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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.10.2002
Aktenzeichen: 8 C 02.1574
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 58 Abs. 1
VwGO § 67 Abs. 1
1. Bereits die Einlegung der Beschwerde beim Verwaltungsgericht unterliegt dem qualifizierten Vertretungszwang nach § 67 Abs. 1 VwGO.

2. In der Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichts ist ein Hinweis auf den qualifizierten Vertretungszwang nicht erforderlich.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

8 C 02.1574

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Verkehrssicherungspflicht (Rechtsweg);

hier: Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 4. Juni 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 8. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Allesch als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dösing, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schenk,

ohne mündliche Verhandlung am 14. Oktober 2002 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird verworfen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 327,46 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, da der Kläger bei deren Einlegung nicht durch einen der in § 67 Abs. 1 VwGO genannten Bevollmächtigten vertreten war.

1. Die vom Kläger persönlich eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss des Erstgerichts nach § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG richtet sich gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung. Das ist hier die Verwaltungsgerichtsordnung in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung (in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.3.1991 - BGBl I S. 686, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20.12.2001 - BGBl I S. 3987). Zu den hiernach zu beachtenden Vorschriften gehört insbesondere auch § 67 Abs. 1 VwGO über die Prozessvertretung. Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss sich vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen. Gemäß Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift gilt das auch für Beschwerden mit Ausnahme der Beschwerden gegen Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe. § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO dehnt damit den durch Satz 1 angeordneten Vertretungszwang auf Verfahrensabschnitte und Verfahren aus, die nicht oder nicht vollständig vor dem Bundesverwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) ablaufen. Dazu gehört auch die Beschwerde, die nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen ist. Denn diese Vorschrift lässt nach ihrem Abs. 1 Satz 2 den § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO ausdrücklich unberührt. Der Gesetzeswortlaut in § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO "gilt auch... für Beschwerden..." umfasst dabei ohne weiteres das gesamte Beschwerdeverfahren, also auch die Einlegung der Beschwerde, ohne dass dieser Verfahrensabschnitt hätte besonders aufgeführt werden müssen. Nur ein solches Verständnis der Neuregelung wird der gesetzgeberischen Absicht gerecht, auch in den - teils komplizierten - Nebenverfahren, die bisher vom Vertretungszwang ausgenommen waren, durch anwaltschaftliche Vertretung einen zügigen und konzentrierten Verfahrensablauf vor dem Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) sicher zu stellen (vgl. BT-Drs. 14/6854 S. 2). Deshalb wurde der in § 67 Abs. 1 VwGO vorgesehene Vertretungszwang vor dem Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) auch für die Einlegung der zulassungsfreien Beschwerden vorgeschrieben sowie auf alle sonstigen Nebenverfahren erweitert, bei denen in der Hauptsache Vertretungszwang besteht (vgl. BT-Drs. a.a.O.; BR-Drs. 906/01). Damit ist bereits bei Einlegung der Beschwerde die ordnungsgemäße Vertretung im Sinne von § 67 Abs. 1 VwGO als Zulässigkeitsvoraussetzung zu beachten (vgl. BayVGH vom 14.5.2002 BayVBl 2002, 539). Zwar formuliert § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Einschränkung dahingehend, dass sich jeder Beteiligte vor dem Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) qualifiziert vertreten lassen muss, soweit er einen Antrag stellt. Jedoch ist diese Bestimmung durch Abs. 1 Satz 2 wesentlich dahingehend ergänzt worden, dass eine qualifizierte Vertretung auch für die Einlegung der Revision sowie die Beschwerde gegen deren Nichtzulassung und die Beschwerde nach § 99 Abs. 2 VwGO sowie nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG und für den Antrag auf Zulassung der Berufung sowie für Beschwerden und sonstige Nebenverfahren vonnöten ist, bei denen in der Hauptsache Vertretungszwang besteht, mit Ausnahme der Beschwerden gegen Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe. Insbesondere hinsichtlich der Einlegung von Beschwerden lässt sich dieser Vorschrift nichts dafür entnehmen, dass der qualifizierte Vertretungszwang nur dann Geltung erlangen soll, soweit mit der Einlegung auch eine ausdrückliche Antragstellung verbunden ist. Nach der grammatikalischen Fassung und der systematischen Stellung der Vorschrift und unter Heranziehung der oben bereits dargelegten Historie des Gesetzgebungsverfahrens ist deshalb davon auszugehen, dass bereits die Einlegung einer Beschwerde auch dann dem qualifizierten Vertretungszwang des § 67 Abs. 1 VwGO unterliegt, wenn mit ihr kein ausdrücklicher Antrag gestellt wird (vgl. BayVGH vom 13.5.2002 BayVBl 2002, 538). Außerdem spricht viel dafür, dass bereits die Einlegung der Beschwerde selbst eine Antragstellung im Sinne von § 67 Abs. 1 VwGO darstellt. Denn die Beschwerdeeinlegung enthält das Begehren, die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern. In dieser Hinsicht ist ein weitergehender Antrag dazu regelmäßig nicht erforderlich.

Schließlich führt die durch § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnete Möglichkeit, die Beschwerde zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen, nicht über § 173 VwGO zur Anwendung des § 78 Abs. 3 ZPO. Der in der Verwaltungsgerichtsordnung auch für die Einlegung der Beschwerde ausdrücklich angeordnete Vertretungszwang hat insoweit den Charakter einer abschließenden Regelung (vgl. BayVGH vom 13.5.2002 a.a.O.; vom 14.5.2002 a.a.O.). Nichts anderes gilt hinsichtlich der Regelung des § 569 Abs. 3 ZPO. Auch insoweit sind die Vorschriften in § 147 Abs. 1 VwGO und § 67 Abs. 1 VwGO als eigenständige und abschließende Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung anzusehen.

2. An der Unzulässigkeit der vom Kläger persönlich eingelegten Beschwerde ändert sich nichts dadurch, dass in der vom Verwaltungsgericht seinem Verweisungsbeschluss beigegebenen Rechtsmittelbelehrung kein Hinweis auf den Vertretungszwang vor dem Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) enthalten ist. Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO hat die Rechtsmittelbelehrung lediglich einen Hinweis auf den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem das Rechtsmittel anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist zu enthalten. Diesen Anforderungen genügt die dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. Juni 2002 beigefügte Rechtsmittelbelehrung in allen Punkten. Der Hinweis auf einen etwaigen Vertretungszwang im höheren Rechtszug wird dagegen nicht gefordert. Eine Rechtsmittelbelehrung ist deshalb nicht unrichtig, wenn sie keinen Hinweis auf den vor einem höheren Gericht gemäß § 67 Abs. 1 VwGO geltenden Vertretungszwang enthält (vgl. BVerwG vom 1.7.1960 DÖV 1960, 913/914; vom 2.4.1964 Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 29; vom 15.4.1977, NJW 1978, 1278 = BVerwGE 52, 226/232). Diese Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht auch später nicht aufgegeben. Es hat lediglich erwogen, ob in erstinstanzlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht allgemein oder für besondere Fälle der Zweck der Rechtsmittelbelehrung einen Hinweis auf den bestehenden Vertretungszwang erfordern könnte. Dagegen hat es nicht in Frage gestellt, dass dies für Revisionsverfahren zu verneinen ist (vgl. BVerwG vom 31.3.1995 NVwZ 1995, 901 = BVerwGE 98,126). Nachdem inzwischen für die Verfahren vor Verwaltungsgerichten höherer Instanz, mit Ausnahme der Beschwerden gegen Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe, der qualifizierte Vertretungszwang des § 67 Abs. 1 VwGO uneingeschränkt gilt, gibt es umso weniger einen Anlass, im Gegensatz zum Wortlaut des § 58 Abs. 1 VwGO einen Hinweis auf dieses grundsätzliche Erfordernis zu verlangen. Da es sich vorliegend auch nicht um ein erstinstanzliches, sondern um ein zweitinstanzliches Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof handelt, besteht kein Zweifel daran, dass sowohl nach dem Gesetzeswortlaut des § 58 Abs. 1 VwGO als auch nach der Auslegung, die das Bundesverwaltungsgericht ihm gegeben hat, ein Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung des Erstgerichts auf den qualifizierten Vertretungszwang nach § 67 Abs. 1 VwGO nicht erforderlich ist. Enthält die Rechtsmittelbelehrung trotzdem einen Hinweis auf den Vertretungszwang, so muss dieser aber vollständig sein und insbesondere darauf aufmerksam machen, dass der Vertretungszwang bereits bei der Einlegung der Beschwerde einsetzt (vgl. BayVGH vom 13.5.2002 a.a.O.). Die Frist für das Rechtsmittel der Beschwerde hat daher vorliegend mit der Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts an den Kläger am 18. Juni 2002 zu laufen begonnen. Sie endete am 2. Juli 2002, ohne dass der Kläger bis dahin mit qualifizierter Vertretung das Rechtsmittel eingelegt hätte. Wiedereinsetzungsgründe im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO hat der Kläger ebenfalls nicht vorgetragen. Trotz Hinweises durch den Verwaltungsgerichtshof mit Schreiben vom 23. Juli 2002 hat er auch innerhalb der Antragsfrist von zwei Wochen nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO die versäumte Rechtshandlung, d.h. die Beschwerdeeinlegung durch einen qualifizierten Vertreter, nicht gemäß § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO nachgeholt. Dem Kläger kann nach alledem auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2, § 14 GKG.

Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen. Gründe für die Zulassung im Sinne von § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor. Damit ist dieser Beschluss unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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