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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.07.2001
Aktenzeichen: 1 Ss (OWi) 37 B/01
Rechtsgebiete: OWiG, StPO, StVG


Vorschriften:

OWiG § 33 Abs. 1 Nr. 1
OWiG § 46
OWiG § 55
StPO § 206a
StVG § 26 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 Ss (OWi) 37 B/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Bußgeldsache

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als Senat für Bußgeldsachen durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

am 5. Juli 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 12. Januar 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Neuruppin zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Neuruppin hat durch das angefochtene Urteil das gegen den Betroffenen eingeleitete Bußgeldverfahren gemäß §§ 46 OWiG, 206a StPO eingestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass bereits bei Erlass des Bußgeldbescheides Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Neuruppin. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und meint, Verfolgungsverjährung sei nicht eingetreten, weil sie durch die Anordnung der Anhörung des Betroffenen wirksam unterbrochen worden sei.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache auch Erfolg.

Die Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 46 OWiG, 206a StPO war rechtsfehlerhaft. Denn ein Verfahrenshindernis lag nicht vor. Insbesondere ist Verfolgungsverjährung nicht eingetreten.

Nach § 26 Abs. 3 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung bei Verkehrsordnungswidrigkeiten (§ 24 StVG) drei Monate, so lange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach sechs Monate. Da dem Betroffenen vorgeworfen worden ist, am 4. Juni 2000 mit seinem Pkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben, trat drei Monate später Verfolgungsverjährung ein, sofern kein Unterbrechungstatbestand vorlag. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG wird die Verfolgungsverjährung durch die Anordnung der Vernehmung des Betroffenen unterbrochen. Das ist hier vor Ablauf der Dreimonatsfrist entgegen der Ansicht des Bußgeldrichters in wirksamer Weise geschehen. Dem Betroffenen ist als Halter des Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen ... ein Anhörungsbogen übersandt worden, aus dem sich der Tatvorwurf eindeutig ergibt. Die Vorderseite dieses Bogens ist überschrieben mit "Anhörung des Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit". Nach der Anrede heißt es: "Ihnen wird vorgeworfen, am ..... um ..... auf ..... als Führer des ..... mit dem amtlichen Kennzeichen ..... folgende Ordnungswidrigkeit(en) begangen zu haben: .....

Nach § 55 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) wird Ihnen hiermit Gelegenheit gegeben, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen. Es steht Ihnen frei, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen." Die Rückseite ist überschrieben mit "Schriftliche Äußerung zu vorseitigem Sachverhalt". Das Formular enthält sodann einen Fragenkatalog, der Angaben zur Person, zum gesetzlichen Vertreter, zur Fahrerlaubnis und zur Sache enthält. Unter der Rubrik "Angaben zur Sache" findet sich die Frage "Sind Sie der verantwortliche Fahrzeugführer?".

Der Inhalt dieses Anhörungsbogens ist eindeutig. Wenn der Bußgeldrichter meint, dass "zum Zeitpunkt der Anhörung eine Identifizierung des Betroffenen noch nicht erfolgt (sei), vielmehr sollte diese mit Hilfe der Übersendung des Anhörungsbogens an den anhand des Fahrzeugkennzeichens ermittelten Fahrer erst noch erfolgen", dann ist diese Ansicht schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil sie mit Auslegungsgrundsätzen nicht vereinbar ist. Erklärungen können nur dann ausgelegt werden, wenn sie auslegungsfähig sind. Der zitierte Inhalt des Anhörungsbogens aber ist so eindeutig, dass er einer Auslegung nicht zugänglich ist. Der Betroffene als Adressat des Anhörungsbogens wird beschuldigt, die angegebene Verkehrsordnungswidrigkeit begangen zu haben, er konnte darüber auch nicht in Zweifel sein; ein verständiger Leser konnte einem Irrtum nicht unterliegen.

Es ist anerkannt, dass die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch Anordnung der Absendung des Anhörungsbogens an den Betroffenen die Verfolgungsverjährung auch dann unterbricht, wenn dieser Vorgang - wie im vorliegenden Fall - im Wege der Datenverarbeitung vollautomatisch nach einem von der Bußgeldbehörde vorprogrammierten Fristenplan abläuft. Es bedarf in diesem Falle zur wirksamen Verjährungsunterbrechung nicht einer handschriftlichen Verfügung oder auch nur eine Abzeichnung durch den Sachbearbeiter. Maßgeblich für den Zeitpunkt der Verjährungsunterbrechung ist das Datum des Ausdruckes, welches der Anhörungsbogen trägt. Für den Tatbestand der Verjährungsunterbrechung nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ist schließlich nicht maßgeblich, ob der Anhörungsbogen den Betroffenen erreicht; nach dem Gesetzestext reicht die Anordnung der Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens (ständige Rechtsprechung des Brandenburgischen OLG, zuletzt durch Beschluss vom 15. Juli 1998 - 2 Ss (OWi) 74 Z/98).

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Betroffenen in seinem Schriftsatz vom 15. Juni 2001 meint, dass die von der Staatsanwaltschaft eingereichten Erkenntnisse "nach als auch außerhalb der Hauptverhandlung gewonnen worden und damit für das Rechtsbeschwerdegericht unbeachtlich (seien)", verkennt er, dass die Verjährungsfrage im Wege des Freibeweises zu beantworten ist und demzufolge dem Senat die Auswertung aller Fakten erlaubt, auch soweit sie erst nach der Urteilsverkündung in den Akten dokumentiert worden sind. Die Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten trifft lediglich auf die Feststellungen zum Sachausspruch zu, nicht jedoch für Tatsachen, die für die Prozessvoraussetzungen maßgeblich sind.

Ende der Entscheidung

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