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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 1 Ss 88/07
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 47
StGB § 63
StGB § 64
StPO § 473 Abs. 1 S. 1
StPO § 473 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

1 Ss 88/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Strafsache

hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Thaeren-Daig und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Bachnick und Dr. Weckbecker

am 14. November 2007

einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 17. April 2007 wird als offensichtlich unbegründet verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die ihm sowie der Nebenklägerin in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Neuruppin verurteilte den Angeklagten am 4. Oktober 2006 wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Nach den Feststellungen des berufungsgerichtlichen Urteils begann der "ganz offensichtlich an einer erheblichen Persönlichkeitsstörung" leidende, mehrfach - z.T. einschlägig - vorbestrafte Angeklagte, der im Verlauf seiner Beziehung zur Nebenklägerin (seiner früheren Lebensgefährtin) "zunehmend öfter seiner bestehenden Neigung" nachgab, Alkohol im Übermaß zu konsumieren, in der Nacht zum 8. Oktober 2005 in erheblich alkoholisiertem Zustand mit dieser grundlos einen Streit, in dessen Verlauf er ihr mit der flachen Hand sowie mit deren eigener "umgedrehter" Hand in das Gesicht schlug; am 8. Oktober 2005 drohte er ihr nach weiterem Alkoholkonsum, sie umzubringen, falls sie ihn verlasse, ihr Haus in die Luft zu sprengen und ihr "keine ruhige Minute mehr ... zu lassen"; schließlich suchte er am Nachmittag des 9. Oktober 2005 nach abermaligem längeren Alkoholgenuss erneut Streit mit der Nebenklägerin, wobei er diese wiederum mit der flachen Hand in das Gesicht sowie mit einem aus Metall gefertigten Bogenpfeil mit nicht unerheblicher Wucht auf den rechten Oberarm schlug, so daß sich bei ihr noch am Folgetag deutlich sichtbar rote Striemen abzeichneten; eine ihm am 9. Oktober 2005 um 22.10 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,82 mg/g.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte eine Verletzung der tatrichterlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) und macht zudem mit näheren Ausführungen einen Verstoß gegen materielles Recht geltend.

II.

Das mit der Sachrüge zulässige, im übrigen aus den Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 16. Oktober 2007 unzureichend begründete, Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die berufungsgerichtlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch des Angeklagten wegen der verfahrensgegenständlichen Straftaten und werden ihrerseits durch eine rechtsfehlerfreie Würdigung der erhobenen Beweise getragen. Die Beweiswürdigung belegt die Täterschaft des Angeklagten und die von ihm begangenen Tasten lücken- sowie widerspruchslos und ohne dass Denkfehler erkennbar würden. Nach Lage der Dinge hatte das Landgericht nicht etwa dahingehende Veranlassung, sich mit anderen möglichen Ursachen für die bei der Nebenklägerin festgestellten und dokumentierten Verletzungen auseinanderzusetzen. Hierfür waren nämlich weder Anknüpfungstatsachen vorhanden noch lag es nahe, dass die "noch am nächsten Tage deutlich sichtbaren roten Striemen" an ihrem Körper durch ein Unfallgeschehen - etwa beim Durchstreifen des Waldes auf der Suche nach Pilzen, wie die Revision meint - entstanden sein könnten. Auch bedurfte es keiner weitergehenden instanzgerichtlichen Ermittlungen in Richtung auf eine bestehende Schuldunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit. Die von der Strafkammer zu seinem Alkoholkonsum und seinen Trinkgewohnheiten getroffenen Feststellungen geben keine zureichenden Hinweise für eine ihm zu attestierende Alkoholkrankheit, einen bestehenden Hang im Sinne von § 64 StGB oder für das Vorliegen eines die Steuerungsfähigkeit gänzlich ausschließenden Rausches; dagegen sprechen schon die am 9. Oktober 2005 festgestellte, insoweit verhältnismäßig geringe, Alkoholisierung (von höchstens 2,62 mg/g im Blut) und die im Zusammenhang mit früheren Straftaten gemessenen noch niedrigeren Alkoholwerte (von - am 28. September 2002 - unter 2 mg/g Blutalkohol).

Soweit die Berufungsstrafkammer weiter ihrer Auffassung Ausdruck verliehen hat, der Rechtsmittelführer leide offensichtlich an einer Persönlichkeitsstörung, liegt ein Rechtsfehler nicht etwa darin, dass sie diesbezügliche Ausführungen zu den danach denkbaren Auswirkungen auf dessen Schuldfähigkeit bzw. zur Anwendbarkeit des § 63 StGB unterlassen hat; denn ihre entsprechenden Ausführungen stellen ungeachtet der Wortwahl erkennbar lediglich Mutmaßungen dar, zumal sie von den Feststellungen zur Vorgeschichte der abgeurteilten Taten und der Persönlichkeit des Angeklagten nicht getragen werden, und beziehen sich allein auf die (auch sonst nicht selten feststellbare, psychologisch erklärbare) Neigung von Straftätern, sich der Erkenntnis ihrer Täterschaft zu verschließen und den Schuldvorwurf auf Dritte bzw. das Opfer zu verlagern.

2. Ferner kann die berufungsgerichtliche Rechtsfolgenentscheidung insgesamt bestehen bleiben. Sie erweist sich zwar insoweit als rechtsfehlerhaft, als die (zu knappen) Darlegungen zur Begründung der wegen Bedrohung verhängten, im Sinne von § 47 StGB kurzen, Freiheitsstrafe (von vier Monaten) nicht den rechtlichen Vorgaben der genannten Norm gerecht werden, insbesondere keine umfassende Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters "kurzer" Freiheitsstrafen enthalten, und die Ausführungen zu den strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten unzureichend sind, weil sie das Datum des Eintritts der Rechtskraft der früheren Verurteilung durch das Amtsgericht Brandenburg an der Havel vom 19. September 2005 und den weiteren Verfahrensgang in dortiger Sache nicht mitteilen, weshalb der Senat anhand dessen nicht prüfen kann, ob es sich bei derjenigen vom 19. September 2005 um die letzte tatrichterliche Hauptverhandlung in der dortigen Sache gehandelt hat, also keine nachträgliche Gesamtstrafenbildung der dabei verhängten Geld- mit den für die verfahrensgegenständlichen Taten ausgesprochenen Einzelstrafen in Betracht kommt; dabei fehlen in diesem Rahmen auch Angaben dazu, ob die vom Amtsgericht Brandenburg a.d.H. ausgesprochene Strafe bereits vollstreckt oder in anderer Weise erledigt worden ist. Indes kann der Senat vor dem Hintergrund der erheblichen kriminellen Energie, mit der der Angeklagte die Bedrohungstat begangen hat, und seiner erheblichen strafrechtlichen Vorbelastung hier ausschließen, dass für die nämliche Tat eine andere Strafe als Freiheitsstrafe von vier Monaten Dauer in Betracht gekommen wäre, und der in den Entscheidungsgründen gewählten Formulierung, der Rechtsmittelführer sei "zuletzt ...am 19.09.2005 ... verurteilt" worden, außerdem gerade noch entnehmen, dass eine spätere weitere tatrichterliche Hauptverhandlung zur Sache wegen des bei dem Amtsgericht Brandenburg anhängig gewesenen Trunkenheitsdeliktes nicht stattgefunden hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1, 2 StPO.

Ende der Entscheidung

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