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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.01.2009
Aktenzeichen: 1 Ss 90/08
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 61 Abs. 1
AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 7
1. Die Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG setzt voraus, dass der vorangegangene Verstoß nach dem Inkrafttreten der neuen Strafnorm, also nach dem 01. Januar 2005, begangen wurde (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Februar 2007 - 1 Ss 96/06) und den verschiedenen Zuwiderhandlungen dieselbe Aufenthaltsbeschränkung zugrunde lag (Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2007 - 1 Ss 79/07; Mosbacher in GK-AufenthG, § 95, Rdnr. 195).

2. Da nur die wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erfüllt, Verstöße gegen vollziehbare Auflagen dort aber nicht gleichermaßen aufgeführt sind, werden die Letztgenannten von der Strafnorm nicht erfasst, weshalb nur ein wiederholtes Verlassen des Bundeslandes unter Strafe steht (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2007 - 1 Ss 79/07 -; OLG Karlsruhe, StV 2007, 136; vgl. aber auch a.M. OLG Bamberg, Beschluss vom 24. Juni 2008 - 2 Ss 45/08-).


Tenor:

Auf die (Sprung-) Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Luckenwalde vom 07. Juli 2008 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Luckenwalde - Strafrichter - zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Luckenwalde hat den Angeklagten mit Urteil vom 07. Juli 2008 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten, die mit näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 24. November 2008 beantragt, das angegriffene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II.

Die (Sprung-) Revision des Angeklagten ist nach § 335 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO).

Auf die zulässig erhobene Sachrüge des Angeklagten ist das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Luckenwalde aufzuheben. Das Urteil kann von Rechts wegen in mehrfacher Hinsicht keinen Bestand haben.

1. Zu Recht macht der Angeklagte geltend, dass die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen den Schuldspruch wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das AufenthaltsG nicht tragen. Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:

"...Am 24.08.2007 hielt sich der Angeklagte in den Nachmittags- und Abendstunden in 12489 Berlin auf im Bereich des Büchnerweges 65, obwohl er vollziehbar ausreisepflichtig ist und derzeit lediglich im Besitz einer Duldung (ist), wobei sein Aufenthalt auf den Landkreis Teltow-Fläming beschränkt ist. Trotzdem verließ der Angeklagte zum wiederholten Male ohne Genehmigung der Ausländerbehörde den ihm zugewiesenen Landkreis Teltow-Fläming."

Diese - bereits zum ausländerrechtlichen Status des Angeklagten nur dürftigen -Feststellungen sind insoweit unzureichend, als sich ihnen ein vorangegangener Verstoß des Angeklagten gegen die Aufenthaltsbeschränkung nicht entnehmen lässt.

Im Fall der Verurteilung des Angeklagten müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Hierfür reicht eine "Feststellung", die nur die Worte des Gesetzes wiederholt, nicht aus (vgl. BGH in NStZ 2000, 607).

Da die Strafnorm des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erst einen wiederholten Verstoß gegen die räumliche Beschränkung eines ausreisepflichtigen Ausländers sanktioniert, hätte es der Feststellung eines vorangegangen Verstoßes gegen die räumliche Beschränkung bedurft. Der Darstellung eines solchen Lebenssachverhaltes wird die vom Amtsgericht getroffene Formulierung "zum wiederholten Male", welche mit gleichbedeutenden Worten lediglich den Gesetzesinhalt wiedergibt, nicht gerecht.

Auch ist ein solcher (ordnungswidriger) Erstverstoß nicht der im Urteil festgestellten Vorverurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Luckenwalde vom 29. März 2004 wegen wiederholter Zuwiderhandlung gegen die Aufenthaltsbeschränkung nach § 56 Abs. 1 AsylVfG, strafbar gemäß § 85 Nr. 2 AsylVfG, zu entnehmen. Denn die Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG setzt voraus, dass der vorangegangene Verstoß nach dem Inkrafttreten der neuen Strafnorm, also nach dem 01. Januar 2005, begangen wurde (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Februar 2007 - 1 Ss 96/06) und den verschiedenen Zuwiderhandlungen dieselbe Aufenthaltsbeschränkung zugrunde lag (Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2007 - 1 Ss 79/07; Mosbacher in GK-AufenthG, § 95, Rdnr. 195). Ein vorangegangenes Zuwiderhandeln gegen eine im Asylverfahren bestehende räumliche Beschränkung nach § 56 AsylVfG erfüllt den Tatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG daher nicht.

Darüber hinaus begegnet die im Urteil getroffene Feststellung, dass das Aufenthaltsrecht des Angeklagten auf den Landkreis Teltow-Fläming beschränkt ist, rechtlichen Bedenken. Sie indiziert, dass das Amtsgericht bereits das wiederholte Verlassen des Landkreises Teltow-Fläming fehlerhaft als strafbewehrt angesehen hat.

Die Begrenzung des Aufenthaltsbereichs auf den Landkreis kann nur auf einer Anordnung nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG beruhen. Eine solche Anordnung ist nicht unter den Rechtsbegriff der räumlichen Beschränkung des Aufenthalts, wie er in § 61 Abs. 1 Satz 1 und in § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG verwendet wird, einzuordnen. Dies ergibt sich aus der Gesetzessystematik, wonach erstmalig begangene Zuwiderhandlungen gegen die räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Ordnungswidrigkeit nach § 98 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG, jedoch solche gegen eine vollziehbare Anordnung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nach der Bußgeldvorschrift des § 98 Abs. 3 Nr. 3 a.F. (jetzt Nr. 4) AufenthG geahndet werden. Da nur die wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erfüllt, Verstöße gegen vollziehbare Auflagen dort aber nicht gleichermaßen aufgeführt sind, werden die Letztgenannten von der Strafnorm nicht erfasst, weshalb nur ein wiederholtes Verlassen des Bundeslandes unter Strafe steht (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2007 - 1 Ss 79/07 -; OLG Karlsruhe, StV 2007, 136; vgl. aber auch a.M. OLG Bamberg, Beschluss vom 24. Juni 2008 - 2 Ss 45/08-).

Da nicht auszuschließen ist, dass das Tatgericht die erforderlichen Feststellungen zu einem wiederholten Verstoß gegen die räumliche Beschränkung noch treffen kann, scheidet eine Entscheidung des Senats gemäß § 354 Abs. 1 StPO aus.

2. Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung kann von Rechts wegen keinen Bestand haben.

Bereits die Darstellung der Körperverletzungen ist unklar. Dieser ist nicht zu entnehmen, welche der geschilderten verschiedenen Angriffe des Angeklagten gegen mehrere Personen den Gegenstand der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen bilden.

Das angefochtene Urteil weist zudem einen Rechtsfehler bei der Darstellung der der richterlichen Überzeugungsbildung zugrunde liegenden Beweismittel auf. In den Urteilsgründen fehlt - soweit es die Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung betrifft - jegliche Auseinandersetzung mit der Einlassung des Angeklagten (vgl. BGH in NStZ-RR 1997, 172). Es wird nicht einmal mitgeteilt, ob der Angeklagte überhaupt, geschweige denn, wie er sich zum Anklagevorwurf der Körperverletzung geäußert hat.

Des Weiteren ist die Würdigung der Beweise rechtlich zu beanstanden. Zur Beweiswürdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:

"Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen auf dessen eigenen Angaben, die Feststellungen zur Tat beruhen auf den Bekundungen der Zeugen ...und ... Die Zeugin ... hat angegeben, in ihrer Wohnung nicht von dem Angeklagten angegriffen worden zu sein, erst im Keller habe er an ihrem T-Shirt gezogen und ihr es so über den Kopf gerissen. Der Zeuge ... gab an, dass er durch den Angeklagten zwar verletzt worden sei, als dieser ihm das T-Shirt kaputt machte, er könne jedoch nicht davon ausgehen, dass der Angeklagte diese Verletzung vorsätzlich verursacht hat. Der Zeuge ... hat angegeben, dass er das Handy aus der Tasche geholt hatte, um die Polizei zu rufen, sodann trat der Angeklagte gegen seine Hand, so dass ihm das Handy aus der Hand flog. Die Bekundungen der Zeugen waren detailliert, in sich schlüssig und widerspruchsfrei, so dass an deren Wahrheitsgehalt keinerlei Zweifel bestehen. Die Aussage der Zeugin .... war hingegen unergiebig, da sie offensichtlich eine Auseinandersetzung an einem anderen Tag beobachtet hatte."

Der Senat verkennt nicht, dass die Würdigung der erhobenen Beweise grundsätzlich zu den ureigenen tatrichterlichen Aufgaben gehört, die in weiten Bereichen der revisionsrechtlichen Überprüfung entzogen ist. Dem Tatrichter bleibt es vorbehalten, sich eine Überzeugung von der Schuld oder nicht vorhandenen Schuld des Angeklagten zu verschaffen. Daher ist das Revisionsgericht grundsätzlich an die Beweiswürdigung des Tatrichters gebunden. Seine Aufgabe ist es, im Rahmen der Beweiswürdigung eine Begründung dafür zu geben, auf welchem Weg er zu den Feststellungen gelangt ist, die Grundlage der Verurteilung geworden sind. Er ist deshalb gehalten, die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel im Urteil erschöpfend zu würdigen, soweit sich aus ihnen bestimmte Schlüsse zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten herleiten lassen (BGH in NStZ 2007, 538 m.w.N.). Anderenfalls wäre jede Überprüfung der Richtigkeit des Schuldspruches durch das Revisionsgericht ausgeschlossen. Die Nachprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung obliegt dem mit der Sachrüge befassten Revisionsgericht nur unter dem Gesichtspunkt, ob sie rechtliche Fehler aufweist. Diese können darin begründet sein, dass die Beweiswürdigung unklar, unvollständig bzw. lückenhaft oder widersprüchlich ist oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt oder wenn der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit stellt.

Gemessen an diesen Grundsätzen zeigen sich durchgreifende Mängel in der Beweiswürdigung des Amtsgerichts. Es mangelt an einer ausreichenden Darstellung der erhobenen Beweise und an einer verständlichen Würdigung der nur bruchstückhaft wiedergegebenen Zeugenaussagen.

Insbesondere ist die Beweiswürdigung lückenhaft und widersprüchlich, soweit sich die wiedergegebene Aussage der Zeugin ... darin erschöpft, der Angeklagte habe an ihrem T-Shirt gezogen und ihr es so über den Kopf gezogen . Diese Bekundung trägt gerade nicht die im Urteil hiervon abweichende Feststellung, der Angeklagte habe das T-Shirt am Halsbereich der Geschädigten ... zugezogen, so dass dadurch ein kurzer Würgeeffekt eingetreten sei. Weitere Beweismittel, insbesondere Zeugenaussagen, aus denen das Amtsgericht die getroffene Feststellung entnommen haben könnte, sind nicht ersichtlich.

Soweit ein weiterer Mangel in der Beweiswürdigung darin zu sehen ist, dass sie keine Begründung für die getroffene Feststellung der Verletzung der Zeugin .... am linken Zeigefinger enthält, beruht das Urteil auf diesem Fehler nicht, weil diese festgestellte Körperverletzung in den folgenden Ausführungen zum Schuld- und Strafausspruch schlicht unerwähnt bleibt. Auch ist die lückenhafte Beweiswürdigung zur inneren Tatseite der Körperverletzungshandlung des Angeklagten zu Lasten des Zeugen ..., wobei bereits in den Feststellungen offen bleibt, um welche Verletzung es sich konkret gehandelt hat, ohne Relevanz. Die mangels einer verständlichen und ausführlichen Darlegung vom Revisionsgericht nicht überprüfbare Würdigung des Amtsgerichts als Fahrlässigkeitstat anstelle einer Vorsatztat stellt keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten dar. Im Übrigen fehlt es auch insoweit am Beruhen, weil dieser Handlungsteil in den weiteren Urteilsausführungen nicht mehr zum Tragen kommt.

3. Des Weiteren ist der Strafausspruch nicht frei von Rechtsfehlern.

In dem vorliegenden Fall der Verhängung zweier kurzer Einzelfreiheitsstrafen von zwei bzw. drei Monaten hat das Tatgericht keinerlei Ausführungen zu § 47 Abs. 1 StGB (kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen) getroffen. Indes darf nach dieser Vorschrift eine Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten nur dann verhängt werden, wenn besondere, in der Tat oder/und der Persönlichkeit des Täters liegende Umstände die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Danach soll die Verhängung kurzfristiger, unter sechs Monaten liegender Freiheitsstrafen weitgehend zurückgedrängt werden und nur ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen (BGHSt 24, 40, 42). Die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten kann demnach regelmäßig nur dann Bestand haben, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist. Dabei müssen jene Umstände derart beschaffen sein, dass sie die Tat deutlich aus dem Durchschnitt der typischerweise vorkommenden Straftaten gleichen Deliktstypus herausheben (ständige Rechtsprechung der Strafsenate des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, vgl. Beschluss vom 25. Januar 2008 - 1 Ss 03/08 - m.w.N.)

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es lässt mangels hierzu getroffener Erwägungen eine revisionsrechtliche Überprüfung, ob das Amtsgericht von einer zutreffenden Rechtsauslegung der maßgeblichen Begriffe des materiellen Rechts (Verteidigung der Rechtsordnung und Unerlässlichkeit) ausgegangen ist, schlicht nicht zu.

Darüber hinaus hat das Amtsgericht rechtsfehlerhaft im Rahmen der Strafzumessung eine Vorstrafe verwertet, die nicht in den Feststellungen zur Person enthalten ist. Es hat bei der Findung der Einzelstrafen zu Ungunsten des Angeklagten seine mehrfachen, auch einschlägigen Vorstrafen gewichtet und darüber hinaus eine Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt, weil der Angeklagte zum Tatzeitpunkt aus dem Urteil des Amtsgerichts Luckenwalde vom 31.01.2007 unter laufender Bewährung gestanden habe, welche "einige einschlägige Straftaten zum Gegenstand hatte". Diese erwähnte Verurteilung ist jedoch den festgestellten Vorstrafen nicht zu entnehmen, sodass die Strafzumessungserwägungen nicht nachprüfbar sind.

Des Weiteren ist dem Amtsgericht ein Rechtsfehler im Rahmen der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung unterlaufen, indem es die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten zur Verteidigung der Rechtsordnung für geboten erachtet hat. In dem vorliegenden Fall der Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von unter sechs Monaten ist jedoch das Tatgericht nach §§ 58 Abs. 1, 56 Abs. 3 StGB nicht befugt, aus generalpräventiven Gründen die Strafaussetzung zu versagen. Vielmehr haben bei der Frage der Strafaussetzung von Freiheitsstrafen unter sechs Monaten dahingehende Überlegungen, dass die Strafvollstreckung zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten sei, außer Betracht zu bleiben.

Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht bei Vermeidung der aufgezeigten Fehler anders entschieden hätte. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

Wegen der durchgreifenden Sachrüge bedurfte es einer Entscheidung über die vom Angeklagten erhobene Rüge der Nichtverwertung der in die Hauptverhandlung eingeführten Bestimmung seiner Blutalkoholkonzentration am Tatabend nicht mehr. Es konnte schon dahingestellt bleiben, ob es sich hierbei um eine Verfahrensrüge im Hinblick auf eine in Betracht kommende Verletzung des § 261 StPO handelt.

Der Senat bemerkt abschließend, dass es, soweit die Generalstaatsanwaltschaft wegen der Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwischen den Körperverletzungsdelikten gegenüber der Zeugin .... im Keller des Wohnhauses und gegenüber dem Zeugen .... vor dem Haus rechtliche Bedenken erhebt, hinsichtlich dieses Rechtsfehlers schon an der Beschwer des Angeklagten als alleiniger Revisionsführer fehlt. Durch die Verurteilung wegen einer in "natürlicher Handlungseinheit" begangenen Tat statt wegen Tatmehrheit ist der Angeklagte grundsätzlich nicht beschwert, es sei denn, was vorliegend nicht der Fall ist, dass dadurch zu seinem Nachteil Handlungen mit einbezogen werden, die bei der Annahme einer Tatmehrheit verjährt sein würden (vgl. Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess, 7. Auflage, Rdnr. 34; BGH, Urteil vom 13. Juni 1990 - 3 StR 7/90 - betraf die fehlerhafte Annahme einer Fortsetzungstat). Dem neuen Tatrichter steht jedoch im Falle einer Verurteilung des Angeklagten die Möglichkeit zur Seite, eine dahingehende Änderung im Schuldspruch vorzunehmen und unter Berücksichtigung des § 358 Abs. 2 StPO Einzelstrafen und eine neue Gesamtstrafe festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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