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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 12.06.2002
Aktenzeichen: 1 W 10/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823
ZPO § 32
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 1 Ziff. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

1 W 10/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Macke, den Richter am Oberlandesgericht Tombrink und den Richter am Oberlandesgericht Grepel am 12. Juni 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Landgerichts Potsdam vom 8. März 2002 - 2 O 72/02 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.

Unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung vom 8. März 2002 wird der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren vor dem Landgericht und vor dem Beschwerdegericht auf 6.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist im Vorstand des Vereins "I V". Der Antragsgegner zu 1), wohnhaft in R, ist MdEP und Herausgeber sowie V.i.S.d.P. der Broschüre "Der Islamismus". Die Antragsgegner zu 2) bis 4), jeweils wohnhaft in B, sind Autoren dieser Broschüre. Die Broschüre, die in der 2. Aufl., September 2001, vorliegt, enthält den Hinweis, daß sie bei der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) in B B bestellt werden kann. Auf Seite 51 der Broschüre heißt es u. a.: "Der Berliner Verein M" wird von A U geleitet, einem führenden Mitglied von M G B. Er ist seit April 1995 Schatzmeister des vierköpfigen Vorstandes der M G Organisation I V, zusammen mit A H A N D und A V. Der Antragsteller hat im Dezember 2001 von der Nennung seines Namens in der Broschüre Kenntnis erhalten. Ende Januar 2002 forderte er durch seinen Prozeßbevollmächtigten die Antragsgegner auf, die Behauptung zu unterlassen. Die Antragsgegner lehnten dies ab.

Der Antragsteller verlangt im Verfahren der einstweiligen Verfügung die Untersagung der Behauptung, beider von ihm als Vorstand vertretenen Organisation "I V" handele es sich um eine "M G Organisation". Es werde der Eindruck erweckt, die von ihm repräsentierte Organisation I V werde durch wirtschaftliche und/oder personelle Verflechtungen von M G kontrolliert und sei Teil des Netzwerkes der M G Organisation. Dies sei unrichtig. Die Broschüre werde innerhalb des ganzen Bundesgebietes bestimmungsgemäß vertrieben.

Das Landgericht hat mit Beschluß vom 08.03.2002 den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es sei schon sachlich und örtlich nicht zuständig. Im übrigen stehe dem Antragsteller kein Unterlassungsanspruch zu. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers sei nicht gegeben, da lediglich der Verein "I V" in die Nähe der M G Organisation gerückt werde.

Dagegen hat der Antragsteller unter dem 22.03.2002 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 10.04.2002 der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO [n. F.] statthaft und auch im übrigen zulässig.

2. Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig. Das Landgericht Potsdam ist örtlich nicht zuständig.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam für die Entscheidung über den Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung hängt davon ab, ob die von dem Antragsteller angenommene unerlaubte Handlung, nämlich die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts (§ 823 BGB) durch die beanstandete Darstellung auf Seite 51 der Broschüre "Der Islamismus" auch im Bezirk des Landgerichts Potsdam "begangen" ist (§ 32 ZPO). Dazu ist vom Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nichts Hinreichendes vorgetragen und glaubhaft gemacht werden.

In Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH NJW 1996, 1128 m.w.N.) geht der Senat davon aus, daß eine unerlaubte Handlung durch Äußerung in einem Presseerzeugnis zum einen am Erscheinungsort des Druckwerkes, zum anderen aber auch an jedem Ort "begangen" wird, an dem das Druckwerk verbreitet worden ist. Beides ist hier im Bezirk des Landgerichts Potsdam nicht der Fall.

a) Der Erscheinungsort der Broschüre "Der Islamismus" ist ausweislich des Hinweises auf der Rückseite der Broschüre B B. Danach kann die Broschüre bei der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas in B bestellt werden.

b) Bei Printmedien ist die örtliche Gerichtszuständigkeit auch dort begründet, wo das Druckerzeugnis bestimmungsgemäß verbreitet wird. Auch hierzu ist für den Potsdamer Bezirk, indes nichts Geeignetes glaubhaft gemacht oder ersichtlich. Daraus, daß der - in B wohnhafte - Antragsteller, so seine eigene Darstellung, im Dezember 2001 von der Nennung seines Namens in der streitbefangenen Broschüre Kenntnis erlangt hat, ergibt sich nicht, daß die Broschüre im Bezirk des Landgerichts Potsdam "verbreitet" worden ist. Ebensowenig ergibt sich ein "Verbreiten" daraus, daß die Broschüre nach dem Aufdruck auf ihrer Rückseite allgemein - möglicherweise also auch aus dem Potsdamer Bezirk heraus - bestellt werden kann. Es ist auch nicht ersichtlich, daß dies - aus dem Potsdamer Bezirk heraus - jemals geschehen wäre. "Verbreiten" eines Druckwerkes bedeutet ein "Unter-die-Leute-Bringen" (auch) in dem betreffenden Bezirk. Der Tatbestand "Verbreiten" wird nicht schon dadurch erfüllt, daß die eine oder andere Person zufällig von dem Druckwerk erfährt und sie sich daraufhin beschaffen kann. § 32 ZPO eröffnet unter dem Gesichtspunkt der Sachnähe den besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung dort, wo die Handlung "begangen" ist. Zwar ist eine Tat nicht nur dort begangen, wo der Täter gehandelt hat, sondern auch dort, wo der Erfolg seiner Handlung eingetreten ist. Auch Letzteres ist hier aber in bezug auf den Potsdamer Bezirk nicht dargetan. Es ist nicht glaubhaft gemacht, daß überhaupt jemand im Potsdamer Bezirk von der streitgegenständlichen Darstellung in jener Broschüre Kenntnis genommen hat. Die Streitsache hat, soweit erkennbar ist, mit dem Potsdamer Bezirk "nichts zu tun". Die Verfahrensbeteiligten wohnen bis auf den Antragsgegner zu 1), der in R wohnt, sämtlich in B. Die Angelegenheit selbst betrifft, soweit ersichtlich, das Verhältnis einer B türkischen Vereinigung zu der umstrittenen "M Organisation". Irgendein Gesichtspunkt, aus dem sich ein konkreter Bezug zum Potsdamer Bezirk ergäbe, ist nicht erkennbar. Die Auseinandersetzung gehört daher nicht vor das Landgericht Potsdam. Eine bloß denkbare Auswirkung, wie sie sich bei einem Druckwerk - theoretisch - in jedem Teil der Welt ergeben kann, genügt nicht. Es geht nicht an, daß sich ein Betroffener "irgendein Gericht" herausgreift, ohne darzutun, daß eine Verbreitung des Druckwerks in diesen Bezirk hinein tatsächlich stattgefunden hat.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Unter Abänderung der landgerichtlichen Streitwertfestsetzung ist hier der Streitwert in Anlehnung an die Streitwertfestsetzungspraxis des Senats in Unterlassungsklagen gegen Veröffentlichungen unter Berücksichtigung des Charakters als einstweiliges Verfügungsverfahren auf 6.000,00 € festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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