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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.11.2006
Aktenzeichen: 7 CE 06.2196
Rechtsgebiete: GG, BayEUG, VSO-F, SGB XII, Eingliederungshilfe-VO


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 3 Satz 2
BayEUG Art. 21 Abs. 3
BayEUG Art. 41 Abs. 1
BayEUG Art. 41 Abs. 3
BayEUG Art. 41 Abs. 8
VSO-F § 21 Abs. 5 Satz 1
VSO-F § 21 Abs. 6 Satz 1
SGB XII § 53 Abs. 1 Satz 1
SGB XII § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Eingliederungshilfe-VO § 12 Nr. 1
1. Dass Schulpflichtige mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die eine allgemeine Schule besuchen wollen, zu einer aktiven Teilnahme am gemeinsamen Unterricht fähig sein müssen (Art. 41 Abs. 1 BayEUG), stellt keine verbotene Benachteilung Behinderter nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG dar.

2. Aus der vom Sozialhilfeträger zu gewährenden "Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung" in Gestalt eines Integrationshelfers (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-VO) lassen sich keine über die speziellen schulrechtlichen Vorschriften hinausgehenden Ansprüche auf eine integrative Beschulung ableiten.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 CE 06.2196

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Antrags auf Überweisung an die Volksschule (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 03. August 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner

ohne mündliche Verhandlung am 2. November 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners, ihn vorläufig an eine Regelschule zu überweisen.

Der am 11. November 1995 geborene Antragsteller, der am sog. Down-Syndrom leidet, besuchte ab dem Schuljahr 2002/2003 die E******* -Schule in A*****, ein privates Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Nachdem dort ab dem Schuljahr 2005/2006 die bisherige Kooperation mit einer Klasse der Regelgrundschule eingeschränkt werden sollte, beantragten die Eltern des Antragstellers, ihn an die sprengelmäßig zuständige Regelvolksschule (Grundschule und Teilhauptschule I) in A***** zu überweisen.

Die Regierung von Schwaben lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. Januar 2006 ab und verwies zur Begründung auf zwischenzeitlich eingeholte Gutachten, wonach dem Antragsteller eine aktive Teilnahme am Unterricht der Regelvolksschule nicht möglich sei. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Antragstellers wurde mit Bescheid vom 21.Juni 2006 zurückgewiesen.

Der Antragsteller ließ daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben, über die noch nicht entschieden worden ist. Zugleich ließ er beantragen,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller zumindest probeweise die Teilnahme am Unterricht der Grundschule E***** in A***** zu gestatten.

Der Antragsgegner beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Mit Beschluss vom 3. August 2006 lehnte das Verwaltungsgericht Augsburg den Antrag ab. Der Antragsteller besitze nicht die nach Artikel 41 Abs. 8 Satz 1, Absatz 1 BayEUG geforderte Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am gemeinsamen Unterricht in der allgemeinen Schule; dies ergebe sich aus den vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen. Am Fehlen der aktiven Teilnahmefähigkeit bestünden keine Zweifel, so dass auch eine probeweise Überweisung gemäß § 21 Abs. 6 Satz 2 VSO-F nicht in Betracht komme. Art. 41 Abs. 1 BayEUG stehe im Übrigen mit der Verfassung in Einklang; der Antragsteller könne sich auch nicht auf einen Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention berufen.

Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt. Der angegriffenen Entscheidung liege ein zu enges Verständnis des Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayEUG zugrunde. Sie übersehe insbesondere die Möglichkeit, während des Unterrichts auf die Unterstützung eines im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII zu finanzierenden Integrationshelfers zurückzugreifen. Bereits in der Vergangenheit sei dem Antragsteller einmal zu Unrecht die "aktive Teilnahmefähigkeit" abgesprochen worden. Da in Bayern derzeit 119 Kinder mit Down-Syndrom erfolgreich eine Volksschule besuchten, liege zumindest ein Zweifelsfall im Sinne von § 21 Abs. 6 Satz 1 VSO-F vor. Die gegenteilige Entscheidung verletze den Antragsteller in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und Art. 118a BV, da ihm allein aufgrund einer behinderungsbedingten Eigenschaft der Zugang zur Grundschule verwehrt werde. In Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse die auf die aktive Beteiligungsfähigkeit abstellende Vorschrift des Art. 41 Abs. 1 BayEUG als grundrechtswidrig angesehen werden.

Der Antragsgegner tritt der Beschwerde des Antragstellers entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), können nicht zur Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung führen. Die für die beantragte Überweisung an die Volksschule maßgeblichen schulrechtlichen Normen sind aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden; auch gegen ihre Anwendung im vorliegenden Fall bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

Schülerinnen und Schüler einer Förderschule können nach Art. 41 Abs. 8 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) i.V.m. § 21 Abs. 5 Satz 1 der Schulordnung für die Volksschulen zur sonderpädagogischen Förderung (Volksschulordnung - F, VSO-F) die Überweisung an eine Volksschule beantragen, wenn zu erwarten ist, dass sie am dortigen Unterricht "mit Erfolg" teilnehmen können. Die Anforderungen, die an eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht der Regelschule gestellt werden, lassen sich im Umkehrschluss aus Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayEUG entnehmen. Danach haben Schulpflichtige mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine für sie geeignete Förderschule zu besuchen, wenn sie am gemeinsamen Unterricht in der allgemeinen Schule nicht aktiv teilnehmen können oder wenn ihr sonderpädagogischer Förderbedarf an der allgemeinen Schule auch mit Unterstützungsmaßnahmen der Mobilen Sonderpädagogischen Dienste (MSD) nach Art. 21 Abs. 3 BayEUG nicht oder nicht hinreichend erfüllt werden kann. Wann ein Schüler im Sinne der erstgenannten Alternative als fähig gilt, "aktiv am Unterricht der allgemeinen Schule teilnehmen", wird in Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayEUG näher definiert. Von den dort aufgezählten (sich teilweise überschneidenden) persönlichen Voraussetzungen, die für eine Überweisung an die allgemeine Schule kumulativ vorliegen müssen, fehlt dem Antragsteller nach Einschätzung des Verwaltungsgerichts jedenfalls die Fähigkeit, "den verschiedenen Unterrichtsformen der allgemeinen Schule folgen" zu können. Die hiergegen im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Einwände können nicht überzeugen.

a) An der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Mindestanforderung einer "aktiven Teilnahmefähigkeit" bestehen bei sachgerechter Auslegung keine ernstlichen Zweifel. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung vom 8. Oktober 1997 ausgeführt hat, wäre nach dem gegenwärtigen pädagogischen Erkenntnisstand zwar ein genereller Ausschluss der Möglichkeit einer gemeinsamen Erziehung und Unterrichtung von behinderten Schülern mit Nichtbehinderten verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen (B. vom 8. 10. 1997 BVerfGE 96,288/304). Der Gesetzgeber darf aber im Rahmen des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums, der ihm bei der Schaffung eines möglichst behindertengerechten Schulsystems zukommt, von der Einführung solcher Integrationsformen absehen, deren Verwirklichung ihm aus pädagogischen, aber auch aus organisatorischen, personellen und finanziellen Gründen nicht vertretbar erscheint, sofern die verbleibenden Möglichkeiten einer integrativen Erziehung und Unterrichtung den Belangen behinderter Kinder und Jugendlicher ausreichend Rechnung tragen (BVerfG, a.a.O., 307). In der Normierung pädagogisch begründeter individueller Zugangsvoraussetzungen und dem damit verbundenen Ausschluss eines Wahlrechts zwischen Förder- und Regelschule liegt daher, sofern die konkrete Abwägungsentscheidung in verfahrensmäßig adäquater Form unter substanzieller Beteiligung der Eltern erfolgt (Osterloh in: Sachs, GG, 2. Aufl., RdNr. 317 zu Art. 3), allein noch keine verbotene Benachteiligung im Sinne des Art. 3 Absatz 3 Satz 2 GG bzw. des sachlich gleichlautenden Art. 118a Satz 1 BV (vgl. Caspar, EuGRZ 2000, 135/138). Von einer solchen Benachteiligung kann vielmehr erst gesprochen werden, wenn im Einzelfall eine Förderschulüberweisung erfolgt, obgleich der Besuch der allgemeinen Schule durch einen vertretbaren Einsatz von sonderpädagogischer Förderung ermöglicht werden könnte (BVerfG, a.a.O.).

Die zum 1. August 2003 in Kraft getretene Änderung des Art. 41 Abs. 1 BayEUG (G. vom 24. 3. 2003, GVBl S. 262) wird diesen grundrechtlichen Vorgaben gerecht. Die Neuregelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine über den bisherigen Umfang hinausgehende integrative Beschulung ermöglichen (LT-Drs 14/9152 S. 1; StMin Hohlmeier, BayLT Plenarprotokoll 14/86 S. 6179; Thätter, BayLT Plenarprotokoll 14/112 S. 8216). Sie rückt zu diesem Zweck bewusst von dem bisher geltenden Grundsatz der Lernzielgleichheit ab (vgl. Kiesl/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Bd. 1, Anm. 1 zu Art. 41 BayEUG; Dirnaichner/Karl, Förderschulen in Bayern, Kz. 11.30 Erl. 2). Während Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf früher an allgemeinen Schulen nur unterrichtet werden konnten, wenn ein den dortigen Anforderungen entsprechender Lernerfolg zu erwarten war (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayEUG a.F.), genügt nach heutigem Recht bereits die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am gemeinsamen Unterricht. Um dieses Aufnahmekriterium zu erfüllen, müssen die behinderten Schüler - gegebenenfalls unterstützt durch Maßnahmen der MSD nach Art. 21 Abs. 3 BayEUG - vor allem in der Lage sein, den wesentlichen Teilen des planmäßigen Unterrichts der allgemeinen Schule aus eigener Kraft zu folgen (LT-Drs 14/9152 S. 23, Begründung zu § 1 Nr. 20 des Änderungsgesetzes). Ist hiernach eine Mitarbeit in der Klassengemeinschaft nicht möglich und kann nur mit zusätzlichen Hilfskräften mit dem betreffenden Kind pädagogisch gearbeitet werden, so erweist sich die integrative Beschulung nach der Einschätzung des Gesetzgebers als nicht mehr sinnvoll; die räumliche Anwesenheit allein stellt aus seiner Sicht noch keine wirkliche Integration in die Regelschule dar (vgl. Thätter, BayLT Plenarprotokoll 14/112 S. 8216).

Das in diesem Sinne zu verstehende Erfordernis der aktiven Teilnahmefähigkeit hat entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zur Folge, dass damit eine ganze Gruppe von Schülern aufgrund einer behinderungsbedingten Eigenschaft "generell und alternativlos" ohne die gebotene Einzelfallprüfung von einer integrativen Erziehung und Unterrichtung ausgeschlossen würde. Die Anmeldung an einer Förderschule und die mögliche Überweisung von dort an eine allgemeine Schule erfolgen in einem mehrstufigen Verfahren, in dem der individuelle Förderbedarf des behinderten Schülers durch unabhängige Gutachter sorgfältig ermittelt und mit den Erziehungsberechtigten erörtert wird (Art. 41 Abs. 3, Abs. 8 Satz 3 BayEUG). Es richtet sich demgemäß nach dem aktuellen Entwicklungsstand, insbesondere dem Kommunikations- und Konzentrationsvermögen des einzelnen Schülers, ob er den in der betreffenden Jahrgangsklasse der allgemeinen Schule üblicherweise verwendeten Unterrichtsformen (z. B. Unterrichtsgespräch, Frontal-, Gruppen-, Einzelunterricht, Projektarbeit) - auch unterstützt durch Maßnahmen nach Art. 21 Abs. 3 BayEUG - so weit folgen kann, dass er auf Dauer schulische Fortschritte zu erzielen vermag.

b) Der Antragsgegner hat in Anwendung der vorgenannten schulrechtlichen Bestimmungen und unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Abwägungsdirektiven die beantragte Überweisung des Antragstellers an die Regelschule im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Wie das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss zutreffend darlegt, fehlt dem Antragsteller die aktive Teilnahmefähigkeit im Sinne von Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayEUG jedenfalls insoweit, als er überwiegend auf Einzelmaßnahmen und Einzelzuwendungen angewiesen wäre, um mit den methodischen Unterrichtsformen der allgemeinen Schule zurechtzukommen. Diese Schlussfolgerung, die sich auf die von den Schulbehörden eingeholten Fachgutachten stützt, wird durch das Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Verwaltungsgericht das in Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayEUG enthaltene Merkmal "den verschiedenen Unterrichtsformen der allgemeinen Schule folgen können" anknüpfend an die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 19. März 2003 (Nr. IV.9-5 S 8600-4.27 498) dahingehend ausgelegt hat, dass der betreffende Schüler, "ohne überwiegend auf Einzelmaßnahmen und -zuwendungen angewiesen zu sein, mit den methodischen Unterrichtsformen der allgemeinen Schule zurechtkommen" muss. In dieser Formulierung liegt keine sachliche Änderung bzw. Verschärfung des gesetzlichen Zugangskriteriums, zu der weder die Schulverwaltung noch das Gericht befugt wäre, sondern lediglich eine dem Gesetzeswortlaut und Regelungszweck entsprechende begriffliche Konkretisierung, wie sie jeder Rechtsanwendung immanent ist. Dass von einer aktiven Teilnahmefähigkeit im Sinne von Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayEUG nicht mehr gesprochen werden kann, wenn der Schüler wesentlichen Teilen des regulären Unterrichts nur aufgrund einer Einzelbetreuung (durch pädagogische Integrationshelfer oder Zweitlehrer) zu folgen vermag, kommt im Übrigen bereits in den Gesetzesmaterialien deutlich zum Ausdruck (LT-Drs 14/9152 S. 23, Begründung zu § 1 Nr. 20 des Änderungsgesetzes).

Der von den Gutachtern übereinstimmend festgestellte Bedarf an sonderpädagogischen Einzelmaßnahmen und -zuwendungen muss hier bei der Prüfung der aktiven Teilnahmefähigkeit nach Art. 41 Abs. 1 Satz 2 BayEUG nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil dem Antragsteller gemäß §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-VO ein Anspruch auf "Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung" in Gestalt eines Integrationshelfers zusteht. Bei dieser vom Träger der Sozialhilfe zu erbringenden Leistung kann es, wie auch der Antragsteller grundsätzlich einräumt, im schulischen Bereich nur um eine vorrangig pflegerische, heilpädagogische oder lebenspraktische Unterstützung gehen, etwa in Fällen behinderungsbedingter Kommunikationshemmnisse (BayVGH vom 25. 10. 2001 Az. 12 CE 01.1734, vom 6. 10. 2004 VGH n.F. 57, 152) oder feinmotorischer Einschränkungen (BayVGH vom 6. 6. 2005 Az. 12 BV 03.3176). Bedarf es dagegen unterrichtsbegleitend einer spezifisch sonderpädagogischen Einzelbetreuung, so sind dafür nach Art. 21 BayEUG allein die Mitarbeiter der MSD als speziell ausgebildete schulische Fachkräfte zuständig. Ein ergänzendes Tätigwerden der allgemeinen Integrationshelfer muss hier - ungeachtet der Frage einer ausreichenden Qualifikation - schon deshalb ausscheiden, weil das für die integrative Beschulung in Art. 41 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayEUG vorausgesetzte Mindestmaß an "aktiver" Teilnahmefähigkeit eine pädagogische Einzelbetreuung während des Unterrichts nur in der Form und im Umfang des Art. 21 Abs. 3 BayEUG zulässt (Dirnaichner/Karl, Förderschulen in Bayern, Kz. 11.30 Erl. 3). An diese Grundsatzentscheidung des Schulgesetzgebers und die darauf beruhenden Zuweisungsentscheidungen bezüglich der förderbedürftigen Schüler sind die Sozialhilfeträger bei der Gewährung von Eingliederungshilfe gebunden (vgl. BVerwG vom 16. 1. 1986 NDV 1986, 291; BayVGH vom 6. 6. 2005 Az. 12 BV 03.3176). Mit dem Hinweis auf § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII lassen sich daher keine Ansprüche gegen den Schulträger auf integrative Beschulung begründen (Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, RdNr. 22 zu § 54 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall kann entgegen dem Beschwerdevortrag nicht angenommen werden, dass bei Aufnahme in die Regelschule nur ein geringfügiger, von den MSD voll abzudeckender sozialpädagogischer Hilfebedarf entstünde. Der Antragsteller wäre bei kooperativer Beschulung nicht lediglich auf gesonderte Lernmaterialien angewiesen; es müssten vielmehr, wie der angegriffene Bescheid vom 19. Januar 2006 zutreffend darlegt, auch spezifisch auf seine Person zugeschnittene Unterrichtsformen zum Einsatz kommen, für die es sonderpädagogisch ausgebildeter Fachkräfte bedürfte. In dieser Feststellung liegt der gemeinsame Tenor der vom Antragsgegner im Vorfeld der Entscheidung eingeholten fachlichen Stellungnahmen. So wird im Gutachten des privaten Förderzentrums mit Schwerpunkt geistige Entwicklung vom 1. August 2005 ausführlich dargelegt, dass eine erfolgreiche Bewältigung der kognitiven Anforderungen der Regelschule vom Antragsteller ohne fortlaufende individualisierende Hilfeleistungen nicht zu erwarten sei; der extrem hohe sonderpädagogische Förderbedarf sei auch unter Einbeziehung der MSD nicht zu leisten (S. 4). Diese Einschätzung wird bestätigt durch die Stellungnahme der an der kooperativen Außenklasse beteiligten Grundschule Friedberg vom 1. August 2005, in der vor allem die bei Frontalunterricht und in Unterrichtsgesprächen zu beobachtende mangelnde Fähigkeit zur planvollen und andauernden Mitarbeit angesprochen wird (S. 2). Die im Rahmen des Überprüfungsverfahrens beteiligte Schulpsychologin legt in ihrem sonderpädagogischen Gutachten vom 16. Dezember 2005 ebenfalls dar, dass der Antragsteller bei den (bereits speziell auf die Teilnahme behinderter Kinder zugeschnittenen) Unterrichtsgesprächen in der kooperativen Außenklasse weitgehend unbeteiligt gewirkt und sich nach Aufrufen durch die Lehrkraft wenig passend geäußert habe (S. 4); die methodischen Unterrichtsformen der Grundschule (3. Klasse) seien für ihn ohne stark individualisierende Maßnahmen nicht einmal ansatzweise zu bearbeiten (S. 6).

Inhaltliche oder methodische Bedenken gegen die Richtigkeit dieser übereinstimmenden fachlichen Bewertungen sind nicht ersichtlich; demzufolge liegt hinsichtlich des gefundenen Ergebnisses auch kein Zweifelsfall im Sinne des § 21 Abs. 6 Satz 1 VSO-F vor, bei dem eine probeweise befristete Überweisung an die Volksschule in Frage käme. Aus dem Vorbringen im Beschwerdeverfahren, wonach der Antragsteller in den zurückliegenden Schuljahren als Teilnehmer einer kooperativen Außenklasse den dort praktizierten Unterrichtsformen habe folgen können und dabei Lernfortschritte erzielt habe, folgt nichts Gegenteiliges. Der zeitweise gemeinsam von Lehrkräften der Grund- und Förderschule gestaltete kooperative Unterricht, bei dem auf gängige Formen der Grundschuldidaktik wie Frontalunterricht, Arbeit mit Lehrbüchern und Texten, Erstellen von Hefteinträgen und Abfragen bewusst verzichtet wurde (Stellungnahme der Grundschule Friedberg vom 1. 8. 2005, S. 1), fand unter gänzlich anderen Bedingungen statt als ein regulärer Grundschulunterricht, so dass die damaligen Erfahrungen nicht unverändert auf einen integrativen Vollzeitunterricht in der Regelschule übertragen werden können. Die vom Antragsgegner bestellten Gutachter haben das im kooperativen Unterricht gezeigte Beteiligungsverhalten des Antragstellers im Übrigen durchaus anerkannt und berücksichtigt; sie sind aber hinsichtlich der beantragten Zuweisung in die dritte oder vierte Grundschulklasse aus sachlich nachvollziehbaren Erwägungen dennoch zu einer negativen Prognose gelangt.

Der vom Antragsteller erwähnte Umstand, dass im Schuljahr 2005/2006 in Bayern insgesamt 119 Kinder mit Down-Syndrom mit Erfolg Grundschulen besucht haben, vermag ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der seine Person betreffenden Eignungsprognose zu begründen. In Anbetracht der auch bei gleichartiger Behinderung bestehenden Bandbreite individueller Begabungen und Entwicklungsmöglichkeiten kann nicht unbesehen davon ausgegangen werden, dass in allen diesen Fällen eine vergleichbare aktive Teilnahmefähigkeit bzw. ein gleich hoher sonderpädagogischer Förderungsbedarf festzustellen sein müsste. In der genannten Zahl kann daher allenfalls ein Indiz dafür gesehen werden, dass das gegenwärtig praktizierte System der persönlichen Begutachtung im Hinblick auf die aktive Teilnahmefähigkeit auch Schüler mit Down-Syndrom nicht von vornherein vom Besuch einer Regelschule ausschließt.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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