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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.03.2005
Aktenzeichen: 5 ZB 04.2941
Rechtsgebiete: VwGO, NAG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2
NAG § 3
NAG § 3a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

5 ZB 04.2941

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Namensänderung;

hier: Anträge der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 18. August 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz,

ohne mündliche Verhandlung am 10. März 2005

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt ein Drittel, der Kläger trägt zwei Drittel der Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren die Änderung ihres Familiennamens von "*******" in :******" und der Kläger darüber hinaus die Änderung seiner weiteren Vornamen in "******* *******

Die am 7. August 1939 (Klägerin) bzw. 12. März 1938 (Kläger) in Ungarn geborenen Kläger halten sich seit dem Jahr 1980 im Bundesgebiet auf. Ihren ersten Antrag auf Namensänderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. November 1991 ab. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 8.3.1993) erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Januar 1994 ab (Az. M 7 K 93.1651). Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass die Führung des bisherigen Familiennamens nicht zu solchen Unzuträglichkeiten führe, die das Interesse der Allgemeinheit an der Beibehaltung des Namens überwiegen könnten. Fehlschreibweisen ihres Namens erreichten nicht das Ausmaß einer wesentlichen Behinderung (Nr. 37 Abs. 1 NamÄndVwV) und es sei nicht zu erkennen, dass angesichts der Dauer ihres Aufenthalts im Bundesgebiet die Namensänderung einer weiteren Eingliederung der Kläger förderlich wäre (Nr. 37 Abs. 2 NamÄndVwV analog). Auch die aus dem Namen irrtümlich hergeleitete Zurechnung der Kläger zum türkischen bzw. arabischen Kulturkreis begründe keinen wichtigen Grund. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Einbürgerung scheide aus, da die deutsche Volkszugehörigkeit der Kläger nicht festgestellt sei und eine Wiederherstellung früherer Familiennamen gem. Nr. 44 NamÄndVwV nicht in Betracht komme. Das Berufungsverfahren wurde nach Rücknahme des Rechtsmittels durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Mai 1994 eingestellt (Az. 5 B 94.1204).

Den nach ihrer Einbürgerung im Mai 1997 gestellten Antrag vom 13. November 1998 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. März 1999 ab; den Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2003 zurück. Mit Beschluss vom 13. November 2003 lehnte das Verwaltungsgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ab; die dagegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos (Beschluss des Senats vom 2.2.2004, Az. 5 C 03.3249).

Mit Urteil vom 18. August 2004 wies das Verwaltungsgericht die Klagen ab. Die Rechtskraft der Entscheidung vom 26. Januar 1994 stehe der Zulässigkeit der Klagen nicht entgegen, da sich durch die Einbürgerung der Kläger die Sachlage geändert habe; über den Antrag des Klägers auf Änderung seiner Vornamen sei noch nicht rechtskräftig entschieden worden. Ein wichtiger Grund gem. § 3 NAG bestehe weder unter Berücksichtigung des Art. 37 Abs. 1 und 2 noch mit Blick auf Art. 44 NamÄndVwV; die deutsche Volkszugehörigkeit der Kläger sei nicht festgestellt.

Dagegen richten sich die Anträge auf Zulassung der Berufung.

Die Anträge bleiben ohne Erfolg.

1. Die Kläger rügen, das Verwaltungsgericht habe § 3a NAG übersehen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien bei den Klägern offensichtlich gegeben. Die insoweit geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S. von §124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht und die Zulassung der Berufung rechtfertigt sich auch nicht mit Blick auf die zur Auslegung dieser Vorschrift aufgeworfenen Grundsatzfragen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Gemäß § 3a Abs. 1 NAG liegt ein wichtiger Grund i.S. des § 3 Abs. 1 NAG vor, wenn ein deutscher Staatsangehöriger, der die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem 1. Januar 1919 erworben hat, daran gehindert ist, seinen früheren Familiennamen oder Vornamen zu führen, weil ihm dies vor seiner Einbürgerung durch ein Gesetz oder eine Verwaltungsmaßnahme seines früheren Heimatstaates verboten war, wenn durch das Gesetz oder die Verwaltungsmaßnahme des früheren Heimatstaates überwiegend Angehörige einer deutschen Minderheit betroffen waren. Offen bleiben kann, ob diese durch Gesetz vom 29. August 1961 (BGBl. I S. 162) eingefügte Regelung sich in ihrem Anwendungsbereich nicht auf die Wiederherstellung adliger Namensformen beschränkt. Dafür spricht dezidiert die historische Auslegung der Vorschrift, die zumindest einem Teil der "von der adelsfeindlichen Gesetzgebung betroffenen Personen, insbesondere aus den baltischen Ländern, die Wiedererlangung ihrer früheren Adelsbezeichnung als Namensbestandteil zu erleichtern" sucht (so BVerfG, B.v. 4.2.1964 - 1 BvR 463/62, BVerfGE 17, 199/200 m.w.N.). Nachdem im vorigen Jahrhundert der Adel nicht nur im Deutschen Reich, sondern insbesondere auch in den osteuropäischen Staaten abgeschafft worden war, in jenen Ländern aber - über die Regelung des Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV hinausgehend - die früheren Adelsbezeichnungen auch nicht mehr als Namensbestandteil weitergeführt werden durften, konnten Angehörige ehemaliger Adelsfamilien nach dem in Deutschland geltenden Nationalitätsprinzip, das an der Namensführung des Heimatrechts anknüpft, im Bundesgebiet nur noch den bürgerlichen Namen führen. Im Jahre 1961 regelte der Gesetzgeber die Möglichkeit der Wiederherstellung früherer Adelbezeichnungen in § 3a NAG unter Beschränkung auf Fälle, in denen von derartigen Regelungen des früheren Heimatstaates überwiegend Angehörige einer deutschen Minderheit betroffen waren, als nachträgliche, am Gedanken der Wiedergutmachung orientierte Minderheitenschutzregelung (so BVerwG, U.v. 27.11.1981 - 7 C 78.79, Buchholz 402.10 § 3a NAG Nr. 3 S. 1/4). Auch wenn der Wortlaut der Norm nicht auf frühere Adelsbezeichnungen beschränkt ist, besitzt die einschränkende, sich am Willen des Gesetzgebers orientierende Auslegung starkes Gewicht; denn sie vermag sich auf einen Anhalt im Normtext zu stützen: Mit dem genannten Erwerbsdatum der deutschen Staatsangehörigkeit "nach dem 1. Januar 1919" knüpft § 3a Abs. 1 NAG an die bereits genannte Regelung der Weimarer Reichsverfassung an und belegt damit die einschränkende Interpretation.

Diese Frage kann jedoch letztlich dahinstehen, da die Kläger - selbst bei einer extensiven, den historischen Befund durchbrechenden Auslegung - die Voraussetzungen des § 3a NAG nicht erfüllen. Sie haben den erstrebten Familiennamen "Bieber" selbst nie geführt, so dass Abs. 1 der Vorschrift entgegen der Auffassung der Klägerseite nicht greifen kann (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1966 - VII C 150.64, BVerwGE 23, 308/309 f.).

Auch auf § 3a Abs. 2 NAG könnten sich die Kläger nicht mit Erfolg berufen. Danach gilt Absatz 1 auch für deutsche Staatsangehörige, auf die der frühere Name durch Ableitung übergegangen wäre (durch Geburt auf den Kläger und durch Eheschließung auf die Klägerin). Durch die Anknüpfung dieser Vorschrift an der Regelung des Absatzes 1 - und damit auch dessen Tatbestandsvoraussetzungen - reicht es für einen Anspruch aus Absatz 2 aber nicht aus, dass irgendein Vorfahre von dem Namensführungsverbot betroffen war; die Bezugsperson muss zumindest als eingebürgerter Deutscher antragsberechtigt i.S. des § 3a Abs. 1 NAG gewesen sein (OVG Münster, U.V. 12.5.2000 - 8 A 3458/96, NWVBl. 2001, 33/35 f. m.w.N.; Loos, Namensänderungsgesetz, 1970, § 3a Erläuterungen III., S. 107). Daran fehlt es mit Blick auf die Bezugsperson der Kläger. Demzufolge weckt die Berufung der Klägerseite auf § 3a NAG keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils und klärungsbedürftige Fragen mit rechtsgrundsätzlicher Bedeutung stellen sich im vorliegenden Fall nicht.

2. Das Vorbringen der Kläger zu Nr. 44 NamÄndVwV begründet keine zulassungsbegründenden Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz. Danach kann der ursprüngliche Familienname des im Ausland in eine fremdsprachige Namensform geänderten Familiennamens eines deutschen Volkszugehörigen wiederhergestellt werden. Diese Verwaltungsvorschrift ist schon deshalb nicht einschlägig, weil der ungarische Familienname der Kläger nach ihren Angaben "aus dem ***** kommend" bedeutet (Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 26.1.1994 im Verfahren M 7 K 93.1651, S. 3), so dass hinsichtlich des Namens M******" keine fremdsprachige Namensform vorliegt. Darüber hinaus geht die Rüge einer Ungleichbehandlung gegenüber deutschen Staatsangehörigen mit Blick auf die Personen der Kläger fehl, da Nr. 44 NamÄndVwV an dem Status des Betroffenen im Ausland anknüpft; dass die Kläger vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet deutsche Volkszugehörige (oder gar deutsche Staatsangehörige) gewesen wären, ist von ihnen nicht belegt worden.

3. Die Berufung ist auch nicht wegen Abweichung (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerseite ist nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht konkludent einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt hätte, der einem in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Dezember 1962 (Az. VII C 123.61, BVerwGE 15, 183 ff.) enthaltenen Rechtssatz entgegenstünde. Im Gewände der Divergenzrüge üben die Kläger vielmehr Kritik nur an der ihrer Auffassung nach unzutreffenden Interessenabwägung im vorliegenden Fall.

4. Die als Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) geltend gemachte Aufklärungsrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen. Aus der Perspektive der zugrunde zu legenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist bereits die Entscheidungserheblichkeit der vorgetragenen Umstände nicht dargetan.

5. Weder mit Blick auf die rechtlichen Maßstäbe zur Beurteilung der Namensänderungsbegehren noch hinsichtlich ihrer Anwendung auf den Fall der Kläger stellen sich Fragen, die infolge ihrer besonderen Schwierigkeit die Zulassung der Berufung rechtfertigen könnten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Sowohl die tatsächlichen Grundlagen als auch die rechtliche Beurteilung der klägerischen Begehren unterschreiten die Schwelle des besonderen Komplexitätsgehalts.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und § 5 ZPO.

Ende der Entscheidung

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