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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 13.05.2002
Aktenzeichen: 10 WF 176/01
Rechtsgebiete: FGG, BGB, BVormVG, UStG


Vorschriften:

FGG § 22 Abs. 1
FGG § 50 Abs. 5
FGG § 56 g Abs. 1
FGG § 56 g Abs. 5
FGG § 56 g Abs. 7
FGG § 67 Abs. 3
BGB § 1693
BGB §§ 1835 ff.
BGB § 1835 Abs. 2
BGB § 1835 Abs. 3
BGB § 1835 a
BGB § 1835 a Abs. 4
BGB § 1836
BGB § 1836 Abs. 1 Satz 1
BGB § 1836 Abs. 1 Satz 2
BGB § 1836 Abs. 2
BGB § 1836 a
BGB § 1909
BGB § 1909 Abs. 1
BGB § 1915 Abs. 1
BVormVG § 1
UStG § 4 Nr. 26
UStG § 4 Nr. 26 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
10 WF 176/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluss

In der Familiensache

betreffend die Minderjährige Y.,

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 22. Oktober 2001 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Perleberg vom 17. Oktober 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ...

am 13. Mai 2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Der Beschwerdewert wird auf 528,84 DM festgesetzt.

Gründe:

Bei der Beschwerde/Erinnerung der Antragstellerin vom 22.10.2001 handelt es sich um eine sofortige Beschwerde im Sinne von § 56 g Abs. 1, 5, 7 FGG. Danach findet gegen die gerichtliche Entscheidung über die Festsetzung der Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche des Klägers die sofortige Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 300 DM übersteigt. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Zum einen geht es vorliegend um Ansprüche der Antragstellerin als Ergänzungs-, nicht als Verfahrenspflegerin. Denn durch Beschluss des Amtsgerichts vom 18.8.1999 ist eine Pflegschaft gem. § 1909 Abs. 1 BGB eingeleitet worden. Die Vorschrift des § 1909 BGB sieht vor, dass derjenige, der unter elterlicher Sorge (...) steht, für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern (...) gehindert sind, einen Pfleger erhält.

Zum anderen ist der Beschwerdewert erreicht, da durch den angefochtenen Beschluss ein Betrag von 323,02 DM anstelle des beantragten Betrages von 851,86 DM festgesetzt worden ist.

Die sofortige Beschwerde ist auch innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist des § 22 Abs. 1 FGG eingelegt worden. Der angefochtene Beschluss ist der Antragstellerin am 22.10.2001 zugestellt worden, die Beschwerdeschrift ist am 24.10.2001 beim Amtsgericht eingegangen.

Zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist der Senat berufen, da die Festsetzung der Aufwandsentschädigung durch das Familiengericht als das für die Festsetzung zuständige erstinstanzliche Gericht des Pflegschaftsverfahrens erfolgt ist (Keidel/Engelhardt, FGG, 14. Aufl., § 56 d, Rz. 5). Die Zuständigkeit des Familiengerichts zur Anordnung der Ergänzungspflegschaft gem. § 1909 BGB im Fall der hier vorliegenden rechtlichen Verhinderung der Eltern des Kindes ergibt sich aus § 1693 BGB (OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 243; Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1909, Rz. 10).

Die sofortige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Eine Festsetzung des beantragten Aufwendungsersatzes über den zuerkannten Betrag von 323,02 DM hinaus kommt nicht in Betracht.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts steht der Antragstellerin eine - von ihr im Übrigen auch nicht beantragte - Vergütung nicht zu. Insbesondere kann eine Vergütungsfestsetzung nicht gem. §§ 50 Abs. 5, 67 Abs. 3 FGG i.V.m. § 1 BVormVG erfolgen, da die Antragstellerin nicht zur Verfahrenspflegerin bestellt, sondern Ergänzungspflegschaft gem. § 1909 BGB angeordnet worden ist. Die Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche des Ergänzungspflegers richten sich nach §§ 1835 ff. BGB. Denn gem. § 1915 Abs. 1 BGB finden auf die Pflegschaft die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, folglich auch die Regeln über den Aufwendungsersatz gem. §§ 1835, 1835 a BGB und die Vergütung gem. §§ 1836, 1836 a BGB (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1915, Rz. 3). Daraus folgt ein Vergütungsanspruch der Antragstellerin nicht.

Gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB wird die Pflegschaft grundsätzlich unentgeltlich geführt. Eine Vergütungspflicht besteht nach § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB bzw. § 1836 a BGB ausnahmsweise für den Fall, dass das Gericht bei der Pflegerbestellung feststellt, dass der Pfleger die Pflegschaft berufsmäßig führt. Eine solche Feststellung enthält der Bestellungsbeschluss vom 18.8.1999 nicht. Als nicht berufsmäßige Pflegerin könnte die Antragstellerin nach Maßgabe des § 1836 Abs. 3 BGB eine Vergütung nur von einem vermögenden Pflegling erhalten (Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl., § 1836, Rz. 4), keinesfalls, wie hier begehrt, aus der Staatskasse. Daher hat die Antragstellerin nur einen Anspruch auf Ersatz der konkreten Aufwendungen gem. § 1835 BGB oder auf die pauschale Aufwandsentschädigung gem. § 1835 a BGB gegen die Staatskasse (Soergel/Zimmermann, a.a.O., § 1836, Rz. 4; § 1835 a, Rz. 4). Dabei hat sie die Wahl, ob sie die Aufwendungen im Einzelnen nach § 1835 BGB abrechnet oder ob sie die Pauschale gem. § 1835 a BGB geltend macht. Eine Kumulierung von Einzelabrechnung und Entschädigung ist ausgeschlossen (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1835 a, Rz. 1). Das Wahlrecht muss innerhalb der Ausschlussfrist des § 1835 a Abs. 4 BGB, also binnen drei Monaten nach Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entsteht, ausgeübt werden (MünchKomm/Wagenitz, BGB, 4. Aufl., § 1835 a, Rz. 6). Dies ist hier geschehen.

Die Antragstellerin hat das ihr zustehende Wahlrecht ausgeübt, indem sie mit ihrer Kostennote vom 8.3.2001 in Abkehr von der vorangegangenen Kostenrechnung vom 11.10.2000 die entstandenen Auslagen konkret beziffert hat. Eine Festsetzung der pauschalen Aufwandsentschädigung gem. § 1835 a BGB von zurzeit 600 DM ist damit ausgeschlossen. Denn der erneuten Geltendmachung der pauschalen Aufwandsentschädigung steht der Ablauf der Frist des § 1835 a Abs. 4 BGB entgegen. Die Ausschlussfrist des § 1835 a Abs. 4 BGB endete am 31.3.2001, nachdem der Anspruch auf Erstattung der Pauschale bereits im Jahr 2000 entstanden war. Denn gem. § 1835 Abs. 2 BGB ist die Aufwandsentschädigung jährlich zu zahlen, erstmals ein Jahr nach Bestellung des Pflegers, vorliegend also ein Jahr nach dem 18.8.1999.

Die von der Antragstellerin konkret bezifferten Auslagen sind jedoch nur zu einem geringen Teil erstattungsfähig. Die Antragstellerin kann insbesondere keinen Ersatz der von ihr erbrachten Dienstleistungen, also der für die Führung der Pflegschaft aufgewendeten Arbeitszeit verlangen. Denn grundsätzlich erfolgt die Führung der Pflegschaft unentgeltlich, so dass als Aufwendungen nur für den Pflegling verauslagte Geldbeträge und sonstige geldwerte Leistungen zu ersetzen sind (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1835, Rz. 1). Zwar sind gem. § 1835 Abs. 3 BGB auch berufsbezogene Dienste, das heißt zum Beruf oder Gewerbe des Pflegers gehörende Leistungen, als Aufwendungen erstattungsfähig. Dies setzt jedoch voraus, dass ein anderer Pfleger ohne diesen Beruf und ohne die erforderliche berufliche Qualifikation einen dafür qualifizierten Dritten hinzugezogen hätte. Dienste, die jeder Pfleger verrichten kann, fallen nicht unter § 1835 Abs. 3 BGB (OLG Oldenburg, FamRZ 1996, 1346; Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1835, Rz. 13; Soergel/Zimmermann, a.a.O., § 1835, Rz. 21). Eine Erstattung der von der Antragstellerin geleisteten Dienste kommt danach vorliegend nicht in Betracht, da unter sachlichen Gesichtspunkten die Vertretung des Kindes durch eine Rechtsanwältin nicht erforderlich war.

Im Falle der Anordnung der Ergänzungspflegschaft für die Vertretung eines Minderjährigen bei der Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren hat der Ergänzungspfleger im Hinblick auf die fehlende Einsicht des Minderjährigen in die Bedeutung seines Zeugnisverweigerungsrechts unter Berücksichtigung des Kindeswohls über die Frage zu entscheiden, ob eine Aussage erfolgt oder nicht. Für diese Entscheidung kommt es nicht auf rechtliche Fragen, sondern auf die Belastbarkeit des Kindes an, dies gerade im Hinblick auf die gegensätzlichen Interessen von Kind und Eltern. Aus diesem Grunde ist bei der Auswahl des Pflegers nicht notwendig ein Rechtsanwalt zu bestellen. Vielmehr kann diese Aufgabe auch einem psychologisch erfahrenen sonstigen Dritten, etwa, wie vielfach üblich, dem Jugendamt, übertragen werden.

Damit können die von der Antragstellerin geltend gemachten Aufwendungen gem. § 1835 BGB nur insoweit anerkannt werden, als es sich um konkret verauslagte Geldbeträge, wie die Kosten für Fotokopien und die Gerichtskosten, handelt. Die auf diese Aufwendungen entfallende Mehrwertsteuer hingegen ist nicht erstattungsfähig, da die Aufwendungen eines ehrenamtlich tätigen Pflegers, anders als die eines berufsmäßigen Pflegers, gem. § 4 Nr. 26 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind (OLG Brandenburg, FamRZ 2000, 1441; Sölch/Ringleb/Weimüller, UStG, Stand: August 2001, § 4 Nr. 26, Rz. 19; für den Berufsbetreuer: OLG Hamm, FamRZ 2000, 549; OLG Dresden, FamRZ 2000, 851). Gemäß § 4 Nr. 26 b UStG sind Umsätze auf Grund ehrenamtlicher Tätigkeit steuerfrei, wenn das Entgelt für diese Tätigkeit, wie vorliegend, nur in Auslagenersatz und in einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht.

Der der Antragstellerin zustehende Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. § 1835 BGB in Höhe von 65,50 DM (Fotokopiekosten von 43,50 DM und Gerichtskosten von 22 DM) bleibt aus diesen Gründen hinter dem vom Amtsgericht festgesetzten Betrag von 323,02 DM, dessen Änderung zum Nachteil der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren allerdings nicht zulässig ist (Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 56 g, Rz. 3 m.w.N.), zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 1 KostO, § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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