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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.09.2008
Aktenzeichen: 10 UF 155/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Ausspruch über den Versorgungsausgleich (Nr. 2 des Tenors) im Urteil des Amtsgerichts Eberswalde vom 16. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1000 € festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e ZPO zulässig Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich zutreffend geregelt. Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben die weitere Gültigkeit der von ihnen berechneten Versorgungsanwartschaften bestätigt, insoweit sind auch von keiner Seite Bedenken erhoben worden.

Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs kommt nicht in Betracht. Denn die Voraussetzungen des § 1587 c BGB liegen nicht vor. Der Senat entscheidet ohne die § 53 b Abs. 1 FGG vorgesehene mündliche Verhandlung. Den Beteiligten ist rechtliches Gehör gewährt worden, der Sachverhalt ist hinreichend aufgeklärt und eine Einigung nicht zu erwarten, sodass von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann (Keidel/ Kuntze, FGG, 15. Aufl., § 53 b, Rz. 5).

Die Härteklausel des § 1587 c BGB findet Anwendung, wenn die starre Durchführung des öffentlich-rechtlichen Wertausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH, FamRZ 1982, 258). Aufgabe der Härteklausel ist es, im Einzelfall besondere Härten und grundrechtswidrige Auswirkungen des Versorgungsausgleichs zu vermeiden (BGH, FamRZ 1979, 477, 482). Die Anforderungen an eine Kürzung des Versorgungsausgleichs gehen daher deutlich über die Voraussetzungen hinaus, die für eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 BGB genügen, weil der Versorgungsausgleich der rechtlichen Abwicklung eines in der Vergangenheit liegenden Lebenssachverhalts dient und seine Beschränkung letztlich auf eine Rückgewähr eines Teils des erbrachten Unterhalts hinausläuft. Verwirkung oder unzulässige Rechtsausübung können als eigenständige Einwände (§ 242 BGB) nicht der Durchführung des Versorgungsausgleichs entgegengehalten werden (MünchKomm/Dörr, BGB, 4. Aufl., § 1587 c, Rz. 5 m. w. N.) Dies legt insgesamt eine zurückhaltende Anwendung der Härteklausel nahe (MünchKomm/Dörr, a.a.O., § 1587 c, Rz. 33).

Die generelle Klausel in Nr. 1 von § 1587 c BGB greift ein, wenn nach Abwägung sämtlicher Lebensumstände der Ehegatten, die für ihren gegenwärtigen und künftigen wirtschaftlichen Stand von Bedeutung sind, eine Herabsetzung oder ein Ausschluss des Ausgleichs geboten ist (BGH, FamRZ 1990, 1341). Die speziellen Klauseln in Nr. 2 und 3 kommen zum Zuge, wenn der Ausgleichsberechtigte in manipulativer Absicht auf seine Anrechte eingewirkt hat, um seinen Anspruch zu begründen oder zu erhöhen, oder wenn er während der Ehe seine Unterhaltspflicht erheblich verletzt und es damit schuldhaft und nachhaltig unterlassen hat, seinen Beitrag zur ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft zu leisten (Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl., § 1587 c, Rz. 7). Keine dieser Voraussetzungen liegt vor.

Ein - teilweiser - Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist insbesondere nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich der Antragsgegner nach dem Vorbringen der Antragstellerin während der Ehe nicht bzw. nur in geringem Umfang an den Kosten des Unterhalts für die Familie beteiligt hat.

Die insoweit in Betracht kommende Anwendung von § 1587 c Nr. 3 BGB setzt eine gröbliche Verletzung der Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, voraus. Gröblich ist eine Pflichtverletzung dann, wenn über die Nichterfüllung der Unterhaltspflicht hinaus weitere objektive Merkmale vorliegen, die dem pflichtwidrigen Verhalten ein besonderes Gewicht geben, etwa wenn ein Unterhaltsberechtigter dadurch in ernsthafte Schwierigkeiten bei der Sicherstellung seines Lebensbedarfs geraten ist (BGH, NJW 1986, 1934) oder wenn die Ehegatten in wirtschaftlich sehr beengten Verhältnissen gelebt haben und der Ausgleichsberechtigte ihm offen stehende und zumutbare Erwerbsmöglichkeiten nicht wahrnimmt, sodass der Ausgleichspflichtige gezwungen war, überobligationsmäßig eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen (BGH, FamRZ 1987, 49).

In der von der Antragstellerin dargestellten Aufteilung der wirtschaftlichen Lasten der Familie kann eine solche gröbliche Pflichtverletzung nicht gesehen werden. Denn ungeachtet der Frage, ob die Antragstellerin der Handhabung, wonach von ihrem Einkommen der laufende Unterhalt und die Finanzierung des Hauses sichergestellt, vom Einkommen des Antragsgegners Fahrzeuge und ein Boot gekauft worden sind, nicht stillschweigend zugestimmt und etwa die vom Antragsgegner angeschafften Fahrzeuge und das Boot (sie hat nach eigenem Vorbringen immerhin einen Bootsführerschein besessen) mitgenutzt hat, sind die Parteien dadurch weder in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten noch hat die Antragstellerin etwa überobligationsmäßig gearbeitet, um das Familieneinkommen sicherzustellen.

Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist, da ein Fall der Nr. 2 erkennbar nicht vorliegt, auch nicht nach § 1587 c Nr. 1 BGB gerechtfertigt.

Der Vorwurf der Antragstellerin, der Antragsgegner habe keine Vorsorge für sein Alter getroffen, vermag den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht zu begründen. Allerdings kann im Einzelfall ein Ausschluss in Betracht kommen, wenn es der Ausgleichsberechtigte in vorwerfbarer Weise unterlassen hat, selbst für seine Alters- und Invaliditätssicherung zu sorgen. Voraussetzung ist aber weiter, dass sich das Unterlassen als illoyal und grob leichtfertig darstellt. Dies ist in der Regel zu verneinen, wenn der andere Ehegatte die Gestaltung der ehelichen Verhältnisse mitzuverantworten und an der Erhöhung des Lebensstandards aufgrund nicht für die Altersvorsorge gebundener Mittel partizipiert hat. Zudem ist bei der Billigkeitsprüfung Altersvorsorge durch Kapitalbildung und Immobilienerwerb zu berücksichtigen (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1587 c, Rz. 23).

Danach kann dem Antragsgegner ein illoyales und grob leichtfertiges Verhalten nicht vorgeworfen werden. Denn schon im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin das Hausgrundstück zusammen mit dem Antragsgegner erworben hat, ist davon auszugehen, dass sie die Gestaltung der ehelichen Verhältnisse mitzuverantworten hat. Hinzu kommt, dass der Erwerb der Immobilie auch eine Altersvorsorge darstellt. Durch das Wohnen im eigenen Haus können nämlich im Alter die Wohnkosten und damit der Lebensbedarf gesenkt werden. Zudem hat der Antragsgegner durch Kapitalbildung vorgesorgt. Er hat, wie die Antragstellerin in ihrer Antragschrift vom 2.1.2006 selbst vorträgt, während der Ehe 90.000 € erspart. Angesichts dessen stellt sich die Auflösung der Lebensversicherung mit einem Wert von 15.000 € bei Trennung und die Weigerung, als Selbstständiger in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen, nicht als grob leichtfertig dar.

Der Versorgungsausgleich ist auch nicht etwa deshalb auszuschließen, weil sich der Antragsgegner eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen die Antragstellerin schuldig gemacht hätte. Denn ungeachtet der Frage, ob ein solches schweres Vergehen in einem Prozessbetrug zu Lasten des Ausgleichspflichtigen gesehen werden könnte, ist ein Prozessbetrug des Antragsgegners zu Lasten der Antragstellerin nicht ersichtlich. Weder dem Vortrag der Antragstellerin, sie habe den Unterhalt für das Kind gerichtlich durchsetzen müssen noch ihrer Behauptung, der Antragsgegner habe zu Unrecht behauptet, von ihr Unterhalt für sich verlangen zu können, lässt sich ein Prozessbetrug entnehmen. Ein solcher setzt nämlich voraus, dass die Partei vor Gericht unzutreffende, den Anspruch beeinflussende Angaben macht und das Gericht dadurch veranlasst, zu Unrecht zu ihren Gunsten zu entscheiden. Dass dies geschehen ist, hat die Antragstellerin selbst nicht behauptet. Vielmehr hat sie nach eigenem Vorbringen den Unterhalt für den Sohn erfolgreich titulieren lassen, ein Verfahren zur Durchsetzung der - vermeintlichen - Ansprüche auf Trennungsunterhalt hat der Antragsgegner nicht eingeleitet. Soweit dem Antragsgegner etwa ein versuchter Prozessbetrug vorzuwerfen sein sollte, stellt dies kein schweres vorsätzliches Vergehen dar, das den Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen könnte (vgl. dazu KG, FamRZ 2004, 643; OLG Brandenburg, 1. FamS, FamRZ 2000, 891).

Der Versorgungsausgleich ist auch nicht deshalb auszuschließen, weil der Antragsgegner ihn, wie die Antragstellerin geltend macht, nicht benötige. Zwar sind die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs auf die Versorgungslage der Ehegatten zu bedenken. Die Ausgleichspflicht ist aber grundsätzlich von der beiderseitigen wirtschaftlichen Lage unabhängig. Dementsprechend vermag es für sich allein die Anwendung der Härteklausel nicht zu rechtfertigen, dass der Ausgleichsberechtigte bei Durchführung des Versorgungsausgleichs besser abgesichert erscheint als der Ausgleichsverpflichtete oder dass der Eigenbedarf des letzteren durch den Versorgungsausgleich gefährdet wird. Die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs kommt nur in Betracht, wenn er nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten beitragen, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führen würde. Das ist anzunehmen, wenn der Ausgleichsverpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte dringend angewiesen ist, während der Ausgleichsberechtigte bereits anderweitig angemessen abgesichert ist (BGH, FamRZ 1988, 489 ff., 490; Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1587 c, Rz. 21).

Eine solche Situation liegt hier nicht vor. Sie ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass der Antragsgegner ein Hausgrundstück besitzt. Denn er hat, worauf die Antragstellerin gerade hinweist, daneben keine Alterssicherung, während die Antragstellerin Versorgungsanwartschaften erworben hat. Im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sie keine weiteren Anwartschaften mehr erwerben kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



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