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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: 5 ZB 06.2744
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 60
VwGO § 124a Abs. 4
Die Verpflichtung des Prozessbevollmächtigten, den Fristablauf zur Begründung des Zulassungsantrags anlässlich der Aktenvorlage zur Fertigung der Antragsschrift eigenverantwortlich zu prüfen, erfasst auch die korrekte Bezeichnung des Rechtsmittels im Fristenkalender (hier: Berufung statt Antrag auf Zulassung der Berufung).
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

5 ZB 06.2744

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Namensänderung;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 28. Juni 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 5. Senat,

durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Hüffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Prof. Dr. Kraft, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmitz

ohne mündliche Verhandlung am 17. November 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Namensänderung seines Sohnes. Das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. Juni 2006, das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen ist, wurde seinen Verfahrensbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 31. August 2006 zugestellt.

Die Klägerbevollmächtigten beantragten am 29. September 2006 beim Verwaltungsgericht die Zulassung der Berufung; die Begründung des Zulassungsantrags werde mit gesondertem Schriftsatz erfolgen.

Mit am 30. Oktober 2006 um 16.22 Uhr per Fax beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 29. September 2006, die Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung bis 30. November 2006 zu verlängern. Der Kanzlei wurde am 2. November 2006 telefonisch vom Berichterstatter mitgeteilt, dass eine Verlängerung der Begründungsfrist gesetzlich nicht vorgesehen sei.

Am 13. November 2006 beantragten die Verfahrensbevollmächtigten des Klägers die Wiedereinsetzung in die abgelaufene Frist zur Begründung des Zulassungsantrags. Zur Begründung wies der sachbearbeitende Rechtsanwalt darauf hin, dass die Rechtsmittelfristen von der Fachangestellten Frau L. im Ablauf korrekt, aber versehentlich unter der Fehlbezeichnung "Berufung" und "Begründung der Berufung" in den Fristenkalender eingetragen worden seien.

Die Akte sei dem allein sachbearbeitenden Rechtsanwalt am 22. September 2006 zur Bearbeitung vorgelegt worden. Er habe daraufhin einen Antrag auf Zulassung der Berufung diktiert; der Schriftsatz sei dem Gericht am 29. September übermittelt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm nicht aufgefallen, dass die Fristen unter der falschen Bezeichnung als Berufungseinlegungs- bzw. Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender eingetragen worden seien.

Auf die fernmündliche Nachfrage anlässlich unvorhergesehener Auswärtstermine habe ihm Frau L. telefonisch mitgeteilt, dass am 30. Oktober 2006 die Frist zur Begründung der Berufung ablaufe. Deshalb sei er von der Verlängerbarkeit der Frist ausgegangen und habe telefonisch mit seinem Kollegen vereinbart, dass er selbst den Verlängerungsantrag diktiere und jener ihn unterzeichne. Frau L. habe - entsprechend der Vorlage des Schriftsatzes vom 29. September 2006 - den Wortlaut des fernmündlich diktierten Verlängerungsantrags angepasst (Verlängerung der "Frist zur Begründung der Berufung" zu "Frist zur Begründung der Zulassung der Berufung"). Diesen Antrag habe sein Kollege, ohne dass ihm die Akte vorgelegt worden sei, unterzeichnet.

Auf das weitere Vorbringen, die zur Glaubhaftmachung übergebenen Anlagen sowie die vorgelegte eidesstattliche Erklärung der Kanzleiangestellten L. wird Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist infolge Versäumung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels unzulässig; denn Wiedereinsetzung in die Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO kann dem Kläger infolge der von seinen Prozessbevollmächtigten verschuldeten Säumnis nicht gewährt werden. Die Gewährung von Wiedereinsetzung ist grundsätzlich nur möglich, wenn jedes ursächliche (Mit-)Verschulden des Beteiligten oder seines Bevollmächtigten (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO) ausgeräumt wird. Daran fehlt es hier.

Der sachbearbeitende Prozessbevollmächtigte des Klägers hat vorgetragen, ihm sei anlässlich der Fertigung (und Unterzeichnung) des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht aufgefallen, dass die Fristen unter der falschen Bezeichnung als Berufungseinlegungs- bzw. Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender eingetragen worden waren. Damit hat er gegen die ihn als Rechtsanwalt treffende Pflicht verstoßen, bei der Fertigung der Rechtsmittelschrift den Ablauf der Begründungsfrist nachzuprüfen und die fehlerhafte Bezeichnung des Rechtsmittels zu berichtigen.

Nach den in der Rechtsprechung zur anwaltlichen Fristenkontrolle entwickelten Grundsätzen hat der Rechtsanwalt alles ihm Zumutbare zu tun und zu veranlassen, damit die Fristen zur Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels gewahrt werden (BGH, B.v. 13.11.1975 - III ZB 18/75, NJW 1976, 627/628). Zwar kann sich der Anwalt von der routinemäßigen Fristberechnung und Fristenkontrolle, die lediglich der rechtzeitigen Aktenvorlage dient (BGH, B.v. 17.3.2004 - IV ZB 41/03, NJW-RR 2004, 1150), durch Übertragung dieser Tätigkeit auf zuverlässige und sorgfältig überwachte Bürokräfte entlasten. Hiervon ist jedoch die Prüfung des Fristablaufs im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Sache selbst zu unterscheiden: Den notierten Fristablauf hat der Anwalt eigenverantwortlich nachzuprüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird (BGH, B.v. 17.3.2004 a.a.O.; BVerwG, B.v. 17.3.1995 - 9 C 390.94, BayVBl. 1995, 579 m.w.N.).

Die Überwachungspflicht des Rechtsanwalts, dem die Handakten zwecks Fertigung des Antrags auf Zulassung der Berufung vorgelegt werden, beschränkt sich nicht auf die Prüfung, ob die Antragsfrist korrekt berechnet und unter zutreffender Bezeichnung des Rechtsmittels notiert ist. Sie erstreckt sich auch auf die ordnungsgemäße Notierung der durch Zustellung des erstinstanzlichen Urteils ausgelösten Begründungsfrist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) einschließlich korrekter Benennung des Rechtsmittels. Es wäre mit der genannten Verpflichtung, alle zumutbaren Vorkehrungen gegen Fristversäumnisse zu treffen, nicht zu vereinbaren, wenn der Anwalt anlässlich der Aktenvorlage zur Fertigung der Antragsschrift die gebotene Prüfung der Fristnotierung auf die Antragsfrist beschränken und die Prüfung der in diesem Zeitpunkt bereits feststehenden Zulassungsbegründungsfrist aussparen würde (vgl. BGH, B.v. 19.4.2005 - X ZB 31/03 <juris>). Die Pflicht zur Fristüberprüfung umfasst sachlich auch die richtige Bezeichnung des Rechtsmittels, der gerade wegen der unterschiedlichen Regelungen zur Verlängerbarkeit (vgl. § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO ohne korrespondierende Regelung in Abs. 4) besondere Bedeutung zukommt.

Das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten muss sich der Kläger zurechnen lassen (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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