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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.11.2009
Aktenzeichen: 10 UF 49/09
Rechtsgebiete: RegelbetragVO, BGB, ZPO


Vorschriften:

RegelbetragVO § 2
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1609 Nr. 1
BGB § 1612 a Abs. 1
BGB § 1612 b
BGB § 1612 c
BGB § 1613 Abs. 1
ZPO § 323 Abs. 3
ZPO § 511 ff.
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7. April 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Eberswalde teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst.

Der Kläger wird unter Abänderung der Urkunde des Jugendamtes des Landkreises O... vom 15. September 2005 (UR-Reg.-Nr. 00417/2005) verurteilt, für die Beklagte zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin monatlichen Unterhalt, den zukünftigen jeweils bis zum 1. eines jeden Monats, wie folgt zu zahlen:

- 69 € von April bis Oktober 2009,

- 76,8 % des Mindestunterhalts der 1. Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind von November 2009 bis Februar 2011.

- 76,8 % des Mindestunterhalts der 2. Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind von März 2011 bis Februar 2017.

- 76,8 % des Mindestunterhalts der 3. Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind ab März 2017.

Die weitergehende Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger 48 % und der Beklagten zu 52 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Abänderung titulierten Kindesunterhalts ab September 2008.

Der am ....2.1978 geborene Kläger ist der Vater der am ....3.2005 geborenen Beklagten. Durch Jugendamtsurkunde vom 15.9.2005 verpflichtete sich der Kläger, für die Beklagte monatlichen Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrags nach § 2 RegelbetragVO abzüglich anteiligen Kindergeldes zu zahlen. Am ....6.2006 wurde das Kind V... T... geboren, dessen Vater ebenfalls der Kläger ist.

Eine unter Vermittlung des Jugendamts am 8.5.2007 zwischen dem Kläger und der gesetzlichen Vertreterin der Beklagten getroffene Vereinbarung, den zu zahlenden Unterhalt auf 80 € herabzusetzen, wurde von der gesetzlichen Vertreterin mit Anwaltsschreiben vom 29.5.2007 widerrufen. Die Klägerin forderte den Beklagten dann zur Auskunfterteilung auf.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger beantragt,

die Jugendamtsurkunde vom 15.9.2005 dahin abzuändern, dass er an die Beklagte ab September 2008 nur noch monatlichen Unterhalt von 65 € zu zahlen hat.

Dem ist die Beklagte entgegengetreten und hat widerklagend beantragt,

die Jugendamtsurkunde dahin abzuändern, dass der Kläger ihr ab November 2008 Unterhalt in Höhe des Mindestunterhalts unter Berücksichtigung der Leistungen nach §§ 1612 b, c BGB zu zahlen habe.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht die Jugendamtsurkunde vom 15.9.2005 dahin abgeändert, dass der Kläger der Beklagten ab September 2008 nur noch monatlichen Unterhalt von 65 € zu zahlen habe. Die Widerklage hat es abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie trägt vor:

Angesichts der gesteigerten Erwerbsobliegenheit sei der Kläger zur Ausübung einer Nebentätigkeit verpflichtet. Auch könne er in seinem erlernten Beruf als Maler und Lackierer nach den allgemein verbindlichen Tarifverträgen Bruttostundenlöhne von 8,05 € bzw. als Geselle von 11,05 € erzielen. Der tatsächlich gezahlte Stundenlohn von 6,90 € sei daher viel zu gering. Selbst im Sicherheitsgewerbe habe es nun eine Tariferhöhung gegeben, so dass sich sein Mindestlohn auf 7,30 € erhöht haben müsse. Daher sei auch von einem höheren tatsächlichen Einkommen auszugehen, als es der Unterhaltsberechnung des Amtsgerichts zugrunde gelegen habe.

Aufwendungen des Klägers für eine Kfz-Versicherung und Kreditraten für die Anschaffung eines Pkw seien unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen. In B... könne der Kläger unproblematisch mit öffentlichen Verkehrsmitteln an jeden Ort gelangen.

Es sei zu bestreiten, dass der Kläger für das Kind V... T... überhaupt Unterhalt zahle. Eine Unterhaltsurkunde sei nicht vorgelegt worden. Es sei eher davon auszugehen, dass das Kind Unterhaltsvorschuss erhalte und der Kläger selbst keinen Unterhalt zahle.

Schon erstinstanzlich sei bestritten worden, dass der Kläger an seine Großmutter einen monatlichenMietzinszahle. Ein Mietzins von 250 €, wie von ihm geltend gemacht, sei völlig überteuert, da er tatsächlich nur ein Zimmer nutze und die Wohnung der Großmutter zur Untermiete nicht geeignet sei. Doch selbst bei Ansatz eines Mietanteils von 250 € sei der Selbstbehalt angesichts eines Mietanteils von 360 € von 110 € auf 790 € herabzusetzen.

Im Hinblick auf das Zusammenleben mit der Großmutter, mit welcher der Kläger einen gemeinsamen Haushalt führe, sei eine Haushaltsersparnis zu berücksichtigen.

Nach der neuen Rechtsprechung des BGH stellten die Kita-Gebühren einen Mehrbedarf dar, den der Kläger ebenfalls decken müsse.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen und die Jugendamtsurkunde vom 15.9.2009 dahin abzuändern, dass der Kläger an sie ab November 2008 Unterhalt in Höhe des Mindestunterhalts und gemäß den Altersstufen nach § 1612 a Abs. 1 BGB und unter Berücksichtigung der Leistungen nach §§ 1612 b, c BGB monatlich im Voraus bis zum Ersten eines jeden Monats zu zahlen hat, wobei für die Monate September 2008 bis März 2009 monatlich 177 € und von April bis Oktober 2009 einschließlich monatlich 65 € als gezahlt abzusetzen seien.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor:

Er sei im Sicherheitsgewerbe vollschichtig tätig und könne eine Nebentätigkeit nicht ausüben. Er habe einen sicheren Arbeitsplatz. Das sei bei seinen Beschäftigungen als Maler und Lackierer nicht der Fall gewesen. Seine letzten drei Arbeitgeber seien in Insolvenz gegangen.

Er zahle für V... Unterhalt. Etwaige Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse würden ihn ohnehin nicht entlasten.

Die Wohnung der Großmutter sei zur Untervermietung geeignet. Ihm stehe dort ein Zimmer zur Verfügung. Man habe aber keinen gemeinsamen Haushalt. Jeder wirtschafte für sich allein.

Auch wenn er Mietkosten spare, habe er andere Ausgaben, die für seine Berufstätigkeit notwendig seien. Er müsse seinen Pkw mit monatlichen Raten von 352 € finanzieren und 320 € für die Kfz-Versicherung aufbringen. Das Fahrzeug sei für seine Berufstätigkeit zwingend erforderlich.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat den Kläger und die gesetzliche Vertreterin der Beklagten angehört. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 6.10.2009 verwiesen.

II.

Trotz Inkrafttretens des FamFG (Art. 1 des FGG-Reformgesetzes - FGG-RG - vom 17.12.2008, BGBl. I, S. 2586, 2587) am 1.9.2009 findet vorliegend das bisherige Verfahrensrecht Anwendung. Denn das Verfahren ist vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden, vgl. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG (BGBl. 2008 I, S. 2586, 2743; 2009 I, S. 700, 723).

Die danach gemäß § 511 ff. ZPO zulässige Berufung der Beklagten ist, soweit sie sich gegen die Abänderungsklage des Klägers richtet, teilweise begründet. Die Abänderungswiderklage hingegen ist unbegründet. Der Kläger hat der Beklagten ab September 2008 unter Abänderung der Jugendamtsurkunde vom 15.9.2005 monatlichen Unterhalt in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang zu zahlen.

1. Die Abänderung einer Jugendamtsurkunde als Unterhaltstitel richtet sich nach den Grundsätzen über die Veränderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ZPO gilt insoweit nicht, so dass auch der Unterhaltsschuldner rückwirkende Abänderung verlangen kann (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Schael, § 1, Rz. 400, 398). Ein Abänderungsgrund ist vorliegend schon deshalb gegeben, weil der Kläger am ....6.2006 Vater eines weiteren Kindes geworden ist. Vor diesem Hintergrund kommt eine Herabsetzung des Unterhalts, wie von ihm begehrt, ab September 2008 in Betracht.

Soweit die Beklagte mit der Widerklage Anhebung des titulierten Unterhalts ab November 2008 verlangt, ist, da die insoweit erforderlichen Voraussetzungen nach § 1613 Abs. 1 BGB (vgl. FamVerf/Schael, a. a. O., § 1, Sz. 398) mit dem Zugang der Widerklageschrift noch im November 2008 gegeben sind, eine Abänderung ebenfalls grundsätzlich möglich.

2. Der Unterhaltsbedarf der Beklagten beläuft sich jedenfalls auf den mit der Widerklage geltend gemachten Mindestunterhalt. Darauf, dass Kindergartenbeiträge in den Unterhaltsbeträgen, die in Unterhaltstabellen ausgewiesen sind und damit auch im Mindestunterhalt, nicht enthalten sind (vgl. BGH, FamRZ 2009, 962), kommt es nicht an. Zum einen hat die Beklagte zwar auf die entsprechende Rechtsprechung des BGH hingewiesen, ihren Widerklageantrag aber nicht entsprechend angepasst. Zum anderen ist der Kläger ohnehin nur eingeschränkt leistungsfähig, so dass er, wie gleich zu zeigen ist, nicht einmal den Mindestunterhalt für die Beklagte leisten kann. Eine Leistungsfähigkeit hinsichtlich des Mehrbedarfs für Kindergartenbeiträge ist daher erst recht nicht gegeben.

3. Die Leistungsfähigkeit des Klägers hinsichtlich des der Beklagten geschuldeten Unterhalts bestimmt sich nach dem bereinigten Einkommen des Klägers.

a) Abzustellen ist auf das Einkommen, das der Kläger tatsächlich erzielt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dem Kläger nicht etwa ein höheres Einkommen aus einer anderen Erwerbstätigkeit fiktiv zuzurechnen.

aa) Das Nettoeinkommen, dass der Kläger auf Grund seiner Tätigkeit im Bereich des Sicherheitsdienstes erzielt, beläuft sich, wenn man auf die in den monatlichen Lohnabrechnungen ausgewiesenen Auszahlungsbeträge abstellt, im Jahr 2008 auf insgesamt 12.890,57 €. Dies ergibt einen monatlichen Durchschnittsbetrag von rund 1.074 € (= 12.890,57 € : 12 Monate).

Das für den ab Januar 2009 zu zahlenden Unterhalt maßgebliche Einkommen kann unter Heranziehung der in den letzten zwölf belegten Monaten erzielten Einkünfte ermittelt werden. Die Auszahlungsbeträge für die Zeit von September 2008 bis August 2009 belaufen sich insgesamt auf 13.270,76 €. Dies ergibt einen monatlichen Durchschnittsbetrag von rund 1.106 € (= 13.270,76 € : 12 Monate).

bb) Der Ansatz eines höheren fiktiven Erwerbseinkommens scheidet aus.

Den Kläger trifft gegenüber der minderjährigen Beklagten gemäß § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit, das heißt, er hat alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für sich und das Kind zu verwenden. Als Unterhaltspflichtiger muss er danach seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen; soweit er keine Arbeit hat, muss er sich ausreichend um Arbeit bemühen (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rz. 708; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Schael, § 1, Rz. 309).

Kommt der Unterhaltsschuldner seiner Erwerbsobliegenheit nicht hinreichend nach, so ist zu prüfen, in welchem Umfang ihm unter Berücksichtigung seiner Erwerbsbiografie Einkünfte aus einer (anderen) Vollzeitbeschäftigung fiktiv zugerechnet werden können BGH, FamRZ 2008, 594 ff. Rn 22). Dabei ist die in Artikel 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, FamRZ 2008, 1403, 1404; FamRZ 2008, 131, 133; FamRZ 2007, 273, 274; FamRZ 2003, 661, 662). Deshalb bedarf es insbesondere dann, wenn der Unterhaltsschuldner nicht (mehr) arbeitslos ist, sondern einer Erwerbstätigkeit nachgeht, der Feststellung besonderer Umstände, die es rechtfertigen, unter dem Gesichtspunkt des bestmöglichen Einsatzes der Arbeitskraft von einem höheren fiktiven Einkommen, als tatsächlich erzielt, auszugehen (Senat, FamRZ 2006, 1701). Solche Umstände sind vorliegend nicht gegeben.

Allerdings hat der Kläger, wie sich aus dem im Schriftsatz vom 24.9.2009 dargestellten beruflichen Werdegang ergibt, den Beruf eines Malers und Lackierers erlernt. Die Einkünfte die der Kläger als Malergeselle seit 1998 erzielt hat und die ebenfalls im Schriftsatz vom 24.9.2009 im Einzelnen dargelegt sind, lagen überwiegend nicht bzw. nur unwesentlich höher als der Bruttostundenlohn, den der Kläger bei seinem jetzigen Arbeitgeber mit 6,90 € im Jahr 2008 und 7,30 € im Jahr 2009 erzielt. Anders verhält es sich nur im Hinblick auf einen am 6.9.2001 mit dem Malerbetrieb Burda abgeschlossenen Arbeitsvertrag, in dem ein Stundenlohn von 20 DM brutto, dass sind 10,23 € netto, vereinbart worden ist. Tatsächlich hat der Kläger nach seinem nicht bestrittenen Vortrag diesen Lohn nie erhalten, weil der Betrieb alsbald Insolvenz angemeldet hat.

Würde sich der Kläger erneut um eine Stelle als Maler- bzw. Lackierergeselle bemühen, könnte er im Hinblick darauf, dass er nur einmal, vor seinem Wehrdienst, über einen längeren Zeitraum von etwa einem Jahr als Malergeselle tätig war, während die drei nach dem Wehrdienst ausgeübten Tätigkeiten als Malergeselle wegen der jeweiligen Insolvenz der Arbeitgeber nur kurzzeitig waren, nur einen Mindest- bzw. Einstiegslohn erzielen. Dieser beläuft sich nach dem im Internet abrufbaren WSI-Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stiftung in den neuen Bundesländern auf 9,50 € bzw. 9,75 €. Bei einem Bruttostundenlohn von 9,50 € ergäbe sich auf der Grundlage von 173 Arbeitsstunden im Monat ein Bruttoeinkommen von 1.644 €. Dies würde bei einer Versteuerung nach Lohnsteuerklasse 1 und einem Kinderfreibetrag zu einem Nettoeinkommen von rund 1.153 € führen.

Das vom Kläger tatsächlich erzielte Nettoeinkommen liegt nicht derart deutlich unter diesem erzielbaren Betrag, dass man dem Kläger eine nicht ausreichende Ausnutzung seiner Erwerbsobliegenheit vorwerfen könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen in erheblichem Umfang Überstunden leistet. Die insoweit anfallenden Vergütungen sind unterhaltsrechtlich als Einkommen zu berücksichtigen, da sie als berufsüblich anzusehen sind (vgl. Nr. 1.3 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.1.2008).

Angesichts der vollschichtigen Tätigkeit mit mehr als 40 Wochenstunden kann der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht auf die Ausübung einer Nebentätigkeit verwiesen werden (vgl. BGH, FamRZ 2009, 314, 316, Rz. 22).

Da dem Kläger eine Verletzung der gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht vorgeworfen werden kann, kommt es darauf, ob auch gesundheitliche Einschränkungen, die der Kläger nicht im Einzelnen dargelegt hat (vgl. zu den Anforderungen insoweit BGH, FamRZ 2001, 1291, 1292), der Ausübung einer Tätigkeit als Maler oder Lackierer entgegenstehen und deshalb das Arbeitsamt eine Weiterbildungsmaßnahme des Klägers im Bereich des Sicherheitsdienstes gefördert hat, nicht an.

b) Ein Abzug für berufsbedingte Aufwendungen, kommt nicht in Betracht.

Das Amtsgericht hat für berufsbedingte Aufwendungen pauschal 5 % des Nettoeinkommens angesetzt. Die Voraussetzungen hierfür waren aber nicht gegeben, da ein Mangelfall vorliegt (vgl. Nr. 10.2.1 der genannten Leitlinien).

Doch auch ein Ansatz konkreter berufsbedingter Aufwendungen, insbesondere wegen Fahrtkosten, scheidet aus. Dabei kann dahinstehen, ob das schriftsätzliche Vorbringen des Klägers, das sich im Wesentlichen darauf beschränkt hat, die Notwendigkeit der Nutzung eines Pkw zum Erreichen der Arbeitsstelle zu behaupten, ausreicht. Denn selbst wenn man allein auf die konkreteren Angaben des Klägers bei seiner Anhörung vor dem Senat am 6.10.2009 abstellt, können Fahrtkosten keine Berücksichtigung finden.

Stehen die berufsbedingten Fahrtkosten zu dem erzielten Nettoeinkommen außer Verhältnis, ist der Unterhaltsschuldner insbesondere bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen zunächst auf die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zu verweisen (vgl. BGH, FamRZ 1984, 988, 990). Wenn die Fahrtkosten einen hohen, unverhältnismäßigen Aufwand verursachen, durch den angemessene Unterhaltsleistungen ausgeschlossen werden, ist ferner zu prüfen, ob von dem Unterhaltspflichtigen nicht ein Wechsel des Wohnortes erwartet werden kann (vgl. BGH, FamRZ 1998, 1501, 1502). Ergibt sich bei weiten Entfernungen zwischen Wohn- und Arbeitsstelle eine unangemessen hohe Belastung, muss schließlich auch darüber nachgedacht werden, ob der Wechsel in eine näher zum Wohnort gelegene Arbeitsstelle zumutbar ist (vgl. Senat, Urteil vom 1.8.2006 - 10 UF 203/05 -, BeckRS 2006 10142; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 1, Rn 100). Vorliegend kann vom Kläger unterhaltsrechtlich ein Wohnortwechsel erwartet werden.

Der Kläger hat vor dem Senat auf seinen Schichtdienst und die häufigen Einsätze nachts hingewiesen, weshalb die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zum Erreichen der Arbeitsstelle ausscheide. Wie zu Gunsten des Klägers unterstellt, ergeben sich bei Benutzung des Pkw angesichts der vom Kläger mit 25 Kilometer angegeben Entfernung zwischen Wohnung und Dienstort bei einer Kilometerpauschale von 0,25 € (vgl. Nr. 10.2.2 der genannten Leitlinien) monatliche Fahrtkosten von rund 229 € (= 25 km x 2 x 0,25 € x 220 Arbeitstage : 12 Monate).

Das ist mehr als 1/5 des Nettoeinkommens. Mit Rücksicht auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit ist der Kläger gehalten, die berufsbedingten Aufwendungen gering zu halten. Da er das Fahrzeug für die Geldtransporte nach eigenen Angaben stets am C... Platz in B... übernimmt, besteht unterhaltsrechtlich die Verpflichtung, eine Wohnung nahe an diesem Einsatzort zu nehmen. Anerkennenswerte Bindungen an das von ihm bisher bewohnte Zimmer in der Wohnung seiner Großmutter hat er nicht geltend gemacht. Das gilt auch für den nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20.10.2009, mit dem er eine Erklärung seiner Großmutter vorgelegt hat, wonach man in der Wohnung nicht zusammen wirtschafte und die einzige Gemeinsamkeit im gemeinsamen Einkaufen und dem Mittagessen am Wochenende bestehe. Angesichts dessen konnte vom Kläger erwartet werden, sich noch vor Beginn des Abänderungszeitraums um eine andere Wohnung in unmittelbarer Nähe seines Einsatzortes zu bemühen. In der Wohnung seiner Großmutter hat der Kläger bislang lediglich ein Zimmer bewohnt sowie Küche und Bad mitbenutzt. Dass er eine entsprechende Wohnung in B... zu einer Warmmiete finden könnte, die den im notwendigen Selbstbehalt enthaltenen Mietanteil von 360 € (Nr. 21.2 der genannten Leitlinien) nicht übersteigt, kann angenommen werden.

c) Als weiteres Einkommen sind die Steuererstattungen in dem Jahr, in dem sie anfallen, zu berücksichtigen (Nr. 1.7 der genannten Leitlinien). Nach dem schriftsätzlichen Vortrag des Klägers, wonach er Steuererstattungen von 343 € für 2007 und von 738 € für 2008 erhalten hat, kann, wie im Senatstermin vom 6.10.2009 erörtert, von einer durchschnittlichen monatlichen Steuererstattung von 29 € im Jahr 2008 und 62 € im Jahr 2009 ausgegangen werden.

d) Monatliche Kreditraten von 352 € für die Anschaffung des Pkw sowie Beiträge für die Kfz-Versicherung können keine Berücksichtigung finden. Da der Kläger, wie bereits ausgeführt, unterhaltsrechtlich gehalten ist, eine Wohnung in unmittelbarer Nähe zu seinem Dienstort zu nehmen, ist er beruflich auf die Nutzung eines Pkw nicht angewiesen, so dass entsprechende Aufwendungen nicht vom Einkommen abgesetzt werden können.

e) Danach ist von folgendem bereinigtem Einkommen des Klägers auszugehen:

- 1.103 € (= 1.074 € Nettoeinkommen + 29 € Steuererstattung) im Jahre 2008,

- 1.168 € (= 1.106 € Nettoeinkommen + 62 € Steuererstattung) im Jahre 2009.

4. Leistungsfähig ist der Kläger in dem Umfang, in dem sein bereinigtes Einkommen den Selbstbehalt übersteigt (Nr. 21.1 der Leitlinien). Gegenüber minderjährigen Kindern ist der notwendige Selbstbehalt zu wahren, der grundsätzlich 900 € beträgt (Nr. 21.2 der Unterhaltsleitlinien).

Eine Herabsetzung des Selbstbehalts wegen kostengünstigen bzw. kostenfreien Wohnens, wie von der Beklagten geltend gemacht, scheidet vorliegend aus. Dem Unterhaltsschuldner steht es grundsätzlich frei, sich hinsichtlich der Wohnkosten so einzurichten, dass diese unterhalb des im notwendigen Selbstbehalt enthaltenen Wohnkostenanteils liegen, um Mittel für andere Bedürfnisse frei zu bekommen (vgl. BGH, FamRZ 2004, 186, 189). Eine Herabsetzung des Selbstbehalts unter diesem Gesichtspunkt ist daher nicht gerechtfertigt. Im Übrigen kommt es auf die Frage, welche Wohnkosten der Kläger im Hinblick auf das Bewohnen eines Zimmers in der Wohnung der Großmutter hat, nicht an. Denn der Kläger ist, wie bereits ausgeführt, unterhaltsrechtlich gehalten, eine Wohnung in unmittelbarer Nähe seines Dienstortes in B... zu nehmen.

Auch eine Herabsetzung des Selbstbehalts unter dem Gesichtspunkt einer Haushaltsersparnis scheidet aus. Allerdings kann der Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen um die durch eine gemeinsame Haushaltsführung eintretende Ersparnis, höchstens jedoch bis auf sein Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen herabgesetzt werden (BGH, FamRZ 2008, 594). Ob dies wegen der Synergieeffekte (vgl. BGH, a. a. O., Rz. 37) auch in Betracht kommt, wenn der Unterhaltsschuldner nicht mit einem Ehegatten oder einem Lebensgefährten, sondern mit einem anderen Verwandten, wie etwa einem Großelternteil, zusammenlebt, kann dahinstehen. Auch kann offen bleiben, ob angesichts der Angaben des Klägers vor dem Senat, wonach er mit seiner Großmutter häufig zusammen einkaufe und koche, jeder einmal den Einkauf bezahle, man aber keine gemeinsame Haushaltskasse habe, von entsprechenden Synergieeffekten auszugehen wäre. Denn im vorliegenden Verfahren ist der Kläger, wie bereits ausgeführt, so zu behandeln, als hätte er eine Wohnung in unmittelbarer Nähe seines Dienstorts. Unterhaltsrechtlich ist also gerade nicht davon auszugehen, dass er mit seiner Großmutter in einer Wohnung lebt.

5. Angesichts des notwendigen Selbstbehalts von 900 € stehen folgende Beträge für Unterhaltszwecke zur Verfügung:

- 203 € (= 1.103 € - 900 €) im Jahre 2008,

- 268 € (= 1.168 € - 900 €) im Jahre 2009.

Der Kläger ist neben der Beklagten auch seiner Tochter V..., geboren am ....6.2006, zum Unterhalt verpflichtet. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ist vor diesem Hintergrund grundsätzlich ebenso zu beurteilen wie bei gleichzeitiger Entscheidung über die Ansprüche aller Kinder (vgl. BGH, NJW 1992, 1624).

Dass der Kläger auch für V... Unterhalt in Anspruch genommen worden ist, kann dem vorgelegten Schreiben der Mutter dieses Kindes, worin diese bestätigt, jeden Monat pünktlich Unterhalt zu erhalten, entnommen werden. Bislang zahlt der Kläger für jedes der beiden Kinder monatlich 65 €. Nach seinem Einkommen steht ihm nun eine höhere Verteilungsmasse zur Verfügung. Diese ist gleichmäßig auf beide Kinder aufzuteilen.

Beide Kinder sind nach § 1609 Nr. 1 BGB gleichrangig und gehören auch derselben Altersstufe an. Die soeben ermittelte Verteilungsmasse kann daher hälftig auf beide Kinder aufgeteilt werden. Auf die Beklagte entfallen damit

- rund 102 € (= 203 € : 2) im Jahre 2008,

- 134 € (= 268 € : 2) im Jahre 2009.

6. Zu berücksichtigen sind die Zahlungen, welche der Kläger für die Beklagte geleistet hat, nämlich monatlich 177 € für September 2008 bis März 2009 und 65 € für April bis Oktober 2009.

Eine entsprechende Maßgabe hat die Beklagte vor dem Senat auch in ihren Antrag aufgenommen. Soweit die bis einschließlich März 2009 tatsächlich geleisteten Beträge über dem geschuldeten Unterhalt, wie er sich nun errechnet, liegen, kann aber nur eine Anrechnung, nicht etwa auch eine Verrechnung auf andere Zeiträume, erfolgen. Dies wäre nur im Rahmen eines Vergleichs möglich gewesen.

Für die Zeit bis einschließlich März 2009 verbleibt ein noch zu zahlender Unterhalt nicht. Von April bis Oktober 2009 sind noch 69 € (=134 € - 65 €) zu zahlen.

Für die Zeit ab November 2009 ist der Unterhalt als Prozentsatz des Mindestunterhalts auszudrücken, da der abzuändernde Titel ebenfalls dynamisierten Unterhalt zum Gegenstand hatte.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

8. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 20.10.2009 gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.

Ende der Entscheidung

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