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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.11.2008
Aktenzeichen: 10 WF 163/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
BGB § 426 Abs. 1 Satz 1
BGB § 1361 Abs. 3
BGB § 1579 Nr. 2 n. F.
BGB § 1579 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... in E. bewilligt, soweit sie monatlichen Trennungsunterhalt von 466 € ab Dezember 2007 geltend macht.

Das weitergehende Prozesskostenhilfegesuch und die weitergehende sofortige Beschwerde werden zurückgewiesen.

Es werden monatliche Raten von 60 € festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, soweit sie monatlichen Trennungsunterhalt von 466 € geltend macht. Insoweit bietet ihre Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

1. Bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs ist vom tatsächlichen Einkommen der Klägerin auszugehen. Es ist daher das Arbeitslosengeld I, das unterhaltsrechtlich Einkommen darstellt (Nr. 2.1 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.1.2008), in Höhe von 600 € heranzuziehen.

Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 254) scheidet der Ansatz eines fiktiven höheren Einkommens der Klägerin aus Erwerbstätigkeit aus. Zu ihren Gunsten ist davon auszugehen, dass sie an einer Krankheit leidet, die sie an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hindert.

Allerdings muss der Unterhaltsberechtigte, soweit er sich im Unterhaltsprozess darauf beruft, krankheitsbedingt einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen zu können, Art und Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigung oder Leiden darlegen. Der bloße Hinweis auf eine Erkrankung lässt weder erkennen, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestehen noch inwieweit sich diese auf die Erwerbsfähigkeit auswirken. Aus den Vortrag muss sich auch ergeben, auf welchen Zeitpunkt sich die Behauptung, nicht erwerbsfähig zu sein, bezieht (vgl. BGH, FamRZ 2001, 1291, 1292; FamRZ 2007, 200, 202). Vorliegend kann aber jedenfalls im Prozesskostenhilfeverfahren der Vortrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 5.8.2008, wonach sie infolge von Depressionen nicht in der Lage sei, einer vollschichtigen oder auch nur halbschichtigen Tätigkeit nachzugehen, als ausreichend angesehen werden. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte selbst mit Schriftsatz vom 30.6.2008 darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin seit 4.8.2006 Krankengeld beziehe und sie neben bestehenden psychischen Problemen alkoholabhängig, jedoch nicht bereit sei, diese Erkrankung anzuerkennen.

Im Hauptverfahren wird das Amtsgericht weitere Feststellungen zum Gesundheitszustand der Klägerin treffen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, es solle ein Sachverständigengutachten ihrer behandelnden Ärztin eingeholt werden, so scheidet dies aus. Die Klägerin mag aussagekräftige Atteste der Ärztin über ihren aktuellen Gesundheitszustand beibringen. Soweit das Amtsgericht, insbesondere falls der Beklagte weiterhin die Erwerbsunfähigkeit der Klägerin bestreitet, die Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich halten sollte, wird es einen unabhängigen Sachverständigen beauftragen, der den Gesundheitszustand der Klägerin unvoreingenommen begutachten wird.

Sollte sich im weiteren Verfahren herausstellen, dass die Klägerin vor allem infolge einer Alkoholabhängigkeit nicht in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, müssten mit Rücksicht darauf, dass der Beklagte geltend macht, die Klägerin sei bisher nicht bereit gewesen, sich geeigneten medizinisch-therapeutischen Maßnahmen zu unterziehen, weitere Feststellungen dazu getroffen werden, inwieweit sie ihre Bedürftigkeit selbst mutwillig herbeigeführt hat, § 1579 Nr. 4 BGB i. V. m. § 1361 Abs. 3 BGB (vgl. hierzu Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 4, Rz. 683 ff.).

2. Im Prozesskostenhilfeverfahren ist zu Gunsten der Klägerin davon auszugehen, dass der Wohnvorteil für das mietfreie Wohnen im eigenen Haus bei jedem Ehegatten hälftig mit 250 € zu veranschlagen ist. Das Hauptverfahren mag ergeben, ob auf den Beklagten ein geringerer Anteil entfällt, weil er, wie er geltend macht, wegen Montagetätigkeit das Haus nur selten nutzt.

3. Vom Einkommen der Klägerin können Kreditraten im Hinblick auf die Belastung des Hauses nicht abgesetzt werden. Denn unstreitig zahlt die Klägerin keine Kreditraten.

4. Das Einkommen des Beklagten aus Erwerbstätigkeit beträgt unstreitig rund 2.920 €.

5. Bei summarischer Betrachtung kann zu Gunsten der Klägerin angenommen werden, dass auf Seiten des Beklagten ein Abzug für berufsbedingte Aufwendungen zu unterbleiben hat. Das Hauptverfahren mag ergeben, ob der Beklagte, wie er bislang pauschal behauptet hat, auf Grund seiner Auslandseinsätze berufsbedingte Aufwendungen hat, die durch die vom Arbeitgeber gewährte Montagezulage nicht abgedeckt sind. Insoweit kommt je nach Gestaltung im Einzelfall auch die Heranziehung der Montagezulage, die bislang bei der Einkommensberechnung offenbar keine Berücksichtigung gefunden hat, mit einem Drittel der Nettobeträge in Betracht (vgl. Nr. 1.4 der genannten Leitlinien).

6. Die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 30.6.2008 geltend gemachten Aufwendungen für Versicherungen und den PKW bleiben bei der summarischen Prüfung ebenfalls außer Betracht. Bei den Aufwendungen für den PKW wie auch bei den Prämien für die Haftpflicht- und die Unfallversicherung handelt es sich um den allgemeinen Lebensbedarf, der unterhaltsrechtlich keine Berücksichtigung findet (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl. Rz. 976 ff.). Inwieweit die Risikolebensversicherung, weil sie etwa im Rahmen der Hausfinanzierung auf Betreiben der kreditierenden Bank abgeschlossen werden musste, die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat, ist im Hauptverfahren zu prüfen. Dabei ist auch zu klären, ob mit Rücksicht darauf, dass beide Parteien nach der vorgelegten Sicherheitspolice versicherte Personen sind, tatsächlich der vollständige Beitrag allein vom Beklagten entrichtet wird.

Die private Rentenversicherung kann unter dem Gesichtspunkt einer zusätzlichen Altersvorsorge abzugsfähig sein (vgl. Nr. 10.1 der genannten Leitlinien). Da der Beklagte sein Bruttojahreseinkommen nicht dargelegt hat, kann aber nicht abschließend geprüft werden, ob auch unter Berücksichtigung der Tilgung des Hauskredits, bei dem es sich ebenfalls um eine Form der Altersvorsorge handelt (vgl. BGH, FamRZ 2008, 963 ff., Rz. 21), die Höchstgrenze von 4 % eingehalten ist. Zu Gunsten der Klägerin ist die Prämie für die Rentenversicherung im Prozesskostenhilfeverfahren daher außer Betracht zu lassen.

7. In vollem Umfang abzugsfähig sind dagegen die vom Beklagten geleisteten Kreditraten im Hinblick auf die ehebedingten Verbindlichkeiten. Insoweit besteht zwar, wenn der Beklagte, obwohl beide Parteien der kreditierenden Bank als Gesamtschuldner haften, die Kreditraten alleine zahlt, ein Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin auf Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ein solcher Ausgleich entfällt aber dann, wenn die gemeinsame Schuld unterhaltsrechtlich berücksichtigt wird (Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1, Rz. 345 sowie Rz. 632). Der Beklagte macht vorliegend die Berücksichtigung der Kreditrate bei der Unterhaltsbemessung geltend. Dementsprechend ist sie von seinem Einkommen abzusetzen. Eine spätere Geltendmachung im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs scheidet dann aber wegen des Verbots der Doppelverwertung aus (vgl. OLG Bremen, FamRZ 2008, 1443). Abzugsfähig ist hier somit die gesamte Kreditrate für das Haus mit rund 730 €, ebenso die an die ...bank zu zahlende Kreditrate mit 403 €.

8. Auf Seiten des Beklagten geht somit zunächst ein Betrag von 1.787 € (= 2.920 € - 730 € Hauskredit - 403 € ...bankkredit) in die Unterhaltsberechnung ein. Setzt man hiervon 1/7 als Erwerbstätigenbonus ab (vgl. Nr. 15.2 der genannten Leitlinien), verbleiben 1.532 €. Nach Hinzusetzen des Wohnvorteils von 250 € ergeben sich 1.782 €. Setzt man hiervon die Einkünfte der Klägerin mit 850 € (= 600 € Arbeitslosengeld I + 250 € Wohnvorteil) ab, verbleiben 932 €. Die Hälfte hiervon, also 466 €, stellt ihren ungedeckten Unterhaltsbedarf dar.

9. Eine Anrechnung von 500 € auf den soeben ermittelten Unterhaltsbedarf kommt nicht in Betracht. Unstreitig zahlt der Beklagte der Klägerin keinen Barunterhalt. Der Betrag von 500 € ist im vorliegenden Verfahren nur im Zusammenhang mit den vom Beklagten geleisteten Kreditraten genannte worden. Da die Kreditraten aber, wie unter 7. dargelegt, vollständig vom Einkommen des Beklagten abzusetzen sind, kann eine nochmalige Anrechnung auf den Unterhaltsbedarf der Klägerin nicht erfolgen.

10. In Höhe eines Unterhalts von 466 € ist der Beklagte ohne weiteres leistungsfähig. Sein Eigeneinkommen beläuft sich auf 2.037 € (= 1.787 € + 250 €). Ein Erwerbstätigenbonus ist bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit nicht abzusetzen (Nr. 21.1. der Leitlinien). Unter Berücksichtigung des billigen Selbstbehalts von 1.000 € (Nr. 21.4 der Leitlinien) verbleibt für Unterhaltszwecke ein Betrag von 1.037 €, sodass der errechnete Unterhaltsbedarf der Klägerin ohne weiteres gedeckt werden kann.

11. Das Vorliegen eines Härtegrundes gemäß § 1579 Nr. 2 BGB n. F. i. V. m. § 1361 Abs. 3 BGB wegen verfestigter Lebensgemeinschaft kann nicht angenommen werden. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin, was sie bestreitet, einen Lebensgefährten hat. Ein Härtegrund ist nämlich erst dann gegeben, wenn eine gewisse Mindestdauer, die im Einzelfall kaum unter zwei bis drei Jahren liegen kann, festzustellen ist (vgl. BGH, FamRZ 2007, 1303 ff., Rz. 30). Insoweit trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Wendl/Dose, a.a.O., § 6, Rz. 712). Der Beklagte hat aber bislang keine Angaben zur Dauer der von ihm behaupteten Beziehung der Klägerin zu einem neuen Lebensgefährten gemacht.

12. Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe nicht ratenfrei bewilligt werden. Setzt man von ihrem Einkommen von 600 € den Unterhaltsfreibetrag von 386 € und die im Prozesskostenhilfeverfahren 3 F 420/07 festgesetzten Monatsraten von 45 € (vgl. hierzu FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 237) ab, verbleibt ein einzusetzendes Einkommen von 169 €. Nach der Tabelle in § 115 Abs. 2 ZPO sind monatliche Raten von 60 € zu leisten.

13. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO, KV 8614.

Ende der Entscheidung

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