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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 19.05.2009
Aktenzeichen: 10 UF 2/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1612 a Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Eberswalde vom 28. November 2008 abgeändert.

Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Eberswalde vom 26. November 2003 (3 FH 36/03) wird dahin abgeändert, dass der Kläger der Beklagten monatlichen Unterhalt wie folgt zahlen muss:

- 209 € für August bis Dezember 2007,

- 139 € für Januar bis Dezember 2008,

- 141 € für Januar bis April 2009 und

- 59,1 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergelds für die Zeit ab Mai 2009.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 2/5, die Beklagte 3/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungswert beträgt 2.758 €.

Tatbestand:

Der Kläger ist der Vater der am ...1995 geborenen Beklagten. Er hat ein weiteres, aus seiner jetzigen Ehe hervorgegangenes Kind, J. A., geboren am ...2000. Der Kläger arbeitet vollschichtig als Kfz-Mechaniker, seine Ehefrau ist, ebenfalls vollschichtig, in einem Unfallkrankenhaus tätig. Aufgrund des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Eberswalde vom 26.11.2003 (3 FH 36/03) muss der Kläger der Beklagten monatlichen Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages (Ost) der dritten Altersstufe, dass sind 267 €, zahlen.

Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren geltend gemacht, dass er diesen Unterhalt nicht mehr zahlen könne, und hat Herabsetzung des titulierten Unterhalts auf monatlich 70 € für die Zeit ab August 2007 verlangt.

Diesem Begehren hat das Amtsgericht durch das am 28.11.2008 verkündete Urteil stattgegeben. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie trägt vor:

Der Kläger sei gehalten, alles zu tun, um ihren Unterhalt sicherzustellen, er müsse ggf. eine Nebentätigkeit aufnehmen. Hierzu habe er genügend Zeit, wenn er seine umfangreichen Freizeitaktivitäten im Hundesportverein einschränke. Der Selbstbehalt des Klägers sei im Hinblick auf das Zusammenleben mit seiner Ehefrau in einem Haushalt zu kürzen.

Die Beklagte beantragt,

das am 28.11.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Eberswalde abzuändern und die Klage auf Herabsetzung des durch Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 26.11.2003 (3 FH 36/03) titulierten monatlichen Unterhalts auf weniger als

- 230 € für August bis Dezember 2007,

- 160 € für Januar 2008 bis März 2009 und

- 64,1 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergelds für die Zeit ab April 2009

abzuweisen.

Der Kläger beantragt Berufungszurückzuweisung und trägt vor:

Für das mit seiner jetzigen Ehefrau bewohnte, mit Fremdmitteln finanzierte Einfamilienhaus müssten monatliche Darlehensraten von 310 und 289,80 € sowie ein monatlicher Bausparbeitrag von 45 €, insgesamt also 644,80 €, gezahlt werden. Die Heiz- und übrigen Nebenkosten beliefen sich auf 190 €. Von diesen Belastungen trage er die Hälfte. Da dieser Betrag den im Selbstbehalt berücksichtigten Anteil für Wohnkosten übersteige, sei der Selbstbehalt entsprechend zu erhöhen. Die Darlehen seien nur von seiner Frau und ihm, nicht auch von den Schwiegereltern, aufgenommen worden.

Eine Nebentätigkeit müsse er nicht aufnehmen. Dies dürfe er auch nicht, weil ihm sein Arbeitgeber dies untersagt habe. Seine Tätigkeit im Hundesportverein umfasse ein- bis zweimal wöchentlich je zwei Stunden, diese Freizeit dürfe er nach seinen Wünschen gestalten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Der zu ihren Gunsten durch den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 26.11.2003 titulierte Unterhalt ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang herabzusetzen. Denn Unterhalt in diesem Umfang kann und muss der Kläger der Beklagten, seiner Tochter, zahlen.

Die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Beklagten richtet sich nach dem anrechenbaren Einkommen des Klägers, wobei dessen weitere Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem minderjährigen Sohn J. zu berücksichtigen ist. Da J. mit seiner Mutter, die vollschichtig arbeitet, im Haushalt des Klägers lebt, muss ihm der Kläger nur anteiligen Barunterhalt zahlen. Die Höhe seines Anteils richtet sich nach den Einkünften beider Elternteile.

Das monatliche Nettoeinkommen des Klägers beträgt nach den vorgelegten Entgeltabrechnungen rund 948 € in 2007, rund 953 € in 2008 und, auf der Grundlage der Monate März 2008 bis Februar 2009 rund 952 € ab 2009.

Die Aufwendungen des Klägers für die Finanzierung des mit seiner neuen Ehefrau erworbenen Einfamilienhauses sind nicht zu berücksichtigen. Sie stellen keine unvermeidbaren Wohnkosten dar und erhöhen den Selbstbehalt grundsätzlich nicht (vgl. dazu Wendl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 5, Rz. 19 f). Vom Einkommen des Klägers ist auch im Hinblick auf die zur Finanzierung des Hauses eingegangenen Zahlungsverpflichtungen kein Abzug vorzunehmen. Denn der Kläger hat schon nicht vorgetragen, dass die von ihm zu erbringenden Zahlungen den auf ihn entfallenden Wohnwert (vgl. dazu Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1, Rz. 397 a.E.) übersteigen. Im Übrigen hat der Kläger das Hausgrundstück in Kenntnis seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Beklagten erworben (vgl. dazu Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1, Rz. 402 a).

Die Kosten der Hausfinanzierung können auch nicht im Umfang von 4 % des Bruttoeinkommens des Vorjahrs unter dem Gesichtspunkt berücksichtigt werden, dass der Kläger Wohneigentum bildet und damit eine zusätzliche Altersvorsorge betreibt. Denn dies ist nur möglich, wenn der notwendige Bedarf der Berechtigten gedeckt ist (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rz. 1029; s.a. Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 2, Rz. 262 a). Da der Kläger, wie sich der nachfolgenden Berechnung entnehmen lässt, nicht in der Lage ist, den Regelbetrag bzw. Mindestunterhalt für die Beklagte zu zahlen, kommt ein solcher Abzug nicht in Betracht.

Dem Einkommen hinzuzurechnen sind die Steuererstattungen in den jeweiligen Jahren. Nach den vorgelegten Bescheiden haben der Kläger und seine Ehefrau in 2007 (für 2006) eine Erstattung von 890,51 € sowie in 2008 (für 2007) eine solche von 532,43 € und, aufgrund der Korrektur bzgl. der Entfernungspauschale in 2009 (ebenfalls für 2007) eine weitere Erstattung von 351 € erhalten. Der Kläger lässt sich ausgehend vom Verhältnis der Bruttoeinkünfte der Eheleute 38 % der Erstattung zurechnen, wobei er den zweiten Erstattungsbetrag für 2007, der erst in 2009 geflossen ist, dem Jahr 2008 zurechnet. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte diesem im Übrigen auch sachgerechten Ansatz nicht widersprochen hat, können die Steuererstattungen so berücksichtigt werden. Danach erhöht sich das Einkommen des Klägers um rund 28 €, und zwar sowohl in 2007 (890,51 € x 38 % : 12 = 28 €) als auch in 2008 [(532,43 € + 351 €) x 38 % : 12 = 28 €]. Von einer entsprechenden Erstattung kann somit auch vom Jahr 2009 an ausgegangen werden.

Zusätzliche Einkünfte können dem Kläger nicht zugerechnet werden. Mit seiner vollschichtigen Tätigkeit genügt er seiner Erwerbsobliegenheit. Im Einzelfall kann es allerdings zumutbar sein, den Unterhaltsschuldner auf eine Nebentätigkeit zu verweisen. Dies kommt jedoch nur in Betracht, wenn der Pflichtige unter Berücksichtigung seiner regulären Arbeitszeiten, der Zeiten für die Wege von und zur Arbeit und seiner privaten Belange nicht übermäßig belastet und eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden nicht überschritten wird (vgl. BVerfG, FamRZ 2007, 273; BGH, FamRZ 2008, 872; FamRZ 2009, 314). Dass das so sei, hat der Senat bereits mit Beschluss vom 17.3.2009 verneint. Der nachfolgende Vortrag der Parteien hat Gründe für eine andere Beurteilung nicht ergeben. Diese sind auch sonst nicht ersichtlich.

Somit stellt sich das anrechenbare Einkommen des Klägers auf

rund 976 € ( = 948 € + 28 €) in 2007,

rund 981 € ( = 953 € + 28 €) in 2008 und

rund 980 € ( = 952 € + 28 €) ab 2009.

Von diesem Einkommen muss der Kläger Barunterhalt auch für Jo. zahlen. Sein Anteil bestimmt sich nach dem Verhältnis seines und des über dem notwendigen Selbstbehalt liegenden Einkommens der Mutter von J.. Die Mutter von J. erzielte, wie sich aus den vorgelegten Gehaltsabrechnungen ergibt, ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von rund 1.536 € in 2007 und ein solches von rund 1.353 € in 2008. Einkünfte im zuletzt genannten Umfang erhält sie ausweislich der für die ersten drei Monate des Jahres 2009 vorgelegten Verdienstabrechnungen weiterhin, sodass auch ab 2009 von Einkommen in dieser Höhe auszugehen ist.

Abzuziehen sind Fahrkosten von rund 458 € (= 50 km x 2 x 0,25 € x 220 Arbeitstage : 12 Monate), weil die Mutter von J. als Krankenschwester im Schichtdienst arbeitet und regelmäßig mit dem Pkw zu ihrem 50 km von der Wohnung entfernten Arbeitsplatz fährt. Hinzuzusetzen sind die Steuererstattungen, die sich auf der Grundlage der obigen Berechnung durchgehend auf rund 46 € belaufen, und zwar in 2007 (890,51 € x 62 % : 12 Monate = 46 €) und 2008 [(532,43 € + 351 €) x 62 % : 12 Monate = rd. 46 €). Es ergibt sich ein Einkommen von 1.124 € (= 1.536 € - 458 € + 46 €) in 2007 und von 941 € (= 1.353 € - 458 € + 46 €) ab 2008.

Bei der Berechnung des Unterhalts ist im Hinblick auf die dargestellten Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau, die durch die gemeinsame Haushaltsführung Kosten für Wohnung und allgemeine Lebensführung ersparen, der Selbstbehalt zu kürzen (vgl. BGH, FamRZ 2008, 594 ff., Rn. 34), und zwar um 12,5 % (vgl. Senat, FamRZ 2007, 71). Der Selbstbehalt verringert sich somit auf 718 € (820 € - 12,5 %) in 2007 und auf 788 € (900 € x 12,5 %) ab 2008.

Der auf den Kläger entfallende Unterhaltsanteil für J. bemisst sich wie folgt:

In 2007 beträgt das Einkommen des Klägers und der Mutter von J. insgesamt 2.100 € (= 976 € + 1.124 €). J. gehört der 2. Altersstufe an, der Tabellenunterhalt für ihn macht 314 € aus. Davon ist, weil beide Elternteile barunterhaltspflichtig sind und ihnen das für J. gezahlte Kindergeld zugute kommt, das Kindergeld von 154 € abzuziehen, es verbleibt ein offener Bedarf von 160 € (= 314 € - 154 €). Da das den Selbstbehalt übersteigende Einkommen des Klägers 258 € (= 976 € - 718 €) und das der Mutter von J. 406 € (= 1.124 € - 718 €), zusammen 664 €, beträgt, haftet der Kläger für den Unterhalt von J. mit einem Anteil von 38,9 % (= 258 € : 664 € x 100), das entspricht unter Berücksichtigung von § 1612 a Abs. 2 Satz 2 BGB einem Betrag von 63 € (= 160 € x 38,9 %).

In 2008 hat sich das Gesamteinkommen auf 1.922 € (= 981 € + 941 €) verringert, der Mindestunterhalt für J. beträgt nach Abzug des Kindergelds 201 € (= 355 € - 154 €). Im Hinblick auf das den Selbstbehalt von 788 € übersteigende Einkommen des Klägers von 193 € (= 981 € - 788 €) und der Mutter von J. von 153 € (= 941 € - 788 €), zusammen 346 €, ergibt sich ein Haftungsanteil des Klägers von 55,8 % (= 193 € : 346 € x 100). Auf ihn entfällt also ein Teilbetrag des Unterhalts für J. von 113 € (= 201 € x 55,8 %).

Von 2009 an verfügen der Kläger und die Mutter von J. über ein Gesamteinkommen von 1.921 € (= 980 € + 941 €), der Mindestunterhalt für J. beträgt nach Abzug des Kindergelds 191 € (= 355 € - 164 €). Vom Einkommen des Klägers verbleibt nach Abzug des Selbstbehalts von 788 € ein Betrag von 192 € (= 980 € - 788 €), von demjenigen der Mutter von J. ein solcher von 153 € (= 941 € - 788 €). Das den Selbstbehalt übersteigende Einkommen macht also zusammen 345 € aus. Der Haftungsanteil des Klägers beläuft sich auf 55,7 % (= 192 : 345 € x 100), das sind 107 € (= 191 € x 55,7 %).

Damit bestehen Unterhaltsverpflichtungen des Klägers für die Beklagte und J. wie folgt:

In 2007 für die Klägerin von 267 €, für J. von 63 €, zusammen 330 €,

in 2008 für die Klägerin von 288 €, für J. von 113 €, zusammen 401 € und

ab 2009 für die Klägerin von 295 €, für J. von 107 €, zusammen 402 €.

Das den Selbstbehalt übersteigende Einkommen des Klägers beläuft sich, wie oben dargestellt, in 2007 auf 258 €, in 2008 auf 193 € und ab 2009 auf 192 €. Es reicht also nicht aus, um die gleichrangigen Ansprüche beider minderjährigen Kinder zu erfüllen. Daher ist eine Mangelverteilung vorzunehmen. Auf die Klägerin entfällt

in 2007 ein Betrag von 209 € (= 267 € x 258 € : 330 €),

in 2008 ein Betrag von 139 € (= 288 x 193 € : 401 €),

in 2009, von Januar bis April, ein Betrag von 141 € (= 295 € x 192 € : 402 €),

das sind, ab Mai 2009, 59,1 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergelds.

Nach alledem kann der Kläger Herabsetzung des titulierten Unterhalts auf die dargestellten Beträge verlangen, eine weitergehende Herabsetzung ist nicht vorzunehmen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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