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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 01.04.2004
Aktenzeichen: 1 U 26/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 139 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 321 a
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 3
ZPO § 524 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 U 26/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts ... , den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 1. April 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Gegenvorstellung der Beklagten gegen die Kostenentscheidung in dem Beschluss des Senats vom 17. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Senat hat die Berufung des Klägers - nach entsprechender vorheriger Ankündigung mit Verfügung vom 26. Januar 2004, die auch der Beklagten bekannt gemacht worden ist - durch Beschluss vom 17. Februar 2004 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. In diesem Beschluss hat der Senat zugleich deklaratorisch ausgesprochen, dass die Anschlussberufung der Beklagten gemäß § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos ist, und die Kosten der Berufungsinstanz im Verhältnis der Streitwertanteile teilweise dem Kläger und teilweise der Beklagten auferlegt. Gegen diese Kostenentscheidung hat die Beklagte mit Eingang vom 12. März 2004 "Gegen-vorstellung" erhoben und die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt.

II.

Die "Gegenvorstellung" der Beklagten ist, soweit eine analoge Anwendung von § 321 a ZPO in Frage steht, unzulässig. Als formlose Eingabe verstanden, bleibt sie in der Sache selbst ohne Erfolg.

1. Die "Gegenvorstellung" ist - soweit sich die Frage einer analogen Anwendung von § 321 a ZPO stellt - unzulässig. Zweifel bestehen schon an ihrer Statthaftigkeit. Jedenfalls wäre sie verfristet.

Es ist in der Rechtsprechung umstritten, ob gegen einen nach § 522 Abs. 3 ZPO unanfechtbaren Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO - auch, soweit es um die darin enthaltene Kostenentscheidung geht - im Falle der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ein Rechtsbehelf analog § 321 a ZPO eröffnet ist (s. dazu Zöller/ Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 522 Rdn. 42; Baumbach/Albers, ZPO, 62. Aufl. 2004, § 522 Rdn. 21, 8 a.E.; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl. 2003, § 522 Rdn. 22 - jeweils m.w.Nw.). Dies wird in der Rechtsprechung teilweise unter Hinweis auf den Wortlaut und die systematische Stellung von § 321 a ZPO sowie auf die (fehlende) Regelungsabsicht des Gesetzgebers verneint (s. OLG Oldenburg, NJW 2003, S. 149 f.; OLG Rostock, NJW 2003, S. 2105 f.). Andere Gerichte befürworten in solchen Fällen die analoge Heranziehung von § 321 a ZPO unter Hinweis auf die nötige Entlastung der Verfassungsgerichtsbarkeit und das vom Bundesverfassungsgericht angedeutete Bedürfnis für eine fachgerichtsimmanente Kontrolle (s. OLG Celle, NJW 2003, S. 906 f.; OLG Frankfurt am Main, NJW 2004, S. 165 ff.; vgl. auch BGH NJW 2002, S. 1577). Diese Frage bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Verneint man die analoge Anwendbarkeit von § 321 a ZPO, so wäre die auf die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gestützte "Gegenvorstel-lung" der Beklagten unter diesem Gesichtspunkt unzulässig, weil sie nicht statthaft ist. Bejaht man hingegen die Statthaftigkeit der Rüge analog § 321 a ZPO, so wäre sie hier gleichwohl unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist von 2 Wochen ab Zustellung des angefochtenen Beschlusses (§ 321 a Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO analog) eingelegt worden ist. Der Beschluss des Senats vom 17. Februar 2004 ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 19. Februar 2004 zugestellt worden. Ihre "Gegenvorstellung" hat die Beklagte erst mit Eingang vom 12. März 2004 - also nach Ablauf der 2-Wochen-Frist und somit verspätet - angebracht.

2. Auch unabhängig hiervon besteht hier zu einer erneuten Entscheidung über den Kostenpunkt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs keine Veranlassung. Die von der Beklagten beanstandete Kostenentscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 321 a Abs. 1 Nr. 2 ZPO analog).

Gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO bedarf es keines vorherigen gerichtlichen Hinweises, soweit es - wie im vorliegenden Fall - lediglich um eine Nebenentscheidung (hier: Kostenentscheidung) geht (s. etwa auch OLG Celle, NJW 2003, S. 2755, 2756). Die Kostenentscheidung im Beschluss vom 17. Februar 2004 stellt sich für die Beklagte auch nicht etwa als Überraschungsentscheidung dar. Der Beklagten war mit Verfügung vom 26. Januar 2004 bekannt gegeben worden, dass der Senat beabsichtigte, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen mit der Folge, dass die Anschlussberufung der Beklagten gemäß § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verliere. Bleibt aber ein Rechtsmittel ohne Erfolg, so sind die dadurch verursachten (anteiligen) Kosten gemäß § 97 Abs. 1 ZPO dem Rechtsmittelführer aufzuerlegen. Dieser Rechtsgedanke gilt auch für die Anschlussberufung und hierbei auch für den Fall, dass die Anschlussberufung deshalb "ohne Erfolg" bleibt, weil sie infolge der Zurückweisung der (Haupt-)Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos wird. Dies entspricht - soweit ersichtlich - der bislang einhelligen Ansicht in der veröffentlichten Rechtsprechung und in der Kommentarliteratur und wird zusätzlich mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (BGH - GZS -, BGHZ Bd. 80, S. 146, 148 ff.) zur Kostenverteilung bei der Anschlussrevision begründet (s. OLG Düsseldorf, NJW 2003, S. 1260; OLG Celle, NJW 2003, S. 2755, 2756; Brandenburgisches OLG [13.ZS], OLG-NL 2004, S. 24; Zöller/Gummer/Heßler, aaO., § 524 Rdn. 44; Baumbach/Hartmann, aaO., § 524 Rdn. 22 a.E.; Thomas/Putzo/Reichold, aaO., § 524 Rdn. 20). Auch wenn diese Ansicht im Schrifttum Kritik erfahren hat (s. etwa Doms, NJW 2004, S. 189, 190 f.), so wird sie doch verbreitet vertreten und musste von daher die Beklagte, die von mit Berufungssachen erfahrenen Rechtsanwälten vertreten wird, vor diesem Hintergrund ohne Weiteres - insbesondere: ohne entsprechenden vorherigen Hinweis des Senats - damit rechnen, dass es zu der hier getroffenen (gequotelten) Kostenentscheidung kommen würde.

Seine Absicht, die (Haupt-)Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, braucht das Berufungsgericht - entgegen der in der Entscheidung des 13. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in OLG-NL 2004, S. 24 beschriebenen Handhabung, auf welche die Beklagte abhebt - auch nicht etwa schon mit der Zustellung der Berufungsbegründung anzukündigen. Dies ist vom Gesetz nicht vorgesehen und - bei gebotener gründlicher Bearbeitung der Sache - auch zeitlich nicht ohne Weiteres einzurichten. Gemäß § 521 Abs. 1 ZPO ist die Berufungsbegründung der Gegenpartei zuzustellen, wobei gemäß § 521 Abs. 2 ZPO zugleich eine Frist zur Berufungserwiderung gesetzt werden kann. Sodann prüft das Berufungsgericht gemäß § 522 Abs. 1 ZPO die Zulässigkeit und gemäß § 522 Abs. 2 ZPO die (materielle) Erfolgsaussicht der Berufung. Nach diesem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensgang ist es nicht vorgesehen, dass das Berufungsgericht die Prüfung und Beurteilung der Erfolgsaussicht der Berufung schon vor der Zustellung der Berufungsbegründung an den Gegner vornimmt. Soll die Zustellung der Berufungsbegründung an den Gegner - wie geboten - unverzüglich geschehen, wird dem Berufungsgericht in dieser Phase vielfach nicht genügend Zeit für die nötige gründliche Prüfung der Erfolgsaussicht der Berufung verbleiben. Schließlich darf und gfs. muss das Berufungsgericht die Berufungserwiderung des Gegners bei der Prüfung der Erfolgsaussicht der Berufung mit berücksichtigen (s. OLG Koblenz, NJW 2003, S. 2100, 2102; Zöller/Gummer/Heßler, aaO., § 522 Rdn. 31); für diesen Fall aber kann das Berufungsgericht die Absicht der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO noch nicht mit der Zustellung der Berufungsbegründung an den Gegner ankündigen.

Eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör liegt sonach nicht vor.

3. Letztlich ergibt sich auch in der Sache selbst zu einer Änderung der Kostenentscheidung - sofern man die Gegenvorstellung hier als formlose Eingabe gelten ließe - kein Grund.

Die hier vorgenommene Kostenquotelung folgt aus dem gesetzlichen Leitbild in § 97 Abs. 1 ZPO und aus § 524 Abs. 4 ZPO. Sie stützt sich, wie ausgeführt, zudem auf die vom Großen Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs angestellten Erwägungen zur Kostenverteilung bei der Anschlussrevision (BGH - GZS -, BGHZ Bd. 80, S. 146, 148 ff.). Der Beklagten ist zuzugeben, dass die Einlegung einer Anschlussberufung danach mit dem wenig kalkulierbaren Risiko behaftet ist, mit einem Teil der Kosten der zweiten Instanz belastet zu werden, wenn das Berufungsgericht die Hauptberufung später nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückweist. Dieses Risiko jedoch ist dem Berufungsbeklagten bewusst und kann von ihm abgewendet werden, indem er innerhalb der Berufungsfrist seinerseits Berufung einlegt.

Ende der Entscheidung

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