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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 23.01.2002
Aktenzeichen: 1 AR 8/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 203
StPO § 210 Abs. 2
StGB § 316
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 AR 8/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Strafsache

wegen Trunkenheit im Verkehr

hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

am 23. Januar 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Nichteröffnungsbeschluß des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 6. August 2001 aufgehoben.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 15. Dezember 2000 wird unter Eröffnung des Hauptverfahrens zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel - Binnenschifffahrtsgericht - zugelassen.

Gründe:

I.

Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 15. Dezember 2000 wird dem Angeschuldigten zur Last gelegt, dass er am 31. Oktober 2000 gegen 14.50 Uhr nach vorangegangenem Alkoholgenuß in fahruntüchtigem Zustand mit einem Sportboot die ... ... befuhr, obwohl er um seine Fahruntüchtigkeit wußte. Die Untersuchung der um 15.54 Uhr entnommenen Blutprobe hatte eine Blutalkoholkonzentration von 1,11 Promille ergeben. Das Amtsgericht Brandenburg - Binnenschifffahrtsgericht - hat mit Beschluß vom 6. August 2001 die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, der die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beigetreten ist.

II.

Die sofortige Beschwerde gegen den Nichteröffnungsbeschluß ist gemäß § 210 Abs. 2 StPO statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 306, 311 Abs. 2 StPO).

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Der angefochtene Beschluß, mit dem das Amtsgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts aus rechtlichen Gründen abgelehnt hat, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten ist gemäß § 203 StPO entsprechend der Anklage der Staatsanwaltschaft Potsdam zu eröffnen, weil seine Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr bei vorläufiger Tatbewertung (vgl. BGHSt 23, 304, 306) aufgrund des gesamten Ermittlungsergebnisses wahrscheinlich ist.

Gemäß § 316 StGB macht sich auch ein Bootsführer strafbar, der mit seinem Fahrzeug am öffentlichen Schiffsverkehr teilnimmt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Dies ist dann der Fall, wenn seine psycho-physische Gesamtleistungsfähigkeit infolge des Alkohols so stark herabgemindert ist, dass er den jeweiligen Anforderungen des Verkehrs nicht mehr durch rasches, angepasstes und zielbewußtes Handeln zu genügen vermag und insbesondere bei schwierigen Verkehrslagen nicht mehr schnell und sicher genug reagieren kann (BGHSt 21, 157, 160). Die Grenze, ab der in diesem Sinne ein Teilnehmer am öffentlichen Verkehr - absolut - fahruntauglich ist, liegt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Bereich des motorisierten Straßenverkehrs bei 1,1 ( (BGHSt 37, 89).

Für den Bereich der Schifffahrt ist aufgrund der vorliegenden verkehrsmedizinischen Untersuchung durch Prof. Dr. W. Janssen u.a. (HANSA Schifffahrt - Schiffbau - Hafen, 1987, 659) davon auszugehen, dass die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Personals im Sicherheitsbereich des Schiffsverkehrs jedenfalls nicht geringer sind als an die Lenker von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr. Zwar herrschen im Schiffsverkehr in der Regel deutlich geringere Geschwindigkeiten vor als im Straßenverkehr. Andererseits sind Schiffe schwerfällig zu navigieren und haben einen im Vergleich zur Geschwindigkeit größeren "Bremsweg". Zudem werden an den Führer eines Wasserfahrzeuges durch sehr detaillierte und oft komplizierte Verhaltensmaßregeln der jeweils geltenden Schifffahrtsordnung hohe Anforderungen gestellt, ohne dass die Hilfsmittel der Orientierung in ihrer Eindeutigkeit und raschen Erfassbarkeit mit denen des Straßenverkehrs (Leitlinien, Ampeln, Geschwindigkeitsbegrenzungen) konkurrieren könnten. Darüber hinaus gibt es häufig schwer voraussehbare Veränderungen der Umstände, insbesondere durch Wind und Strömungen, auf die der Bootsführer schnell und sachgerecht reagieren muß. Erschwerend kommen schließlich die sehr unterschiedlichen Größen und Geschwindigkeiten der dem Schiffsführer auf seiner Fahrt begegnenden Fahrzeuge hinzu.

Der Senat sieht daher bei der Beurteilung der Tat für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens keine Veranlassung, von der Fahrtauglichkeitsgrenze im Straßenverkehr von 1,1 ( für den motorisierten Schiffsverkehr abzuweichen. Letztlich wird der Tatrichter die Frage, ob bei einem Sportmotorbootführer auf der Havel die psycho-physische Leistungsfähigkeit unter Alkoholeinfluß in gleicher Weise beeinträchtigt ist wie bei einem Kraftfahrer im Straßenverkehr, abschließend durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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