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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 04.09.2002
Aktenzeichen: 1 U 12/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GG, StGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 1004 Abs. 1 analog
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog
ZPO § 511 Abs. 1 (n. F.)
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
StGB §§ 185 ff
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

1 U 12/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 4. September 2002

verkündet am 4. September 2002

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. August 2002 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts ... als Vorsitzenden, die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. März 2002 (11 O 475/01) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

1. Die einstweilige Verfügung vom 12. Dezember 2001 bleibt nur insoweit bestehen, als es der Verfügungsbeklagten untersagt worden ist, bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,-- (€ 255.645,94), ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, über den von der Verfügungsklägerin betriebenen Flugplatz in S... wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten: der neu errichtete Tower stehe auf einer Rollbahn.

2. Im übrigen wird die einstweilige Verfügung vom 12. Dezember 2001 aufgehoben und der weitergehende Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens I. Instanz hat die Verfügungsklägerin zu 4/5, die Verfügungsbeklagte zu 1/5 zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Verfügungsklägerin zur Last.

III. Streitwert für die Berufungsinstanz: € 20.000,--

Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin, Betreiberin des Flugplatzes in S..., begehrt von der Verfügungsbeklagten, Herausgeberin der "B... M...", die Unterlassung von Äußerungen in einer Presseveröffentlichung.

Am 30. Oktober 2001 erschien in der auch im Land Brandenburg vertriebenen Ausgabe der "B... M..." im Regionalteil Brandenburg unter der Überschrift "Bruchpiloten fliegen auf S... - Erhebliche Sicherheitsmängel auf regionalem Flugplatz" [Fettdruck hier und im folgenden durch den Senat] unter Bezugnahme auf Äußerungen des Piloten und Luftfahrtunternehmers P... V... ein Artikel, in dem es u. a. heißt:

... "Eine holprige Pflasterstraße führt über den im Nebel liegenden Flugplatz S... Hier fahren nicht nur Autos, hier radeln auch Kinder entlang. Über die Straße führt eine gelbe Linie: die weist den rollenden Flugzeugen und Hubschraubern im Tiefflug den Weg in den maroden Hangar. 'Das Kreuzen der Flugzeuge an dieser Stelle ist hochgefährlich. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann hier etwas passiert', sagt der S... Luftfahrtunternehmer und Restaurateur P... V... von T... V... A...."

...

"Ein Risiko stelle allein schon das illegale Betanken der Ultraleichtflugzeuge mit billigem Autobenzin dar. 'Piloten füllen die Tanks von Hand mit Kanistern', so H...-J... A..., Gesellschafter bei V...-A.... Schon ein vorbeirollendes Flugzeug könnte mit seiner elektrostatischen Ladung Funken und damit eine Explosion auslösen.

Die Luftfahrtbehörde bestreitet die Existenz des Tanklagers. Eine sogenannte Mogas-Tankstelle mit Flugbenzin sei längst eingerichtet. Doch selbst die Betreibergesellschaft des Flugplatzes, die S... S...GmbH, weiß von der besagten Tankanlage nichts. Man habe Probleme, eine Agentur für eine solche Anlage zu finden. S... besitze lediglich eine Tankvorrichtung für Avgas für Düsenflugzeuge. 'Da kostet ein Liter aber mehr als drei Mark', rechnet V... vor, der mangelnde Wirtschaftlichkeit als Ursache für das Investorenvakuum sieht."

"Zu allem Ärger wurde nun der neue Tower mitten auf die Rollbahn gesetzt, so daß startende und landende Flugzeuge nicht mehr aneinander vorbeirollen können."...

"Selbst die simple Frage nach dem Wetter bleibt Piloten in S... unbeantwortet. Es werde selbst bei dichtem Nebel eine Platzrunde erlaubt, klagt ein Flugschulbetreiber, der aus Angst vor dem langen Arm der Behörden seinen Namen zurückhält. Der Towermann verwehrte den Blick ins Wetterbuch. 'Immer wenn es ernst wird, haben die im Tower nichts gesehen', sagt der Fluglehrer. Zudem fehlten für Sichtweiten- und Wolkenmessungen ohnehin die Messgeräte."

...

Die Verfügungsklägerin forderte die A...S... Verlags AG Verlagsleitung B... M..., gegen die sich zunächst auch ihr Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung richtete, mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 9. November 2001 unter Fristsetzung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, was seitens der jetzigen Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 13. November 2001 abgelehnt wurde. Daraufhin hat die Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 14. November 2001 - eingegangen beim Landgericht Frankfurt (Oder) am Folgetage - Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen gestellt und sich zur Glaubhaftmachung auf eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vom 14.11.2001, Checklisten der überörtlichen Luftaufsicht des Landes Brandenburg vom 02.12.1999, 05.09.2000 und 14.04.2001 sowie die Kopie einer Lageskizze des Flugplatzgeländes bezogen.

Die Verfügungsklägerin hat die Ansicht vertreten, in dem genannten Artikel seien unwahre und geschäftsschädigende Behauptungen über Sicherheitsmängel auf dem von ihr betriebenen Flugplatz aufgestellt worden. Sicherheitsmängel seien jedoch nicht vorhanden; die zuständige Luftaufsicht des Landes Brandenburg habe die turnusmäßigen Prüfungen jeweils ohne Beanstandungen vorgenommen. Eine holprige Pflasterstraße existiere nicht, schon gar nicht quer über das Flughafengelände; lediglich eine teilweise gepflasterte Straße außerhalb des eigentlichen Flugbetriebsgeländes, die den Flugbetrieb nicht tangiere, sei vorhanden. Die Betankung von Ultraleichtflugzeugen mit Autobenzin finde legal statt. Zu Wetterauskünften bestehe ihrerseits keine Rechtspflicht, da der Flughafen lediglich als Verkehrslandeplatz eingestuft sei; gleichwohl würden Wetteranfragen vom Flugleiter selbstverständlich beantwortet.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

die Verfügungsbeklagte bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Mitgliedern des Vorstandes, über den von der Verfügungsklägerin betriebenen Flugplatz in S... folgende Behauptungen wörtlich oder sinngemäß aufzustellen und/oder zu verbreiten:

a) Es bestünden erhebliche Sicherheitsmängel auf dem Flugplatz;

b) eine holprige Pflasterstraße führe quer über den Flugplatz;

c) Ultraleichtflugzeuge würden illegal mit billigem Autobenzin betankt;

d) der neu errichtete Tower stünde auf einer Rollbahn;

e) die Frage nach dem Wetter bleibe für die Piloten in S... unbeantwortet.

Mit Beschluß vom 12. Dezember 2001 hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung in vollem Umfang stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 21. Dezem-ber 2001, eingegangen beim Landgericht am 27. Dezember 2001, Widerspruch eingelegt. Sie hat behauptet, die Äußerung, daß erhebliche Sicherheitsmängel auf dem Flugplatz bestünden, stelle eine zulässige Meinungsäußerung in wertender Zusammenfassung der übrigen Aussagen dar und habe keinen herabwürdigenden Charakter. Daß eine Pflasterstraße das Flughafengelände quere, treffe als Tatsachenbehauptung zu, wobei der unbefangene Leser nicht zwischen der Flugbetriebsfläche und dem sonstigen zum Flughafen gehörenden Gelände unterscheide. Die Betankung von Ultraleichtflugzeugen mit billigem Autobenzin mittels Kanistern habe die Verfügungsklägerin nicht in Abrede gestellt; die Wertung dieses Vorgangs als "illegal" stelle eine Meinungsäußerung dar. Die Äußerung zu der Versagung einer Wetterauskunft sei, wie sich aus dem Kontext ergebe, einzelfallbezogen und insoweit eine zutreffende Tatsachenbehauptung. Zur Glaubhaftmachung hat sich die Verfügungsbeklagte auf die Kopie eines Schreibens des Landesamtes für Bauen, Verkehr und Straßenwesen des Landes Brandenburg vom 15. Oktober 2001 sowie eidesstattliche Versicherungen der in den Zeitungsartikeln genannten Herren A... und V... jeweils vom 23. und 29. Novem-ber 2001 sowie der Verfasserin des Artikels, L... W..., vom 28. November 2001 bezogen.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 12. Dezember 2001 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlaß zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.

Nach mündlicher Verhandlung am 20. Februar 2002 hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) mit Urteil vom 13. März 2002 die einstweilige Verfügung vom 12. Dezember 2001 in vollem Umfang aufrechterhalten und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der Verfügungsklägerin stehe ein Anspruch auf Unterlassung der rufschädigenden und ehrverletzenden Äußerungen gegen die Verfügungsbeklagte nach §§ 1004 Abs. 1 analog, 823 Abs. 1 BGB zu. Die angegriffenen Äußerungen seien geeignet, in die wirtschaftliche Betätigung beeinträchtigender Weise den Ruf der Verfügungsklägerin zu schädigen. Sie habe glaubhaft gemacht, daß jedenfalls die Behauptung, eine Straße führe quer über den Flugplatz, mit der der durchschnittliche Leser die Vorstellung verbinde, daß hiervon die Start- und Landebahnen tangiert seien, unzutreffend sei. Die Illegalität der Betankung von Ultraleichtflugzeugen mit Benzinkanistern habe die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Verfügungsbeklagte nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Auch die Behauptung zum Standort des neuen Towers sei unwahr. Gleiches gelte für die Äußerung zu Wetterauskünften. Schließlich stelle auch die Überschrift des Artikels eine unwahre Tatsachenbehauptung dar, da sie nicht auf erweislich wahren Prämissen beruhe.

Gegen diese ihr am 15. März 2002 zugestellte Entscheidung hat die Verfügungsbeklagte mit Eingang von Montag, dem 15. April 2002, Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel - nach auf rechtzeitigen Antrag hin erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. Mai 2002 - mit Schriftsatz vom 17. Mai 2002, eingegangen bei Gericht am 28. Mai 2002, begründet.

Die Verfügungsbeklagte läßt die einstweilige Verfügung betreffend die Äußerung über den Standort des Towers gelten, bekämpft jedoch mit ihrer Berufung die Entscheidung des Landgerichts im übrigen. Sie wiederholt und vertieft insoweit ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt insbesondere aus: Das Landgericht habe den zugrundeliegenden Sachverhalt nicht richtig erfaßt und beurteilt. So sei die Überschrift insgesamt eine zulässige Meinungsäußerung. Sie stütze sich zudem auf wahre Tatsachenbehauptungen. Die Behauptung die Straße betreffend sei, wie die zu den Akten gereichte Karte belege, erwiesenermaßen wahr. Insoweit komme es auf die Betrachtung des Gesamtflughafenareals an. Im übrigen belege die inzwischen seitens der Verfügungsklägerin vorgenommene Veränderung der Zustände das zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels vorhandene Gefahrenpotential. Die Beschreibung des - unstreitigen - Vorganges des Betankens von Ultraleichtflugzeugen über Benzinkanister als "illegal" habe wertenden Charakter. Der unbefangene Durchschnittsleser gewinne aus dem angegriffenen Text nicht den Eindruck einer generellen Verweigerung von Wetterauskünften, da die diesbezügliche Äußerung auf einen - von der Verfügungsklägerin nicht bestrittenen - Einzelfall Bezug nehme.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die angefochtene Entscheidung teilweise abzuändern, nämlich hinsichtlich der Anträge a), b), c) und e), und insoweit den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und betont, daß der sich bei Lektüre des angegriffenen Artikels dem Durchschnittsleser aufdrängende Eindruck, sie dulde auf dem von ihr betriebenen Flugplatz Sicherheitsmängel, unwahr sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten hat in der Sache Erfolg.

I.

Die Berufung, die sich nach neuem Verfahrensrecht beurteilt, ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO (n. F.) statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 2 Ziff. 1, 517, 519, 520 ZPO).

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Der Verfügungsklägerin steht gegen die in dem Zeitungsartikel enthaltenen Äußerungen, soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, nämlich zu a), b), c) und e), kein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, §§ 185 ff StGB gegenüber der Verfügungsbeklagten zu.

Ein Unterlassungsanspruch wegen rufschädigender und ehrverletzender Äußerungen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht unter den dafür geltenden Voraussetzungen auch juristischen Personen zur Seite. Die hier verfahrensgegenständlichen Äußerungen sind jedoch nicht der Art, daß ihre Unterlassung verlangt werden kann.

Bei der rechtlichen Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Äußerungen kommt es maßgeblich darauf an, ob sie als Tatsachenbehauptungen oder grundrechtlich geschützte Meinungsäußerungen anzusehen sind. Eine Tatsachenbehauptung ist der objektiven Klärung bezüglich ihres Wahrheitsgehaltes zugänglich und steht als Äußerung über etwas Geschehenes oder Gegenwärtiges dem Beweis offen, kann also als "wahr" oder "unwahr" erwiesen werden. Sie ist zulässig, wenn sie wahr, und unzulässig, wenn sie unwahr ist. Demgegenüber enthält eine Meinungsäußerung ein Werturteil, das geteilt oder abgelehnt werden kann. Eine Meinungsäußerung ist durch die Elemente des Meinens und Dafürhaltens, also der subjektiven Einschätzung des Mitteilenden, geprägt (BVerfGE Bd. 61, 1; 85, 1; BGH NJW 1994, 124 und 2614; Senat, OLG-NL 1997, 85). Sie ist, solange es sich nicht um eine nur noch der Herabsetzung und Diffamierung dienende sogenannte "Schmähkritik" handelt, vor dem Hintergrund des durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Grundrechts auf freie Meinungsäußerung stets zulässig. Dabei muß angesichts der Bedeutung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung die Äußerung jeweils im Gesamtzusammenhang gewürdigt werden. Bei Verknüpfung von Tatsachenbehauptung und Werturteil kann insgesamt eine geschützte Meinungsäußerung anzunehmen sein, wenn die subjektive Wertung des Mitteilenden im Vordergrund steht. Der Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 GG darf nicht dadurch verkürzt werden, daß Äußerungen im Zweifel als Tatsachenbehauptungen angesehen werden. Handelt es sich um eine die breitere Öffentlichkeit interessierende Frage, spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (vgl. BVerfG NJW 1983, 1415; NJW 1993, 1845).

Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Berufung als begründet. Dabei sind die Äußerungen zu b), c) und e) zunächst jeweils für sich zu bewerten. Die Auffassung des Verfügungsklägers, daß jede dieser Äußerungen daran zu messen sei, ob sie im Sinne der Überschrift des Zeitungsartikels - der Äußerung zu a) - einen "erheblichen Sicherheitsmangel" ergibt, und für den Fall, daß das nicht so ist, schon aus diesem Grunde zu unterlassen sei, teilt der Senat nicht. Zwar ist der Aussagegehalt von Äußerungen jeweils auch unter Berücksichtigung des Kontextes zu ermitteln. Das bedeutet aber nicht, daß eine wahre Äußerung schon deshalb zu unterbleiben hätte, weil sie, für sich bewertbar, in einem Tendenzbericht enthalten ist. Ebensowenig wie eine unwahre Äußerung zulässig ist, wenn sie in einem Artikel mit einer vertretbaren Überschrift steht, kann eine wahre Äußerung verboten sein, wenn sie, eine eigene Aussage enthaltend, unter einer unvertretbaren Artikelüberschrift steht. Die Statthaftigkeit der Überschrift als solcher - hier also der Äußerung zu a) - hängt sodann davon ab, ob es sich ihrerseits um eine zulässige Meinungsäußerung oder um eine unzulässige, weil falsche Tatsachenbehauptung handelt. Hiervon ausgehend ergibt sich im einzelnen:

1.) Bei der Äußerung zu b) handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt danach zu beurteilen ist, welchen Eindruck sie bei einem unbefangenen Durchschnittsrezipienten erweckt. Hiernach erscheint die Äußerung jedenfalls im Kern wahr. Der Durchschnittsrezipient zählt auch das Gelände, auf dem sich ein Hangar befindet, noch zum Flugplatz. Und unstreitig führt eine gepflasterte Straße nahezu an dem gesamten Flugbetriebsgelände entlang, während sich ein (alter) Hangar jenseits dieser Straße außerhalb des eigentlichen Flugplatzgeländes befindet. Ebenso unstreitig wird diese Straße außer von Benutzern und Besuchern des Flugplatzes auch von Dritten genutzt, sei es daß sie zu den angrenzenden Grundstücken gelangen wollen oder die Straße sonstwie als Passanten begehen oder befahren. Fest steht darüber hinaus, daß die in dem alten Hangargebäude weiterhin abgestellten - jedenfalls 7 - Flugzeuge auf dem Weg zum Rollfeld und ggf. zurück diese Straße queren müssen. Aus dem Kontext des streitgegenständlichen Artikels ergibt sich, daß es der Verfasserin darauf ankam, das mögliche Kreuzen der Straße durch Flugzeuge auf dem Weg zwischen Rollfeld und Hangar als Gefährdungssituation hinzustellen. Auch mit diesem Akzent ist die Darstellung, die insoweit allerdings auch schon die Grenze der Wertung und damit der (freien) Meinungsäußerung erreicht, nicht zu beanstanden. Auch das zuständige Landesamt für Bauen, Verkehr und Straßenwesen geht in einem Schreiben vom 15.10.2001 - außerhalb der turnusmäßigen Kontrollen - davon aus, daß der gegenwärtige Zustand "keine allseits ausreichende Lösung hinsichtlich der Gewährleistung der Sicherheit" darstellt und ergänzende Maßnahmen erforderlich sind. Auch die Verfügungsklägerin hat sich in dieser Hinsicht inzwischen zu Veränderungen veranlaßt gesehen. Zwar müssen nicht sämtliche den Flugplatz S... benutzenden Flugzeuge die Straße überqueren, so daß die Pressemeldung in ihrer Verallgemeinerung etwas überzogen erscheint. Sie ist jedoch in ihrem Kern zutreffend und jedenfalls unter Berücksichtung der nachfolgend in dem Artikel geschilderten Umstände nicht zu beanstanden. Auch die Formulierung "quer über den Flugplatz" ist aus der Sicht des Durchschnittsrezipienten, der das Gelände bis zu einem Hangar zum "Flughafen" zählt (s. o.), noch wahr. Ob eine Straße längs oder quer verläuft, ist eine Frage der Perspektive des Betrachters. Der Eindruck, die Straße kreuze geradezu die Rollbahn, drängt sich dem verständigen Leser jedenfalls nicht auf. Insgesamt handelt es sich um eine im Kern wahre Tatsachenbehauptung, die - im Verhältnis zu den auf anderen Flugplätzen bestehenden Gegebenheiten - eine erhöhte Gefahrenlage beschreibt.

2. Die Äußerung zu c) betreffend das Betanken von Ultraleichtflugzeugen über Kanister mit Autobenzin hat das Landgericht zutreffend als Tatsachenbehauptung gewertet. Entgegen der Bewertung des Landgerichts stellt sie sich jedoch als - wiederum jedenfalls im Kern - wahr dar. Daß Ultraleichtflugzeuge mit auf dem Flughafengelände gelagertem, in Kanistern abgefülltem Autobenzin betankt werden, ist im Tatsächlichen unstreitig. Daß diese Art der Betankung "illegal" sei, erreicht wiederum die Grenze der - grundsätzlich freien - Wertung im Sinne von Meinungsäußerung. Aber selbst wenn man darin zugleich die (weitere) Behauptung sähe, daß es sich um ein gegen Sicherheitsstandards verstoßendes Verhalten handele, ist die Darstellung "richtig", wie der Senat einem ihm im Rahmen eines Parallelrechtstreits (1 U 1/02) bekanntgewordenen Aktenvermerk des Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik E... vom 22.03.2002 und einer "Flugunfallinformation" des Luftfahrt-Bundesamtes von August 1988 entnimmt, aus denen sich ergibt, daß die in Frage stehende Praxis der Betankung zwar als gängig auch anderorts bekannt ist, unbeschadet dessen aber wegen des nach Einschätzung der Behörden damit verbundenen erhöhten Sicherheitsrisikos nicht auf Dauer toleriert werden kann. Auf seine Kenntnis der genannten Unterlagen aus dem Parallelrechtsstreit hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen und diese Unterlagen damit zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

3. Weiter ist auch die Äußerung zu e) - wie insoweit auch das Landgericht angenommen hat - als Tatsachenbehauptung anzusehen. Allerdings hat das Landgericht der Äußerung wortlautwidrig entnommen, dass die Frage nach dem Wetter für "die" - also alle - Piloten unbeantwortet bleibe. Tatsächlich aber besagt die angegriffene Äußerung lediglich, daß "Piloten" die Frage nach dem Wetter unbeantwortet bleibe, und illustriert das daran, daß einem Flugschulbetreiber der Blick ins Wetterbuch verwehrt worden sei. Von daher beinhaltet die Äußerung für den verständigen Durchschnittsleser, dass es durchaus vorkomme, daß Piloten die Frage nach dem Wetter nicht beantwortet werde, wie das Beispiel eines Fluglehrers zeige, dem der Einblick in das Wetterbuch verweigert worden sei. In dieser Form aber ist die Behauptung zu e), weil der konkret geschilderte Vorgang nicht strittig ist, wahr.

4. Sieht man in der dargelegten Weise die Äußerungen zu b), c) und e) als jedenfalls im Kern wahre (und deshalb nicht unterlassungspflichtige) Tatsachenbehauptungen an, stellt sich die Überschrift des Zeitungsartikels - die Äußerung zu a) - als letztlich unbenommene Wertung dar. Daß eine allgemeine zugängliche Straße von Flugzeugen auf dem Weg vom und zum Hangar gekreuzt wird, daß Ultraleichtflugzeuge aus Kanistern betankt werden und daß, wie anhand eines Einzelfalls illustriert, Piloten die Fragen nach dem Wetter nicht beantwortet werde, mag man als nach Lage der Dinge vor Ort mehr oder weniger unproblematisch empfinden können. Aber es ist auch nicht "verboten", diese Gegebenheiten als Sicherheitsmängel oder auch als "erhebliche" Sicherheitsmängel zu bewerten und dies kundzutun. Eine solche Bewertung, mag man sie auch als überzeichnet und - wie es die Verfügungsbeklagte tut - als unberechtigt empfinden, ist vom Grundrecht auf Meinungsäußerung gedeckt. Die sprachlich maßvolle und vor sachlichem Hintergrund geäußerte Kritik erweist sich nach Lage des Falles auch nicht etwa als unzulässige Schmähkritik. Der Berufung war damit insgesamt stattzugeben.

III.

Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige für das Berufungsverfahren aus § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war im Hinblick auf § 704 Abs. 1 ZPO, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO (n. F.), § 26 Nr. 7 EGZPO nicht veranlaßt.

Ende der Entscheidung

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