Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.07.2007
Aktenzeichen: 10 WF 185/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 4
BGB § 1579 Nr. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 185/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 6. Juli 2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 19. Juni 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr als Einzelrichter

am 30. Juli 2007

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Klägerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt U... Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie im Hauptsacheverfahren die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung monatlichen Elementarunterhalts von 119 € und Vorsorgeunterhalts von 30 € ab Februar 2007 begehrt.

Das weitergehende Prozesskostenhilfegesuch und die weitergehende Beschwerde werden zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Soweit die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde begehrt, ihr für das einstweilige Anordnungsverfahren weitergehende Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist das Rechtsmittel unzulässig. Da gegen die am 19.6.2007 erlassene einstweilige Anordnung selbst ein Rechtsmittel nicht gegeben ist (vgl. § 620 c ZPO sowie Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 644, Rz. 12), findet gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe entsprechend § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO keine sofortige Beschwerde statt (vgl. BGH, FamRZ 2005, 790).

II.

Soweit sich die sofortige Beschwerde gegen die teilweise Versagung von Prozesskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren richtet, ist sie gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig und führt zu einer weitergehenden Prozesskostenhilfebewilligung in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang. Darüber hinaus ist das Rechtsmittel unbegründet.

Da die Klägerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts zwar Beschwerde eingelegt, diese jedoch nicht begründet hat, ist die Prüfung, ob eine weitergehende Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht kommt, auf der Grundlage der letzten von der Klägerin, die für den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen darlegungspflichtig ist (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6, Rz. 704), angestellten Unterhaltsberechnung, also derjenigen mit Schriftsatz vom 21.6.2007, vorzunehmen. Soweit das Amtsgericht ein anderes Erwerbseinkommen des Beklagten und einen höheren Krankenversicherungsbeitrag zu Grunde gelegt hat, ist dies nicht zu beanstanden. Erfolgreich ist die Beschwerde der Klägerin insoweit, als das Amtsgericht geringfügig zu hohe Beiträge für die Unfallversicherung angesetzt und einen zu hohen Erwerbstätigenbonus angenommen hat.

1.

Das Amtsgericht hat zur Ermittlung des Erwerbseinkommens des Beklagten die Besoldungsmitteilung für März 2007 herangezogen. Soweit die Klägerin stattdessen von einem höheren Einkommen ausgeht, hätte sie dies im Einzelnen darlegen müssen. Allein der Hinweis auf eine vom Beklagten im längst abgeschlossenen Trennungsunterhaltsverfahren erteilte Auskunft und eine darauf gestützte pauschalierte Unterhaltsberechnung unter Abzug des Verheira-tetenzuschlages und einer Kürzung des Weihnachtsgeldes reicht insoweit nicht aus.

2.

Da der Beklagte Beamter ist, besteht eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht nicht. Demgemäß werden in den Besoldungsmitteilungen grundsätzlich keine Abzüge für eine Krankenversicherung aufgeführt. Die Beiträge für die private Krankenversicherung sind demnach voll abzugsfähig. Dementsprechend ist es nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht insgesamt für die Kranken- und Pflegeversicherung einen Betrag von rund 46 € abgesetzt hat.

3.

Den Betrag, den das Amtsgericht für die Unfallversicherung, den die Klägerin dem Grunde nach als abzugsfähig akzeptiert, angesetzt hat, beruht zwar auf den Angaben des Beklagten im Schriftsatz vom 14.3.2007 und ist als Monatsbeitrag in dem diesem Schriftsatz beigefügten Versicherungsschein aufgeführt. Hierbei handelt es sich aber um eine Unfallversicherung nicht nur für den Beklagten, sondern auch für Frau D... K.... Die Unfallversicherung für eine dritte Person kann aber beim Ehegattenunterhalt keine Berücksichtigung finden. Es kann daher nur ein anteiliger Betrag abgesetzt werden. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass die Klägerin nur einen Betrag in Höhe von 21 € berücksichtigt.

4.

Das Amtsgericht hat einen Erwerbstätigenbonus von 1/7 auf der Grundlage des Erwerbseinkommens des Beklagten, nur nach Abzug von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen, ermittelt. Erst nach Abzug dieses Erwerbstätigenbonus hat es weitere Belastungen abgezogen. Dies entspricht nicht der Rechtsprechung des Senats. Vielmehr ist das Einkommen jedes Ehegatten vorab um den etwa geleisteten Kindesunterhalt und um berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten zu bereinigen (vgl. nur 15.1 und 15.2 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2005; siehe auch Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 4, Rz. 377).

Zu den Verbindlichkeiten, die vorweg abzuziehen sind, bevor der Erwerbstätigenbonus von 1/7 in Ansatz gebracht wird, gehört jedenfalls bei summarischer Betrachtung im Prozesskostenhilfeverfahren (vgl. hierzu Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf - /Gutjahr, § 1, Rz. 254) auch der negative Wohnvorteil, also derjenige Betrag, um den die verbrauchsunabhängigen Hauskosten, hier 664 €, über dem Wohnwert, hier 600 €, liegen (vgl. hierzu Nr. 5 der genannten Leitlinien). Allerdings wäre ein positiver Wohnvorteil, da es sich insoweit nicht um Erwerbseinkünfte handelt, nicht um einen Erwerbstätigenbonus zu kürzen. Soweit sich aber ein negativer Wohnvorteil ergibt, also die Lasten den Wohnwert übersteigen, liegt es nahe, diese Schulden nicht anders zu beurteilen als sonstige berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten. Jedenfalls kann zu Lasten der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Klägerin nicht ein hoher Erwerbstätigenbonus für den Beklagten, der sich vor Abzug aller Verbindlichkeiten unter Einschluss des negativen Wohnvorteils ergibt, angenommen werden.

5.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ergibt sich folgende Berechnung des bereinigten Einkommens des Beklagten:

 Erwerbseinkommen 2052 €
Sonderzahlung + 52 €
5 % berufsbedingte Aufwendungen - 105 €
Schuldentilgung - 400 €
Beitrag Riesterrente - 71 €
Beitrag Kranken- und Pflegeversicherung - 46 €
Beitrag Unfallversicherung - 21 €
negativer Wohnvorteil - 64 €
 1.397 €.

Setzt man hiervon 1/7 als Erwerbstätigenbonus ab, verbleiben 1.197 €.

6.

Das um einen Erwerbstätigenbonus bereinigte Einkommen der Klägerin beträgt unstreitig rund 929 €.

Die Klägerin macht Elementar- und Altervorsorgeunterhalt geltend (vgl. zur Berechnung Wendl/Gutdeutsch, a.a.O., § 4, Rz. 477 ff.). Danach ergibt sich unter Heranziehung der Bremer Tabelle, Stand 1.1.2007 (FamRZ 2007, 255) folgende Berechnung:

vorläufiger Elementarunterhalt: (1.197 € - 929 €) : 2 = 134 €

Vorsorgeunterhalt: 134 € x 14 % = 19 €

134 € + 19 € = 153 €

153 € x 19,9 % = 30 €

neuer Elementarunterhalt: (1.197 € - 30 € - 929 €) : 2 = 119 €.

Danach kann die Klägerin bei summarischer Betrachtung Elementarunterhalt von monatlich 119 € und Altervorsorgeunterhalt von monatlich 30 € beanspruchen. Diese Beträge liegen etwas über denjenigen, für die das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss Prozesskostenhilfe bewilligt hat.

7.

Das Hauptsacheverfahren mag ergeben, ob und ggfs. in welchem Umfang der Vortrag des Beklagten, die Klägerin lebe mit einem neuen Partner in einer Lebensgemeinschaft, Einfluss auf die Unterhaltsbemessung hat. Soweit es dabei darum geht, ob und ggfs. in welchem Umfang die Klägerin dem Lebengefährten haushälterische Versorgungsleistungen erbringt (vgl. hierzu Wendl/Dose, a.a.O., § 1, Rz. 472 ff.), ist sie selbst dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass solche Leistungen nicht erbracht werden. Soweit der Beklagte geltend macht, es liege ein Verwirkungsgrund nach § 1579 Nr. 7 BGB vor (vgl. hierzu Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 4, Rz. 751 ff.), ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Dies gilt insbesondere auch für die Behauptung, die neue Beziehung bestehe schon über die Mindestdauer von 2 bis 3 Jahren hinaus. Darauf, ob etwa der Bedarf der Klägerin durch das Zusammenleben mit dem Dritten bereits gedeckt ist, kommt es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht an. Selbst wenn der neue Lebensgefährte der Klägerin über ein Einkommen verfügen sollte, das ohne weiteres auch den Bedarf der Klägerin deckte, handelte es sich lediglich um freiwillige Leistungen Dritter (vgl. hierzu Wendl/Dose, a.a.O., § 1, Rz. 468 ff.). Ein Rechtsanspruch der Klägerin auf Unterhaltsleistungen des Lebensgefährten besteht nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf KV 1811, § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück