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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 03.12.2002
Aktenzeichen: 7 B 01.2594
Rechtsgebiete: VwGO, BayVwVfG


Vorschriften:

VwGO § 109
VwGO § 42 Abs. 1
BayVwVfG Art. 35 Satz 1
Die Prüfungsentscheidung über eine Teilprüfung einer abgeschichteten Fachprüfung (hier: Diplomvorprüfung Betriebswirtschaftslehre), von deren Bestehen der Prüfungserfolg insgesamt abhängt, kann als Verwaltungsakt zu qualifizieren sein
7 B 01.2594

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Prüfungsrecht (Klausurbewertung);

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 24. Juli 2001,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller

ohne mündliche Verhandlung am 3. Dezember 2002 folgendes

Zwischenurteil:

Tenor:

I. Die Klage gegen die Bewertung der Klausurarbeit vom 4. August 2000 (Teilklausur Privatrecht I im Rahmen der Diplomvorprüfung im Fach Betriebswirtschaftslehre) ist zulässig.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger absolvierte an der Universität Bamberg das viersemestrige Grundstudium im Fach Betriebswirtschaftslehre und legte dort die Diplomvorprüfung ab. Im Rahmen des Prüfungsfachs "Grundzüge des öffentlichen und privaten Rechts I", Teilgebiet "Privatrecht I", schrieb er am 4. August 2000 eine Klausurarbeit von einstündiger Dauer, die mit der Note 3,3 (befriedigend) bewertet wurde. Gegen die Bewertung dieser Klausurarbeit erhob der Kläger unter dem 7. November 2000 Gegenvorstellungen; eine Nachkorrektur der Klausur ergab jedoch keine Notenverbesserung. Einen gegen die Bewertung eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 21. März 2001 zurück.

Schon am 13. Februar 2001 hatte der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben mit dem Ziel, unter Aufhebung der Bewertung der Teilklausur im Fach Privatrecht I vom 4. August 2000 mit 3,3 Punkten die Beklagte zu verpflichten, eine Neubewertung vorzunehmen.

Diese Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 24. Juli 2001 als unzulässig ab. Es handle sich bei der vom Kläger angefochtenen Bewertung seiner Klausurarbeit vom 4. August 2000 nicht um einen Verwaltungsakt; es fehle somit an einer Prozess- bzw. Sachentscheidungsvoraussetzung für die erhobene Verpflichtungsklage. Grundsätzlich entfalte allein der Bescheid über das Ergebnis der gesamten Diplomvorprüfung eine rechtliche Regelung und sei daher ein selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt. Selbst wenn man die rechtliche Selbständigkeit der Teilprüfung vom 4. August 2000 annehmen würde, hätte deren Bewertung eine unmittelbare Rechtswirkung auf Rechtspositionen des Prüflings nur dann, wenn die Note tatsächliche Auswirkungen auf das künftige Berufsleben des Prüflings habe. Die dem Kläger in der Klausurarbeit vom 4. August 2000 erteilte Note habe danach keine unmittelbare Rechtswirkung auf die Berufsfreiheit des Klägers; insbesondere verschlechtere sie seine Chancen im Berufsleben nicht. Mit der Note 3,3 in der Teilprüfung "Privatrecht I" habe er diese Teilprüfung bestanden und könne, was diese Note anbelange, sein Studium mit dem Hauptstudium fortsetzen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung. Wer eine Teilprüfung nicht bestanden habe, habe damit automatisch die Diplom-Vorprüfung nicht bestanden. Bereits das ergebe die Selbständigkeit jeder Teilprüfung mit der Folge der Anfechtbarkeit ihrer Bewertung. Zudem beeinflusse die Teilnote die Gesamtnote der Vorprüfung, die im Hinblick auf das Hauptstudium von Bedeutung sei. An vielen deutschen Universitäten seien nämlich die Studienplätze im Hauptstudium begrenzt und erfolge die Zulassung nach den Noten der Diplom-Vorprüfung. Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 24. Juli 2001 die Bewertung der Klausur vom 4. August 2000 im Rahmen des Prüfungsfaches "Grundzüge des öffentlichen und privaten Rechts", Teilgebiet "Privates Recht I" mit der Note 3,3 sowie den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid vom 21. März 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine Neubewertung vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung entgegen und verweist insbesondere auf die Begründung des angefochtenen Urteils.

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 23. August 2002 über seine Absicht unterrichtet, über die Zulässigkeit der Klage vorab durch Zwischenurteil zu entscheiden. Die Beteiligten haben insoweit ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet über die Zulässigkeit der erhobenen Klage vorab durch Zwischenurteil (§ 109 VwGO) und ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). Die Beteiligten haben dieser Verfahrensweise zugestimmt.

1) Die Klage gegen die Bewertung der streitgegenständlichen Klausur vom 4. August 2000 ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil zulässig. Die Begründetheit der Berufung scheitert also nicht bereits an der mangelnden Zulässigkeit der Klage. Die streitgegenständliche Entscheidung über die Prüfung "Privatrecht I" als abgeschichteter Teil der Vordiplomprüfung im Fach Betriebswirtschaftslehre ist als Verwaltungsakt anzusehen und daher selbständig anfechtbar. Sie ist mithin zulässiger Gegenstand einer Verpflichtungsklage in Gestalt einer Bescheidungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO), die unter Anfechtung der vorliegenden Prüfungsbewertung auf eine erneute Bewertung zielt.

a) Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht der Senat davon aus, dass die Bewertung einzelner schriftlicher Prüfungsarbeiten im allgemeinen keine selbständige rechtliche Bedeutung hat, sondern erst der Bescheid der Prüfungsbehörde mit der darin enthaltenen Feststellung des Gesamtprüfungsergebnisses (BVerwG vom 16.3.1994 DVBl 1994, 1356; BayVGH vom 16.4.1997 7 B 96.157). Die Einzelnoten der schriftlichen Arbeiten - etwa der schriftlichen Klausuren im Rahmen einer Juristischen Staatsprüfung - haben in der Regel rechtlich gesehen keine selbständige Bedeutung. Ihnen fehlt das für einen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG erforderliche Merkmal der Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (vgl. auch BVerwGE 96, 126/128). Insoweit ist eine Einzelnote ein rechtlich unselbständiges Bewertungselement für die Gesamtnote und die Entscheidung über das Prüfungsergebnis; allein der Bescheid der Prüfungsbehörde mit der Mitteilung über das Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung enthält dann eine rechtliche Regelung und ist der Verwaltungsakt, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden kann (BVerwG vom 16.3.1994 a.a.O.).

b) Demgegenüber hat allerdings im vorliegenden Fall die streitgegenständliche Prüfungsentscheidung über eine Teilprüfung eigenständige Bedeutung und ist daher als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Nach der hier maßgeblichen Allgemeinen Prüfungsordnung für die wirtschaftswissenschaftlichen Diplom-Studiengänge an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg vom 30. November 1999 (KWMBl II Nr. 6/2000, S. 502) - APO - gilt folgendes: Gemäß § 17 Abs. 1 APO ist die Diplomvorprüfung bestanden, wenn die Prüfung in jedem der in § 44 Abs. 2 APO genannten Prüfungsfächer (hierzu zählt u.a.: "Grundzüge des öffentlichen und privaten Rechts I") bestanden ist und die in § 46 APO genannten Voraussetzungen (bestimmte Leistungsnachweise) erfüllt sind. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 APO werden die Fachprüfungen in den Prüfungsfächern der Diplom-Vorprüfung studienbegleitend in Teilprüfungen durchgeführt. Nach § 12 Abs. 3 APO ist die Prüfung in einem Prüfungsfach bestanden, wenn in allen erforderlichen Teilprüfungen des Prüfungsfaches mindestens die Note "ausreichend" (4,0) erzielt wurde. Der Kläger hat in der streitgegenständlichen Teilprüfung "Privatrecht I" vom 4. August 2000 die Note "befriedigend" (3,3) erzielt. Nach § 14 Abs. 2 APO hat sich der Student zu den Teilprüfungen der Diplom-Vorprüfung in der durch Aushang bekannt gegebenen Form beim Prüfungsamt anzumelden. Nicht fristgerecht nach der Anmeldung oder bis zum Ende des fünften Semesters abgelegte Teilprüfungen gelten als abgelegt und erstmals nicht bestanden, es sei denn, der Student hat die Gründe für die nicht rechtzeitige Anmeldung oder für das Versäumnis nicht zu vertreten (§ 14 Abs. 4 Satz 1 APO). Eine erstmals nicht bestandene Teilprüfung der Diplom-Vorprüfung kann einmal wiederholt werden. Eine zweite Wiederholung ist nur möglich, wenn die Summe der Maluspunkte aller Prüfungsfächer der Diplom-Vorprüfung den in Anhang 1 zur APO angegebenen Wert nicht übersteigt (§ 12 Abs. 4 Sätze 1 und 2, § 18 Abs. 1 und 2 APO). Ist ein Teil der Diplom-Vorprüfung nach Ausschöpfung der Wiederholungsmöglichkeiten endgültig nicht bestanden oder gilt er als endgültig nicht bestanden, ist das Prüfungsverfahren beendet. Noch ausstehende Teilprüfungen können nicht mehr als Prüfungsleistung im Sinne der APO erbracht werden (§ 19 Abs. 1 APO). Hat ein Prüfungskandidat die Diplom-Vorprüfung endgültig nicht bestanden, so wird er hierüber schriftlich benachrichtigt (§ 19 Abs. 2 APO). Auf Antrag wird ihm eine schriftliche Bescheinigung mit den erbrachten Prüfungsleistungen und deren Bewertung sowie den noch fehlenden Prüfungsleistungen ausgestellt (§ 19 Abs. 3 APO). Über die erfolgreiche Teilnahme an der Diplom-Vorprüfung wird ein Zeugnis ausgestellt, das die Noten der einzelnen Prüfungsfächer sowie die Gesamtnote enthält (§ 17 Abs. 3 APO).

Die Diplom-Vorprüfung ist somit hier als abgeschichtete Fachprüfung ausgestaltet, deren Bestehen vom Erfolg in jeder einzelnen Teilprüfung abhängig ist. Die Prüfungsleistungen der einzelnen Teilprüfungen werden unabhängig voneinander ermittelt und gehen nur rechnerisch in die Gesamtnote der Diplom-Vorprüfung ein (vgl. hierzu BayVGH vom 31.3.1993 3 B 92.1306). Jede einzelne Teilprüfung und ihre Benotung hat damit eine eigenständige Bedeutung (vgl. insbesondere § 12 Abs. 3 und § 17 Abs. 1 APO), d.h. die Bewertung stellt eine Regelung i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist diese rechtlich selbständige Note auch auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet. Die Frage der unmittelbaren Rechtswirkung nach außen hängt davon ab, ob und inwieweit die Bewertung der Teilprüfung für die weitere berufliche Laufbahn des Prüflings erheblich ist (vgl. BVerwG vom 25.4.1983 BayVBl 1983, 477) oder über den universitären Bereich hinausgehend ohne weiteres Zutun der Behörde die Rechtsstellung des Prüflings ändert. Letzteres ist bereits dann der Fall, wenn die Note tatsächliche Auswirkungen auf das künftige Berufsleben des Prüflings hat, weil auch tatsächliche Auswirkungen auf die Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung bereits einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) darstellen. Eine rechtlich selbständige Note hat dann i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG unmittelbare Rechtswirkung auf die Berufsfreiheit des Prüflings, wenn sie seine Chancen im Berufsleben verbessert oder verschlechtert. In diesem Fall liegt ein unmittelbarer Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit vor, weil die Note ebenso wie ein Abschluss- und Prüfungszeugnis sowohl für den Zugang zu einem Beruf als auch für das weitere berufliche Fortkommen erheblich sein kann (OVG NW vom 22.1.2001 DVBl 2001, 823/824 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist das Bestehen der streitgegenständlichen Teilprüfung Voraussetzung für das Bestehen der Diplomvorprüfung und damit auch für den Eintritt in das Hauptstudium, das auf dem mit der Diplomvorprüfung abgeschlossenen Grundstudium aufbaut. Bereits daraus ergibt sich eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen für die Bewertung der Teilprüfung, jedenfalls soweit es darum geht, ob die Teilprüfung bestanden oder nicht bestanden ist. Die Benotung der Teilprüfung entfaltet allerdings - wie beim Kläger - über die Feststellung des bloßen Bestehens hinaus weitere Wirkungen. Sie fließt rechnerisch in die Gesamtnote des Vordiploms ein und wirkt sich somit auf diese aus. Nach der unbestrittenen und durch Auskünfte der Universitäten Mannheim und Berlin belegten Behauptung des Klägers ist bei einem Wechsel des Studienorts wegen der Knappheit der Studienplätze im Hauptstudium für die Zulassung zum Hauptstudium die Note des Vordiploms ausschlaggebend. Angesichts der Eigenständigkeit der Teilprüfungen kann der Kläger auch nicht auf die Anfechtung des Zeugnisses über die Vordiplomprüfung verwiesen werden. So sind etwa bei einem Wechsel der Universität bereits erbrachte Prüfungsleistungen - beispielsweise Teile der Diplomvorprüfung - nach Maßgabe von § 7 APO bzw. der entsprechenden Vorschriften anderer Universitäten anzurechnen. Wäre nur die Anfechtung des abschließenden Bescheids über die Diplomvorprüfung möglich, so müsste unter Umständen im Rahmen der Überprüfung dieses Bescheids die schon längere Zeit vorher an einer anderen Universität erbrachte Teilleistung mitüberprüft werden. Abgesehen davon, dass eine solche Handhabung kaum praktikabel wäre, wird auch daraus die rechtliche Selbstständigkeit und die unmittelbare Außenwirkung der bereits erbrachten Teilleistung deutlich.

Im Ergebnis ist daher die streitgegenständliche Prüfungsentscheidung über die Bewertung der Klausur vom 4. August 2000, die als Teil einer abgeschichteten Fachprüfung zum Bestehen der Diplomvorprüfung erforderlich ist, als Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG zu qualifizieren (so auch OVG NW vom 20.9.2001 14 A 3334/01; OVG NW vom 4.11.1998 22 A 5021/98).

c) Im vorliegenden Fall ist somit unter Anfechtung der vorliegenden Prüfungsbewertung die erhobene Verpflichtungsklage in Gestalt einer Bescheidungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO statthaft. Sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage sind nicht ersichtlich.

2) Über die Kosten des Verfahrens wird im Rahmen des Endurteils zu entscheiden sein. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür in § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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