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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 30.10.2002
Aktenzeichen: 7 B 01.3087
Rechtsgebiete: BefrVO, BayVwVfG


Vorschriften:

BefrVO § 1 Abs. 1 Nr. 3
BefrVO § 1 Abs. 2 Nr. 3
BefrVO § 5 Abs. 1
BefrVO § 5 Abs. 2
BayVwVfG Art. 48 Abs. 1 Satz 2
BayVwVfG Art. 48 Abs. 2
BayVwVfG Art. 44 Abs. 1
BayVwVfG Art. 44 Abs. 2 Nr. 4
BayVwVfG Art. 44 Abs. 3 Nr. 1
Intendiertes Ermessen bei der Rücknahme einer durch unrichtige Angaben erwirkten Befreiung von der Rundfunkgebühr
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

7 B 01.3087

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 05. Oktober 2001,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Heinl

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Oktober 2002

am 30. Oktober 2002 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 5. Oktober 2001 wird die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 30. Mai 1992 geborene Kläger ist laut Bescheid des Versorgungsamtes München II vom 11. April 1997 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 80 anerkannt. Im Schwerbehindertenausweis des Klägers ist das Merkzeichen: "RF" eingetragen.

Am 28. Mai 2000 stellte die Mutter des Klägers, die seit Oktober 1992 bei der Gebühreneinzugszentrale in Köln unter der Teilnehmer-Nummer ******** als Rundfunkteilnehmerin des Bayerischen Rundfunks gemeldet ist, unter Angabe dieser Teilnehmer-Nummer bei der Gemeindeverwaltung K************ einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für den Kläger. Die Gemeinde K************ gewährte mit Bescheid vom 6. Juni 2000 die begehrte Befreiung für den Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2003 unter der genannten Teilnehmer-Nummer. Nachdem der Beklagte eine Überprüfung durchgeführt und ermittelt hatte, dass ein Hörfunkgerät und ein Fernsehgerät im Wohnzimmer sowie ein Hörfunkgerät im Pkw der Familie zum Empfang bereit gehalten und genutzt werden, nahm er mit Bescheid vom 29. August 2000 nach entsprechender Anhörung den Befreiungsbescheid vom 6. Juni 2000 mit Wirkung vom 1. September 2000 zurück, da die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zu Unrecht gewährt worden sei. Der Kläger halte die Rundfunkempfangsgeräte nicht selbst zum Empfang bereit, da er nicht die volle tatsächliche Herrschafts- und Verfügungsgewalt alleinverantwortlich ausübe und nicht die mit dem Bereithalten des Rundfunkempfangsgeräts verbundenen wirtschaftlichen Lasten trage. Auch ein Härtefall könne nicht angenommen werden.

Den hiergegen durch die Mutter des Klägers in dessen Namen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2001 zurück. Die Mutter des Klägers selbst erfülle nicht die rechtlichen Voraussetzungen für eine Befreiung. Auch dem Kläger habe keine Befreiung von der Rundfunkgebühr erteilt werden können. Bei den im Wohnzimmer bereit gehaltenen Rundfunkgeräten handle es sich um Familiengeräte, die dem Haushaltsvorstand zuzurechnen seien. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Mutter des Klägers selbst seit Oktober 1992 als Rundfunkteilnehmerin für diese Geräte angemeldet sei und keine wesentlichen neuen Tatsachen erkennbar seien, die nunmehr ausnahmsweise eine Teilnehmereigenschaft des Klägers begründen könnten. Ein Härtefall liege nicht vor, da die hierfür vom Beklagten entwickelten Grundsätze nicht vorlägen.

Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 5. Oktober 2001 statt. Zwar sei die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zu Unrecht ausgesprochen worden, da der Kläger die Geräte nicht selbst zum Empfang bereit halte. Der Beklagte habe jedoch im Hinblick auf den eingetretenen Vertrauenstatbestand keinerlei Ermessen ausgeübt, weshalb der Rücknahmebescheid rechtswidrig sei.

Mit seiner hiergegen erhobenen Berufung beantragt der Beklagte,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 5. Oktober 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Dem Kläger gegenüber sei gar kein begünstigender Geldleistungsverwaltungsakt erlassen worden, da er kraft Gesetzes von der Rundfunkgebührenpflicht befreit sei; auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger deshalb nicht berufen. Der Befreiungsbescheid vom 6. Juni 2000 sei bereits deshalb nichtig, weil er auf eine rechtliche Unmöglichkeit gerichtet gewesen sei; darüber hinaus sei die Gemeinde nicht zuständig gewesen. Der Kläger habe den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig gewesen seien. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass in einem derartigen Fall die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über das sog. intendierte Ermessen anzuwenden seien.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er äußerte sich im Berufungsverfahren nicht schriftlich zur Sache.

Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie auf die vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Die vom Kläger angefochtenen Bescheide vom 29. August 2000 und vom 10. Januar 2001 sind rechtmäßig und verletzen ihn bereits deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Aus diesem Grund war das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

1) Die in Art. 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) enthaltenen Grundsätze zu Geltung und Ausschluss des Vertrauensschutzes bei der Rücknahme begünstigender Geldleistungsverwaltungsakte kommen auch in denjenigen Fällen zur Anwendung, in denen - wie hier durch Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG - die Anwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze ausgeschlossen ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, RdNr. 10 zu § 48). Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Befreiungsbescheides ist demgemäss Art. 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BayVwVfG in analoger Anwendung.

2) Nach Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine laufende Geldleistung gewährt, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Allerdings kann sich der Betroffene bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG von vornherein nicht auf das Vorliegen eines Vertrauensschutzes berufen. Unter Beachtung dieser Grundsätze gilt im vorliegenden Fall Folgendes:

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei der gewährten Rundfunkgebührenbefreiung um einen sog. Geldleistungsverwaltungsakt im Sinne des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG. Hierunter ist nicht nur eine in Geld bezifferte oder jedenfalls ohne weiteres bezifferbare Leistung zu verstehen, sondern auch der Verzicht einer Behörde auf eine geschuldete oder jedenfalls unter Umständen zu erbringende Geldleistung (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., RdNr. 76 zu § 48). Der diesbezügliche Einwand des Beklagten, er habe durch den Befreiungsbescheid bereits deshalb nicht auf Gebühren verzichten können, weil der Kläger kraft Gesetzes hiervon befreit sei, greift schon deshalb nicht, weil die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (BefrVO) vom 21. Juli 1992 (GVBl S. 254) nur auf Antrag und damit durch konstitutiven mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt gewährt wird.

b) Zutreffend führt das Verwaltungsgericht aus, dass die gewährte Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht im zurückgenommenen Bescheid rechtswidrig war. Rechtsgrundlage hierfür ist grundsätzlich § 1 Abs. 1 Nr. 3 BefrVO, der eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Behinderte vorsieht, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft wird diese Befreiung nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 BefrVO nur gewährt, wenn der Haushaltsvorstand oder dessen Ehegatte zu dem genannten Personenkreis gehört, es sei denn, dass ein anderer Haushaltsangehöriger, der zu dem genannten Personenkreis gehört, selbst das Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereit hält (s. § 1 Abs. 2 Nrn. 1 - 3 BefrVO). Letztere Voraussetzung liegt jedoch beim Kläger nicht vor. Zwar ist in seinem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "RF" eingetragen, wonach der Kläger die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Dieser Feststellung des Versorgungsamts kommt jedoch keine bindende Tatbestandswirkung zu, vielmehr ist ihr nur eine eingeschränkte Bedeutung als Mittel zur Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht beizumessen (vgl. im Einzelnen BayVGH vom 30.6.1981 BayVBl 1982, 52 m.w.N.).

Nach dem vom Beklagten ermittelten Sachverhalt steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger Rundfunk- und Fernsehgeräte nicht selbst zum Empfang bereit hält. Bereits die von der Mutter des Klägers im Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 28. Mai 2000 gemachten Angaben sprechen dafür, dass die zum Empfang bereit gehaltenen Rundfunkempfangsgeräte "Familiengeräte" sind, die der gesamten Familie zur Verfügung stehen. Diese Auffassung wird zunächst dadurch gestützt, dass sie erst auf Grund des "RF"-Vermerks im Schwerbehindertenausweis des Klägers auf diesen unter der damaligen Rundfunkteilnehmer-Nummer der Mutter des Klägers umgemeldet wurden. Darüber hinaus befinden sich die Geräte nach den Feststellungen des Beklagten in dem von der Familie gemeinsam genutzten Wohnzimmer bzw. in dem Kraftfahrzeug, das angesichts des Alters des Klägers ohnehin nur von der Mutter geführt werden kann. Auch wenn der Kläger nunmehr in einem Alter ist, in dem er selbst die Rundfunkempfangsgeräte nutzen kann, ergibt sich aus dem gesetzlichen Erziehungsrecht der Mutter die Entscheidungsgewalt darüber, wann, wie lange und wie oft der Kläger die Geräte einschaltet und welche Programme ausgewählt werden. Dies gilt unabhängig von seiner Behinderung, obwohl diese nach dem Vortrag der Mutter eine ständige Beaufsichtigung des Klägers erforderlich macht. Das Argument der Mutter des Klägers, wonach das Kinderzimmer zu klein sei, um die Rundfunkempfangsgeräte dort aufzustellen, ist rechtlich ebenso wenig erheblich wie der Hinweis auf die Eigentumslage auf Grund der angeblichen Schenkung der Geräte an den Kläger anlässlich der Scheidung der Eltern. Nach alledem handelt es sich bei den Fernseh- und Radiogeräten um "Familiengeräte", die der Mutter des Klägers als Haushaltsvorstand zuzurechnen sind.

c) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Bescheid vom 29. August 2000 jedoch nicht nichtig. Abgesehen davon, dass es im vorliegenden Fall auf diese Frage letztlich nicht ankommt (s. unten 3), führt die fehlende sachliche Zuständigkeit der Gemeinde K************ zur Erteilung der Rundfunkgebührenbefreiung nicht zur Nichtigkeit des Bescheids. Dabei lässt der Senat bereits vom Grundsatz her bestehende Bedenken gegen das vom Beklagten gewählte Verfahren und die Zuständigkeit von Gemeinden zur Gebührenbefreiung (s. hierzu § 5 Abs. 2 BefrVO) mangels Entscheidungserheblichkeit dahingestellt (vgl. bereits BayVGH a.a.O.). Denn im vorliegenden Fall war die Gemeinde K************ weder zur Entscheidung über den Befreiungsantrag (s. hierzu § 5 Abs. 2 Satz 2 BefrVO) noch zur "Aushändigung" des Befreiungsbescheids ermächtigt (s. § 5 Abs. 2 Satz 3 BefrVO i.V.m. der Bekanntmachung des Bayerischen Rundfunks vom 19.6.1979, Staatsanzeiger Nr. 27). Hieraus folgt jedoch noch nicht die Nichtigkeit des Bescheids im Umkehrschluss zu Art. 44 Abs. 3 Nr. 1 BayVwVfG, vielmehr ist die Nichtigkeit in Fällen der sachlichen Unzuständigkeit nach den Grundsätzen des Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG zu beurteilen. Selbst wenn man von einem besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne der letztgenannten Vorschrift ausgehen wollte, ist die sachliche Unzuständigkeit der Gemeinde Kiefersfelden bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände nicht offenkundig. Offenkundigkeit bedeutet, dass die schwere Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich sein, d.h., dass sie sich geradezu aufdrängen muss (vgl. zusammenfassend Kopp/ Ramsauer, a.a.O., RdNr. 12 zu § 44). Davon, dass die Fehlerhaftigkeit dem zurückgenommenen Bescheid im Hinblick auf die fehlende sachliche Zuständigkeit der Gemeinde gewissermaßen "auf die Stirn geschrieben" ist, kann im vorliegenden Fall jedoch nicht die Rede sein. Wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, entscheiden die Gemeinden außer in den Fällen der Befreiung von Haushaltsangehörigen (s. hierzu o.g. Bekanntmachung des Beklagten) - entgegen § 5 Abs. 2 Satz 2 BefrVO - in einer Art öffentlich-rechtlicher Geschäftsbesorgung für den Beklagten sehr wohl über Befreiungsanträge (s. hierzu auch Bekanntmachung des Beklagten vom 28.7.1978, Staatsanzeiger Nr. 31, die allerdings nur von der "Aushändigung" des Befreiungsbescheids spricht). Demgemäss sind die Gemeinden (für den Beklagten) vom Grundsatz her zumindest faktisch zur Entscheidung über Befreiungsanträge berufen, nur ausnahmsweise fehlt ihnen danach die sachliche Zuständigkeit für die Befreiung von Haushaltsangehörigen. In einem solchen Fall kann aber nicht von der offensichtlichen Verletzung der sachlichen Zuständigkeit ausgegangen werden, wie im Übrigen auch dem Vortrag der Klägerseite, sie sei von der Zuständigkeit der Gemeinde ausgegangen, zu entnehmen ist.

Schließlich scheidet auch entgegen der Auffassung des Beklagten eine Nichtigkeit nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG aus, da im Befreiungsbescheid jedenfalls geregelt war, dass der Kläger von der Rundfunkgebühr befreit ist, soweit er tatsächlich ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithalten würde. Im Übrigen ist auch der Beklagte in den Gründen des Rücknahmebescheids selbst nicht von der Nichtigkeit, sondern von der Rechtswidrigkeit des Befreiungsbescheids ausgegangen.

3) Das Verwaltungsgericht meint allerdings zu Unrecht, dass für den Kläger ein Vertrauenstatbestand entstanden ist und der Beklagte insoweit kein Ermessen ausgeübt hat.

a) Dabei geht der Senat bereits davon aus, dass zu Gunsten des Klägers (bzw. seiner Mutter) gar kein Vertrauenstatbestand entstanden sein kann. Wegen der Ummeldung der bisher von der Mutter des Klägers bereit gehaltenen Empfangsgeräte musste sich der Beklagte veranlasst sehen, durch Nachfrage die Voraussetzungen für die (konkrete) Rundfunkgebührenbefreiung nachzuprüfen. Erst nach dieser Überprüfung hätte von einem geklärten Sachverhalt und damit von einem Vertrauenstatbestand zu Gunsten der Klägerseite ausgegangen werden können. Zudem wurde ein solcher auch deshalb nicht geschaffen, weil lediglich eine Ummeldung von bisher zum Empfang bereit gehaltenen, gebührenpflichtigen Rundfunkempfangsgeräten der Mutter des Klägers in Rede steht (vgl. hierzu BayVGH a.a.O.).

Im Übrigen könnte sich der Kläger, selbst wenn ein Vertrauenstatbestand gleichwohl vorgelegen hätte, nicht hierauf berufen, da er den Befreiungsbescheid durch - objektiv - in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben erwirkt hat (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Denn die Mutter des Klägers hat, ohne dass ihr deswegen ein subjektiver Vorwurf gemacht werden müsste, in ihrem Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 28. Mai 2000 ihre eigene Rundfunkteilnehmer-Nummer angegeben und damit jedenfalls aus objektiver Sicht den unrichtigen Eindruck erweckt, als würden die bereits vorhandenen Rundfunkempfangsgeräte von ihrem Sohn bereit gehalten.

b) Nach alledem kam es auf die vom Verwaltungsgericht geforderte Ermessensausübung im Hinblick auf einen eventuellen Vertrauenstatbestand nicht an, da ein solcher entweder nicht entstanden oder kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (s. o. a). Auch einer ausdrücklichen Ermessensausübung im Übrigen - insbesondere hinsichtlich der Entscheidung über die Rücknahme als solcher - bedurfte es in den angefochtenen Bescheiden nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats müssen, wenn eine ermessenseinräumende Vorschrift dahingehend auszulegen ist, dass sie für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht, besondere Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst. Versteht sich aber das Ergebnis von selbst, so bedarf es insoweit nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG auch keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung (BVerwGE 72, 1/6; 91, 82/90; BVerwG vom 16.6.1997 BayVBl 1998, 27; BayVGH vom 15.3.2001 BayVBl 2001, 626/628). Als eine ermessenslenkende Norm in diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht z.B. § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG angesehen, der für die Fälle des Satzes 3 die Rücknahme des Verwaltungsakts - sogar - mit Wirkung für die Vergangenheit als Regel festlegt (BVerwG vom 23.5.1996 Az. 3 C 13.94; BVerwG vom 16.6.1997 a.a.O.). Nur dann, wenn der Behörde außergewöhnliche Umstände des Falles bekannt geworden oder erkennbar sind, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen, liegt ein rechtsfehlerhafter Gebrauch des Ermessens vor, wenn diese Umstände von der Behörde nicht erwogen worden sind (BVerwG vom 23.5.1996 und 16.6.1997 a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gilt hier Folgendes: Der Beklagte hat trotz der Möglichkeit, den Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, die Befreiung lediglich mit Wirkung für die Zukunft, nämlich zum 1. September 2000, aufgehoben, und damit zu erkennen gegeben, dass er jedenfalls insoweit Ermessen ausgeübt hat. Des Weiteren hat er geprüft und eine entsprechende Nachfrage an den Kläger gerichtet, ob ungeachtet der Befreiungstatbestände des § 1 BefrVO ein Härtefall nach § 2 BefrVO vorliegt. Da der Kläger nach seinen Angaben auch einen solchen nicht erfüllt (s. Schreiben des Beklagten an die Mutter des Klägers vom 20.9.2000, S. 3), liegen keine außergewöhnlichen, gegen die Rücknahme als solche sprechenden Umstände im Sinne der genannten Rechtssprechung vor, so dass Ermessenserwägungen hierzu im angefochtenen Bescheid und im Widerspruchsbescheid nicht erforderlich waren.

4) Nach alledem erweisen sich die angefochtenen Bescheide des Beklagten als rechtmäßig, so dass das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei, so dass auch die Notwendigkeit der Festsetzung eines Streitwertes entfällt.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür in § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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