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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.07.2006
Aktenzeichen: 9 ZB 06.1024
Rechtsgebiete: BayNatSchG, LStVG, VwVfG


Vorschriften:

BayNatSchG Art. 13 d Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
BayNatSchG Art. 13 d Abs. 2 Satz 1
BayNatSchG Art. 13 d Abs. 5 Satz 2
LStVG Art. 8 Abs. 1
LStVG Art. 8 Abs. 2
VwVfG Art. 40
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

In der Verwaltungsstreitsache

9 ZB 06.1024

wegen

naturschutzrechtlicher Beseitigungsanordnung und Duldungsanordnung,

hier: Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. März 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 9. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Plathner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Heinl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Waltinger

ohne mündliche Verhandlung am 4. Juli 2006 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

II. Der Kläger trägt neun Zehntel, die Klägerin trägt ein Zehntel der Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Anträge haben keinen Erfolg.

I.

Der Antrag der Klägers, die Berufung zuzulassen, ist unbegründet.

Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 a Abs. 4 Satz 4, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 VwGO). Das Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, ernstlich in Zweifel zu ziehen, dass das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Bescheid vom 17. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2005 zu Recht abgewiesen hat.

1. Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass eine Ausnahme von den Verboten des Art. 13 d BayNatSchG nicht möglich sei, weil die besondere örtliche Situation des geschützten Biotops erhalten werden müsse, wird weder ein einzelner tragender Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts in schlüssiger Weise in Frage gestellt (vgl. BVerfG, B. vom 23.6.2000 NVwZ 2000, 1163 = DVBl 2000, 1458).

Diese Rüge berücksichtigt nicht, dass nach Art. 13 d Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG eine Ausnahme von den Verboten des Art. 13 d Abs. 1 Nr. 4 BayNatSchG nur "auf Antrag" zugelassen werden kann. Die auf der rahmenrechtlichen Ermächtigung des § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG beruhende Vorschrift setzt der Natur der Sache nach voraus, dass der Antrag bei der unteren Naturschutzbehörde in schriftlicher Form gestellt wird. Hieran fehlt es.

Der Kläger hat im Rahmen der Anhörung zum beabsichtigten Erlass einer Beseitigungsanordnung (Schreiben des Landratsamts vom 13.10.2003, 16.11.2003 und 12.1.2004) keinen Antrag auf Zulassung einer Ausnahme gestellt hat. Es kann offen bleiben, ob ein nach dem Erlass des Bescheids vom 17. Juni 2004 gestellter Antrag auf Zulassung einer Ausnahme zu berücksichtigen wäre, denn es ist auch nachträglich kein entsprechender Antrag gestellt worden. Die Rüge in der Klageschrift vom 30. August 2005, die Naturschutzbehörde habe versäumt zu prüfen, ob nicht entweder auf dem Grundstück selbst oder in der Nähe ein entsprechender Ausgleich möglich gewesen wäre, stellt keinen Antrag nach Art. 13 d Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG dar. Gleiches gilt für die Behauptung in der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vom 23. Mai 2006, die Kläger hätten dem Landratsamt mehrmals mündlich angeboten, andere Eigentumsflächen innerhalb der gleichen Gemarkung für Ersatzmaßnahmen zur Verfügung zu stellen.

Die Rüge des Klägers ist auch deshalb ungeeignet, die Richtigkeit des angefochtenen Urteils ernsthaft in Zweifel zu ziehen, weil der Kläger versäumt hat, in konkreter und nachvollziehbarer Weise darzulegen, dass er dem Landratsamt Ersatzflächen angeboten hat, die geeignet sind, die Beeinträchtigung des Biotops auszugleichen. Solche Ausgleichsmöglichkeiten sind auch nicht zu ersehen. Nach dem schlüssigen Tatsachenvortrag des Beklagten in seiner Antragserwiderung vom 8. Juni 2006 liegen vielmehr die materiellen Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme nicht vor.

2. Mit den Rügen gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids des Landratsamts und der Behauptung, das Verwaltungsgericht hätte diesen in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Gesichtspunkten weiter nachgehen müssen, macht der Kläger zwar der Sache nach ebenfalls ernstliche Zweifel gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend. Die Rügen sind jedoch nicht geeignet, die Richtigkeit des Urteils ernsthaft in Zweifel zu ziehen.

Die im Gewand der Behauptung, das Landratsamt habe bei seiner Ermessensentscheidung die Umstände des Einzelfalles nicht hinreichend berücksichtigt, erhobenen Einzelrügen zielen rechtlich darauf ab, dass die Voraussetzungen für den Erlass der naturschutzrechtlichen Beseitigungsanordnung nicht vorlägen, weil die Beseitigungsanordnung gegen den gerichtlich gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO voll überprüfbaren Erforderlichkeitsgrundsatz (Art. 8 Abs. 1 LStVG analog) und gegen den ebenfalls gerichtlich voll überprüfbaren Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 8 Abs. 2 LStVG) verstoße (vgl. BayVGH vom 29.9.2003 NVwZ-RR 2004, 238 = BayVBl 2004, 213/214 mit weiteren Nachweisen). Ein Verstoß gegen diese Grundsätze ist jedoch nicht schlüssig dargelegt.

2.1. Mit dem Hinweis, dass der "Schuppen" nur zu etwa zwei Dritteln seiner Grundfläche auf dem gesetzlich geschützten Biotop stehe, zieht der Kläger die Erforderlichkeit der Beseitigung (Art. 8 Abs. 1 LStVG analog) in Zweifel. Die Rüge ist nicht berechtigt.

Eine teilweise Beseitigung der Gerätehalle kommt nicht in Betracht, weil die Anlage nicht teilbar ist. Die teilweise Beseitigung einer Anlage darf nur angeordnet werden, wenn die Anlage objektiv und subjektiv teilbar ist. Eine Anlage ist objektiv teilbar, wenn sie bautechnisch teilbar ist. Eine Anlage ist subjektiv teilbar, wenn ihre vom Bauherrn bestimmte Funktion eine Teilung zulässt. Auf den Willen der Behörde kommt es nicht an (BayVGH vom 29.9.2003 NVwZ-RR 2004, 238/239 = BayVBl 2004, 213/214). Die Gerätehalle des Klägers stellt schon wegen der betonierten Bodenplatte samt ihrem massiven Betonsockel, der für eine landwirtschaftliche Gerätehalle im Außenbereich ungewöhnlich ist, bautechnisch eine Einheit dar. Der Kläger hat bisher auch nicht geltend gemacht, dass er die Anlage bautechnisch und funktionell für teilbar hält.

2.2. Mit den Rügen, das Landratsamt habe weder ausreichend berücksichtigt, dass der fragliche Bereich ohnehin beeinträchtigt sei, weil unmittelbar anschließend ein Busunternehmen Stellplätze und Unterstellhallen für Busse errichtet habe, noch ausreichend berücksichtigt, dass der "Schuppen" nur den südlichsten Ausläufer des großen, langgezogenen Biotops tangiere, zieht der Kläger die Verhältnismäßigkeit der Beseitigung (Art. 8 Abs. 2 LStVG analog) in Zweifel. Auch diese Rügen sind nicht berechtigt.

Der dem Kläger durch die Beseitigung der rechtswidrig errichteten Gerätehalle entstehende Schaden steht nicht außer Verhältnis zu dem durch Art. 13 d Abs. 1 Nr. 4 BayNatSchG geschützten Rechtsgut.

Der Einwand des Klägers, dass sich auf dem Nachbargrundstück eine Unterstellhalle für Busse befindet, dass das gesetzlich geschützte Biotop Nr. 51.*. eine große, lang gezogene Fläche darstellt, und dass die Gerätehalle nur den südlichsten Ausläufer des Biotops tangiert, ändert nichts daran, dass der Kläger mit der Entscheidung, die Gerätehalle gerade an dieser Stelle zu errichten, bewusst in ein gesetzlich geschütztes und trotz der vom Kläger hervorgehobenen Besonderheiten schützenswertes Biotop eingegriffen hat.

Diesem Rechtsgut steht gegenüber, dass die Beseitigung der Gerätehalle keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Die Halle besteht, mit Ausnahme der betonierten Bodenplatte und dem Betonsockel, aus einer Holzkonstruktion, die auf einfache Weise abgebaut und ohne Substanzverlust an anderer Stelle wieder aufgebaut werden kann. Aus diesem Grund kann der Kläger auch nicht verlangen, dass statt der Beseitigung als geringerer Eingriff (Art. 13 d Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BayNatSchG) eine Ausgleichsmaßnahme gemäß Art. 13 d Abs. 5 Satz 3 BayNatSchG gefordert wird.

2.3. Entgegen der Auffassung des Klägers verletzt ihn die Ermessensentscheidung des Landratsamts nicht in seinen Rechten. Der Kläger wird nur durch die gerichtlich gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO voll überprüfbaren gesetzlichen Anforderungen an das Bestehen eines Eingriffsrechts des Landratsamts, nicht auch durch die auf dem Opportunitätsprinzip beruhenden Anforderungen aus Art. 13 d Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 BayNatSchG, Art. 40 BayVwVfG an das Eingriffsermessen geschützt (BayVGH vom 24.2.2005 - 1 ZB 04.276 - Seite 10; vom 23.6.2005 - 1 ZB 04.2215 - Seite 9; vom 15.9.2005 - 7 ZB 05.305 - Seite 7 f.). Unabhängig davon entspricht die Ermessensbetätigung des Landratsamts dem Zweck der Ermächtigung des Art. 13 d Abs. 5 Satz 2 BayNatSchG (Art. 40 BayVwVfG). Gewichtige Gründe, die es ausnahmsweise nahe legen, von einem Einschreiten abzusehen, sind weder vorgetragen noch zu ersehen.

II.

Der Antrag der Klägerin, die Berufung zuzulassen, ist unzulässig.

Die Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO an die Darlegung von Zulassungsgründen sind nicht erfüllt (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 VwGO), weil die Klägerin gegen die Duldungsanordnung in Nr. 2 und gegen die Zwangsgeldandrohung in Nr. 4 des Bescheids keine konkreten Rügen erhoben hat.

III.

Die Kläger haben gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des erfolglosen Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Aufteilung der Kosten zwischen dem Kläger und der Klägerin entspricht dem Maß ihrer Beteiligung an dem Rechtsstreit (§ 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 2 ZPO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf der Übergangsvorschrift des § 72 Nr. 1 Halbs. 2 GKG, auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 sowie auf § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts wird für jeden Beteiligten zu dem Zeitpunkt rechtskräftig, zu dem ihm diese Ablehnung der Zulassungsanträge bekannt gegeben wird (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).



Ende der Entscheidung

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