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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 12.03.2007
Aktenzeichen: 10 WF 154/06
Rechtsgebiete: ZPO, FGB/DDR, BGB, EGBGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
FGB/DDR § 40
FGB/DDR § 40 Abs. 1
FGB/DDR § 40 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1376 Abs. 4
BGB § 1378 Abs. 1
BGB § 1380
EGBGB Art. 234 § 4 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 154/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Berger als Einzelrichterin

am 12. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Eberswalde vom 23. Januar 2006 abgeändert.

Der Antragstellerin wird auch für die Folgesache über das eheliche Güterrecht unter Beiordnung von Rechtsanwältin B... in T... zu den Bedingungen einer ortsansässigen Anwältin Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie Zahlung von insgesamt 127.973 € begehrt.

Der weitergehende Prozesskostenhilfeantrag und die weitergehende Beschwerde werden zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist überwiegend begründet. Der Antragstellerin ist Prozesskostenhilfe auch für die Folgesache über das eheliche Güterrecht in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zu bewilligen. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

Aufgrund der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/ Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 19) ergibt sich für die Antragstellerin ein Ausgleichsanspruch gemäß § 40 FGB/DDR von 53.000 € und ein Zugewinnausgleichsanspruch gemäß § 1378 Abs. 1 BGB von 74.973 €, also ein Zahlungsanspruch von insgesamt 127.973 €.

Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch gemäß § 40 Abs. 1 FGB/DDR, Art. 234 § 4 Abs. 4 EGBGB ist, dass der Ehegatte wesentlich zur Vergrößerung oder Erhaltung des Vermögens des anderen beigetragen hat. Ein solcher Beitrag kann in einer mittelbaren Entlastung des anderen Ehepartners durch Leistungen im Haushalt und bei der Erziehung der Kinder gesehen werden (vgl. BGH, FamRZ 1993, 1048; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, FamRZ 2003, 452 ff). Die Antragstellerin, die zusammen mit dem Antragsgegner und den gemeinsamen Kindern in dem vom Antragsgegner geerbten Haus in L... gelebt hat, hat dargestellt, dass sie den Haushalt geführt, die beiden Töchter betreut und darüber hinaus Gemüse und Tabak angebaut sowie Tiere gezüchtet hat, zunächst einige Jahre berufstätig, später bis zum Jahr 1988 nur im häuslichen Bereich gearbeitet hat, sodass ein solcher Beitrag der Antragstellerin angenommen werden kann, und zwar unabhängig davon, ob die Kinder - stundenweise - die Krippe und später den Kindergarten besucht haben oder nicht.

Für das summarische Prozesskostenhilfeverfahren ist von den von der Antragstellerin genannten Werten auszugehen, die im Hauptsacheverfahren im Hinblick auf das Bestreiten des Antragsgegners durch ein Wertermittlungsgutachten eines Sachverständigen festzustellen sind. Der Wert des gesamten Grundvermögens des Antragsgegners einschließlich des Wohnhauses hatte nach den Angaben der Antragstellerin am 3.10.1990 einen Wert von rd. 212.000 €. Da der Höchstwert eines Anspruchs gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 FGB/DDR bei der Hälfte des Wertes des Vermögens des anderen Ehegatten liegt, kann die Antragstellerin ein Viertel dieses Wertes (vgl. dazu Schael, NJ 2004, 289 ff., 294; s. a. OLG Dresden, FamRZ 2000, 885, 887; FamRZ 2001, 761, 762; OLG Brandenburg - 1. Senat für Familiensachen -, FamRZ 2003, 452, 454; FamRZ 2004, 630; Götsche, FamRB 2003, 256, 258), also einen Betrag von 53.000 €, verlangen.

Im Prozesskostenhilfeverfahren kann der Berechnung des Ausgleichsanspruchs die gesamte Grundfläche zu Grunde gelegt werden, unabhängig davon, dass die landwirtschaftlichen Flächen von einer LPG genutzt worden sind. Denn die Beurteilung der Frage, ob diese Nutzung wie diejenige eines Betriebes zu beurteilen ist (vgl. dazu Ministerium der Justiz (Hrsgb.), Kommentar zum FGB der DDT, 5. Aufl., § 40, Anm. 1.1.) oder ob eine Erhaltung oder Vergrößerung dieses Vermögens nicht angenommen werden kann, weil der LPG ein dauerndes und umfassendes Nutzungsrecht zustand, welches jegliche Bewirtschaftung des Grundstücks einschließlich des Rechts zur Errichtung von Bauten und baulichen Veränderungen umfasste (vgl. dazu Rohde u. a., Bodenrecht, 1989, S. 103 f) und damit das Grundvermögen im Ergebnis dem Einfluss des Eigentümers entzogen hat, stellt eine, soweit ersichtlich, bisher nicht erörterte und entschiedene Rechtsfrage dar, die wegen ihrer Bedeutung im Prozesskostenhilfeverfahren nicht abschließend zu Lasten der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei entschieden werden darf (vgl. dazu Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rz. 21).

Ferner hat die Antragstellerin einen Zugewinnausgleichsanspruch nach § 1378 Abs. 1 BGB in Höhe von 75.500 € schlüssig vorgetragen.

Sie selbst hat neben dem oben ermittelten Anspruch gemäß § 40 FGB/DDR in Höhe von 53.000 € kein Anfangsvermögen. Bereinigt man dieses Anfangsvermögen um den Kaufkraftschwund mit dem Faktor von 98,6 : 80,6 (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 65. Aufl., § 1376, Rz. 30), ergibt sich ein Betrag von rd. 64.836 € (= 53.000 € x 98,6 : 80,6). Das Endvermögen der Antragstellerin besteht nur aus dem Anspruch aus § 40 FGB, sodass sich kein Zugewinn ergibt.

Bei der Ermittlung des Zugewinns des Antragsgegners ist für das summarische Prozesskostenhilfeverfahren vom vollen wirklichen Wert seines Grundvermögens auszugehen. Zwar kann gemäß § 1376 Abs. 4 BGB der reale Ertragswert eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs maßgeblich sein (vgl. dazu im Einzelnen Staudinger/Thiele (2000), § 1376, Rz. 14). Dies ist aber nur dann der Fall, wenn der land- oder forstwirtschaftliche Betrieb sowohl bei der Berechnung des Anfangsvermögens als auch des Endvermögens zu berücksichtigen ist (s. a. MünchKomm/Koch, BGB, 4. Aufl., § 1376, Rz. 40). Dies ist vorliegend zu verneinen.

Im Anfangsvermögen des Antragstellers befand sich kein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb. Vielmehr hat der Antragsgegner nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin die zunächst von einer LPG bewirtschafteten Nutzflächen erst im Jahr 1991 übernommen und danach als sog. Wiedereinrichter den landwirtschaftlichen Betrieb begründet. Der Betrieb ist also, ausgehend vom Eintritt in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft am 3.10.1990, während der Ehe aufgenommen worden. Selbst wenn man im Hinblick darauf, dass die im Eigentum des Antragsgegners befindlichen landwirtschaftlichen Flächen vor dem 3.10.1990 von der LPG bewirtschaftet worden sind und der Antragsgegner den Betrieb alsbald nach dem 3.10.1990 aufgenommenen hat, davon ausgehen sollte, dass der Antragsteller den landwirtschaftlichen Betrieb in die Ehe eingebracht hat, kann ungeachtet der weiteren Frage, ob der Betrieb auch beim Endvermögen zu berücksichtigen ist, nicht der Ertragswert angesetzt werden. Denn im Prozesskostenhilfeverfahren kann diese Rechtsfrage, die bisher, soweit ersichtlich, weder erörtert noch entschieden ist, wegen ihrer Bedeutung nicht abschließend zu Lasten der Prozesskostenhilfe begehrenden Antragstellerin entschieden werden (vgl. dazu Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rz. 21).

Auch bei der Ermittlung des Endvermögens des Antragsgegners ist vom Verkehrswert des Grundvermögens und nicht vom Ertragswert auszugehen. Denn abgesehen davon, dass der Ertragswert nur dann maßgeblich ist, wenn der landwirtschaftliche Betrieb bereits bei der Berechnung des Anfangsvermögens zu berücksichtigen ist, muss der Betrieb überhaupt noch bestehen und eine Weiterführung oder Wiederaufnahme durch den Eigentümer oder seine Abkömmlinge muss erwartet werden können. Erforderlich ist insoweit eine zum selbstständigen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb geeignete, eingerichtete und bestimmte Grundstückseinheit oder Mehrheit von Grundstücken, welche mit entsprechenden Baulichkeiten versehen ist, der Betrieb muss auf landwirtschaftliche Nutzung - Ackerbau, Viehzucht u. a. - oder Forstwirtschaft - Gewinnung von Nutz- und Brennholz, Baumschulen usw. - gerichtet sein (vgl. Staudinger/Thiele (2000), § 1376, Rz. 15). Dies ist nach den Angaben der Antragstellerin nicht der Fall. Sie hat insoweit ausgeführt, dass der 63 Jahre alte Antragsgegner den Betrieb nicht fortführe, mit einer Übernahme durch die Kinder sei nicht zu rechnen. Dem ist der insoweit beweispflichtige (vgl. BGH, FamRZ 1989, 1276) Antragsgegner nicht entgegengetreten. Er hat lediglich pauschal behauptet, den Betrieb noch zu führen, wobei die Erträge allerdings nur noch der eigenen Lebensunterhaltung dienten.

Damit ist auf Seiten des Antragsgegners von einem Anfangsvermögen von rd. 212.000 € (= 176.925 € Bodenwert und 35.000 € Wert des Hauses) auszugehen. Davon ist der Anspruch der Antragstellerin aus § 40 FGB/ DDR abzuziehen. Es verbleibt ein Betrag von 159.000 €. Nach Bereinigung um den Kaufkraftschwund mit dem Faktor 98,6 : 80,6 ergibt sich ein Anfangsvermögen des Antragsgegners von rd. 194.509 €.

Das Endvermögen des Antragsgegners, bestehend aus Grundvermögen und Wohnhaus sowie der Forderung der Antragstellerin nach § 40 FGB/DDR, beträgt 344.455 € (= 327.455 € + 70.000 € - 53.000 €). Zieht man davon das oben ermittelte Anfangsvermögen ab, ergibt sich ein Zugewinn von 149.946 € (= 344.455 € - 194.509 €). Davon steht der Antragstellerin gemäß § 1378 Abs. 1 BGB die Hälfte zu, das sind 74.973 €.

Der Einwand des Antragsgegners, auf die Zugewinnausgleichsforderung seien Vorausempfänge gemäß § 1380 BGB anzurechnen, mag im Hauptverfahren geprüft werden. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass er der Antragstellerin etwas durch Rechtsgeschäft mit der Bestimmung zugewendet habe, dass es auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden sollte, hat der Antragsgegner bisher nicht vorgetragen.

Die vom Antragsgegner angeführte längere Trennungszeit rechtfertigt grundsätzlich keine andere Beurteilung, nachdem die Parteien keine anderweitige Regelung herbeigeführt haben (vgl. dazu Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., Anm. zu und vor § 1385 BGB).

Ende der Entscheidung

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