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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.06.2005
Aktenzeichen: 5 ZB 05.704
Rechtsgebiete: VwGO, StAG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2
StAG § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
StAG § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

5 ZB 05.704

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Einbürgerung;

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 16. Februar 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz,

ohne mündliche Verhandlung am 15. Juni 2005

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Einbürgerung unter Hinnähme von Mehrstaatigkeit. Sie macht geltend, dass sie bei Aufgabe ihrer russischen Staatsangehörigkeit ihren in der Russischen Föderation erworbenen Rentenanspruch verliere. Die Höhe der zu erwartenden Rente bezifferte die Klägerin auf derzeit 60,00 Euro monatlich.

Mit Bescheid vom 21. Mai 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab; das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 22.10.2004).

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 16. Februar 2005 ab. Eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit komme nicht in Betracht, da der Klägerin bei Aufgabe ihrer russischen Staatsangehörigkeit keine erheblichen Nachteile wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstünden. Voraussetzung des Rentenbezugs sei nach dem Rentengesetz der Russischen Föderation aus dem Jahr 2000, dass der Betroffene im Zeitpunkt der erstmaligen Rentenauszahlung seinen Wohnsitz im Inland habe; dann könne die Rente auch ins Ausland transferiert werden. Wenn die Klägerin im Alter von 55 Jahren keine Rente erhalten werde, beruhe das nicht auf einer Aufgabe ihrer russischen Staatsangehörigkeit sondern auf ihrer Aussiedlung vor Eintritt in das Rentenalter. Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, läge in dem Verlust einer Monatsrente i.H. von 60,00 Euro angesichts der wirtschaftlichen Situation der Klägerin und ihres Ehemanns kein erheblicher Nachteil.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend, da das Verwaltungsgericht Art. 3 des Föderativgesetzes der Russischen Föderation vom 17. Dezember 2001 fehlerhaft ausgelegt habe. Wenn die Klägerin ihre russische Staatsangehörigkeit verliere, stehe ihr als ausländischer Bürgerin nur dann ein Rentenanspruch zu, wenn sie über einen ständigen Wohnsitz in der Russischen Föderation verfüge. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass der Verlust des Rentenanspruchs sehr wohl ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil für die Klägerin sei. Der Verlust der Alterssicherung, der derzeit noch nicht beziffert werden könne, erfülle diese Voraussetzung in jedem Falle; auf die Höhe der zu erwartenden Rente komme es dabei nicht an.

Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00, NVwZ 2000, 1163/1164). Diesem Maßstab wird das Vorbringen der Klägerseite nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf zwei unabhängig voneinander tragende Gründe gestützt und ist - unabhängig von seiner Auslegung der rentenrechtlichen Bestimmungen der Russischen Föderation - davon ausgegangen, dass mit dem Verlust einer Altersrente i.H. von monatlich 60,00 Euro für die Klägerin angesichts ihrer wirtschaftlichen Situation und der ihres Ehemanns kein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil dargetan sei. Jedenfalls hinsichtlich der zuletzt genannten Begründung, die das angefochtene Urteil selbständig trägt, weckt das Vorbringen der Klägerseite keine ernstlichen Zweifel.

Ihr rechtlicher Ansatz, dass der Verlust einer in einundzwanzig Berufsjahren erworbenen Rentenanwartschaft ohne Berücksichtigung der Höhe einer zu erwartenden Rente die Voraussetzungen des § 12 Abs.1 Satz 2 Nr. 5 StAG erfülle, ist mit dem Ausnahmecharakter der Vorschrift nicht zu vereinbaren. Der Gesetzgeber hat mit dem Kriterium der "Erheblichkeit" zum Ausdruck gebracht, dass die mit der Aufgabe der Staatsangehörigkeit verbundenen Nachteile "deutlich über das normale Maß hinausreichen" müssen (BT-Drs. 14/533 S. 19). Dieses gesetzliche Qualifikationsmerkmal steht einer Auslegung der Vorschrift entgegen, die - wenn man die Auffassung der Klägerseite zum Rentenrecht der Russischen Föderation als zutreffend unterstellt - für die Hinnahme von Mehrstaatigkeit undifferenziert das eine Vielzahl russischer Einbürgerungsbewerber in gleicher Weise treffende Schicksal ausreichen lässt.

Für die Ausfüllung des Erheblichkeitsmaßstabs in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG bedarf es auch keiner exakten Quantifizierbarkeit des der Klägerin bei Eintritt in das Rentenalter zustehenden Rentenanspruchs. Der verfahrensbevollmächtigte Ehemann der Klägerin hat selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die Höhe der derzeit zu erwartenden Rente auf 60,00 Euro beziffert. Wenn die Klägerseite nunmehr in der Begründung des Zulassungsantrags die Unsicherheit über die genaue Höhe einer künftigen Rente gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts anführt, begründet auch dieser Angriff keine zulassungsbegründenden Zweifel: Für die im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu treffende Bewertung der (Un-)Erheblichkeit eines wirtschaftlichen Nachteils reicht eine ungefähre Prognose der künftigen Rentenhöhe völlig aus. Im übrigen wäre es Sache der Klägerseite, dazu substantiiert vorzutragen; denn sie trifft die Darlegungs- und materielle Beweislast für das Bestehen erheblicher Nachteile i.S. des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG (Hailbronner in: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 12 StAG Rdnr. 27; Berlit in: GK-StAR, § 87 AuslG Rdnr. 226).

2. Das Vorbringen zu den besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) genügt nicht den an diese Zulassungsgründe zu stellenden Darlegungsanforderungen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die Auslegung des Rentenrechts der Russischen Föderation durch das Verwaltungsgericht rechtfertigt schon deshalb keine Zulassung der Berufung, da sich diese Frage für die angefochtene Entscheidung nicht als entscheidungserheblich erweist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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