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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.07.2004
Aktenzeichen: 7 ZB 04.529
Rechtsgebiete: GSO


Vorschriften:

GSO § 16 Abs. 4
GSO § 18 Abs. 2
GSO § 50 Abs. 2
GSO § 16 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

7 ZB 04.529

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Vorrückens in die nächste Jahrgangsstufe;

hier: Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 08. Dezember 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat,

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Pongratz, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kersten, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller

ohne mündliche Verhandlung am 15. Juli 2004 folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 1991 geborene Kläger besuchte vom 2. September bis 22. November 2002 die Klasse 6 c des Talenta-Gymnasiums in Geseke-Eringerfeld (Schule für Hochbegabte, staatlich anerkanntes privates Gymnasium). Vom 7. Februar 2003 an besuchte er das Franz-Ludwig-von-Erthal-Gymnasium in Lohr. Die Eltern des Klägers hatten dort u.a. einen schulischen Entwicklungsbericht des Talenta-Gymnasiums vom 28. Januar 2003 vorgelegt. Mit Schreiben vom 4. Februar 2003 bat das Gymnasium Lohr das Talenta-Gymnasium u.a., die erzielten Einzelnoten des Klägers mitzuteilen. Das Talenta-Gymnasium übersandte daraufhin am 5. Februar 2003 das Halbjahreszeugnis des Schuljahres 2002/2003.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2003 an die Eltern des Klägers "bestimmte" das Gymnasium Lohr folgendes:

"1. In Fächern, in denen keine Schulaufgaben geschrieben werden, nimmt Ihr Kind an den geforderten Leistungserhebungen teil (Stegreifaufgaben und mündliche Leistungserhebungen). Aus den im 2. Halbjahr erzielten Ergebnissen wird dann die Note für das betreffende Fach gebildet.

2. In Fächern, in denen Schulaufgaben vorgeschrieben sind, nimmt Ihr Kind an den Leistungserhebungen teil. Diese werden jedoch vorläufig nicht bewertet. Sie dienen dazu, Ihnen und Ihrem Sohn den erreichten Leistungsstand zu dokumentieren. Die jeweils letzte Schulaufgabe wird als Feststellungsprüfung abgehalten. Das Ergebnis dieser Leistungserhebung bildet die schriftliche Teil-Note für das Schuljahr im entsprechenden Fach. Die mündliche Teil-Note ergibt sich aus den während des 2. Halbjahres bewerteten mündlichen Leistungserhebungen wie unter Ziffer 1. Entsprechend den Vorschriften der Gymnasialen Schulordnung wird dann die jeweilige Gesamtnote (= Zeugnisnote) gebildet."

Nach erfolglosem Widerspruch gegen dieses Schreiben erhob die Klägerseite dagegen Klage (Az. W 8 K 03.871), nahm diese jedoch später zurück.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 5. Juni 2003 legte die Klägerseite dem Gymnasium Lohr eine Notenübersicht des Talenta-Gymnasiums mit den Einzelnoten des Klägers im 1. Halbjahr 2002/2003 vor.

Im Jahreszeugnis des Gymnasiums Lohr vom 25. Juli 2003 bekam der Kläger in Englisch die Note ungenügend und erhielt nicht die Erlaubnis zum Vorrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe. Nachdem der Kläger gegen dieses Zeugnis wegen fehlerhafter Bildung der Englischnote hatte Widerspruch einlegen lassen, suchte er um vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Würzburg nach. Das Verwaltungsgericht verpflichtete den Antragsgegner mit Beschluss vom 8. September 2003 (W 8 E 03.922), den Antragsteller vorläufig zum Unterricht in der 7. Jahrgangsstufe des Franz-Ludwig-von-Erthal-Gymnasiums in Lohr zuzulassen.

Den Widerspruch gegen das Zeugnis wies das Gymnasium Lohr mit Bescheid vom 26. September 2003 zurück. Auf die Klage des Klägers hin verpflichtete das Verwaltungsgericht Würzburg den Beklagten mit Urteil vom 8. Dezember 2003 unter Aufhebung der Benotung im Fach Englisch im Jahreszeugnis vom 25. Juli 2003 und des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 26. September 2003, die Leistungen des Klägers in diesem Fach im Schuljahr 2002/2003 mindestens mit der Note "mangelhaft" (5) zu bewerten und das Jahreszeugnis entsprechend abzuändern sowie die Erlaubnis zum Vorrücken in die nächste Jahrgangsstufe zu erteilen. Die Bildung der Jahresfortgangsnote im Fach Englisch sei rechtswidrig. Nach den Bestimmungen der Gymnasialschulordnung hätte das Gymnasium Lohr die schriftlichen und mündlichen Leistungen, die der Kläger im 1. Schulhalbjahr am Talenta-Gymnasium erzielt habe, bei der Bildung der Jahresgesamtnote berücksichtigen müssen. Damit habe der Kläger zumindest Anspruch auf die Vergabe der Jahresfortgangsnote "mangelhaft".

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.

Die Klägerseite trat dem Antrag entgegen und beantragte für den Kläger Prozesskostenhilfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeit oder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sind nicht gegeben (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 VwGO).

Die zutreffende Argumentation des angefochtenen Urteils führt zum richtigen Ergebnis und begegnet deshalb keinen ernstlichen Zweifeln im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Danach handelt es sich bei dem Schulwechsel des Klägers um den Übertritt an ein anderes Gymnasium während des Schuljahres aus wichtigem Grund in Sinne des § 16 Abs. 4 Satz 1 der Gymnasialschulordnung (GSO); davon ging - wie der Widerspruchsbescheid vom 26. September 2003 belegt - auch das Gymnasium Lohr aus. Demgemäß hatte die aufnehmende Schule gemäß § 18 Abs. 2 GSO von der bisher besuchten Schule sämtliche Unterlagen einschließlich aller im laufenden Schuljahr angefallenen schriftlichen und mündlichen Noten anzufordern. So hat auch das Gymnasium Lohr unter dem 4. Februar 2003 vom Talenta-Gymnasium die Einzelnoten des Klägers angefordert und von dort zunächst dessen Zwischenzeugnis erhalten. Neben dem ohnehin bereits vorliegenden Entwicklungsbericht vom 28. Januar 2003 erhielt das Gymnasium Lohr mit Schreiben der Klägerseite vom 5. Juni 2003 dann auch die Notenübersicht des Talenta-Gymnasiums (im Original) mit allen im 1. Halbjahr erzielten Einzelnoten des Klägers. Diese Noten lagen dem Gymnasium Lohr rechtzeitig vor der Notenbildung für das Jahreszeugnis 2002/2003 vor.

Die gegen die Anwendung des § 18 Abs. 2 GSO gerichteten Einwände des Beklagten greifen nicht durch. § 18 Abs. 2 Satz 1 GSO unterscheidet nach seinem Wortlaut nicht zwischen bayerischen und außerbayerischen Schulen. Die Frage, ob das Talenta-Gymnasium als außerbayerische Schule durch die Bayerische Gymnasialschulordnung verpflichtet werden konnte, Unterlagen und Noten des Klägers herauszugeben, stellt sich hier nicht, da sämtliche Unterlagen dem Gymnasium Lohr tatsächlich zur Verfügung standen. Aber selbst wenn man § 18 Abs. 2 Satz 1 GSO im Wege einer einengenden Auslegung auf den Fall des Übertritts von einem außerbayerischen Gymnasium in ein bayerisches Gymnasium nicht direkt anwenden wollte, wäre diese Vorschrift mangels anderweitiger Spezialregelungen sowie wegen ihrer Sachnähe und der Vergleichbarkeit der Sachverhalte auf den vorliegenden Fall zumindest analog anzuwenden. Soweit der Beklagte gegen die Anwendung des § 18 Abs. 2 GSO einwendet, die Leistungsanforderungen eines außerbayerischen Gymnasiums seien mit denen eines bayerischen nicht vergleichbar, findet dies in § 18 Abs. 2 GSO keine Stütze. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck dieser Vorschrift liefern Anhaltspunkte für die Auffassung des Beklagten. Ist der übertretende Schüler etwaigen höheren Leistungsanforderungen an einem bayerischen Gymnasium auch nach einer Umstellungsphase noch nicht gewachsen, so würde dies in einem Fall wie dem vorliegenden eben erst im nächsten Schuljahr auf die Noten durchschlagen und ggf. zum Verfehlen des Klassenziels führen.

Für die vom Beklagten favorisierte Anwendung des § 16 Abs. 2 GSO ist kein Raum. Diese Vorschrift, die das Gymnasium Lohr für seine im Schreiben vom 27. Februar 2003 bestimmte Vorgehensweise zugrunde gelegt hat, setzt den Übertritt in eine andere Ausbildungsrichtung voraus und bezieht sich nur auf die Fächer, die nur der neu gewählten Ausbildungsrichtung eigen sind oder dort ein höheres Lehrziel haben. Beides ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Der Kläger hat weder die Ausbildungsrichtung gewechselt noch war das Fach Englisch für ihn neu; ebenso wenig ist erkennbar, dass das Fach Englisch - unbeschadet dessen, dass es bereits am Wechsel der Ausbildungsrichtung fehlt - am Gymnasium Lohr ein höheres Lehrziel hätte als am Talenta-Gymnasium. Die Notenbildung mit Hilfe der Feststellungsprüfung und ohne Berücksichtigung der am Talenta-Gymnasium erzielten Leistungen war daher rechtswidrig.

Wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt hat, ist die Jahresfortgangsnote des Klägers im Fach Englisch vielmehr nach Art. 52 Abs. 3 BayEUG i.V.m. § 50 Abs. 2 Sätze 1 und 4 GSO unter Berücksichtigung der befriedigenden bzw. guten Leistungen des Klägers im Fach Englisch am Talenta-Gymnasium zu bilden. Insoweit nimmt der Senat im Einzelnen auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug. Damit hat der Kläger Anspruch darauf, dass er im angefochtenen Jahreszeugnis im Fach Englisch mindestens die Note "mangelhaft" (5) erhält und ihm nach Art. 53 Abs. 1 BayEUG i.V.m. § 52 Abs. 1 GSO die Erlaubnis zum Vorrücken in die Jahrgangsstufe 7 erteilt wird.

Der Rechtssache kommt auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Die vom Beklagten aufgeworfene Frage der Vergleichbarkeit der Leistungsanforderungen von allgemein bildenden Schulen und von Schulen für Hochbegabte bzw. die Frage danach, ob die allgemein bildenden Schulen in den einzelnen Vorrückungsfächern ein höheres Lehrziel haben als die Schulen für Hochbegabte, stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Wie oben dargestellt ist § 16 Abs. 2 GSO hier schon mangels Übertritt in eine andere Ausbildungsrichtung nicht anwendbar. Die weiter aufgeworfene Frage, ob im Hinblick auf die Kulturhoheit der Länder beim Wechsel eines Schülers von einer außerbayerischen Schule, insbesondere einer Schule für Hochbegabte, an eine allgemein bildende Schule in Bayern § 18 Abs. 2 Satz 1 GSO anwendbar ist oder ob diese Regelung nicht zwangsläufig von § 16 Abs. 2 Satz 1 GSO verdrängt werden muss, bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren. Wie oben dargestellt lässt sich die Frage vielmehr unmittelbar anhand des Wortlauts der Normen beantworten mit der Folge, dass hier § 18 Abs. 2 Satz 1 GSO - mindestens analog - zur Anwendung kommen muss.

Bei dieser Ausgangslage kann nicht angenommen werden, dass die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung konnte somit nicht zum Erfolg führen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Kostenlast ohnehin den Beklagten trifft, hat der Senat davon abgesehen, noch über den Antrag der Klägerseite über Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 GKG a.F..

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.



Ende der Entscheidung

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