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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 28.02.2008
Aktenzeichen: 10 UF 223/07
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 59 Abs. 1
FGG § 59 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 UF 223/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

betreffend die elterliche Sorge für die Jugendliche C... A..., geb. am ... 1990,

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Berger und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein

am 28. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin und der betroffenen Jugendlichen wird der Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 19. November 2007 abgeändert. Die elterliche Sorge für die Jugendliche C... A... wird der Mutter übertragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Sorgerechtsausspruch vom 19.11.2007 die bisherige Sorgerechtsregelung vom 11.12.2006 geändert. In dem Beschluss vom 11.12.2006 war die elterliche Sorge für C... - in Abänderung des Senatsbeschlusses vom 31.8.1999 - dem Vater allein übertragen worden. Durch den vorliegend angefochtenen Sorgerechtsausspruch hat das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für C... sowie das Recht, Vertrags- und Behördenangelegenheiten für sie zu regeln, der Mutter übertragen. Im Übrigen hat es angeordnet, dass es beim alleinigen Sorgerecht des Vaters bleibt.

Die gegen die Abänderungsentscheidung vom 19.11.2007 gerichteten Rechtsmittel von Mutter und Tochter sind zulässig und begründet. In Abänderung des Sorgerechtsbeschlusses vom 11.12.2006 und des angefochtenen Beschlusses ist die elterliche Sorge für die Tochter C... auf die Mutter allein zu übertragen. Die vom Amtsgericht getroffene Regelung einer nur teilweisen Sorgerechtsübertragung erweist sich unter den gegebenen Umständen als nicht ausreichend. Bei seiner Entscheidung hat sich der Senat im Einzelnen von folgenden Überlegungen leiten lassen:

1.

Die mit Schreiben vom 23.11.2007 eingelegten Rechtsmittel sind als zulässige Beschwerden gegen den Sorgerechtsbeschluss des Amtsgerichts vom 19.11.2007 zu beurteilen.

Die Beschwerden sind form- und fristgerecht eingelegt worden. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners kann auch die Tochter selbst ohne Mitwirkung ihres gesetzlichen Vertreters die Beschwerde einlegen. Das Sorgerechtsverfahren betrifft die Person der Tochter, die das 14. Lebensjahr vollendet hat. Aus § 59 Abs. 1 und 3 FGG ergibt sich die Befugnis des Mädchens, neben dem zur Rechtsmitteleinlegung befugten Elternteil und unabhängig von seinen gesetzlichen Vertreter in allen seine Person betreffenden Angelegenheiten selbstständig das Beschwerderecht auszuüben (vgl. hierzu auch Keidel/Engelhardt, FGG, 15. Auflage, § 59, Rn. 8 bis 11).

2.

Eine erneute persönliche Anhörung der Eltern und der betroffenen Jugendlichen selbst kann in der Beschwerdeinstanz unterbleiben.

Der Verpflichtung, die Eltern und die Jugendlichen persönlich anzuhören (§§ 50 a, 50 b FGG), ist das Amtsgericht nachgekommen. Die erstinstanzliche Anhörung erfolgte am 5.11.2007 und liegt damit erst verhältnismäßig kurze Zeit zurück. Die Anhörung braucht im Beschwerdeverfahren nicht wiederholt zu werden. Es sind dem Senat keine Umstände mitgeteilt oder in sonstiger Weise bekannt geworden, die auf eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkte seit dem 5.11.2007 hindeuten oder eine erneute Anhörung aller Beteiligten aus anderen Gründen als sachdienlich erscheinen lassen. Angesichts des erst kurzen Zeitablaufs und mit Blick auf die besonderen Umstände hält der Senat daher im Streitfall ausnahmsweise eine erneute persönliche Anhörung von Eltern und Tochter für entbehrlich (vgl. hierzu auch Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 50 a, Rn. 19 und § 50 b, Rn. 20). Hinzu kommt, dass es für die Entscheidung nicht maßgebend auf den persönlichen Eindruck der Beteiligten ankommt. Dementsprechend ist vorliegend auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Gegen ein solches vom Senat angekündigtes Verfahren ohne erneute mündliche Verhandlung haben die Beteiligten auch keine Einwände erhoben bzw. ihr Einverständnis damit zum Ausdruck gebracht.

3.

Die Beschwerden von Mutter und Tochter haben in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts vom 19.11.2007 ist in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang abzuändern. Er wird der gegenwärtigen Situation nicht gerecht.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Mutter auf Grund des Senatsbeschlusses vom 31.8.1999 das Sorgerecht für C... zunächst allein ausübte. Ende 2006 änderten sich die Lebensumstände der betroffenen Jugendlichen. C... zog zum Vater und lehnte eine Rückkehr in den mütterlichen Haushalt ab. Entsprechend dem Willen der betroffenen Jugendlichen hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 11.12.2006 in Abänderung der Senatsentscheidung die elterliche Sorge für die Tochter auf den Vater allein übertragen.

Seit Mitte 10/2007 befindet sich C... gemäß ihrem Wunsch wieder im Haushalt der Mutter. Zwischen den Eltern besteht Einigkeit, dass es auf der Grundlage des geäußerten Willens von C... bei den tatsächlich eingetretenen Gegebenheiten bleiben soll. Auch im Rahmen einer Sorgerechtsabänderung kommt dem Kindeswillen grundsätzlich eine doppelte Bedeutung zu. Zum einen ist er der verbale Ausdruck für die relativ stärkste Personenbindung. Zum anderen ist er mit zunehmendem Alter ein Akt der Selbstbestimmung des Kindes als einer zur Selbstständigkeit erzogenen und strebenden Person. Je älter das Kind wird, umso stärker tritt die zweite Funktion in den Vordergrund (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl., § 1671, Rn. 28). Dies ist nicht nur aus psychologischen und erzieherischen, sondern auch aus verfassungsrechtlichen Gründen gerechtfertigt. Daher kommt vorliegend dem Aspekt der Selbstbestimmung schon im Hinblick auf das Alter von C... eine maßgebliche Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang ist gerade auch zu berücksichtigen, dass es nur noch kurze Zeit bis zur Vollendung der Volljährigkeit von C... ist. Diese tritt am 18.5.2008, also in weniger als drei Monaten, ein. Der Wunsch von C... ist auf die elterliche Alleinsorge der Mutter gerichtet.

Nach den vom Senat in dem Beschluss aus 8/1999 getroffenen Feststellungen, besteht für eine gemeinsame elterliche Sorge keine Grundlage. Diese ist an die Voraussetzung geknüpft, dass ein gewisses Mindestmaß an Kooperation und Kommunikation bezüglich der Belange des gemeinsamen Kindes zwischen den Eltern gegeben ist. Im vorliegenden Fall fehlte es an dieser Voraussetzung in der Vergangenheit, und es fehlt auch heute daran. Bereits im Rahmen des ersten Abänderungsverfahrens aus dem Jahr 2006 hat sich gezeigt, dass der Senat zu Recht Zweifel am Willen der Eltern bzw. eines Elternteils zu einer am Kindeswohl orientierten Zusammenarbeit hatte. Dass keine ausreichende Kommunikationsbasis zwischen den Eltern gegeben ist, hat sich auch im vorliegenden Verfahren gezeigt und wird von beiden Eltern zudem selbst so eingeschätzt. Das Einvernehmen der Eltern erschöpft sich darin, dass C... wieder bei der Mutter lebt. Zu einer Verständigung und zu einem Austausch über die Belange des Kindes sind die Parteien nach ihrer eigenen Bekundung gegenüber dem Amtsgericht weder bereit noch in der Lage. Angesichts des Verhaltens der Eltern in der Vergangenheit ist die Prognose gerechtfertigt, dass es auch in Zukunft bei der fehlenden Kooperation und Kommunikation bleiben wird (vgl. hierzu OLG Zweibrücken, FamRZ 2002, 189 f). Folglich ist hier kein Raum für eine gemeinsame elterliche Sorge, weil es an der dafür erforderlichen Fähigkeit und Bereitschaft der Eltern zu einer Kooperation im Interesse des Wohls der gemeinsamen Tochter mangelt.

Unter Berücksichtigung des erneuten Umzugs zur Mutter und der nicht einmal mehr drei Monate bis zum Eintritt der Volljährigkeit von C... ist dem Antrag der Mutter sowie der Tochter auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter zu entsprechen. Es erscheint sachgerecht, den tatsächlich eingetretenen Gegebenheiten Rechnung zu tragen und wie auch in der Vergangenheit das Sorgerecht auf einen Elternteil allein zu übertragen. Da C... wieder im Haushalt der Mutter lebt, hat die Sorgerechtsübertragung in vollem Umfang auf die Mutter zu erfolgen, damit diese in der Lage ist, für die nur noch sehr kurze Zeit bis zur Vollendung der Volljährigkeit der Tochter gegebenenfalls noch wichtige (über die Angelegenheiten des täglichen Lebens hinausgehende) Entscheidungen allein zu treffen und für sie zu handeln.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Ende der Entscheidung

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