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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 10 UF 22/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 511 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 1613 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

10 UF 22/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht 019

Anlage zum Protokoll vom 1.8.2006

Verkündet am 1.8.2006

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Berger und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 10. Januar 2006 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger, seinem 16 Jahre alten Sohn, Kosten für die Jugendweihe und eine Klassenfahrt nach London erstatten muss. Das Amtsgericht hat die Klage auf Erstattung der hälftigen Kosten der Jugendweihe abgewiesen und den Beklagten zur Zahlung von 189,25 €, den hälftigen Kosten der Klassenfahrt, verurteilt.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung und macht im Wesentlichen geltend, dass es sich bei den Kosten für die Klassenfahrt nicht um Sonderbedarf handele, den der Kläger neben dem laufenden monatlichen Unterhalt von 408 € verlangen könne.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat die von ihm eingelegte Berufung gegen die Abweisung der Klage auf Erstattung der hälftigen Kosten der Jugendweihe zurückgenommen und beantragt im Übrigen die Zurückweisung der Berufung.

Der Kläger macht geltend, dass die Kosten für die Klassenfahrt außergewöhnlich hoch seien und die Inanspruchnahme des Beklagten rechtfertigten.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes, der 600 € nicht erreicht, aufgrund der Zulassung des Amtsgerichts, an die der Senat gebunden ist (vgl. Zöller/ Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 511, Rz. 41), zulässig, § 511 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Die Berufung ist auch begründet. Der Beklagte muss dem Kläger die allein noch im Streit befindlichen hälftigen Kosten der Klassenfahrt von 189,25 € nicht erstatten.

Ausnahmsweise kann das unterhaltsberechtigte Kind, auch für die Vergangenheit, neben dem laufenden Barunterhalt weiteren Unterhalt verlangen, wenn ein unregelmäßiger außergewöhnlich hoher Bedarf (Sonderbedarf) vorliegt, § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Unregelmäßig in diesem Sinne ist ein Bedarf nur, wenn er nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war und deswegen bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente nicht berücksichtigt werden konnte. Dabei hängt die Voraussehbarkeit nicht von der Höhe des unregelmäßigen Bedarfs ab. Selbst ein außergewöhnlich hoher Bedarf steht dem Unterhaltsgläubiger deswegen neben dem laufenden Unterhalt dann nicht als Sonderbedarf zu, wenn er mit Wahrscheinlichkeit voraussehbar war und der Gläubiger sich deswegen darauf einstellen konnte (BGH, FamRZ 2006, 612 ff., 614 m. w. N.). Handelt es sich nicht um außergewöhnlich hohe Kosten, scheidet ein zusätzlich geschuldeter Sonderbedarf schon deswegen aus (BGH, a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Kläger die Kosten der Klassenfahrt von 189,25 € nicht als Sonderbedarf verlangen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich schon nicht um außergewöhnlich hohe Kosten handelt. Denn die Kosten sind jedenfalls nicht überraschend entstanden. Da in weiterführenden Schulen regelmäßig in bestimmten Klassenstufen Klassenfahrten unternommen und jedenfalls zu Beginn des Schuljahrs oder zumindest einige Monate vor Reiseantritt angekündigt werden, sind die Kosten der Klassenfahrt mit Wahrscheinlichkeit voraussehbar und können daher nicht zusätzlich zum laufenden Unterhalt als Sonderbedarf verlangt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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