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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 28.09.2006
Aktenzeichen: 6 B 04.1215
Rechtsgebiete: KAG


Vorschriften:

KAG Art. 5 Satz 1
KAG Art. 5 Abs. 1 Satz 1
KAG Art. 5 Abs. 1 Satz 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

6 B 04.1215

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Vorauszahlung auf den Ausbaubeitrag (************);

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 10. Februar 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 6. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Maunz, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Haas, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Rickelmann

ohne mündliche Verhandlung am 28. September 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. Februar 2004 wird geändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Vorauszahlungsbescheids für die Verbesserung/Erneuerung der Anlagen zur Straßenoberflächenentwässerung.

Im Jahr 1996 begann die Beklagte mit dem Bau eines Regenrückhaltebeckens und der Verbesserung des Kanalnetzes innerhalb des durch die Anlage zu § 1 der Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung vom 7. September 1998 definierten Gebietes ("Systemgebiet").

Mit Bescheid vom 5. November 1998 zog sie den Kläger als Miteigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ****** Gemarkung P**** (S*********** *) auf der Grundlage ihrer Satzung "Über die Straßenausbaubeiträge" vom 26. November 1990 (ABS 1990) zu einem "Beitrag (Vorausleistung) für den Straßenausbau ... (für Entwässerungsanlagen)" in Höhe von 8.762,06 DM heran.

Der Rechenweg war in etwa folgender:

Von den zu erwartenden Gesamtkosten des "Regenwasserklär- und Rückhaltebeckens" setzte die Beklagte auf der Grundlage entsprechender Gemeinderatsbeschlüsse Anteile für den Deckel des Beckens sowie Außengebietszuflüsse ab. Den Restbetrag von 3.413.880,00 DM teilte sie hälftig (je 1.706.940,00 DM) auf den Regenwasser- und den Straßenausbaubeitrag auf, ebenso die Kosten der Sanierung des Regenwasserkanalnetzes (je 2.836.000,00 DM). Der Berechnung des Ausbaubeitrags für die Straßenentwässerung legte sie die Summe dieser beiden Posten (4.542.940,00 DM) - gewissermaßen als Bruttogesamtaufwand - zugrunde sowie eine "Gesamtfläche" von 439.703,10 m² (Summe aller zu entwässernden Grundstücksflächen, jeweils konkret mit einem Nutzungsfaktor multipliziert). Den Beitragssatz für die Grundstücke an den drei innerhalb des Abrechnungsgebiets vertretenen Straßentypen (Wohnstraße, Erschließungsstraße, Durchgangsstraße § 7 Abs. 4 ABS 1990) ermittelte sie, indem sie vom Gesamtbruttoaufwand (4.542.940,00 DM) den jeweiligen Gemeindeanteil (je nach Straßenklasse 20 %, 40 %, 60 %) abzog und die sich danach errechnenden Beträge durch die Gesamtfläche dividierte. Damit ergab sich für alle Grundstücke an Wohnstraßen im Abrechnungsgebiet ein Quadratmetersatz von 8,27 DM (Erschließungsstraßen: 6,20 DM/m², Durchgangsstraßen: 4,13 DM/m²).

Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 13.8.2003) erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht mit dem Antrag, den Vorausleistungsbescheid vom 5. November 1998 und den Widerspruchsbescheid vom 13. August 2003 aufzuheben. Seine Rechtsvorgängerin habe 1962/63 das Grundstück mit einem Wohnhaus bebaut, 1966 den mit Bescheid vom 17. Oktober 1966 geforderten Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der S*****straße in Höhe von 1.655,31 DM gezahlt.

Die Beklagte habe im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Baumaßnahme wiederholt (öffentliche Veranstaltungen, Presseverlautbarungen) darauf hingewiesen, dass das alte Kanalsystem seinerzeit "in erheblichem Umfang fachwidrig sowohl in Bezug auf das verwendete Material als auch in der Ausführung" errichtet worden sei. Sie habe jedoch rechtzeitige Kontrollen und Sanierungsmaßnahmen versäumt. Bei regelmäßiger Wartung und Reparatur wäre die "Erneuerung" nicht notwendig geworden. Durch Reparaturstau bedingte Sanierungsmaßnahmen seien nicht abrechenbar.

Die Abgrenzung des Abrechnungsgebietes (im Osten, Süden und Südwesten die gemeindliche Bebauungsgrenze, im Westen lediglich ein Teil des bebauten Gemeindegebiets) sei nicht nachvollziehbar. Insbesondere seien im Bereich L****** Straße und O******weg "trotz erheblicher Gefährdung der angrenzenden Grundstücke landwirtschaftlich genutzte Flächen nicht einbezogen" worden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Mit Blick auf ihre Ausbaubeitragssatzung sei sie verpflichtet, für die Erneuerung der Regenwasserkanalisation Beiträge zu erheben. Der Bau des Regenrückhaltebeckens und die Erneuerung des Kanalnetzes "in wesentlichen Teilen" stelle eine beitragsfähige Maßnahme im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG dar, da eine alte Einrichtung aus den 60-er Jahren in ein neuzeitlichen, technischen und hygienischen Anforderungen entsprechendes Entwässerungssystem umgestaltet worden sei. Allein mit Unterhaltungsmaßnahmen sei eine ordnungsgemäße Niederschlagsentwässerung nicht mehr sicherzustellen gewesen.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides sei nunmehr die rückwirkend zum 1. November 1998 in Kraft gesetzte Ausbaubeitragssatzung vom 1. Dezember 2000 (ABS 2000), die die Vorläufersatzung vom 26. November 1990 aufhebe.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung seien die Kosten für den Ausbau des Regenwasserkanals, der sowohl der Straßen- als auch der Grundstücksentwässerung diene, jeweils hälftig dem Aufwand für die Straßen- bzw. Grundstücksentwässerung zugeordnet. Das Abrechnungsgebiet entspreche dem Entwässerungsgebiet, das in der Anlage zu § 1 der Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung vom 7. September 1998 definiert sei. Die Beiträge seien im Rahmen einer Globalberechnung halbiert worden, da es sich bei der Regenwasserkanalisation um eine leitungsgebundene Einrichtung handle. Deshalb sei eine abschnittsweise Aufwandsermittlung nicht zulässig (Art. 5 Abs. 1 Satz 5 KAG n. F.). Wegen des engen Zusammenhangs zwischen den Entwässerungseinrichtungen in der einzelnen Straße (Kanal, Sinkkästen) mit dem darüber hinausreichenden Entwässerungssystem müssten die Anlieger der jeweiligen Straße auch einen verhältnismäßigen Teil der Kosten des gesamten Entwässerungssystems tragen. Der Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit habe hier geboten, eine Einrichtungseinheit zu bilden. Die Erneuerung der gesamten Regenwasserkanalisation verbessere das gesamte System unabhängig davon, ob in einer Straße die Kanalisation erneuert worden sei oder nicht.

In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts führte der Vertreter der Beklagten zur Notwendigkeit der Maßnahme aus, das ganze System sei ab 1994 mit einer Video-Befahrung beobachtet worden. Dabei habe man festgestellt, dass teilweise die Querschnitte der Rohre zu klein, Rohre eingebrochen oder - etwa durch unsachgemäße Grundstücksanschlüsse - beschädigt gewesen seien, so dass sich eine Sanierung nicht gelohnt habe. Abgerechnet werde der Bereich der Gemeinde, dessen Untergrund nicht versickerungsfähig sei (Rissmoränenhang). Die geologischen Verhältnisse könnten von Grundstück zu Grundstück verschieden sein. Das übrige Gemeindegebiet werde über Sickerschächte entwässert (Münchner Schotterebene).

Einen Beschluss über die Bildung einer Erschließungseinheit bzw. über die Abrechnung eines geschlossenen Entwässerungssystems habe der Gemeinderat nicht gefasst.

Mit Urteil vom 10. Februar 2004 hob das Verwaltungsgericht den Vorausleistungsbescheid vom 5. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2003 auf. Rechtsgrundlage des Beitragsbescheids sei die rückwirkend zum 1. November 1998 in Kraft gesetzte Ausbaubeitragssatzung vom 1. Dezember 2000. Zwar sei grundsätzlich die Abrechnung einer Teileinrichtung (hier: Straßenentwässerung) im Wege der Kostenspaltung auch für eine Abrechnungs- bzw. Erschließungseinheit möglich. Für deren Bildung gälten dieselben Grundsätze wie im Erschließungsbeitragsrecht. Der danach erforderliche Gemeinderatsbeschluss liege nicht vor; der Beschluss vom 18. September 1997 sei ausdrücklich für den Erlass einer Entwässerungssatzung getroffen worden. Damit sei die Erschließungseinheit schon aus formalen Gründen rechtswidrig. Im Übrigen seien wohl auch die materiell- rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, da Straßen unterschiedlichen Typs zusammengefasst würden. Die damit beabsichtigte Kostengleichstellung verkehre sich so ins Gegenteil. Außerdem sei die Beklagte nicht, wie § 6 Abs. 1 ABS vorschreibe, von den tatsächlichen Kosten ausgegangen, sondern habe die Gesamtkosten - pauschal - halbiert. Abrechenbar seien im Übrigen ausschließlich anteilige Kosten von Anlagen, die sowohl der Straßenentwässerung als auch der Grundstücksentwässerung dienten, nicht dagegen die Kosten für die Grundstücksentwässerung sowie die Reinigung des gesammelten Wassers. Der besondere Vorteil gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG ziele auf Anlagen, die die Begehbarkeit bzw. Befahrbarkeit von Straßen auch bei starken Regenfällen sicherstellten.

Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung beantragt die Beklagte,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. Februar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Gemeinderat der Beklagten habe den im angefochtenen Urteil als fehlend bemängelten Beschluss der Bildung einer Abrechnungseinheit am 29. April 2004 nachgeholt, ebenso den Kostenspaltungsbeschluss für die Entwässerungsanlage. Die Beitragspflicht für die streitgegenständliche Maßnahme sei noch nicht entstanden, da noch nicht alle Unternehmerrechnungen vorlägen. Zwar habe die Rechtsprechung die Bildung einer Abrechnungseinheit bislang nur für Straßen desselben Typs mit gleichen Anteilssätzen erlaubt. Hier liege jedoch aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse ein Ausnahmefall vor, bei dem nur die Bildung einer Einheit eine willkürliche unterschiedliche Beitragsbelastung verhindern könne. Das Abrechnungsgebiet befinde sich in Hanglage, der tiefste Punkt liege im E*****weg, der höchste etwa in der W*****straße. Demgemäß sei der Durchmesser der Rohrleitung im E*****weg für die gesamte anfallende Niederschlagsmenge aus den öffentlichen Verkehrsflächen des Abrechnungsgebietes zu ermitteln.

Bei einer Einzelabrechnung der Straßen würden die Anlieger im E*****weg mit verhältnismäßig höheren Kosten belastet als die Anlieger an der höchsten Stelle. An dieser willkürlichen unterschiedlichen Belastung, die dem Vorteilsgedanken im Straßenausbaubeitragsrecht widerspreche, ändere sich auch nichts durch den in der Ausbaubeitragssatzung festgelegten differenzierenden Gemeindeanteil, der ausschließlich die unterschiedliche Bedeutung der jeweiligen Straße für die Allgemeinheit (Verkehrsbedeutung) würdige.

Der von der Rechtsprechung geforderte Funktionszusammenhang sei gegeben, da das Entwässerungssystem nur in seiner Gesamtheit im Bereich des Abrechnungsgebietes funktionstauglich sei. Nachdem alle Anlieger gleichermaßen von der Regenwasserkanalisation profitierten, bildeten sie insoweit ähnlich wie bei leitungsgebundenen Einrichtungen eine Solidargemeinschaft mit der Folge, dass der Aufwand insgesamt auf das Abrechnungsgebiet zu verteilen sei. Ebenso wenig seien die Pauschalierung und der hälftige Kostenansatz (für Grundstücks- bzw. Straßenentwässerung) zu beanstanden.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Da die Arbeiten längst abgeschlossen seien, werde bezweifelt, dass die Beitragspflicht im Zeitpunkt der nachgeholten Beschlüsse - 29. April 2004 - noch nicht entstanden gewesen sei. Die Voraussetzungen für den Zwang zur Bildung einer Abrechnungseinheit mit unterschiedlichen Straßentypen seien nicht nachgewiesen.

Ausweislich der Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderats am 29. April 2004 ("Bildung von Abrechnungseinheiten für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen") stellte der Gemeinderat ausdrücklich fest, "dass mit der Erneuerung der Regenwasserbeseitigungsanlage keine darüber hinausgehende Erneuerung oder Verbesserung der sonstigen Straßenbestandteile im Sinne der Ausbaubeitragssatzung erfolgt."

In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. April 2006 stellte der Vertreter der Beklagten klar, dass das Regenwasser im Rückhaltebecken lediglich mechanisch gereinigt wird.

Unter dem 2. Mai 2006 gab der Verwaltungsgerichtshof der Beklagten auf, eine Vergleichsberechnung vorzulegen, die auf der Aufwandsseite die Kosten insbesondere nach den verschiedenen Zwecken der gesamten Regenwasserentwässerungseinrichtungen differenziert (Grundstücksentwässerung, Straßenoberflächenentwässerung, Außengebietszuflüsse) sowie bei der Verteilung auf die einzelnen Straßen im Systemgebiet abstellt.

Ausweislich der am 7. August 2006 eingegangenen Vergleichsberechnung ergibt sich für das Grundstück des Klägers eine Vorauszahlung in Höhe von 4.963,35 Euro.

Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen, der beigezogenen Akten des Parallelverfahrens Az. 6 B 04.1015 und des 23. Senats Az. 23 B 04.2671 (betrifft eine Vorausleistung auf den Entwässerungsbeitrag im Systemgebiet) sowie der vorgelegten Behördenakten und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung ist zulässig, sie hat auch in der Sache Erfolg. Nach dem Ergebnis der Vergleichsberechnung ist der angefochtene Beitragsbescheid, mit dem die Beklagte eine Vorauszahlung auf den Ausbaubeitrag für die Verbesserung der Anlagen zur Straßenoberflächenentwässerung in Höhe von 8.762,06 DM verlangt hat, rechtmäßig. Das Verwaltungsgericht hat übersehen, dass im Beitragsstreit bei einem aus formalen wie aus materiellen Gründen festgestellten Scheitern einer Abrechnungseinheit auf die konkrete Einzelanlage (Straße) umzurechnen ist, wobei aus den Gesamtkosten der für die Einzelanlage tatsächlich angefallene Aufwand einschließlich eines proportionalen Anteils an den Gemeinschaftseinrichtungen - im Vorausleistungsverfahren überschlägig - zu ermitteln ist.

Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden u. a. zur Deckung des Aufwands für die Erneuerung oder Verbesserung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung besondere Vorteile bietet. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die in Rede stehende Ausbaumaßnahme, nämlich Errichtung eines Regenrückhaltebeckens und Erneuerung des Kanalnetzes für die Oberflächenentwässerung - beides dient sowohl der Straßen- als auch der Grundstücksentwässerung - stellt eine beitragsfähige Verbesserung dar. Die Beklagte durfte für die im Jahr 1996 begonnene und im Jahr 1998 noch nicht abgeschlossene Maßnahme Vorauszahlungen auf den Beitrag verlangen (Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG).

Das alte Kanalsystem aus den 60-er Jahren war, wie bei einer Video-Befahrung im Jahr 1994 festgestellt, "marode" - Rohre waren eingebrochen oder wegen unsachgemäßer Grundstücksanschlüsse beschädigt, der Rohrdurchmesser war wegen Anschlusses neuer Baugrundstücke zu klein dimensioniert -, so dass es in wesentlichen Strecken ersetzt werden musste, um nunmehr neuzeitlichen technischen und hygienischen Anforderungen zu genügen. Mit seinem Einwand, ein Reparaturstau habe die Schäden herbeigeführt, kann der Kläger deshalb nicht durchdringen.

Dagegen zielt er mit seiner Rüge, das Abrechnungsgebiet sei nicht nachvollziehbar, auf das zentrale Problem, da Bestimmung des Ermittlungsraums und der Aufwandshöhe einerseits sowie Abgrenzung des Abrechnungsgebiets andererseits untrennbar zusammenhängen.

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG knüpft an den Begriff "öffentliche Einrichtung" an. Geht es um Straßen, ist damit grundsätzlich der einzelne Straßenzug gemeint (vgl. die "Ortsstraßen" in Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG). Zur Verdeutlichung sei nochmals darauf hingewiesen, dass Gegenstand dieses Verfahrens ein Straßenausbaubeitragsbescheid ist, dessen Rechtmäßigkeit demgemäß ausschließlich anhand der in Art. 5 KAG für nicht leitungsgebundene Einrichtungen getroffenen Bestimmungen zu prüfen ist, mag es sich auch bei der inmitten stehenden Teileinrichtung der Straße für deren Oberflächenentwässerung rein technisch gesehen großenteils um "Leitungen", d. h. ein Kanalsystem, handeln.

Art. 5 Abs. 1 Satz 5 2. Halbsatz KAG sieht vor, dass bei nicht leitungsgebundenen Einrichtungen der Aufwand für mehrere Einrichtungen, die für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, insgesamt ermittelt werden kann. Im Erschließungsbeitragsrecht (§ 130 Abs. 2 Satz 2 BauGB) dient die gemeinsame Aufwandsermittlung und Abrechnung der Beitragsgerechtigkeit. Der Anlieger einer breiten Haupterschließungsstraße soll nicht wesentlich stärker mit Beiträgen belastet werden, als der Anlieger einer schmalen (erschließungsrechtlich selbstständigen) Wohn(Stich-)straße, die ihrerseits letztlich durch die Hauptstraße mit dem übrigen Straßennetz der Gemeinde mit der Folge verbunden ist, dass der Anlieger der Wohnstraße die Hauptstraße in einem nahezu vergleichbaren Umfang in Anspruch nimmt wie der Anlieger der Hauptstraße selbst. Diesem Gesichtspunkt der Beitragsgerechtigkeit trägt das Straßenausbaubeitragsrecht dadurch Rechnung, dass in der Straßenausbaubeitragssatzung der Gemeindeanteil für eine Hauptstraße höher anzusetzen ist als für eine (reine) Wohnstraße (vgl. Art. 5 Abs. 3 KAG). Da auf die Anlieger der Hauptstraße somit lediglich ein geringerer Teil des entstandenen beitragsfähigen Aufwands umgelegt wird, gleicht sich ihre Beitragsbelastung derjenigen der Anlieger von Wohnstraßen im Ergebnis an. Aus der beschriebenen Besonderheit des Straßenausbaubeitragsrechts folgt, dass in diesem Rechtsgebiet ausschließlich solche Straßen zur gemeinsamen Aufwandsermittlung und Abrechnung zusammengefasst werden dürfen, die demselben Straßentyp - also mit denselben Anteilssätzen - angehören. Andernfalls würde die vom Landesgesetzgeber in Verbindung mit dem Ortsgesetzgeber (durch die Festsetzung der Gemeinde- bzw. Anliegeranteile) angeordnete Aufwandsverteilung nach den unterschiedlichen Vorteilen unterlaufen (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Teil III RdNr. 120 zu § 8).

Hier hatte die Beklagte der Abrechnung auch der Straßenoberflächenentwässerung das durch die Anlage zu § 1 der Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung vom 7. September 1998 definierte Gebiet zugrunde gelegt. Da es ausweislich der Auflistung der Gemeinde drei verschiedene Straßenkategorien umfasst, ist eine gemeinsame Abrechnung von vornherein ausgeschlossen. Als Ermittlungsraum ist jeweils auf die einzelne Straße abzustellen, an die das Grundstück des einzelnen Beitragspflichtigen angrenzt, beim Kläger also auf die S*****straße.

In einem ersten Schritt ist für die Berechnung des Straßenausbaubeitrags der Aufwand zu ermitteln, den die Erneuerung bzw. Verbesserung der Oberflächenentwässerung in der S*****straße verursacht hat. Das gestaltet sich deswegen besonders schwierig, weil zum einen die Beklagte von vornherein bei der Ausschreibung, der Auftragsvergabe und der Kostenerfassung das gesamte Systemgebiet im Auge gehabt hatte, also den Bereich, in dem wegen des nicht versickerungsfähigen Untergrunds (Rissmoränenhang) nicht über Sickerschächte entwässert werden konnte wie im übrigen Gemeindegebiet, das auf der sog. Münchner Schotterebene liegt, sondern ein geschlossenes System mit Ableitung in ein Regenwasserrückhaltebecken notwendig war.

Zum anderen trat hier zu den üblichen beiden Zwecken der Einrichtungen für eine Niederschlagsentwässerung - Regenwassergrundstücksentwässerung und Straßenoberflächenentwässerung - ein dritter Zweck, nämlich der Hochwasserschutz, hinzu, da auch Außengebietszuflüsse aus dem Bereich des M***weihers in das neue System eingeleitet werden.

Die Beklagte hat den maßgeblichen Aufwand nunmehr im wesentlichen entsprechend den Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Schreiben vom 2.5.2006) berechnet. Nachdem hier ausschließlich die Ableitung von Regenwasser inmitten steht und der Kostenanteil für die Außengebietszuflüsse ohnehin schon großenteils ermittelt war, kann bezüglich der Aufgliederung der Kosten für die Gemeinschaftseinrichtungen auf die vom Bundesverwaltungsgericht - seinerzeit zum Erschließungsbeitragsrecht und zum Mischsystem - entwickelte "fiktive Einzelanlagenberechnung" verzichtet werden.

Nach Abzug eines auf den Kanalbau entfallenden Anteils für die Außengebietszuflüsse von 2,15 % sowie von jeweils 13 % des Aufwandes zur Bewältigung der Außengebietszuflüsse bei den Gemeinschaftseinrichtungen Regenwasserrückhaltebecken, Druckleitung und Versickerungsanlage hat die Beklagte die verbleibende Kostenmasse für die Gemeinschaftseinrichtungen zutreffend je zur Hälfte (je 2.354.373,82 Euro - vgl. Blatt 3 der Vergleichsberechnung) der Grundstücks- bzw. der Straßenoberflächenentwässerung zugeordnet (so BVerwG vom 9.12.1983 BVerwGE 68, 249/255 f. = BayGT 1984, 49 zur Abrechnung einer sog. Trennkanalisation nach Erschließungsbeitragsrecht). Um in einem zweiten Schritt den für den maßgeblichen Ermittlungsraum (konkreter Straßenzug) entstandenen Aufwand greifen zu können, war dieser für die Gemeinschaftseinrichtungen angefallene und der Straßenoberflächenentwässerung zuzurechnende Aufwand gemäß den Vorgaben des Senats in dem Verhältnis auf die einzelnen Straßen zu verteilen, in dem deren Oberfläche jeweils zu der Summe der Oberflächen aller Straßen im Systemgebiet stehen.

Zu diesem ersten Aufwandsposten kommen als zweiter die Kosten hinzu, die die konkreten, ausschließlich der Oberflächenentwässerung für die einzelne Straße dienenden Einrichtungen - Sinkkästen mit Zuleitungen zum Kanal - ausgelöst haben. An dieser Stelle hat die Beklagte augenscheinlich die Vorgaben des Senats missverstanden, indem sie die Summe aller ausschließlich der Straßenoberflächenentwässerung dienenden Kosten (für Sinkkästen und Anschlüsse) gebildet, sie zu dem Hälfteanteil für die Gemeinschaftseinrichtungen addiert und den Gesamtbetrag entsprechend dem prozentualen Flächenanteil der einzelnen Straße an der Summe aller Straßenoberflächen im Systemgebiet aufgeteilt hat.

Dieser systematische Fehler wirkt sich angesichts des niedrigen Aufwandes für die Sinkkästen mit Zuleitungen (für alle Straßen im Systemgebiet insgesamt 74.154,49 Euro) im Vergleich zu den Gesamtkosten für die Gemeinschaftseinrichtungen (2.354.373,82 Euro) nicht entscheidungserheblich aus. Auch nach der bereinigten Vergleichsberechnung liegt der Vorauszahlungsbetrag noch höher als der mit dem angefochtenen Bescheid geforderte.

Richtigerweise ist zunächst der auf die Straßenoberflächenentwässerung entfallende (Hälfte-)Anteil des Aufwands für die Gemeinschaftseinrichtungen nach dem Flächenanteil der einzelnen Straße zu errechnen, dann sind die Kosten für die Sinkkästen samt Zuleitungen der betreffenden Straße (ausgeworfen in Tabelle 2 der Vergleichsrechnung) zu addieren, erst dann wird der für diese Straße maßgebliche Gemeindeanteil abgezogen und der Einzelbeitrag errechnet.

Ausweislich Blatt 7 der Vergleichsberechnung beträgt der Anteil der S*****straße an der Summe aller Straßenoberflächen im Systemgebiet 5,09 %. Für die Gemeinschaftseinrichtungen fließt demnach ein Anteil von 5,09 % aus dem maßgeblichen Betrag von 2.354.373,82 Euro in den Aufwand für die S*****straße ein, also 119.837,58 Euro. Daraus resultiert zuzüglich der Kosten für die konkret in der S*****straße vorhandenen Sinkkästen mit Zuleitungen in Höhe von 5.627,10 Euro (Tabelle 2) ein Gesamtaufwand für diese Straße in Höhe von 125.464,68 Euro und ein beitragsfähiger Aufwand (abzüglich 20 % Gemeindeanteil, d. h. 25.092,94 Euro) von 100.371,74 Euro.

Die Beizugsfläche - Summe der nach der Straßenausbaubeitragssatzung anzusetzenden Grundstücksflächen x Nutzungsfaktor - macht in der S*****straße 16.242,00 Quadratmeter (Tabelle 8 "Nutzflächen") aus, der Beitragssatz demgemäß 6,179765 Euro/qm und der auf das Grundstück des Klägers (Nutzfläche lt. angefochtenem Bescheid 1.059,50 qm) entfallende Betrag 6.547,46 Euro.

Die Beklagte kommt in ihrer Vergleichsberechnung bezüglich des Grundstücks des Klägers zu einem unzutreffenden Beitrag von lediglich 4.963,35 Euro, da sie den nach ihrer Berechnung sich ergebenden Beitragssatz von 6,09 Euro/qm lediglich mit der Grundstücksfläche der FlNr. ****** von 815,00 qm multipliziert hat (vgl. Blatt 9 der Vergleichsberechnung), anstatt diese zuvor mit dem Nutzungsfaktor 1,3 (so auch im angefochtenen Bescheid) zu vervielfältigen (richtigeres Ergebnis dann: 1.059,50 qm x 6,09 Euro = 6.452,36 Euro).

Da die auf der Grundlage der Vorgaben des Senats sich ergebende Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag höher liegt als die von der Beklagten geltend gemachte, bestehen gegen den streitgegenständlichen Vorausleistungsbescheid keine rechtlichen Bedenken.

Zwar ist die Rechtmäßigkeit von Vorauszahlungsbescheiden nicht detailgenau zu überprüfen, jedoch muss der Rechenweg als solcher - Ermittlung des Aufwandes, Aufteilung der Kostenmassen auf die verschiedenen Zwecke, Zuordnung des Aufwandes auf den richtigen Ermittlungsraum - schlüssig sein.

Die Beklagte hat in ihrem Vorlageschreiben zur Vergleichsberechnung herausgestellt, es sei für die Beitragspflichtigen nicht nachvollziehbar, dass sich bei dem den Vorgaben des Senats folgenden Berechnungsmodus der Straßenausbaubeitragsbescheide für die Straßenoberflächenentwässerung 19 verschiedene Beitragssätze, nämlich für jede der 19 Straßen des Systemgebiets ein anderer, ergeben. Allein diese Vorgehensweise entspricht aber, wie eingangs ausgeführt, der Systematik des Gesetzes, das als "Einrichtung" im Sinne des Straßenausbaubeitragsrechts grundsätzlich die einzelne Straße in den Blick nimmt. Selbst wenn, wie im Bayerischen Kommunalabgabengesetz im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern nicht vorgesehen, nach Einheitssätzen abgerechnet werden dürfte (vgl. im Erschließungsbeitragsrecht § 130 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative, Satz 2 BauGB), ließe sich dieses von der Beklagten angestrebte Ergebnis - gleicher Beitragssatz für alle Grundstückseigentümer bezüglich derselben Straßenkategorie im Systemgebiet als Solidargemeinschaft - nicht verwirklichen, da die Einheitssätze bei der Aufwandsermittlung wiederum an die tatsächlichen Verhältnisse der individuellen Straße - Fahrbahnbreite und -länge, Anzahl und Art der Beleuchtungskörper, Länge und Ausstattung der Gehsteige etc. - anknüpfen müssten (vgl. z. B. die extrem differenzierenden Tabellen der Einheitssätze in den Erschließungsbeitragssatzungen der Landeshauptstadt). Somit würde gleichfalls wieder für jede einzelne Straße ein anderer Quadratmetersatz herauskommen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.479 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 3, § 47 Abs. 3 GKG); dies entspricht 8.762,06 DM.

Ende der Entscheidung

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