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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.02.2003
Aktenzeichen: 1 U 18/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GG, KunstUrhG, StGB, GKG, ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a Abs. 1 Satz 1 n. F.
ZPO § 91 a Abs. 2 Satz 2 n. F.
ZPO § 542 Abs. 2 Satz 1 n. F.
ZPO § 574 Abs. 2 n. F.
ZPO § 574 Abs. 3 Satz 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
KunstUrhG § 22
KunstUrhG § 23
KunstUrhG § 23 Abs. 1 Nr. 1
KunstUrhG § 33
StGB § 193
GKG § 19 Abs. 1 Satz 2
GKG § 19 Abs. 1 Satz 3
GKG § 20 Abs. 1
ZPO § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

1 U 18/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht... am 5. Februar 2003

beschlossen:

Tenor:

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Potsdam vom 5. Juni 2002 und das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 8. Juli 2002 (2 O 223/02) werden - klarstellend - aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Verfügungskläger auferlegt.

Der Streitwert wird - unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts vom 11. Juli 2002 - für beide Instanzen auf 10.000,- EUR festgesetzt, mit Ausnahme des Gegenstandswertes der Gebühr nach Nr. 1323 KV-GKG, der auf einen Betrag von bis zu 4.500,- EUR bestimmt wird.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Verfügungskläger, promovierter Diplom-Ökonom und Geschäftsführer der Vermögensverwaltungsgesellschaft Dr. K... mbH, hat in dem inzwischen beiderseits in der Hauptsache für erledigt erklärten Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegenüber der Verfügungsbeklagten, einer Anstalt des öffentlichen Rechts und federführender Veranstalter des "infoRADIO" in B... sowie Veranstalter der Fernsehsendung "Abendschau", die Unterlassung der (vollständigen) Namensnennung und identifizierbaren bildlichen Darstellung seiner Person im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die sogenannte "H...dorfer Immobilienaffäre" und/oder das diesbezügliche Strafverfahren vor dem Landgericht B... - 2 WI Js 148/97 - verlangt.

Im Februar 1991 erschienen mehrere Artikel in der "... M...." über den Nutzungsvertrag für das Gebäude Neue Sch... Straße 10/11 / Ecke R.... Straße 46/47 unter Namensnennung und Abbildung des Verfügungsklägers in seiner damaligen Eigenschaft als Geschäftsführer der W...-GmbH Am 21. November 1999 berichteten Artikel in der "... M..." und im "T..." - wiederum unter Namensnennung und Abbildung - über eine MfS-Tätigkeit des Verfügungsklägers unter dem Decknamen "IM Professor" und über ein Ermittlungsverfahren gegen den Verfügungskläger, den CDU-Bundestagsabgeordneten Sch... und den CDU-Politiker B... wegen des Verdachts der "Korruption" im Zusammenhang mit dem "H...dorfer Corso"-Immobilienerwerb. Am 3. Juni 2000 veröffentlichte der "T..." einen Artikel über das vorgenannte Ermittlungsverfahren, in dem der Verfügungskläger abermals namentlich erwähnt wurde; die dagegen gerichtete Unterlassungsklage des Verfügungsklägers wurde durch Urteil des Landgerichts B... vom 12. Oktober 2000 - 27 O 396/00 - abgewiesen. Das Ermittlungsverfahren gegen den Verfügungskläger war ferner Gegenstand eines Artikels in der "M... Zeitung" (M...) vom 19. April 2001, worin der Verfügungskläger ebenfalls namentlich benannt wurde. Am 24. Mai 2002 wurde im "infoRADIO" und in der Fernsehsendung "Abendschau" unter Namensnennung des Verfügungsklägers über die Anklageerhebung und den Beginn des Strafgerichts-Hauptverfahrens vor dem Landgericht B... - 2 WI Js 148/97 - gegen den Verfügungskläger, den CDU-Bundestagsabgeordneten Sch... und den CDU-Politiker B... wegen des Verdachts der Korruption im Zusammenhang mit dem "H...dorfer Corso"-Immobilienerwerb berichtet; wegen des Inhalts im einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Potsdam Bezug genommen. Am 6. Juni 2002 begann die Hauptverhandlung vor dem Landgericht B.... Am 10. bzw. 20. Juni 2002 wurde der Verfügungskläger anläßlich der Berichterstattung ü6er den Strafprozeß von Reportern der Verfügungsbeklagten gefilmt.

Auf Antrag des Verfügungsklägers vom 31. Mai 2002 hat das Landgericht Potsdam durch Beschluß vom 5. Juni 2002 eine einstweilige Verfügung erlassen, wonach es die Verfügungsbeklagte zu unterlassen hat, den Verfügungskläger im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die sogenannte "H...dorfer Immobilienaffäre" und/oder dem Strafverfahren Landgericht B... - 2 WI Js 148/97 - mit Namen zu nennen und/oder in sonstiger Weise identifizierbar zu machen. Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 12. Juni 2002 Widerspruch eingelegt.

Der Verfügungskläger hat geltend gemacht, daß seine namentliche Erwähnung und identifizierbare Darstellung in den Medien unzulässig sei und hier der Schutz seines Persönlichkeitsrechts das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege. Er selbst stehe nicht in der Öffentlichkeit, sei insbesondere nicht politisch tätig, und es gehe um ein Strafverfahren wegen des Verdachts eines bloßen Vergehens, das gegebenenfalls sechs Jahre zurückliege. Am 20. Juni 2002 habe ihm ein Redakteur der Verfügungsbeklagten erklärt: "Wenn wir die einstweilige Verfügung geknackt haben, dann sind Sie Freiwild und wir machen Sie fertig!"

Der Verfügungskläger hat beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 5. Juni 2002 aufrecht zu erhalten,

hilfsweise,

der Verfügungsbeklagten zu untersagen, ihn im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die sogenannte "H...dorfer Immobilienaffäre" und/ oder dem Strafverfahren Landgericht B... - 2 WI Js 148/97 - mit vollem Namen zu nennen und/oder ein Bildnis von ihm zu verbreiten.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 5. Juni 2002 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlaß zurückzuweisen.

Sie hat entgegnet, die namentliche Erwähnung und identifizierbare Darstellung des Verfügungsklägers sei hier durch die Pressefreiheit gerechtfertigt. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege den Persönlichkeitsrechtsschutz des Verfügungsklägers, nachdem es um einen schwerwiegenden Vorwurf gehe, das Strafverfahren schon bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens fortgeschritten sei hierüber schon zuvor mehrfach in der Öffentlichkeit berichtet worden sei, so daß die Sache bereits öffentlich bekannt gewesen sei.

Durch sein am 8. Juli 2002 verkündetes Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht Potsdam die einstweilige Verfügung vom 5. Juni 2002 mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß der Verfügungsbeklagten die volle Namensnennung und die Abbildung des Verfügungsklägers ohne Unkenntlichmachung des Gesichts untersagt wird; im übrigen hat das Landgericht die einstweilige Verfügung aufgehoben und den weitergehenden Antrag des Verfügungsklägers zurückgewiesen.

Gegen dieses ihr am 16. Juli 2002 zugestellte Urteil hat die Verfügungsbeklagte mit Eingang vom 31. Juli 2002 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 21. August 2002, eingegangen am 22. August 2002, begründet.

Nachdem der Verfügungskläger und seine Mitangeklagten am 5. September 2002 im Strafprozeß vor dem Landgericht Berlin rechtskräftig freigesprochen worden sind, hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 16. September 2002 entsprechend dem Tenor des angefochtenen landgerichtlichen Urteils eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Hierauf haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt.

II.

1. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO (n. F.) nunmehr über die Verteilung der Kosten des Verfahrens zu befinden. Sie sind in vollem Umfange dem Verfügungskläger aufzuerlegen, da er im Berufungsrechtszug - und zwar auch nach dem freisprechenden Urteil (s. nachfolg zu b) bb)) - mit seinem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung unterlegen wäre. Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten hatte Erfolg gehabt und unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 5. Juni 2002 sowie zur Zurückweisung der auf ihren Erlaß gerichteten Antrage des Verfügungsklägers geführt.

a) Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung ist - jedenfalls in der Gestalt des Tenors des angefochtenen Urteils, wie er im Berufungsrechtszug zur Überprüfung steht - bis zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung der Verfügungsbeklagten im Schriftsatz vom 16. September 2002 zulässig gewesen. Die für eine einstweilige Verfügung erforderliche Eilbedürftigkeit hat bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegen, da bis dahin damit zu rechnen war, daß die Verfügungsbeklagte weiterhin unter Namensnennung und Abbildung des Verfügungsklägers über den Anklagevorwurf und das Strafverfahren sowie die "H...dorfer Immobilienaffäre" berichten wurde, falls sie eine gerichtliche Entscheidung nicht hieran hinderte. Diese Voraussetzung ist erst mit der Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung der Verfügungsbeklagten im Schriftsatz vom 16. September 2002 entfallen.

b) Dem Verfügungskläger hat jedoch kein Unterlassungsanspruch (Verfügungsanspruch) gegen die Verfügungsbeklagte aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (analog) in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) bzw. § 823 Abs. 2 BGB, §§ 22, 33 KunstUrhG (Verletzung des Rechts am eigenen Bild) zugestanden.

aa) Bis zum (rechtskräftigen) Freispruch des Verfügungsklägers vom 5. September 2002 war die Verfügungsbeklagte gemäß Art. 5 Abs. 1 GG, § 193 StGB, § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG befugt, über die "H...dorfer Immobilienaffäre" und das diesbezügliche Strafverfahren gegen den Verfügungskläger und weitere Mitbeschuldigte (die CDU-Politiker Sch... und B...) unter namentlicher Erwähnung und Veröffentlichung eines Bildes des Verfügungsklägers zu berichten. Allerdings ist die öffentliche Darstellung unter Nennung und Verbreitung des Namens von Beteiligten nur eingeschränkt statthaft. Das Recht auf Anonymität ist als Ausfluß des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt. Die Zulässigkeit einer identifizierbaren Darstellung von Personen in der Öffentlichkeit beurteilt sich analog nach den Bestimmungen der §§ 22, 23 KunstUrhG und hängt von einer Güterabwägung ab, die sowohl dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) als auch der ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten Informations- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) Rechnung zu tragen hat. Die identifizierbare Darstellung von Personen ist nur zulässig, wenn das Geschehen als solches, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und die Aktualität dies rechtfertigen oder wenn der Betroffene zu einer solchen Darstellung selber Anlaß gegeben hat (s. etwa OLG Celle, AfP 1989, S. 575 f, KG, AfP 1988, S. 137 f, Senat, NJW 1999, S. 3339, 3342 f. m. w. Nw. Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, S. 112 ff.). Ist der Betroffene im öffentlichen Bereich tätig, handelt es sich um einen Vorgang aus der Sozialsphäre und geht es um die Berichterstattung zu einer die breitere Öffentlichkeit interessierenden Frage, so ist eine Presseveröffentlichung unter Namensnennung im allgemeinen zulässig (Senat, NJW 1999, S. 3339, 3342 f., OLG-NL 1995, S. 247 =NJW-RR 1995, S. 1429, OLG-NL 1995, S. 73, 74 f. = NJW 1995, S. 886, 887 f.).

Für die Berichterstattung über laufende Strafverfahren gelten freilich weitere Besonderheiten, da der namentlich genannte Angeklagte/Beschuldigte hierdurch in besonderer Weise in seinem öffentlichen Ansehen berührt wird, es besteht die Gefahr einer öffentlichen Anprangerung und Vorverurteilung, die der Unschuldsvermutung (Art 6 Abs. 2 MRK) zuwiderläuft. Die Berichterstattung über laufende Strafverfahren unter namentlicher Erwähnung des Angeklagten/Beschuldigten ist daher nur dann zulässig, wenn und solange ein überwiegendes öffentliches Interesse auch an der Namensnennung besteht, eine (mutmaßliche) Straftat von erheblicher öffentlicher Bedeutung in Frage steht, genügende Verdachtsmomente vorliegen und die Person und Stellung des mutmaßlichen Täters sowie die Aktualität der Sache es rechtfertigen (s. BVerfG NJW 1973, S. 1226, 1230 f., NJW 1993, S. 1463, 1464, BGHZ Bd. 143, S. 199, 203 f., 207 = NJW 2000, S. 1036 f., 1038, BGH NJW 1994, S. 1950, 1951 f., OLG Frankfurt am Main, NJW 1980, S. 597, 598, NJW-RR 1996, S. 1490, 1491, OLG Köln, AfP 1989, S. 683, 685 f., OLG Oldenburg, AfP 1988, S. 138, 139, OLG Dresden, AfP 1998, S. 410, KG NJW 1989, S. 397 f., Palandt/Thomas, BGB, 61. Aufl. 2002, § 823 Rdn. 189 c, Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, S. 21 f., 23 ff., Soehring, Presserecht, 3 Aufl. 2000, § 391 ff, Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, § 99 ff, 241 ff, Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl. 1994, S. 299, 436 ff, 446 ff., Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, S. 335 ff.). Nur unter diesen Voraussetzungen kann der Beschuldigte als "relative Person der Zeitgeschichte" angesehen werden, über die unter Namensnennung und Abbildung berichtet werden darf (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG, s. zur Frage der Bildveröffentlichung etwa BVerfG NJW 1973, S. 1226, 1230 f, NJW 1993, S. 1463, 1464, OLG Dresden, AfP 1998, S. 410, Senat, OLG-NL 1995, S. 73, 74 f= NJW 1995, S. 886, 888, Damm/Rehbock, aaO., S. 22 f., 84 ff, Prinz/Peters, aaO., S. 572 ff., Wenzel, aaO., S. 356 f, 448, Soehring, aaO., S. 433 f., 434 f.).

Im vorliegenden Fall standen der Verdacht auf "Korruption" - d. h. der Bestechung/ Bestechlichkeit bzw. der Vorteilsgewährung/Vorteilsannahme (§§ 331 ff. StGB) - im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften im Beitrittsgebiet und im Zusammenhang damit der Vorwurf unlauterer Machenschaften unter Beteiligung von Amtsträgern zum Schaden der Allgemeinheit im Raum (Mutmaßliche) Straftaten dieser Art sind von erheblicher öffentlicher Bedeutung und stoßen auf das besondere Interesse der Öffentlichkeit vor allem auch in den neuen Bundesländern und in B... In diesem Bereich kommt der Informationsaufgabe von Rundfunk und Presse ein besonderes Gewicht zu (vgl. BGHZ Bd. 143, S. 199, 207 = NJW 2000, S. 1036, 1038, Senat, OLG-NL 1995, S. 73, 74 f = NJW 1995, S. 886, 887 f., für Vorgänge im Wirtschaftsleben und Immobilienangelegenheiten im Beitrittsgebiets auch Senat, OLG-NL 1995, S. 247 = NJW-RR 1995, S. 1429, NJW 1999, S. 3339, 3342 f.). Der persönliche Hintergrund des Verfügungsklägers, seine wirtschaftliche Betätigung in Immobiliengeschäften und die diesbezüglichen Kontakte mit CDU-Politikern haben ihn - auch durch eigenes Wollen und Tun - in das Licht der Öffentlichkeit gerückt. Aus den vom Verfügungskläger insoweit inhaltlich nicht in Abrede gestellten zu den Akten eingereichten Presseartikeln ergibt sich, daß der Verfügungskläger der DDR-CDU angehörte, als VEB-Direktor und IM des MfS ("IM Professor") tätig war, im Wahlkampfstab des späteren DDR-Ministerpräsidenten L... M... mitarbeitete, nach der Wiedervereinigung Immobiliengeschäfte betrieb und hierbei mit ehemaligen MfS-Mitarbeitern und CDU-Politikern, namentlich den CDU-Politikern B... (vormals Wirtschaftsstadtrat im Bezirk H...dorf und dann Bürgermeister der Gemeinde S.) und Sch (MdB, ehemals stellvertretender Landesvorsitzender der CDU) in Verbindung stand. Zu diesem Öffentlichkeitsbezug der Betätigung des Verfügungsklägers und der besonderen Art und Schwere der in Frage stehenden Straftat kommt hinzu, daß immerhin bereits Anklage erhoben und durch das Strafgericht das Hauptverfahren eröffnet war, was einen hinreichenden Tatverdacht voraussetzt (§ 203 StPO). Letztlich stand die Berichterstattung vom Mai/Juni 2002 auch in einem aktuellen Bezug zum laufenden Strafgerichtsprozeß. Im Gesamtzusammenhang dieser Aspekte ergab sich - bis zum Freispruch am 5. September 2002 - ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, so daß es (bis dahin) gerechtfertigt war, über den Strafprozeß und die damit verbundene "H...dorfer Immobilienaffäre" unter namentlicher Erwähnung des Verfügungsklägers zu berichten. Unter den dargelegten Umständen war auch eine Abbildung des Verfügungsklägers gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG - noch -gerechtfertigt. Der Verfügungskläger hat durch eigenes Zutun in einem Raum der Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen Interessen gestanden, der den Ruch eines problematischen Zusammenwirkens von "Seilschaften" an sich hat. Unter diesem Gesichtspunkt ist ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit auch für Namen und Fotos der in Verdacht Geratenen anzuerkennen.

bb) Mit dem am 5. September 2002 erfolgten (rechtskräftigen) Freispruch des Verfügungsklägers ist die Befugnis der Verfügungsbeklagten zur verfahrensgegenständlichen Berichterstattung jedoch entfallen. Seit der Beendigung des Strafgerichtsverfahrens durch rechtskräftigen Freispruch und der damit verbundenen Ausräumung des Tatverdachts überwiegt das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Nach einem Freispruch setzt sich das Recht des Freigesprochenen auf Anonymität wieder durch und hat er einen Anspruch darauf, "in Ruhe gelassen zu werden", er darf sich auch dagegen wehren, daß über die Ausräumung des Tatverdachts und die Beendigung des Strafverfahrens berichtet wird, da hierbei zwangsläufig auch der Anklagevorwurf wiedergegeben wurde (vgl. KG, NJW 1989, S. 397 f., OLG Köln, NJW 1987, S. 2682, 2683 f., OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1996, S. 1490, 1491, Prinz/Peters, aaO., S. 101, 242, 574, Palandt/Thomas, aaO., § 823 Rdn. 189 c). Ein Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers für die Zeit ab dem 5. September 2002 scheitert allerdings an dem Fehlen der Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr wird regelmäßig vermutet, wenn bereits eine rechtswidrige Verletzungshandlung vorliegt (s. BGH NJW 1987, S. 2225, 2227, NJW 1986, S. 2503, 2505, Senat, NJW-RR 2002, S. 1127, 1128, Palandt/Bassenge, BGB, 61. Aufl. 2002, § 1004 Rdn. 32, MünchKomm-Rixecker, BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, Anhang § 12 Rdn. 179, Damm/Rehböck, aaO., S. 257, Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, S. 621, 624, Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, S. 286 mwNw). In dem hierzu entscheidenden Fall sind jedoch die Veröffentlichungen der Verfügungsbeklagten in der Zeit vor dem 5. September 2002, wie ausgeführt, nicht rechtswidrig gewesen Veröffentlichungen der Verfügungsbeklagten aus der Zeit danach aber sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Somit ist das Vorliegen einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr für die Zeit ab dem 5. September 2002 nicht dargetan. Gegen die Annahme einer solchen Gefahr spricht vielmehr, daß die Verfügungsbeklagte alsbald nach Kenntnisnahme von dem Freispruch, nämlich mit Schriftsatz vom 16. September 2002, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Liegt - wie hier - eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung des Anspruchsgegners vor und ist sie geeignet, ihn von einer Wiederholung der beanstandeten Veröffentlichung zuverlässig abzuhalten, so entfällt die Wiederholungsgefahr (s. BGH MDR 2000, S. 1233, NJW 1987, S. 3251, 3252, Senat, NJW-RR 2002, S. 1127, 1128, Palandt/Thomas, aaO., vor § 823 Rdn. 24 m. w. Nw., MünchKomm-Rixecker, aaO., Anhang § 12 Rdn. 179) und - erst recht - eine Erstbegehungsgefahr.

2. Die - klarstellende - Aufhebung der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Potsdam vom 5. Juni 2002 sowie des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 8. Juli 2002 beruht auf § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO (analog) (s. dazu etwa Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 91 a Rdn. 12, 23 m. w. Nw., Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002, § 91 a Rdn. 108, 111, 148 m. w. Nw.).

3. Die Festsetzung des Streitwerts für beide Instanzen auf einen einheitlichen Betrag von 10.000,- EUR folgt aus § 20 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO und enthält zugleich eine Abänderung der Wertfestsetzung für die erste Instanz gemäß Beschluß des Landgerichts Potsdam vom 11. Juli 2002 (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG). Der "Hilfsantrag" des Verfügungsklägers hat sich nicht streitwerterhöhend ausgewirkt, er stellt sich als bloße Konkretisierung - gfs. als "Minus" - des Hauptantrags dar, so daß keine Zusammenrechnung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 GKG erfolgt, sondern § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG Anwendung findet. Für die Gerichtsgebühr nach Nr. 1323 KV-GKG ist der Gegenstandswert nach der überschlägig geschätzten Summe der bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien angefallenen Kosten des Verfahrens bemessen.

III.

Für die von dem Verfügungskläger angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 und 2 ZPO [n. F.]) hat der Senat keinen Anlaß gesehen. Es ist bereits zweifelhaft, ob die in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ergehende (Kosten-)Entscheidung des Berufungsgerichts nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO der Rechtsbeschwerde und der Zulassung der Rechtsbeschwerde überhaupt zugänglich ist.

Dagegen spricht, daß die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Verfügungsantrag selbst gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO (n. F.) der Überprüfung durch die Revisionsinstanz von vornherein entzogen ist, die Revision hier also auch nicht zugelassen werden darf, und es daher systemwidrig erschiene, wenn Kostenentscheidungen nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, die in einstweiligen Verfügungsverfahren ergehen, durch Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Überprüfung durch den Bundesgerichtshof gestellt werden konnten. Den Gedanken, daß der Rechtsmittelweg in Bezug auf Kostenentscheidungen nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht weiter reichen darf als der Rechtsmittelweg für das zugrundeliegende Sachverfahren, hat der Gesetzgeber auch in § 91 a Abs. 2 Satz 2 ZPO (n. F.) zum Ausdruck gebracht. Die Frage nach der Statthaftigkeit einer Zulassung der Rechtsbeschwerde kann hier indes dahinstehen. Denn die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 ZPO (n. F.) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat als Einzelfallentscheidung keine grundsätzliche Bedeutung, die Überprüfung der Entscheidung des Senats durch den Bundesgerichtshof ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zum Zwecke der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die vom Senat herangezogenen Rechtsgrundsätze sind in der Rechtsprechung seit längerem allgemein anerkannt. Sie finden ihre konkrete Anwendung in der Abwägung der konfligierenden Grundrechte nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Mit seiner Entscheidung weicht der Senat insbesondere nicht von den vom Verfügungskläger zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Braunschweig (AfP 1981, S. 292) und Köln (AfP 1987, S. 705, 706 ff. und AfP 1989, S. 683, 685 f.) ab. Diese Entscheidungen behandeln allgemein das Gebot der Berücksichtigung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 MRK und sehen es als unzulässig an, wenn ein Tatverdächtiger oder Angeklagter in der Presse bereits als überführter "Täter" und "Schuldiger" dargestellt wird. Daß die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger als bereits überführten "Täter" dargestellt hatte, steht im vorliegenden Fall aber nicht im Raum, und der Senat hat in seiner Abwägung die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 MRK mitberücksichtigt. Soweit das Oberlandesgericht Köln (AfP 1989, S. 683, 685 f.) ausgesprochen hat, daß auf die Interessenabwägung im konkreten Einzelfall abzustellen ist, sieht die hier ergangene Entscheidung - auch - hiermit im Einklang.

Ende der Entscheidung

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