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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.05.2005
Aktenzeichen: 1 Ss (OWi) 67 B/05
Rechtsgebiete: OWiG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 74 Abs. 2
OWiG § 79 Abs. 3 Satz 1
StPO § 344 Abs. 2 Satz 1
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 Ss (OWi) 67 B/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Bußgeldsache

wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften

hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als Senat für Bußgeldsachen durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter

am 18. Mai 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts .... vom 22. Juli 2004 wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die ihm in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

I.

Die zentrale Bußgeldstelle der Polizei des Landes Brandenburg setzte gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 1. Oktober 2003 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 162,00 fest und ordnete ein Fahrverbot von einem Monat Dauer an. Auf den Einspruch des Betroffenen beraumte das Amtsgericht Termin zur Hauptverhandlung auf den 22. Juli 2004 an. Als der Betroffene nicht erschien, verwarf es den Einspruch gem. § 74 Abs. 2 OWiG.

II.

Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen erweist sich im Ergebnis als unbegründet.

1. Die Rechtsmittelschrift rügt zunächst einen Verstoß des Instanzgerichts gegen den verfassungsrechtlich festgeschriebenen Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde allerdings bereits unzulässig.

Die Versagung des rechtlichen Gehörs kann nur mit einer den Begründungserfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 1 StPO (i. V. m. § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG) gerechtwerdenden Verfahrensrüge geltend gemacht werden.

Da die Rechtsbeschwerde nur dann Erfolg hat, wenn der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt ist (vgl. insoweit: BVerfG NJW 1992, 2811 f.), muss der Betroffene deshalb im Rahmen der Verfahrensrüge im einzelnen ausführen, was er im Falle der Gewährung rechtlichen Gehörs geltend gemacht hätte (vgl. Göhler, OWiG, 13. Auflage, § 79, Rzn. 27 d, 33; OLG Köln NZV 1992, 419; OLG Düsseldorf DAR 1999, 275). Es genügt danach nicht, den Verfahrensverstoß vorzutragen, weil der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt sein könnte; vielmehr ist die Darlegung von Tatsachen erforderlich, anhand derer geprüft werden kann, ob die angefochtene Entscheidung tatsächlich auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht.

Die Rechtsbeschwerdebegründungsschrift vom 13. September 2004 entspricht nicht diesen Erfordernissen. Sie enthält nicht eine einzige Wendung, der entnommen werden könnte, was der Betroffene bei Gewährung des rechtlichen Gehörs in der Hauptverhandlung vom 22. Juli 2004 im einzelnen vorgebracht hätte.

2. Mit der Rechtsbeschwerde wird hingegen in zulässiger Weise die Verletzung von § 74 Abs. 2 OWiG beanstandet.

Der Betroffene hat zwar weder bei Rechtsbeschwerdeeinlegung durch Schriftsatz vom 12. August 2004 noch in der Rechtsmittelbegründungsschrift ausdrücklich eine zu seinem Nachteil rechtsfehlerhafte Anwendung des § 74 Abs. 2 OWiG geltend gemacht, wobei es für die Zulässigkeit eines derartigen, dem Verfahrensrecht zuzuordnenden Angriffs den rechtlichen Vorgaben der § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG genügender Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung bedarf. Auch wenn sich solche vorliegend nicht unmittelbar in dem entsprechenden Schriftsatz des Verteidigers des Betroffenen vom 13. September 2004 finden, hat der Verteidiger zur Begründung des Rechtsmittels jedoch im Weiteren "Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 12.08.2004, mit welchem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden ist". Auf diese Weise ist das Wiedereinsetzungsvorbringen in zulässiger Weise zum Gegenstand (auch) des Rechtsbeschwerdeverfahrens gemacht worden, und der Senat hat es deshalb bei der rechtlichen Prüfung der vorgetragenen Verfahrenstatsachen mit zu berücksichtigen. Denn bei der Prüfung, ob gegen ein Verwerfungsurteil rechtliche Bedenken bestehen, ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht nur auf die Urteilsfeststellungen beschränkt; vielmehr muss es weiterhin diejenigen Tatsachen berücksichtigen, die die Rechtsbeschwerde vorbringt und nachweist und die dem Tatrichter zur Zeit seiner Entscheidung bereits bekannt waren (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht NStZ 1996, 165; NStZ-RR 1997, 275 f.) oder jedenfalls theoretisch hätten bekannt geworden sein können.

3. Auch unter Beachtung des zulässigen Rechtsbeschwerdevorbringens hat das Amtsgericht den Einspruch indes im Ergebnis rechtsfehlerfrei verworfen.

Allerdings war es verpflichtet, bei seiner Entscheidung sämtliche erheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, die ihm bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannt geworden waren (Brandenburgisches Oberlandesgericht NStZ 1997, 275 f. m. w. N.). Die Tatsachen, aus denen die Unzulässigkeit der Einspruchsverwerfung zu folgern wären, müssen dabei jedoch, ebenso wie im Falle aller anderen Verfahrensbeanstandungen, bewiesen sein (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 337 Rz. 10).

Hieran fehlt es fallbezogen. Dem Inhalt des angegriffenen Urteils lässt sich in diesem Zusammenhang entnehmen, der Betroffene habe "am Terminstag kurz vor 9:00 Uhr in der Geschäftsstelle (Senat: des Amtsgerichts) angerufen und mitgeteilt, dass er bei Magdeburg in einer Umleitung im Stau stehe; anschließend habe er noch einen Termin in Rostock". Ein um 9:25 Uhr desselben Tages "durch den entscheidenden Richter mit der für ganz Sachsen-Anhalt zuständigen Autobahnpolizei Börde" geführtes Telefonat hatte zudem ergeben, "dass dort keine Staus bekannt" waren; in Sachsen-Anhalt habe zwar Starkregen geherrscht, so dass Kraftfahrzeuge "langsam fahren mussten", es sei auch zu Unfällen gekommen, diese hätten jedoch allenfalls zähfließenden Verkehr, nicht jedoch Staus hervorgerufen.

Bei dieser Sachlage wäre das Nichterscheinen des Betroffenen im für 9:00 Uhr festgesetzten Hauptverhandlungstermin vom 22. Juli 2004 unentschuldigt geblieben, denn dieser musste bei Anfahrt mit einem Kraftfahrzeug im vertretbaren Rahmen mögliche und meist nicht genau vorhersehbare Verzögerungen einkalkulieren, die ein rechtzeitiges Erscheinen verhindern konnten (vgl. OLG Bamberg, NJW 1995, 740).

Soweit der Beschwerdeführer sich demgegenüber darauf beruft, er habe sich "am Terminstage auf dem Weg von Halberstadt nach ....." befunden, "um pünktlich den Hauptverhandlungstermin wahrnehmen zu können", habe eine Umleitungsstrecke zu den Bundesstraßen B 81/B 180/ B 246 a befahren, sei dort infolge eines Verkehrsunfalls in einen Stau geraten, habe daraufhin erstmals um ca. 8:30 Uhr bei der Geschäftsstelle des Amtsgerichts unter Hinweis darauf angerufen, dass er den Hauptverhandlungstermin nicht mehr pünktlich wahrnehmen könne, habe zudem gegen 9:00 Uhr ein zweites Mal bei Gericht unter Hinweis darauf angerufen, dass er den Termin nicht einhalten könne, wobei er zwar ca. um 10:00 Uhr in ....sein könne, jedoch in Rostock einen Nachfolgetermin um 13:00 Uhr habe, sind diese Angaben unbewiesen geblieben. Abgesehen davon, dass sich die Darlegungen des Betroffenen in dem Wiedereinsetzungsgesuch bereis nicht dazu verhalten, wann er am Tage der Hauptverhandlung die Reise zum Gerichtsort angetreten haben will, zu welcher Uhrzeit er in den Verkehrsstau geraden ist und wann dieser sich aufgelöst hat, wird der die Entschuldigung begründende Sachverhalt durch keine objektiven Umstände gestützt. Im Gegenteil hat die einen Anruf des Rechtsmittelführers entgegennehmende Geschäftsstellenbeamtin ausweislich ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 19. August 2004 vom Betroffenen fernmündlich lediglich erfahren, dass er "die Terminsstunde 9:00 Uhr nicht einhalten könne", und für den Fall der Terminsverlegung um Festsetzung einer nicht vor 10:00 Uhr liegenden Terminsstunde bat. Danach spricht jedenfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Rechtsbeschwerdeführer vor Ergehen des Verwerfungsurteils (um 9:30 Uhr des Terminstages) lediglich diejenigen Angaben zu den Gründen seines Nichterscheinens getätigt hatte, die im Verwerfungsurteil des Amtsgerichts berücksichtigt worden sind. Dass der Bußgeldrichter bei seiner Entscheidung andere, den Betroffenen entlastende Umstände wenigstens theoretisch hätte berücksichtigen können (vgl. dazu OLG Frankfurt am Main NJW 1974, 1151; OLG Stuttgart Justiz 1981, 288; Brandenburgisches Oberlandesgericht NStZ-RR 1997, 275 f.), steht demgegenüber gerade nicht fest. Auch wenn der Rechtsmittelführer seine entsprechenden Angaben sowie den weiteren, in der eidesstattlichen Versicherung vom 12. August 2004 enthaltenen Tatsachenvortrag, insgesamt 1 1/2 Stunden im Stau gestanden zu haben, glaubhaft gemacht hat, vermag dies eine dem Rechtsmittel günstige Sachlage nicht ausreichend zu beweisen.

Danach konnte das angefochtene Urteil insgesamt Bestand haben.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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