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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.01.2003
Aktenzeichen: 1 W 18/02
Rechtsgebiete: ZPO, KV GKG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 4 Abs. 1
ZPO § 5
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 406 Abs. 5
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 574 Abs. 3
ZPO § 574 Abs. 2
KV GKG Nr. 1957
GKG § 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

1 W 18/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 8. Januar 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 18. November 2002 (11 O 363/00) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerrdeverfahrens wird auf 8.467,18 EUR (16.560,37 DM) festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen den beklagten Zahnarzt Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus Arzthaftung geltend. Aufgrund seiner Beweisbeschlusse vom 6. Dezember 2001 und 6. März 2002 hat das Landgericht über die vom Kläger vorgebrachten möglichen Behandlungsfehler des Beklagten Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. E..., welches der Sachverständige mit Datum vom 12. Juli 2002 erstattet hat. Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2002 hat der Beklagte beantragt, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Sein Ablehnungsgesuch hat er damit begründet, daß der Sachverständige ihn vom Termin der Untersuchung des Klägers nicht in Kenntnis gesetzt und ihm daher auch nicht ermöglicht habe, hierbei anwesend zu sein, und daß der Sachverständige Behandlungsunterlagen anderer Zahnärzte ohne Unterrichtung der Beklagtenseite beigezogen habe. Hieraus ergebe sich aus Sicht des Beklagten der Eindruck, daß der Sachverständige ihm gegenüber bewußt wesentliche Informationen vorenthalte. Durch Beschluß vom 18. November 2002 hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt. Gegen diese ihm am 22. November 2002 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte mit Eingang vom 26. November 2002 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht mit Beschluß vom 28. November 2002 die Abhilfe versagt hat

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 406 Abs. 5 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 569, 572 Abs. 2 ZPO); nach Versagung der Abhilfe durch das Landgericht hat das Brandenburgische Oberlandesgericht über das Rechtsmittel zu entscheiden (§ 572 Abs. 1 ZPO, § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG).

2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch des Beklagten zu Recht für unbegründet erklärt. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungen des Landgerichts vom 18. und 28. November 2002 verwiesen werden. Ein Ablehnungsgrund ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich.

Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 42 ZPO ist die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit - nur - begründet, wenn objektive Gründe vorliegen, die aus Sicht der ablehnenden Partei vernünftigerweise geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen (s. BGH NJW 1975, S. 1363; NJW-RR 1987, S. 893; OLG Saarbrücken, OLGZ 1980, S. 37, 40; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2001, S. 1149; Zöller/ Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 406 Rdn. 8; Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002, § 406 Rdn. 4; Musielak/Huber, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 406 Rdn. 4). Solche Gründe können sich auch daraus ergeben, daß der Sachverständige zur Vorbereitung seines Gutachtens nur eine Partei hinzuzieht oder von einem Besichtigungstermin nur eine Partei benachrichtigt (s. BGH NJW 1975, S. 1363; Zöller/Greger, aaO., § 406 Rdn. 8; Baumbach/Hartmann, aaO., § 406 Rdn. 17 f.; Musielak/Huber, aaO., § 406 Rdn. 6; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl. 2002, § 406 Rdn. 2). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Prozeßgegner von einem Termin zur ärztlichen Untersuchung einer Partei nicht unterrichtet wird; dem Anwesenheitsrecht des Prozeßgegners steht dann nämlich die Wahrung des Persönlichkeitsrechts und der Intimsphäre der Partei gegenüber, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Untersuchung den engeren körperlichen Intimbereich oder - wie vorliegend - andere Körperstellen (hier: Mundhöhle) betrifft (s. OLG Saarbrücken, OLGZ 1980, S. 37, 40 f.; OLG Stuttgart, VersR 1991, S. 1305; OLG Köln, NJW 1992, S. 1568 f.; Zöller/Greger, aaO., § 406 Rdn. 9 und § 402 Rdn.5 a; Musielak/Huber, aaO., § 406 Rdn. 11 und § 404 a Rdn. 6; Thomas/Putzo/Reichold, aaO., § 406 Rdn. 3; zurückhaltender wohl: Baumbach/Hartmann, aaO., § 406 Rdn. 18). Ein Ablehnungsgrund ergibt sich auch nicht schon daraus, daß der Sachverständige eigene Sachverhaltsermittlungen anstellt, insbesondere Krankenunterlagen beizieht (s. OLG Zweibrücken, NJW-RR 2001, S. 1149; Zöller/Greger, aaO., § 406 Rdn. 9; Musielak/Huber, aaO., § 406 Rdn. 11).

Nach diesen Grundsätzen rechtfertigt hier die unterbliebene Benachrichtigung des Beklagten von dem Termin der körperlichen Untersuchung des Klägers die Ablehnung des Sachverständigen nicht. Dabei kann es offenbleiben, ob die gegnerische Partei stets von einem derartigen Untersuchungstermin ausgeschlossen ist. Denn die in seiner Stellungnahme vom 17. September 2002 mitgeteilte Annahme des Sachverständigen Dr. E..., zur Benachrichtigung des beklagten Zahnarztes von dem Termin der körperlichen Untersuchung des Klägers nicht verpflichtet zu sein, erweist sich jedenfalls als rechtlich gut vertretbar und entspricht der bisherigen üblichen Praxis des Sachverständigen. Nach Lage des Falles deutet dieses Vorgehen des Sachverständigen nicht auf eine mögliche Voreingenommenheit oder Parteilichkeit hin. Dies gilt erst recht für den Umstand, daß der Sachverständige hier Behandlungsunterlagen anderer den Kläger behandelnder Zahnärzte beigezogen hat. Der Sachverständige hat das Landgericht über seine Vorgehensweise mit Schreiben vom 9. und 24. April 2002 - von denen das Landgericht den Beklagten freilich zunächst nicht unterrichtet hat - eingehend informiert und seine Erkenntnisquellen auch in seinem Gutachten vom 12. Juli 2002 offengelegt. Aus vernünftiger Sicht der beklagten Partei ergibt sich unter diesen Umständen kein Anhalt für Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. Nr. 1957 KV GKG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 12 Abs. 1 GKG i. V. m. §§ 3, 5, 4 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert für das Verfahren über das Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen bemißt sich nach dem Wert des Interesses der ablehnenden Partei daran, daß der Sachverständige in dem Verfahren nicht mitwirkt, also regelmäßig nach dem Wert des Beweisgegenstandes (vgl. Baumbach/Hartmann, aaO., Anhang § 3 Rdn. 4; Musielak/Smid, aaO., § 3 Rdn. 22). Er kann dem Streitwert des zugrundeliegenden Zivilprozesses entsprechen, wenn der Sachverständigenbeweis für den Erfolg oder Mißerfolg der gesamten Klage von wesentlicher Bedeutung ist (s. OLG Naumburg, OLGR 1998, S. 323, 324), insoweit gelten dann die gleichen Grundsätze wie für die Festsetzung des Gegenstandswertes bei der Richterablehnung (s. Zöller/Herget, aaO., § 3 Rdn. 16 "Ablehnung"; Thomas/Putzo, § 3 Rdn. 7 und § 46 Rdn. 2; vgl. auch BGH NJW 1968, S. 796; Senat, NJW-RR 1999, § 1291, 1292; NJW-RR 2000, S. 1091, 1092; OLG-NL 2000, S. 46, 47). Der Sachverständigenbeweis betrifft im vorliegenden Fall die Frage danach, ob dem beklagten Zahnarzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, und hat somit für den Erfolg oder Mißerfolg der gesamten Klage wesentliche Bedeutung. Daher entspricht der Gegenstandswert des Ablehnungsverfahrens hier dem vollen Streitwert des zugrundeliegenden Zivilprozesses.

4. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 und 2 ZPO hat der Senat keine Veranlassung gesehen, da die hier in Rede stehenden Rechtsfragen weithin geklärt sind, der Sache als Einzelfall keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich erscheint.

Ende der Entscheidung

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