positiven Bewilligungsentscheidung. Die Anpassung des Klageantrags an die veränderte behördliche Zuständigkeit ist - anders als bei sachlichen Änderungen des Streitgegenstands z.B. durch Klageerweiterungen - nicht vornehmlich Ausdruck freier Disposition des Klägers und bedarf vom Normzweck der § 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO keiner erneute Prüfung der Erfolgsaussichten. Vielmehr erfasst die vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. November 2004 getroffene Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Klägerbevollmächtigten auch den Teil des Verwaltungsprozesses erster Instanz, der das Verfahren gegen die Stadt Köln betrifft.

Eine Kostenentscheidung und die Festsetzung des Streitwerts sind entbehrlich; Kosten werden gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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