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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 27.01.2009
Aktenzeichen: 10 UF 141/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 240
ZPO § 249
ZPO § 249 Abs. 2
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 538 Abs. 2 Ziff. 1
ZPO § 540 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Berufungsklägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 14. Juli 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.470,68 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Berufungsklägerin ist die Treuhänderin über das Vermögen der Frau R. H.. Frau H. ist die Mutter der in 9/1982 geborenen L. H..

Der Landkreis O. hat auf den Antrag von L. aus 8/2000 hin Hilfe für junge Volljährige bewilligt und erbracht. Die Hilfe wurde unter anderem durch "betreute Wohnform" geleistet. Seit 2001 verfolgte der Landkreis in dem vorliegenden Verfahren aus übergegangenem Recht die Unterhaltsansprüche von L. gegen ihre Mutter (R. H.) für einen zurückliegenden Unterhaltszeitraum in den Jahren 2000/2001.

Am 12.7.2007 wurde über das Vermögen der beklagten Mutter das Insolvenzverfahren eröffnet . Der Kläger hat daraufhin in 9/2007 die streitgegenständliche Unterhaltsforderung in Höhe von 1.470,68 € zur Insolvenztabelle angemeldet. Diese Forderung wurde in 10/2007 in voller Höhe zur Tabelle festgestellt. Auf Veranlassung des Amtsgerichts erklärte der Kläger im Verhandlungstermin vom 16.6.2008 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Unter Hinweis auf ihre fehlende Prozessführungsbefugnis infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gab die Prozessbevollmächtigte der beklagten Mutter keine Prozesserklärung ab. Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, und der Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt. Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Treuhänderin über das Vermögen der Mutter Berufung eingelegt unter Hinweis auf den Verstoß des Amtsgerichts gegen §§ 240, 249 ZPO. Sie beantragt,

1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des AG Eisenhüttenstadt - Familiengericht - vom 14.7.2008 (Az: 7 F 88/02) den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen;

2. im Falle einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichts abändernd die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das zulässige Rechtsmittel führt auf den entsprechenden Antrag der Berufungsklägerin hin gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Das Amtsgericht hat trotz des ausdrücklichen schriftsätzlichen Hinweises des Klägers vom 28.2.2008 auf § 240 ZPO und die erneute Verweisung auf die verfahrensrechtliche Lage aufgrund der erfolgten Insolvenzeröffnung im Verhandlungstermin vom 16.6.2008 durch Urteil vom 14.7.2008 die Hauptsacheerledigung festgestellt und der Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt. Dies stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 538 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO dar.

Die Unterbrechung des Verfahrens tritt im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Prozesspartei kraft Gesetzes ein und ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Sie führt zum Verfahrensstillstand. Die während der Unterbrechung von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen sind gemäß § 249 Abs. 2 ZPO der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Handlungen des Gerichts, die nach außen wirken, sind grundsätzlich unzulässig und beiden Parteien gegenüber unwirksam. Die Erledigungserklärung des Klägers im Termin vom 16.6.2008 ist danach als Prozesshandlung, die den prozessualen Anspruch selbst betrifft, unwirksam. Erst recht durfte vom Amtsgericht kein Urteil mehr verkündet werden. Das trotz des Verfahrensstillstands erlassene Urteil des Amtsgerichts vom 14.7.2007 ist folglich zwar wirksam aber fehlerhaft und verstößt gegen § 240 ZPO. Sein unter Verstoß gegen § 240 ZPO vorgenommener Erlass stellt sich als erheblicher Verfahrensfehler dar.

Das Rechtsmittel der Berufungsklägerin führt danach antragsgemäß wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers des Amtsgerichts gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an die erste Instanz. Das Amtsgericht hat im Rahmen seiner neuen Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

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