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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.10.2009
Aktenzeichen: 7 CE 09.10566
Rechtsgebiete: BayHZG, HZV, StV


Vorschriften:

BayHZG Art. 3 Abs. 1
BayHZG Art. 3 Abs. 2
BayHZG Art. 4 Abs. 1 Satz 4
HZV § 49
HZV § 59
StV Art. 7 Abs. 3 Satz 6
StV Art. 15 Abs. 1 Nr. 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 CE 09.10565 7 CE 09.10566

In den Verwaltungsstreitsachen

wegen Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg für das SS 2009 im 2. Fachsemester (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. Juli 2009,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat, durch

den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Zöllner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Koehl

ohne mündliche Verhandlung am 20. Oktober 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

III. Die Antragstellerinnen tragen jeweils die Kosten der Beschwerdeverfahren.

IV. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen begehren die einstweilige Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Universität Würzburg zum Sommersemester 2009 im 2., hilfsweise im 1. Fachsemester. Die Zahl der im 1. Studienabschnitt aufzunehmenden Bewerber ist nach der Zulassungszahlsatzung 2008/2009 auf insgesamt 522 festgesetzt worden, wobei auf das 1. und 3. Fachsemester jeweils 130 und auf das 2. und 4. Fachsemester jeweils 131 entfallen. Nach einer von der Universität Würzburg im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Aufstellung waren am 8. Juni 2009 im 1. Fachsemester 132, im 2. Fachsemester 126, im 3. Fachsemester 134 und im 4. Fachsemester 132 Studierende eingeschrieben (insgesamt 524).

Die Antragstellerinnen halten die Aufnahmekapazität mit den festgesetzten Zulassungszahlen und der Zahl der vergebenen Studienplätze für nicht ausgeschöpft. Sie haben beim Verwaltungsgericht Würzburg sinngemäß beantragt,

den Antragsgegner auf der Grundlage eines noch durchzuführenden Auswahlverfahrens (Losverfahren) zu verpflichten, sie zum Studium der Humanmedizin an der Universität Würzburg im 2., hilfsweise im 1. Fachsemester, weiter hilfsweise beschränkt auf den vorklinischen Studienabschnitt, vorläufig zuzulassen.

Mit Beschluss vom 8. Juli 2009 lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg die Anträge ab.

Mit den hiergegen erhobenen Beschwerden verfolgen die Antragstellerinnen ihre Rechtsschutzbegehren weiter. Sie tragen vor, für die beiden Studiengänge Biologie Bachelor und Biomedizin Master hätte kein Dienstleistungsabzug erfolgen dürfen; außerdem hätte für den der Lehreinheit zugeordneten Studiengang Biomedizin Bachelor keine Anteilsquote berücksichtigt werden dürfen.

Der Antragsgegner tritt den Beschwerden entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerden sind zulässig, aber unbegründet. Die von den Antragstellerinnen vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), lassen nicht erkennen, dass die angegriffene Entscheidung fehlerhaft wäre.

a) Der in der Kapazitätsberechnung vorgenommene Dienstleistungsabzug für die der Lehreinheit Medizin Vorklinik nicht zugeordneten Studiengänge Biologie Bachelor und Biomedizin Master ist nicht deswegen rechtlich zu beanstanden, weil dafür keine hinreichende normative Grundlage bestünde. Die für den Gesamtausbildungsaufwand in den genannten Studiengängen angesetzten Curricularwerte, die sich auf den Umfang des von der Lehreinheit Medizin Vorklinik zu erbringenden Dienstleistungsbedarfs in Gestalt entsprechender Curricularanteile auswirken, mussten entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen weder vom Verordnungsgeber im Einzelnen festgelegt noch von der Hochschule ausdrücklich durch eine gesonderte Satzung normiert werden.

Zwar sind nach Art. 7 Abs. 3 Satz 6 und Art. 15 Abs. 1 Nr. 9 des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen - StV - vom 22. Juni 2006 (GVBl 2007 S. 2), in Kraft getreten am 1. Januar 2008 (GVBl S. 548), die für den Ausbildungsaufwand maßgeblichen studiengangspezifischen Normwerte "durch Rechtsverordnung" festzusetzen. Diese Vorgabe gilt aber nach der Zielrichtung und dem Regelungszusammenhang des Staatsvertrags (Art. 7 Abs. 1 StV) allein für die in das zentrale Vergabeverfahren der ZVS einbezogenen Studiengänge (derzeit Humanmedizin, Zahnmedizin, Tiermedizin, Pharmazie und Psychologie [Diplom]), für die in der Anlage 7 zur Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern (Hochschulzulassungsverordnung - HZV - vom 18.6.2007 [GVBl S. 401], zuletzt geändert durch Verordnung vom 18.7.2009 [GVBl. S. 340]) jeweils bestimmte Curricularnormwerte in abstrakt-genereller Form festgesetzt worden sind.

Für alle übrigen Studienfächer besteht dagegen keine gesetzliche Verpflichtung, den studiengangspezifischen Ausbildungsaufwand in Gestalt einer Rechtsnorm (Verordnung oder Satzung) gesondert festzulegen. Art. 4 Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes über die Hochschulzulassung in Bayern (Bayerisches Hochschulzulassungsgesetz - BayHZG - v. 9. 5 2007 [GVBl S. 320] zuletzt geändert durch G. v. 7.7.2009 [GVBl S. 256]) sieht lediglich vor, dass der Ausbildungsaufwand von der Hochschule "durch studiengangspezifische Normwerte festgesetzt" wird, wobei das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hierfür fächergruppenspezifische Bandbreiten vorgeben kann. Aus dem Begriff "Normwert" ergibt sich dabei nicht, dass es sich um einen in Form eines Rechtssatzes festgelegten Wert handeln müsste. Der an die Stelle der früheren kapazitätsrechtlichen Bezeichnung "Richtwert" getretene Terminus "Normwert" begründet keine Normierungsverpflichtung, sondern soll lediglich die Wertungsabhängigkeit und Verbindlichkeit der festgesetzten Werte verdeutlichen (vgl. Bode in: Dallinger u. a., HRG, § 29 Rn. 5 Fn. 11). Die Hochschule muss den zuvor von ihr selbst bestimmten Curricularwert, mit dem der typische (Lehr-) Aufwand für die Ausbildung eines Studierenden im jeweiligen Studiengang zahlenmäßig abgebildet wird, der nachfolgenden Kapazitätsberechnung zugrunde legen. Diese rechtliche Selbstbindung setzt aber weder voraus noch hat sie logisch zur Folge, dass die Curricularwertfestsetzung in der Form einer eigenständigen Rechtsnorm geschehen müsste. Es genügt vielmehr, dass die Hochschule den für zutreffend erachteten Curricularwert ihrer Kapazitätsberechnung erkennbar zugrunde legt und die jeweilige Zulassungszahlsatzung darauf stützt. Auch das in Art. 4 Abs. 1 Satz 4 BayHZG sowie in § 59 Satz 2 HZV verwendete Wort "festsetzen" bekräftigt nur die Verbindlichkeit der errechneten Curricularwerte, stellt aber diesen Zwischenschritt der Kapazitätsermittlung nicht unter einen förmlichen Satzungsvorbehalt. Gegen ein solches Formerfordernis spricht vor allem der Umstand, dass der Gesetzgeber diejenigen Fälle, in denen die Hochschule kapazitätsrelevante Festlegungen in Gestalt einer Satzung treffen kann oder muss, ausdrücklich bezeichnet hat (Art. 3 Abs. 1 und 2 HZG). Auch in anderem Zusammenhang ist im Bayerischen Hochschulzulassungsgesetz und in der Hochschulzulassungsverordnung jeweils genau geregelt, in welchen Bereichen normative Festlegungen in Form von Satzungen oder Rechtsverordnungen geboten oder zulässig sind (z. B. Art. 5 Abs. 3 Sätze 1 und 3, Abs. 7, Art. 8, Art. 9 , Art. 10 Satz 2 HZG; § 3 Abs. 5 Satz 7, § 31 Abs. 2 Satz 1, § 41 Abs. 4 Satz 2 HZV). Dieser Regelungssystematik liefe es zuwider, wenn man aus dem bloßen Begriff "festsetzen", der beispielsweise auch für die Bestimmung der Anteilquoten innerhalb einer Lehreinheit verwendet wird (§ 49 Abs. 2 HZV), das zwingende Gebot einer rechtssatzmäßigen Fixierung ableiten wollte.

Das von den Antragstellerinnen postulierte umfassende Normierungserfordernis ergibt sich auch nicht aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Erwägungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fällt zwar die Sicherung eines ausreichenden Ausbildungsangebots einschließlich der Setzung normativer Regelungen für eine erschöpfende Kapazitätsermittlung in erster Linie in den Verantwortungsbereich des Gesetzgebers, so dass dieser selbst regeln muss, ob und unter welchen Voraussetzungen das Zulassungsrecht von Studienbewerbern einschränkbar ist (BVerfG vom 18.7.1972 BVerfGE 33, 303/338 ff.; vom 8.2.1977 BVerfGE 43, 291/327). Die damit nur mittelbar verbundenen weiteren Einzelentscheidungen im Zusammenhang mit der Ermittlung der vorhandenen Kapazitäten können dagegen auch anderen Stellen jedenfalls so lange überlassen werden, wie eine erschöpfende Nutzung sichergestellt ist (BVerfG vom 3.6.1980 BVerfGE 54, 173/194). Bedarf es somit nicht zwingend einer förmlichen Normierung von mittelbaren Berechnungsfaktoren (BVerfG a.a.O. S. 196), so kann auch die Rechtmäßigkeit eines Dienstleistungsabzugs zu Lasten eines zulassungsbeschränkten Faches nicht davon abhängen, dass sich der auf den "importierenden" Studiengang angesetzte Curricularanteil vollständig aus normativen Regelungen ergibt (ebenso OVG NRW vom 5.6.1997 Az. 13 C 46/96 <juris>). Für den Gesamtcurricularwert des Studiengangs, für den Dienstleistungen erbracht werden, kann danach nichts anderes gelten.

Im vorliegenden Fall ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass der Verordnungsgeber in der Anlage 8 zur Hochschulzulassungsverordnung u.a. für die Studienfelder "Naturwissenschaften" und "Medizin, Pharmazie und Psychologie" Curricularwertbandbreiten vorgeschrieben hat, die bei der hochschulspezifischen Festsetzung der Curricularwerte auch in den hier angesprochenen Studiengängen Biologie Bachelor und Biomedizin Master einen normativ verbindlichen Rahmen bilden (§ 59 Sätze 3 und 4 HZV). Der danach verbleibende individuelle Festsetzungsspielraum ist eine notwendige Folge der in den letzten Jahren vollzogenen grundlegenden Umstrukturierung des Hochschulsystems (insbes. Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse), in deren Verlauf den einzelnen Hochschulen und Fakultäten eine größere Autonomie bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Studiengänge und damit auch bei der Bestimmung der jeweiligen Betreuungsintensität eingeräumt wurde. Dass diese Konkretisierungsbefugnis im vorliegenden Fall von der Hochschule in sachwidriger Weise ausgeübt worden wäre, ist nicht ersichtlich und wird auch von den Antragstellerinnen nicht substantiiert vorgetragen.

b) Ebenfalls unbegründet sind die in der Beschwerdebegründung erhobenen Einwände gegen den Curricularwert für den - der Lehreinheit Medizin Vorklinik zugeordneten - Studiengang Biomedizin Bachelor in Höhe von 3,3405 und die dafür angesetzte Anteilquote in Höhe von 0,0744. Die von den Antragstellerinnen im Rahmen der Beschwerdebegründung angeführte Entscheidung des VGH Mannheim vom 12. Mai 2009 (Az. NC 9 S 240/09 <juris>), wonach die Ermittlung der Aufnahmekapazität einer Hochschule fehlerhaft ist, wenn sie auf einem nicht durch Rechtsverordnung festgelegten Curricularnormwert beruht, lässt sich aufgrund einer unterschiedlichen Rechtslage nicht auf die Situation in Bayern übertragen. Im Mittelpunkt der zitierten Entscheidung des VGH Mannheim stehen die Bestimmungen der §§ 5 Abs. 4 Satz 6, 11 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Zulassung zum Hochschulstudium in Baden- Württemberg (Hochschulzulassungsgesetz - HZG - vom 15.9.2005, GBl S. 629, i.d.F. des Gesetzes vom 20.11.2007, GBl S. 505, 511), wonach auch für die nicht in das Verfahren der Zentralstelle einbezogenen Studiengänge durch Rechtsverordnung des Wissenschaftsministeriums studiengangspezifische Normwerte oder fächergruppenspezifische Bandbreiten für Normwerte festzusetzen sind. Ein vergleichbares umfassendes Normierungsgebot fehlt im bayerischen Hochschulkapazitätsrecht, da die in Art. 7 Abs. 3 Satz 6 StV enthaltene Verpflichtung, studiengangspezifische Normwerte "durch Rechtsverordnung" festzusetzen, nur die in das zentrale Vergabeverfahren der ZVS einbezogenen Studiengänge erfasst und Art. 4 Abs. 1 Satz 4 HZG für die übrigen Fälle keine verbindlichen Vorgaben dazu enthält, in welcher rechtlichen Form die Hochschulen studiengangspezifische Normwerte festzusetzen haben. Es kann daher nicht beanstandet werden, dass auch im zugeordneten Studiengang Biomedizin Bachelor keine gesonderte satzungsmäßige Festsetzung des Curricularwerts erfolgt ist, sondern dieser Wert nur intern ermittelt und in dem der Zulassungszahlsatzung zugrunde liegenden Kapazitätsbericht festgeschrieben worden ist.

Die Hochschule hat dabei erkennbar auch die in § 59 HZV enthaltenen normativen Vorgaben eingehalten. Aus der Beschwerdeerwiderung geht hervor, dass der Curricularwert nach dem in Deputatsstunden gemessenen, für die ordnungsgemäße Ausbildung eines Studierenden erforderlichen Aufwand aller beteiligten Lehreinheiten auf der Grundlage des Studienplans berechnet und festgesetzt wurde (§ 59 Satz 2 HZV). Da sich der Studiengang Biomedizin nicht eindeutig einem der in der Anlage 8 zur Hochschulzulassungsverordnung genannten Studienfelder zuordnen lässt, für die der Verordnungsgeber Curricularbandbreiten festgelegt hat, musste der für die Curricularwertfestsetzung geltende Rahmen hier gemäß § 59 Satz 6 HZV unter Berücksichtigung der für die Teilbereiche des Studiengangs einschlägigen Bandbreiten abgeleitet werden, wobei angesichts des Verhältnisses der einzelnen Curricularanteile dem Studienfeld "Medizin, Pharmazie, Psychologie" zu Recht ein größeres Gewicht als dem Studienfeld "Naturwissenschaften" beigemessen wurde. Die innerhalb der Lehreinheit auf den Studiengang Biomedizin Bachelor entfallende Anteilquote wurde in rechtlich nicht zu beanstandender Weise so festgesetzt, dass nach entsprechendem Schwund im 3. Fachsemester eine Semesterstärke von (2 x 12 =) 24 Studienplätzen nicht überschritten wird, womit der begrenzten Zahl von Arbeitsplätzen im Praktikum Physiologische Chemie (Gruppengröße 12) Rechnung getragen wird (hierzu ausführlich BayVGH vom 12.3.2007 Az. 7 CE 07.10003).

3. Die Kostentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.

Die vorliegende Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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