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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 24.09.2008
Aktenzeichen: 1 Ss 67/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 328 Abs. 1
StPO § 328 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
Hebt die Jugendberufungskammer zu Unrecht das Urteil des Jugendrichters gemäß § 328 Abs. 2 StPO wegen eines vermeintlichen Zuständigkeitsfehlers auf und verweist die Sache an den Strafrichter des Amtsgerichts zurück, so ist der Angeklagte, obwohl das Urteil des Landgerichts keine Sachentscheidung enthält, hierdurch beschwert mit der Folge, dass die Revision der Staatsanwaltschaft sich als Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten darstellt und die Entscheidung des Senats über die Revision im Beschlusswege gemäß § 349 Abs. 4 StPO erfolgen kann. Die Beschwer liegt einmal darin, dass das zur Entscheidung in der Sache gemäß § 328 Abs. 1 StPO zuständige Berufungsgericht nicht die dem Angeklagten günstigste Entscheidung - z.B. Freispruch - getroffen hat, sondern die Sache an ein anderes Gericht verweist und hierdurch zudem den Anspruch des Angeklagten auf seinen gesetzlichen Richter verletzt (vgl. auch OLG Karlsruhe NStZ- RR 2005, 208-209).
Tenor: Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der 2 großen Strafkammer als Jugendberufungskammer des Landgerichts Potsdam vom 21. April 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens, an eine andere Jugendberufungskammer des Landgerichts Potsdam zurückverwiesen.

Gründe: Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Berufungsurteil vom 21. April 2008 ist zulässig und begründet.

Die Jugendberufungskammer hat zu Unrecht das Urteil des Jugendrichters des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 12. Dezember 2007 wegen eines vermeintlichen Zuständigkeitsfehlers aufgehoben und die Sache an den Strafrichter des Amtsgerichts zurückverwiesen. Obwohl das Urteil des Landgerichts keine Sachentscheidung enthält, beschwert es den Angeklagten mit der Folge, dass die Revision der Staatsanwaltschaft sich als Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten darstellt, sodass die Entscheidung des Senats im Beschlusswege gemäß § 349 Abs. 4 StPO erfolgen kann. Im Anwendungsbereich des § 328 Abs. 2 StPO wird die Beschwer einmal darin gesehen, dass das Berufungsgericht nicht die dem Angeklagten günstigste Entscheidung- z.B. Freispruch- getroffen hat, sondern die Sache an ein anderes Gericht verweist. In der gesetzlich nicht vorgesehenen Verweisung an den Strafrichter hat die Jugendberufungskammer zudem den Anspruch des Angeklagten auf seinen gesetzlichen Richter verletzt ( vgl. OLG Karlsruhe NStZ- RR 2005, 208-209).

Anstelle des gesetzlich zur Sachentscheidung ( § 328 Abs. 1 StPO) berufenen Landgerichts soll nach dem angefochtenen Urteil das Amtsgericht - Strafrichter- mit der Sache befasst werden.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 22. August 2008 ausgeführt:

"Stellt sich - wie hier - nach Eröffnung des Hauptverfahrens heraus, dass nicht das Jugendgericht, sondern ein Erwachsenengericht zuständig gewesen wäre - etwa weil Anklage und Eröffnungsbeschluss von einer falschen Altersangabe ausgegangen sind - so verbleibt es nach § 47 a Satz 1 JGG grundsätzlich bei der Zuständigkeit des Jugendgerichts, auch wenn eigentlich die Zuständigkeit eines Erwachsenengerichts gleicher oder niedrigerer Ordnung gegeben gewesen wäre (BGH, Beschluss vom 03.12.2003 - 2 ARs 383/03 - zit. nach BGH-Nack; Brunner/Dölling, JGG, 11. Aufl., § 47a Rn. 1.).Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit eindeutig. Entgegen dem Vorbringen des Revisionsgegners ist unerheblich, ob sich ein Angeklagter durch falsche Altersangaben die Zuständigkeit des Jugendrichters erschlichen hat. Der Jugendrichter hat, sofern er zur Anwendung des allgemeinen Strafrechts gelangt, die gleiche Rechtsfolgenkompetenz wie der Strafrichter (vgl. BGH aaO., Böhm NStZ-RR 2004, 257, 259). Die Annahme, dass der Angeklagte bei einem Jugendrichter regelmäßig mit milderen Strafen als bei einem Strafrichter rechnen könne, geht daher fehl.

Dass der Revisionsgegner die Zurückweisung an das Amtsgericht als für den Angeklagten günstig erachtet, da dessen Begehren auf Freispruch dort erneut geprüft werde, erscheint nicht nachvollziehbar, da selbstverständlich jedes Strafgericht die Möglichkeit eines Freispruchs in Erwägung zu ziehen hat, also auch das gerade vom Angeklagten angerufene Berufungsgericht"

Die Ausführungen entsprechen der Rechtslage. Der Senat schließt sich ihnen an.

Lediglich im umgekehrten Fall, nämlich dann, wenn die Zuständigkeit des Jugendrichters gegeben wäre, allerdings der Strafrichter zu Unrecht entschieden hätte, wäre eine Zurückverweisung an den zuständigen Jugendrichter gesetzlich geboten, da dieser im Verhältnis zum Strafrichter den Gerichten höherer Ordnung gleichgestellt ist im Sinne der §§ 209a, 225a Abs.1 und 270 Abs. 1 StPO ( OLG Oldenburg NJW 1980, 1384-1385). Demgegenüber wäre der Jugendrichter bereits aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 47 a JGG daran gehindert, sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens für unzuständig zu erklären, weil die Sache vor ein für allgemeine Strafsachen zuständiges Gericht gleicher Ordnung gehöre. Gleiches hat für die Jugendberufungskammer zu gelten.

Das angefochtene Urteil unterliegt mithin der Aufhebung und Zurückverweisung an eine andere Jugendberufungskammer ( vgl. aber auch BGHSt 35, 267-270 ) des Landgerichts Potsdam, die nunmehr über die Berufung des Angeklagten zu befinden hat.

Ende der Entscheidung

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