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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 03.06.2008
Aktenzeichen: 10 UF 207/07
Rechtsgebiete: BGB, EGZPO, RegelbetragsVO, ZPO, SGB II


Vorschriften:

BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1612 a
EGZPO 36 Nr. 4
RegelbetragsVO § 2
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
SGB II § 33
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

10 UF 207/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 3. Juni 2008

verkündet am 3. Juni 2008

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Berger und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. Oktober 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Strausberg abgeändert.

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Strausberg vom 15. November 2006 wird aufrecht erhalten, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, monatlichen Kindesunterhalt, den zukünftigen jeweils bis zum 5. eines jeden Monats, wie folgt, zu zahlen:

- an die Klägerin zu 1.

- 130 € für die Monate Juli bis September 2006,

- 110 € an das Jobcenter M... für die Monate Oktober 2006 bis Januar 2007 und für die Zeit vom 1. April 2007 bis zum 30. Mai 2007,

- an den Kläger zu 2., und zwar zu Händen des gesetzlichen Vertreters, soweit die Zahlung nicht an das Jobcenter M... zu erbringen ist,

- 130 € für die Monate Juli bis September 2006,

- 150 € für die Zeit vom 1. Oktober 2006 bis zum 30. Mai 2007 an das Jobcenter M...,

- 260 € für die Zeit vom 31. Mai bis 30. Juni 2007, davon 235,68 € an das Jobcenter M...,

- 250 € für die Monate Juli 2007 bis Mai 2008, davon je 237,83 € für die Monate Juli und August 2007, 204,95 € für September 2007, 110,93 € für Oktober 2007, 51,36 € für November 2007, 55,92 € für Dezember 2007, 115,55 € für Januar 2008 und je 214,62 € für die Monate Februar bis Mai 2008 an das Jobcenter M...,

- 89,5 % des Mindestunterhalts gemäß §§ 1612 a BGB, 36 Nr. 4 EGZPO ab Juni 2008.

Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit bezüglich des Unterhaltsanspruchs der Klägerin zu 1. für die Monate Februar und März 2007 in Höhe von 110 € monatlich erledigt hat.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer Säumnis im Zusammenhang mit dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Strausberg vom 15. November 2006 zu tragen. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 74 % und den Klägern zu 26 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Die Kläger machen Kindesunterhalt ab Juni 2006 geltend.

Die am ....5.1989 geborene Klägerin zu 1. und der am ....9.1992 geborene Kläger zu 2. sind die Kinder der am ....9.1968 geborenen Beklagten. Die Kläger leben bei ihrem Vater. Sie wohnten bis zum 18.8.2006 in D..., seither leben sie in H.... Die Ehe der Eltern der Kläger wurde durch Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 13.7.2006, sogleich rechtskräftig geschieden.

Die Beklagte zahlte für die Kläger vom September 2005 bis Juni 2006 monatlichen Unterhalt von insgesamt 350 €. Die Klägerin zu 1. bezieht seit Oktober 2006 Leistungen nach dem BAföG von monatlich 192 €. Der Vater der Kläger erhält in Bedarfsgemeinschaft mit den Klägern seit Oktober 2006 Leistungen nach dem SGB II.

Durch Anwaltsschreiben vom 7.6.2006 stellten die Kläger fest, dass sich der Regelunterhalt für jeden von ihnen auf 291 €, insgesamt also 582 €, belaufe und forderten die Beklagte auf, für die Zeit ab 1.7.2006 einen entsprechenden Unterhaltstitel zu schaffen. Gleichzeitig verlangten sie die Vorlage der Verdienstabrechnungen für die letzten 12 Monate spätestens bis zum 23.6.2006 und mit Rücksicht darauf, dass die Beklagte angekündigt habe, ab Juli 2006 keinen Kindesunterhalt mehr zu zahlen, eine Erklärung, ob und in welcher Höhe zunächst ab Juli 2006 Kindesunterhalt gezahlt werde, spätestens bis zum 19.9.2006.

Mit der vorliegenden, am 24.10.2006 zugestellten Klage machen die Kläger Unterhalt in Höhe des Regelbetrages ab Juni 2006 geltend.

Durch Versäumnisurteil vom 15.11.2006 hat das Amtsgericht die Beklagte zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt.

Gegen das ihr am 20.11.2006 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte am 22.11.2006 Einspruch eingelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf jenes Urteil Bezug genommen.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil vom 15.11.2006 aufrecht erhalten, soweit die Beklagte verurteilt worden war, Kindesunterhalt wie folgt zu zahlen:

1. für die Klägerin zu 1.,

a) 291 € abzüglich gezahlter 175 €, mithin 116 €, für den Monat Juni 2006

b) 291 € monatlich, mithin insgesamt 582 €, für die Monate Juli und August 2006,

c) 269 € für den Monat September 2006,

d) 173 € monatlich für die Zeit von Oktober 2006 bis Januar 2007, davon jeweils 60,21 € monatlich an das JobCenter M...,

e) 173 € für den Monat April 2007, davon 117,25 € an das Job-Center M...,

f) 167,42 € für den Monat Mai 2007, davon 113,33 € an das JobCenter M...,

2. für den Kläger zu 2.,

a) 291 € abzüglich gezahlter 175 €, mithin 116 €, für den Monat Juni 2006,

b) 291 € monatlich, mithin insgesamt 582 €, für die Monate Juli und August 2006,

c) 269 € für den Monat September 2006,

d) 269 € monatlich für die Zeit von Oktober 2006 bis März 2007, davon 231,81 € monatlich an das Job-Center M...,

e) 269 € monatlich für die Zeit von April bis Juni 2007, davon 235,68 € monatlich an das JobCenter M...,

f) den Regelbetrag der jeweiligen Alterstufe nach § 2 RegelbetragsVO für die Monate Juli bis Oktober 2007, davon jeweils 235,68 € monatlich an das JobCenter M...,

g) den Regelbetrag der jeweiligen Alterstufe nach § 2 RegelbetragsVO ab 1.11.2007.

Im Übrigen hat das Amtsgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und festgestellt, dass der Rechtstreit in der Hauptsache erledigt ist. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie trägt vor:

Sie übe eine 2/3-Stelle bei der De... aus, habe also eine Regelarbeitszeit von 24 Stunden wöchentlich. Das Amtsgericht habe nicht berücksichtigt, dass es sich beim Ruhrgebiet um eine strukturschwache Region mit hoher Arbeitslosigkeit handele. Das vom Amtsgericht zugrunde gelegte fiktive Einkommen sei nicht erzielbar.

Kreditraten, die sie auf aus der Ehe stammende Schuldverbindlichkeiten leiste, seien zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass folgende monatliche Beträge an das Jobcenter M... zu zahlen seien für die Klägerin zu 1.

- 213,81 € für Oktober 2006 bis März 2007,

- 117,25 € für April und Mai 2007;

- für den Kläger zu 2.

- 213,81 € monatlich für Oktober 2006 bis März 2007,

- 235,68 € für April bis Juni 2007,

- 237,83 € für Juli und August 2007,

- 204,95 € für September 2007,

- 110,93 € für Oktober 2007,

- 51,36 € für November 2007,

- 55,92 € für Dezember 2007,

- 115,55 € für Januar 2008,

- 214,62 € für Februar bis Mai 2008.

Sie tragen vor:

Die Berufung sei schon deshalb unzulässig, weil sie sich gegen den Vater der erstinstanzlichen Kläger richte, obwohl dieser selbst gar nicht Partei des Rechtsstreits gewesen sei.

Das Amtsgericht habe der Beklagten zutreffend ein fiktives Erwerbseinkommen zugerechnet. Die Beklagte sei verpflichtet, sich auch außerhalb des Ruhrgebietes, nämlich bundes- und sogar europaweit zu bewerben.

Angesichts ihrer gesteigerten Unterhaltspflicht habe sie vor Berücksichtigung der behaupteten Schuldverbindlichkeiten vorrangig den Unterhalt für die Kläger sicherzustellen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

I.

Die Berufung ist entgegen der Auffassung der Kläger zulässig, obwohl in der Berufungsschrift anstelle der Kläger deren Vater als Berufungsbeklagter aufgeführt ist. Der Berufungsschrift war eine Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt, sodass sich hieraus klar ergibt, wer die Parteien des Berufungsverfahrens sind (vgl. auch Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 519 Rz. 130).

II.

Die Berufung ist teilweise begründet. Auf den zulässigen Einspruch der Beklagten ist das Versäumnisurteil des Amtsgerichts vom 15.11.2006 nur in eingeschränktem Umfang aufrecht zu erhalten. Hinsichtlich der Monate Februar und März 2007 ist bezüglich des Unterhalts für die Klägerin zu 1. festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von 110 € monatlich erledigt hat. Im Übrigen ist das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

1.

Die Kläger können Unterhalt nicht schon ab Juni, sondern erst ab Juli 2006 verlangen. Im Anwaltsschreiben vom 7.6.2006 ist die Beklagte aufgefordert worden, für die Zeit ab 1.7.2006 einen Unterhaltstitel über 291 € je Kind zu schaffen. Auch wenn die Aufforderungen, Auskunft zu erteilen bzw. sich über den Willen zu erklären, Kindesunterhalt ab 1.7.2006 weiterhin zu leisten, mit Stellungnahmefristen versehen sind, die vor dem 1.7.2006 enden, wird aus diesem Schreiben dennoch nicht ersichtlich, dass die Kläger sich für Juni 2006 nicht mit dem bisher gezahlten Gesamtbetrag von 350 € begnügen wollten.

2.

Die Beklagte muss sich ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 1.150 € fiktiv zurechnen lassen.

a)

Die Beklagte hat sei Juli 2007 eine Festanstellung als Zustellerin bei der De... AG. Welche Einkünfte sie auf Grund dieser Tätigkeit erzielt, hat die Beklagte nicht substanziiert dargelegt und auch die mit der Ladungsverfügung zum Senatstermin vom 6.5.2008 angeforderten Verdienstbescheinigungen nicht vollständig vorgelegt. Legt man die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingereichte Bezügemitteilung für Dezember 2007 zu Grunde, ergibt sich ein Gesamtbrutto von 8.377,33 € für das 2. Halbjahr 2007. Setzt man hiervon die Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag, die Kirchensteuer und die Beiträge für die Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung ab, errechnet sich ein Nettoeinkommen für diese sechs Monate von 6.209,62 €. Dies entspricht einem Durchschnittseinkommen von rund 1.035 € monatlich. Nach der Bezügemitteilung für April 2008, die ebenfalls im Senatstermin vorgelegt worden ist, beläuft sich das Nettoeinkommen der Beklagten auf rund 1.021 €. Nach den aufaddierten Jahressummen in jener Bezügemitteilung ergibt sich für die ersten vier Monate des Jahres 2008 ein Nettoeinkommen von insgesamt 3.624,21 €. Dies entspricht einem monatlichen Durchschnitt von rund 906 €. Von welchem tatsächlichen Einkommen auszugehen ist und ob der Monatsdurchschnitt für die Monate Juli bis Dezember 2007 etwa deshalb höher ausgefallen ist als derjenige für die Monate Januar bis April 2008, weil die Beklagte möglicherweise im November 2007 eine Sonderzahlung erhalten hat, kann dahinstehen. Denn mit der ausgeübten Tätigkeit bei der De... AG genügt die Beklagte ihrer Erwerbsobliegenheit nicht.

b)

Die Beklagte trifft gegenüber den Klägern gemäß § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit, d. h., sie hat alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für sich und die Kinder zu verwenden. Als Unterhaltspflichtige muss sie danach ihre Arbeitskraft entsprechend ihrer Vorbildung, ihren Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rz. 708; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Schael, § 1, Rz. 309). Vom Unterhaltspflichtigen kann insbesondere verlangt werden, dass er vollschichtig erwerbstätig ist.

Die Beklagte hat nach eigenem Vortrag bei der De... AG lediglich eine 2/3-Stelle inne. Die bereits angeführten Bezügemitteilungen weisen eine Wochenarbeitszeit von 24 Stunden aus.

Die Beklagte ist unterhaltsrechtlich gehalten, vollschichtig, also 40 Stunden wöchentlich, das sind rund 173 Stunden monatlich, erwerbstätig zu sein.

c)

Wegen Verletzung der gesteigerten Erwerbsobliegenheit ist der Beklagten ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit zuzurechnen. Ihren Stundenlohn bei der De... hat die Beklagte mit 10,14 € brutto angegeben und für den Fall, dass sie als Zustellerin bei einem anderen Arbeitgeber tätig wäre, einen Bruttostundenlohn von 9,50 € für erzielbar gehalten. Auch unter Berücksichtigung ihres beruflichen Werdegangs, wie er in dem Lebenslauf, der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegt worden ist, deutlich wird, erscheint für die Beklagte ein Bruttostundenlohn von 9,50 € erzielbar. Bei Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit ergibt sich so unter Zugrundelegung von Lohnsteuerklasse I und 0,5 Kinderfreibeträgen ein bereinigtes Einkommen von rund 1.150 €. Dieses muss sich die Beklagte fiktiv zurechnen lassen.

3.

Kreditraten können nicht einkommensmindernd Berücksichtigung finden.

a)

Die Beklagte hat schon nicht substanziiert dargelegt und belegt, in welchem Umfang von ihr innerhalb des Unterhaltszeitraums Kreditraten geleistet werden und inwieweit es sich insoweit um ehebedingte Verbindlichkeiten, also um solche, die aus ihrer Ehe mit dem Vater der Kläger herrühren, handelt. Mit der Berufungsbegründung hat sie vorgetragen, es gebe aus der Ehe stammende Schuldverbindlichkeiten gegenüber der Santanderbank in Höhe von 1.000 €, der ... Bank in Höhe von 12.000 € und der Arbeitsagentur D... in Höhe von 750 €. Hierauf würden monatliche Raten von 49 €, 25 € und 25 € monatlich gezahlt. Im Schriftsatz vom 23.4.2008 ist unter Bezugnahme auf eine Übersicht der B... Inkassogesellschaft vom 6.3.2003 von einer Gesamtforderung in Höhe von 20.310,02 € die Rede, worauf nach einer Ratenzahlungsvereinbarung monatlich 15 € gezahlt würden; der Kredit bei der ... Bank werde ab Mai 2007 mit monatlich 50 € zurückgezahlt. Zudem habe sie von Frau S... S... im Laufe der Jahre ein Darlehen erhalten, das mit monatlich 100 € zurückgeführt werde. Aus den Anlagen zum Schriftsatz vom 23.4.2008, die erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 6.5.2008 vorgelegt worden sind, ergibt sich, dass die B... Inkasso sich wegen der Einziehung einer Forderung, die ihr von der W... GmbH mit Zustimmung der Sparkasse ... abgetreten worden sei, an die Beklagte gerichtet hat. Ferner ist in diesen Unterlagen ein Darlehensvertrag zwischen der Beklagten und Frau S... S... enthalten, wonach die Beklagte die Summe von 2.323 € mit monatlich 100 € abzahle. Die Zusammensetzung des Darlehensbetrages von 2.323 € ist wie folgt angegeben: 1.000 € S...bank, 750 € Arbeitsamt, 258 € Bo..., 107 € de..., 208 € W... Zeitung.

Nach alledem ist der Vortrag der Beklagten zu den Kreditverbindlichkeiten nicht widerspruchsfrei. Vor allem aber hat sie den Grund für die Eingehung der Kreditverbindlichkeiten nicht angegeben. Dies war aber notwendig, da Schulden nur im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles nach billigem Ermessen Berücksichtigung finden können (Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 1, Rz. 641). Dies gilt insbesondere beim Kindesunterhalt (vgl. Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1, Rz. 650). Trotz der Auflage in der Ladungsverfügung zum Senatstermin vom 6.5.2008 hat die Beklagte weder die Kreditverträge hinsichtlich der behaupteten Schuldverbindlichkeiten vorgelegt noch im Einzelnen dargelegt und belegt, welche Kreditraten sie in welchem Monat gezahlt hat. Wie widersprüchlich der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist, zeigt sich beispielhaft an dem Schriftsatz vom 23.4.2008. Dort ist, nachdem in der Berufungsbegründung noch von monatlichen Raten von 25 € an die ... Bank die Rede war, dargestellt, dass diesbezüglich ab Mai 2007 Raten von 50 € gezahlt würden. Zugleich ist hinsichtlich der Ratenzahlungen insgesamt behauptet worden, diese hätten bereits zu Anfang des Jahres 2007 begonnen.

b)

Selbst wenn man davon ausginge, die Beklagte hätte Kreditraten auf aus der Ehe herrührende Verbindlichkeiten zu zahlen, bestehen Zweifel daran, ob die Kreditraten vom Einkommen abgesetzt werden könnten.

Den Unterhaltsschuldner trifft grundsätzlich eine Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz, wenn dieses Verfahren zulässig und geeignet ist, den laufenden Unterhalt seiner minderjährigen Kinder dadurch sicherzustellen, dass ihm Vorrang vor sonstigen Verbindlichkeiten eingeräumt wird. Das gilt nur dann nicht, wenn der Unterhaltsschuldner Umstände vorträgt und gegebenenfalls beweist, die eine solche Obliegenheit im Einzelfall als unzumutbar darstellen (BGH, FamRZ 2005, 608 mit Anmerkung Schürmann, FamRZ 2005, 887). Ob die Beklagte vorliegend auf die Einleitung des Verbraucherinsolvenzverfahrens verwiesen werden kann, bedarf jedoch keiner Entscheidung, da sie, wie ausgeführt, nicht im Einzelnen substanziiert dargelegt und belegt hat, welcher Art ihre Schulden sind und in welchem Umfang sie diese innerhalb des Unterhaltszeitraums zurückgeführt hat.

4.

Der Unterhaltsbedarf der Kläger besteht während deren Minderjährigkeit jedenfalls in Höhe des Regelbetrages bzw. ab Januar 2008 in Höhe des Mindestunterhalts. Auf den Bedarf der Klägerin zu 1. vom Zeitpunkt der Volljährigkeit an, d. h. ab 31.5.2007, kommt es nicht an. Durch das angefochtene Urteil ist der Klägerin zu 1. Unterhalt nur bis zum Eintritt der Volljährigkeit zuerkannt worden. Dies hat die Klägerin zu 1. nicht etwa mit einer (Anschluss-) Berufung angegriffen. Demgemäß kann ihr Unterhalt nur bis zum 30.5.2007 zuerkannt werden.

5.

Die Bedürftigkeit der Klägerin zu 1. ist bereits während der Minderjährigkeit nicht im vollen Umfang gegeben. Die Leistungen nach dem BAföG von 192 € monatlich ab Oktober 2006 sind als teilweise bedarfsdeckendes Einkommen heranzuziehen (vgl. Nr. 2.4. der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.1.2008) und hälftig (vgl. Nr. 12.2 der soeben genannten Leitlinien), also mit 96 €, auf den Bedarf anzurechnen.

6.

Bei einem anrechenbaren Einkommen von 1.150 € ist die Beklagte nicht in vollem Umfang leistungsfähig.

a)

Da für beide Kläger Unterhalt nur während der Minderjährigkeit in Rede steht, muss der Beklagten der notwendige Selbstbehalt verbleiben. Er beläuft sich auf 890 € von Juli 2006 bis Juni 2007 und auf 900 € ab Juli 2007 (vgl. Nr. 21.2 der Unterhaltsleitlinien des OLG Hamm, Stand 1.7.2005, 1.7.2007 und 1.1.2008).

b)

Angesichts dieser Selbstbehalte ergibt sich folgende Verteilungsmasse, das ist das über dem jeweiligen Selbstbehalt für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehende Einkommen des Unterhaltsschuldners:

- 260 € (= 1.150 € - 890 €) von Juli 2006 bis Juni 2007

- 250 € (= 1.150 € - 900 €) ab Juli 2007.

c)

Da die Verteilungsmaße bis zur Volljährigkeit der Klägerin zu 1. nicht ausreicht, den ungedeckten Bedarf der beiden Kinder voll zu befriedigen, ist eine Mangelverteilung vorzunehmen. Dabei sind die Unterhaltsansprüche anteilig zu kürzen, wobei der gekürzte Anspruch sich aus dem Quotienten von Verteilungsmaße und Summe der Einsatzbeträge, multipliziert mit dem jeweiligen Einsatzbetrag errechnet (BGH, FamRZ 2003, 363, 367; Johannsen/Henrich/Graba, Eherecht, 4. Aufl., § 1603, Rz. 20). Für gleichrangige Kinder ist als Einsatzbetrag bis 31.12.2007 ein solcher von 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu Grunde zu legen (BGH, FamRZ 2003, 363, 365 f.). Da beide Kläger bis zur Volljährigkeit der Klägerin zu 1. derselben Altersstufe angehören, kann die Verteilungsmasse an sich gleichmäßig auf beide verteilt werden. Anders ist es jedoch in der Zeit vom Oktober 2006 bis zum 30.5.2007. Denn die Klägerin zu 1. muss sich in dieser Zeit die Leistungen nach dem BAföG hälftig mit 96 € auch auf den Einsatzbetrag anrechnen lassen. Danach ergibt sich folgende Berechnung:

Juli bis September 2006

Auf jeden der Kläger entfallen 130 € (= 260 € : 2).

Oktober 2006 bis 30.5.2007

Einsatzbeträge:

 Klägerin zu 1.268 € (= 364 € - 96 €)
Kläger zu 2. 364 €
Summe der Einsatzbeträge632 €
Kürzungsfaktor41,14 % (= 260 € : 632 €).

Es entfallen auf

 die Klägerin zu 1. 110 € (= 268 € x 41,14 %),
dem Kläger zu 2. 150 € (= 364 € x 41,14 %).

ab 31.5.2007

Da die Klägerin zu 1. nach Eintritt der Volljährigkeit, ab 31.5.2007, einen Unterhaltsanspruch nicht mehr geltend macht, kommt die Verteilungsmasse von 260 € bzw. ab 1.7.2007 von 250 € nun voll dem Kläger zu 2. zugute. Der Unterhalt, der nach Schluss der mündlichen Verhandlung fällig wird, ist, da der Kläger zu 2. dynamisierten Unterhalt geltend macht, als Prozentsatz des Mindestunterhalts auszudrücken.

7.

Nach dem Vorstehenden errechnet sich für die Klägerin zu 1. ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 110 € monatlich auch für die Monate Februar und März 2007. Auf den Antrag der Kläger kann daher nur festgestellt werden, dass sich der Rechtsstreit für diese Monate bezüglich des Unterhalts der Klägerin zu 1. in dieser Höhe erledigt hat. Im Übrigen ist der Feststellungsantrag zurückzuweisen.

8.

Soweit für die Kläger Leistungen nach dem SGB VII erbracht worden sind, ist der Anspruchsübergang gemäß § 33 SGB II zu berücksichtigen. Dem haben die Kläger mit ihrer Antragstellung im Senatstermin vom 6.5.2008 Rechnung getragen.

9.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 344 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

10.

Ungeachtet des vor dem Oberlandesgericht geltenden Anwaltszwangs hat sich die Beklagte persönlich unter dem 24.5.2008 und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung schriftlich geäußert. Dieses Schreiben gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.

Ende der Entscheidung

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