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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.04.2008
Aktenzeichen: 10 UF 1/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 9
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 511 Abs. 2
ZPO § 511 Abs. 2 Ziff. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

10 UF 1/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 8. April 2008

Verkündet am 8. April 2008

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Teilurteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 11. November 2007 wird auf ihre Kosten verworfen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 300 €

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Rahmen des Scheidungsverbunds und einer Stufenklage über zukünftigen nachehelichen Unterhalt. In der Berufungsinstanz begehrt die Antragstellerin Auskunftserteilung und Belegvorlage.

Die in den Jahren 1952/1957 geborenen Parteien haben 1978 geheiratet. Seit 2005 leben sie getrennt. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist dem Antragsgegner in 6/2006 zugestellt worden. Als Folgesache macht die Antragstellerin nachehelichen Unterhalt im Wege der Stufenklage geltend. Ferner verlangt sie Zugewinnausgleich.

Im Rahmen der unterhaltsrechtlichen Auskunftsstufe wurde der Antragsgegner in 1. Instanz durch nachträglich berichtigtes Teilanerkenntnisurteil vom 17.4.2007 zur Auskunftserteilung und Belegvorlage verurteilt. Das weitere Auskunftsbegehren der Antragstellerin hat das Amtsgericht mangels vollstreckungsfähigen Inhalts ihres Anspruchs durch Teilurteil vom 21.11.2007 zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin. Sie beantragt,

das erstinstanzliche Teilurteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 21.11.2007 aufzuheben und den Antragsgegner zu verurteilen,

1. der Antragstellerin Auskunft über sein sämtliches Einkommen zu erteilen, das er in der Zeit vom 1.1.2006 bis 31.12.2006 erzielt hat;

2. diese Auskunft gegenüber der Antragstellerin zu belegen durch die Vorlage des Steuerbescheides für das Jahr 2006.

Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil sowie die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die gegen das Teilurteil des Amtsgerichts vom 21.11.2007 gerichtete Berufung der Antragstellerin ist unzulässig. Der Wert der mit der Berufung geltend gemachten Beschwer übersteigt den Wert von 600 € nicht. Damit liegen die Voraussetzungen des § 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO nicht vor.

1.

Für die Wertbemessung in der Rechtsmittelinstanz ist das Interesse des jeweiligen Rechtsmittelführers maßgebend. Legt, wie hier, die die Auskunft fordernde Partei nach Abweisung ihrer Klage in der Vorinstanz Berufung ein, dann bestimmt sich der Wert des Auskunftsanspruchs nach dem wirtschaftlichen Interesse, das sie im Zeitpunkt der den Rechtszug einleitenden Antragstellung an der Erteilung der Auskunft hat. Dieses ist gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen. Dabei bildet der Zahlungsanspruch, zu dessen Durchsetzung die Auskunft benötigt wird, einen Anhaltspunkt. Er ist zunächst ebenfalls nach § 3 ZPO zu schätzen. Das geschieht nach objektiven Anhaltspunkten, wobei anhand des Tatsachenvortrags der klagenden Partei von ihren Vorstellungen auszugehen ist, die sie sich über den Wert ihres Zahlungsanspruchs gemacht hat. Der Wert des Auskunftsanspruchs ist allerdings nicht identisch mit dem des Zahlungsanspruchs, sondern in der Regel nur mit einem Bruchteil desselben zu bewerten, da die Auskunft die Geltendmachung dieses Anspruchs erst vorbereiten soll. Das Auskunftsinteresse des Klägers wird dabei üblicherweise mit einem Bruchteil von 1/4 bis 1/10 des Zahlungsanspruchs angenommen. Für die Berechnung des Rechtsmittelstreitswert eines unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruchs ist dabei § 9 ZPO maßgebend. Danach richtet sich der Wert eines Rechts auf wiederkehrende Leistungen, wie hier des nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin, grundsätzlich nach dem 3,5-fachen Wert des Jahresbezugs (vgl. zum Ganzen BGH, FamRZ 1999, 1497; FamRZ 1993, 1189; NJW 1997, 1016).

2.

Von diesen rechtlichen Grundsätzen ausgehend erreicht der Rechtsmittelstreitwert des vom Amtsgericht abgewiesenen Auskunftsantrags der Antragstellerin den Berufungswert von mindestens 600,01 € nicht.

a)

Im Streitfall ist für die Wertbemessung insbesondere zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin bereits einen rechtskräftigen Auskunftstitel besitzt.

Weder gegen das Anerkenntnisurteil aus 4/2007 noch gegen den Berichtigungsbeschluss aus 5/2007 sind von den Parteien Rechtsmittel eingelegt worden. Das Teilanerkenntnisurteil des Amtsgerichts vom 17.4.2007 ist daher mit folgendem Inhalt rechtskräftig geworden:

"Der Antragsgegner wird verurteilt, der Antragstellerin Auskunft über sein Einkommen im Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2006 zu erteilen und wie folgt zu belegen:

- durch Vorlage der monatlichen Gehaltsbescheinigungen."

Diese rechtskräftige Verurteilung ist für die Wertberechnung zu berücksichtigen. Aufgrund dieser Verurteilung schuldet der Antragsgegner die Vorlage einer geordneten und in sich geschlossenen, d. h. systematischen Aufstellung über sein Einkommen im Kalenderjahr 2006.

Die Verpflichtung des Antragsgegners zur Auskunftserteilung erstreckt sich insbesondere auf seine Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit.

Um den Bestimmtheitsanforderungen aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen, müssen die Einkommensarten im Antrag näher bezeichnet werden. Es müssen also beispielsweise Einkünfte aus abhängiger Tätigkeit, aus selbstständiger Tätigkeit, aus Renten, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung im Einzelnen im Antrag bezeichnet werden. Denn nur die genaue Bezeichnung gibt der beklagten Partei Gelegenheit, zu prüfen, ob sie den Antrag anerkennen oder sich dagegen verteidigen will (vgl. hierzu Büttner, FamRZ 1992, 629/630; OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 836). Zwar spricht auch Ziffer 1. des vom Amtsgericht berichtigten Teilanerkenntnisurteils vom 17.4.2007 nur die allgemein formulierte Verpflichtung des Antragsgegners aus, Auskunft über sein Einkommen im Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.12.2006 zu erteilen. Der genaue Inhalt dieses Vollstreckungstitels lässt sich jedoch durch eine auch im Zwangsvollstreckungsverfahren zulässige und gebotene Auslegung feststellen (vgl. hierzu Büttner, a.a.O., 630 f). Wie sich aus dem Zusatz "und wie folgt zu belegen: - durch Vorlage der monatlichen Gehaltsbescheinigungen" ergibt, bezieht sich die titulierte Auskunftsverpflichtung des Antragsgegners gerade auf seine Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit.

Die Antragstellerin hat in ihrer Berufungsbegründung ergänzend erklärt,

- es handele sich beim Antragsgegner offensichtlich um einen unselbstständig tätigen Arbeitsnehmer,

- sie gehe davon aus, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und aus selbstständiger Tätigkeit beim Antragsgegner nicht gegeben seien.

Daher werde ein darauf gerichteter Anspruch auf Belegvorlage nicht weiter verfolgt.

Vor diesem Hintergrund wäre es Sache der Antragstellerin gewesen, im Einzelnen anzugeben, über welche konkreten Einkommensarten über die bestehende rechtskräftige Verurteilung und die unstreitig nicht vorhandenen Einkommensarten hinaus sie noch konkrete Auskünfte vom Antragsgegner verlangt. Es darf nicht im Unklaren bleiben, was die im Erkenntnisverfahren weiterhin Auskunft fordernde Antragstellerin unter der von ihr beantragten Auskunft "über sein sämtliches Einkommen" versteht und auf welche konkreten Einkommensarten sich die Angaben des Antragsgegners erstrecken sollen.

Auf die im Senatstermin erteilten Hinweise zur Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit ihrer Berufung hin hat die Antragstellerin deutlich gemacht, dass sie selbst nicht davon ausgeht, der Antragsgegner habe in dem in Rede stehenden Zeitraum vom 1.1. bis 31.12.2006 unterhaltspflichtige Einnahmen aus bislang noch nicht mitgeteilten Einkommensarten. Das in der Berufungsinstanz weiterverfolgte Auskunftsbegehren der Antragstellerin wird vielmehr von der Vorstellung getragen, der Antragsgegner habe bisher die geschuldete Auskunft nicht ordnungsgemäß erteilt. Er habe lediglich seine in niederländischer Sprache abgefassten Lohnabrechnungen aus der damaligen Zeit vorgelegt. Der Antragsgegner schulde jedoch auch eine geordnete Aufstellung seiner Einkünfte für das Kalenderjahr 2006. Erst nach einer solchen Auskunftserteilung sei sie in der Lage, ihre Leistungsklage zu beziffern.

Die Antragstellerin verkennt hierbei, dass sie schon im Besitz eines vollstreckungsfähigen Titels ist. Durch das Teilanerkenntnisurteil vom 17.4.2007 ist der Antragsgegner bereits zur Auskunftserteilung über seine Einkommensverhältnisse im Jahr 2006 verurteilt worden. Diese Verurteilung zur Auskunftserteilung umfasst die Vorlage einer in sich geschlossenen, d. h. systematischen Zusammenstellung aller Einnahmen, die dem Antragsgegner in 2006 zugeflossen sind. Soweit die Antragstellerin die bisher erteilten Auskünfte für ungenügend hält, kann sie die Auskunftsverpflichtung des Antragsgegners im Vollstreckungsverfahren (und nicht im vorliegenden Erkenntnisverfahren) durchsetzen.

b)

Dieser verfahrensrechtlichen Situation ist für die Berechnung des Rechtsmittelstreitwerts Rechnung zu tragen. Danach schätzt der Senat das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin, das sie an ihrem weiter verfolgten Auskunftsanspruch hat, gemäß §§ 3, 9 ZPO auf nicht höher als 600 €.

Die Antragstellerin hat ihren nachehelichen Unterhaltsanspruch in der für die Wertberechnung maßgeblichen Berufungsbegründung mit 113 € monatlich angegeben. Hiervon ausgehend errechnet sich auf der Grundlage eines 3,5-fachen Jahresbezugs für die Hauptsache gemäß § 9 ZPO ein Betrag von 4.746 €. Die Quote für das daraus abzuleitende Auskunftsinteresse der Antragstellerin veranschlagt der Senat unter den vorliegenden Umständen nur noch auf 1/10.

Wie bereits ausgeführt, ist der Wert des vorbereitenden Auskunftsanspruchs nur mit einem Bruchteil des Zahlungsanspruchs zu bewerten. Dabei werden üblicherweise 1/4 bis 1/10 zu Grunde gelegt. Die Quote ist umso höher anzusetzen, je geringer die Kenntnisse des Klägers und sein Wissen über die zur Begründung des Zahlungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen sind (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2006, 619; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rn. 705). Der Senat hält es dabei für sachgerecht, die Situation, dass der Auskunftsberechtigte die maßgebenden Einkommensverhältnisse des Verpflichteten bereits positiv kennt auf der einen Seite und dass er sich entsprechende Kenntnisse durch einen bereits bestehenden Vollstreckungstitel verschaffen kann auf der anderen Seite, bei der Streitwertbemessung grundsätzlich gleich zu behandeln.

Zwar macht die Antragstellerin vorliegend geltend, dass der Antragsgegner seine Auskunftsverpflichtung bislang nicht ordnungsgemäß erfüllt habe. Daher kenne sie die für die Bezifferung ihres nachehelichen Unterhaltsanspruchs erforderlichen Tatsachen gegenwärtig noch nicht. Das rechtskräftige Teilanerkenntnisurteil vom 17.4.2007 erlaubt ihr jedoch die Durchsetzung der den Antragsgegner treffenden Verpflichtung zur Auskunftserteilung. Im Übrigen fehlt es an einem gegenständlich bestimmten Antrag der Antragstellerin, über welche von dem Teilanerkenntnisurteil noch nicht erfassten Einkommensarten hinaus der Antragsgegner ergänzend Auskunft geben soll. Vor diesem Hintergrund bemisst der Senat das Interesse der Antragstellerin an der in der Berufungsinstanz begehrten Auskunftserteilung lediglich mit einer Quote von 1/10. Das führt zu einem Rechtsmittelstreitwert und einer Beschwer der Antragstellerin von (1/10 x 4.746 € =) rund 475 €. Das bedeutet, dass die Berufung der Antragstellerin gemäß § 511 Abs. 2. 2 Ziff. 1 ZPO unzulässig ist.

An dieser Beurteilung ändert auch die von der Antragstellerin begehrte Vorlage des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2006 nichts. Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich nicht, dass sie mit Blick auf den - im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unstreitig noch nicht vorliegenden - Einkommensteuerbescheid überhaupt bzw. von einer nennenswerten Erhöhung ihres Unterhaltsanspruchs ausgeht. Vielmehr soll der Antragsgegner nach der Vorstellung der Antragstellerin durch den Steuerbescheid für 2006 sein "sämtliches Einkommen" im Kalenderjahr 2006 "belegen". Die beantragte Belegvorlage dient also lediglich der Kontrolle der Angaben des Antragsgegners zu seinen Einkommensverhältnissen. Das Interesse der Antragstellerin, das sie an dieser Belegvorlage als solcher hat, ist deshalb unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur gering zu bewerten. Es wirkt sich damit, wenn überhaupt, allenfalls geringfügig auf das Zahlungsinteresse der Antragstellerin aus. Jedenfalls führt die verlangte Belegvorlage nicht dazu, dass hier der Rechtsmittelstreitwert für die Berufung von mindestens 600,01 € erreicht wird.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Wertberechnung des Gebührenstreitwerts ist gemäß §§ 42, 44 GKG abweichend von derjenigen des Rechtsmittelstreitwerts vorzunehmen (vgl. hierzu Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 713, Rn. 2). Der Gebührenwert ist hier lediglich nach dem einfachen Wert des Jahresbezugs zu bemessen. Im Übrigen ist insoweit ebenfalls ein Bruchteil von 1/10 zugrunde zu legen.

Ende der Entscheidung

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