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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.01.2006
Aktenzeichen: 9 B 05.30945
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, AGVwGO


Vorschriften:

VwGO § 92 Abs. 1
VwGO § 92 Abs. 3
VwGO § 155 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 155 Abs. 2
VwGO § 159 Satz 2
ZPO § 269 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 269 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 1
AGVwGO Art. 1 Abs. 2
AGVwGO Art. 2 Abs. 1 Satz 1
AGVwGO Art. 11 Abs. 2
AGVwGO Art. 15 Nr. 21 Satz 1
Zum Zusammentreffen der Zurücknahme einer im Berufungsverfahren anhängigen Klage gegenüber dem Verwaltungsgericht mit der Erklärung gegenüber dem Berufungsgericht, das Verfahren sei wegen der Klagerücknahme erledigt.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

9 B 05.30945

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anerkennung als Asylberechtigte (Aserbaidschan);

hier: Berufung des Beteiligten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 16. Juli 2001 (Teilanfechtung),

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 9. Senat, durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Waltinger als Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung am 25. Januar 2006 folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Das Verfahren wird eingestellt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 16. Juli 2001 ist wirkungslos geworden, soweit die Beklagte unter Aufhebung von Nr. 2 und Nr. 4 Satz 2 des Bescheids des Bundesamtes vom 26. Juli 2000 verpflichtet wurde festzustellen, dass für die Kläger Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 AuslG (nunmehr: § 60 Abs. 1 AufenthG) bezüglich Aserbaidschan bestehen (Nr. I Abs. 2 Alt. 1, Nr. II Satz 1 der Entscheidungsformel). Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Dezember 2003 und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. April 2005 sind in vollem Umfang wirkungslos geworden.

II. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Kostenentscheidung in Nr. II. Satz 1 des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 16. Juli 2001 erhält folgende Fassung:

Die Kläger tragen als Gesamtschuldner vier Fünftel, die Beklagte trägt ein Fünftel der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.

Gründe:

I.

Die Klage der Kläger, einer aus vier Personen bestehenden Familie, ihnen in Bezug auf Aserbeidschan Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG (nunmehr: § 60 Abs. 1 AufenthG), in Bezug auf Armenien und die Russische Föderation Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise nach § 53 AuslG (nunmehr: § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) zu gewähren, hatte hinsichtlich des Begehrens um Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich Aserbeidschans und hinsichtlich des Begehrens um Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG bezüglich Armeniens Erfolg. Der Beteiligte erhob gegen die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich Aserbeidschans Berufung, die zunächst Erfolg hatte, nach einer erfolgreichen Revision der Kläger aufgrund einer Zurückverweisung durch das Bundesverwaltungsgericht aber wieder beim Verwaltungsgerichtshof anhängig war.

Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2006 nahm der Klägerbevollmächtigte die auf die Gewährung von Abschiebungsschutz "nach § 51 Abs. 1 AuslG" gerichtete Klage gegenüber dem Verwaltungsgericht zurück. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag erklärte er gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die Klagerücknahme die Hauptsache für erledigt. Beide Erklärungen gingen jeweils am 9. Januar 2006 beim Verwaltungsgericht bzw. beim Verwaltungsgerichtshof ein. Das Verwaltungsgericht legte die Rücknahmeerklärung am 11. Januar 2006 vor. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. Januar 2006, der beim Verwaltungsgerichtshof am 23. Januar 2006 eingegangen ist, der Klagerücknahme zugestimmt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Entscheidung über die Rechtsfolgen der Klagerücknahme zuständig, weil die Klage im Berufungsverfahren zurückgenommen worden ist. "Gericht" im Sinn des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das "Prozessgericht", also das Gericht, bei dem das Verfahren zum Zeitpunkt der Klagerücknahme anhängig ist (BVerwG vom 1.10.1990 NVwZ 1991, 60; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 92 RdNr. 3). Das ergibt sich aus verfahrenstechnischen Gründen, die in der gemäß § 173 VwGO auf den Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 269 Abs. 2 ZPO ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden haben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten dem "Gericht" gegenüber zu erklären. Damit ist das "Prozessgericht" gemeint, denn nach Satz 2 der Vorschrift erfolgt die Zurücknahme der Klage, "wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird", durch die Einreichung eines Schriftsatzes. Eine mündliche Verhandlung kommt aber nur in der Instanz in Betracht, in der das Verfahren anhängig ist. Das ist hier das Berufungsverfahren. Die Entscheidung ergeht gemäß § 87 a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 und 5 VwGO durch den Berichterstatter als Einzelrichter.

Das Verfahren war (deklaratorisch) einzustellen, weil die Klage, soweit sie im Berufungsverfahren anhängig war, wirksam zurückgenommen worden ist. Die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zur Rechtskraft des Urteils zulässige, in der Berufungsinstanz gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO von der Einwilligung der Beklagten abhängige Zurücknahme der Klage ist mit dem Eingang der Zustimmungserklärung der Beklagten am 23. Januar 2006 wirksam geworden. Damit ist das Verfahren in allen Instanzen unmittelbar beendet worden. Unerheblich ist, dass die Berufung von dem Beteiligten erhoben worden ist.

Die Klage gilt, soweit sie zurückgenommen worden ist, als nicht erhoben (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 ZPO). Mit dem Wirksamwerden der Klagerücknahme am 23. Januar 2006 ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 16. Juli 2001 hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage wirkungslos geworden (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO). Gleichzeitig sind das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Dezember 2003 und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. April 2005 in vollem Umfang wirkungslos geworden.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Kläger mit der bereits am 9. Januar 2006 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Erklärung das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Diese einseitige Erledigungserklärung wäre nämlich nur dann wirksam geworden, wenn ihr die Beklagte zugestimmt hätte. Das ist nicht der Fall. Mit dem Wirksamwerden der Klagerücknahme ist die Erledigungserklärung der Kläger gegenstandslos geworden.

Die richtige Bezeichnung des Verwaltungsgerichts Würzburg ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 AGVwGO (die "bayerischen Verwaltungsgerichte"), aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AGVwGO ("Verwaltungsgericht München"), aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AGVwGO ("Verwaltungsgericht Ansbach"), aus Art. 11 Abs. 2 AGVwGO ("Verwaltungsgericht Regensburg") und aus Art. 15 Nr. 21 Satz 1 Halbs. 1 AGVwGO ("Verwaltungsgericht Ansbach").

Die Kläger haben gemäß § 155 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Kostenaufteilung für das erstinstanzliche Verfahren (§ 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO) ergibt sich daraus, dass die Kläger letztlich nur mit einem ihrer fünf Klagebegehren (vgl. Seite 7 und 8 des Revisionsurteils) obsiegt haben. Das Verfahren ist in allen Rechtszügen gerichtskostenfrei. Das ergibt sich aus der Übergangsvorschrift des § 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG und aus § 83 b Abs. 1 AsylVfG alter Fassung. Wegen des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit im Berufungs- und im Revisionsverfahren wird auf den Ausspruch in Nr. IV des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Dezember 2003 verwiesen (3.834 Euro).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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