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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.01.2007
Aktenzeichen: 10 WF 193/06
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

FGG § 14
ZPO § 114
ZPO § 121 Abs. 3
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 4
BGB § 1592 Nr. 1
BGB § 1618 a
BGB § 1686
BGB § 1686 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 193/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 21. August 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 11. August 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr als Einzelrichter

am 17. Januar 2007

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Dem Antragsteller wird für den Antrag zu 3. im Schriftsatz vom 25. Juli 2006 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin V. in Berlin zu den Bedingungen einer in Strausberg ansässigen Rechtsanwältin beigeordnet.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 14 FGG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. Sie richtet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe im Hinblick auf den Antrag zu 3. im Schriftsatz vom 25.7.2006. Gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 10.4.2006, bezogen auf den Antrag zu 2. in dem Schriftsatz vom 28.2.2006, hat der Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist ein Rechtsmittel nicht eingelegt. Vielmehr hat er mit Schriftsatz vom 25.7.2006 einen neuen Antrag gestellt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist begründet. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor. Dem Antragsteller kann seine Verfahrensbevollmächtigte zu den Bedingungen einer in Strausberg ansässigen Rechtsanwältin beigeordnet werden.

1.

Anders als vom Amtsgericht angenommen bietet die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 254) besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber zur Auskunft über das Schicksal und die persönlichen Lebensumstände des am 26.6.2002 geborenen Kindes H. und über eine etwaige Adoption des Kindes verpflichtet ist. Ein solcher Anspruch des Antragstellers kann sich aus einer unmittelbaren oder jedenfalls entsprechenden Anwendung des § 1686 BGB ergeben.

a)

Gemäß § 1686 Satz 1 BGB kann jeder Elternteil vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Zu Gunsten des Antragstellers ist im Prozesskostenhilfeverfahren anzunehmen, dass diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sind.

aa)

Insbesondere ist zu Gunsten des Antragstellers zu unterstellen, dass die Antragsgegnerin am 26.6.2002 ein Kind geboren hat.

Der Antragsteller hat vorgetragen, die Antragsgegnerin sei noch während der bestehenden Ehe der Parteien, die durch Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 13.2.2003 aufgehoben worden ist, schwanger gewesen. Dieser Vortrag ist im Prozesskostenhilfeverfahren schon mit Rücksicht darauf, dass der Antragsteller einen Bericht einer Frauenärztin und ein Ultraschallbild vorgelegt hat, im Prozesskostenhilfeverfahren als richtig zu unterstellen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die Antragsgegnerin eine Schwangerschaft schriftsätzlich hat bestreiten lassen. Denn in dem Arztbericht ist der Name der Antragsgegnerin als Patientin genannt. Auch das Ultraschallbild vom 26.2.2002 weist zumindest den Nachnamen der damals noch verheirateten Parteien aus.

Auch ist im Prozesskostenhilfeverfahren davon auszugehen, dass das Kind geboren worden ist. Bereits mit Schriftsatz vom 25.7.2006 hat der Antragsteller vorgetragen, die Antragsgegnerin habe erklärt, am 26.6.2002 einen Sohn zur Welt gebracht zu haben, den sie zur Adoption freigegeben habe und der nunmehr den Namen H. M. tragen solle. Mit der Beschwerde hat er sein diesbezügliches Vorbringen konkretisiert. Danach habe die Antragsgegnerin gemeinsam mit seiner Schwägerin im Juni 2005 bei dem zuständigen Leiter des Jugendamts Marzahn-Hellersdorf vorgesprochen und diesem gegenüber mitgeteilt, ein vom Antragsteller abstammendes Kind am 26.6.2002 entbunden zu haben, das dann zur Adoption freigegeben worden sei. Zum Beweis hierfür hat sich der Antragsteller auf das Zeugnis des Jugendamtsleiters berufen. Dieser habe auch gegenüber seiner Verfahrensbevollmächtigten am 14.10.2005 den Inhalt des Gesprächs mit der Antragsgegnerin bestätigt. Angesichts all dessen besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass am 26.6.2002 ein Kind geboren worden ist, dessen leibliche Mutter die Antragsgegnerin ist.

bb)

Unter der Annahme, dass die Antragstellerin am 26.6.2002 ein Kind geboren hat, ist der Antragsgegner auch als dessen Vater anzusehen. Dabei kommt es darauf, dass er erstmals mit der Beschwerde ausdrücklich vorgetragen hat, innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit mit der Antragsgegnerin verkehrt zu haben, nicht an. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist er nämlich schon nach § 1592 Nr. 1 BGB als Vater des Kindes anzusehen. Denn er war zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet. Dem steht der Umstand, dass die Ehe der Parteien durch Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 13.2.2003 aufgehoben worden ist, nicht entgegen. Dem während einer Ehe geborenen Kind wird vom Gesetz automatisch der Mann als Vater zugeordnet, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dessen Mutter verheiratet ist. Darauf, ob die Ehe aufhebbar ist bzw. später aufgehoben wird, kommt es nicht an (Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1592, Rz. 3).

cc)

Die Antragsgegnerin ist als auskunftsverpflichtet anzusehen. Dabei kann entgegen der Auffassung des Amtsgerichts im Prozesskostenhilfeverfahren nicht davon ausgegangen werden, dass eine solche Auskunftspflicht nur denjenigen Elternteil trifft, in dessen Obhut sich das Kind befindet. Zwar bestand der Zweck des Auskunftsrechts nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift in erster Linie darin, dem Umgangsberechtigten einen Ausgleich für eine Einschränkung oder einen Ausschluss der Umgangsbefugnis zu geben, sodass regelmäßig der Obhutelternteil auskunftsverpflichtet ist (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1686, Rz. 1). Andererseits sind auch Fälle denkbar, in denen der Umgangsberechtigte auskunftspflichtig ist, soweit es etwa eine Krankheit oder einen Unfall des Kindes während des Besuchs bei ihm betrifft (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1686, Rz. 4). Vor diesem Hintergrund ist im Prozesskostenhilfeverfahren anzunehmen, dass eine Auskunftspflicht auch denjenigen Elternteil trifft, der sein Kind in die Obhut von Dritten gegeben oder, wie vorliegend behauptet, das Kind zur Adoption freigegeben hat. Denn ungeklärte Rechtsfragen dürfen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu Lasten der bedürftigen Partei beantwortet werden. Sie muss aus Gründen der Chancengleichheit die Möglichkeit haben, derartige Rechtsfragen in der Rechtsmittelinstanz prüfen zu lassen (vgl. BVerfG, FamRZ 2002, 665; BGH, FamRZ 2003, 671; Senat, FamRZ 2000, 1033, 1035; Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rz. 21; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 257).

Die Erteilung der verlangten Auskunft ist der Antragsgegnerin nicht unmöglich. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass sich aus dem angeführten Urteil, durch das die Ehe der Parteien aufgehoben worden ist, ergibt, dass die Antragsgegnerin bei Eheschließung geschäftsunfähig war, die Bedeutung der Eheschließung nicht beurteilen konnte und sie seit vielen Jahren unter Betreuung steht. Denn ihr Betreuer als gesetzlicher Vertreter ist in der Lage, die Auskunft zu erteilen. Ihm ist es insbesondere möglich, den zahlreichen Anhaltspunkten, die der Antragsteller genannt hat, nachzugehen, um Feststellungen über den Verlauf der Schwangerschaft, eine etwaige Entbindung und Freigabe zur Adoption zu treffen.

dd)

Ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an einer Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes ist anzunehmen. Ein solches Interesse ist gegeben, wenn der Elternteil keine Möglichkeit hat, sich auf andere Art über den Auskunftsgegenstand zu unterrichten (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1686, Rz. 5). So liegt es hier mit Rücksicht darauf, dass dem Antragsteller das Schicksal des Kindes, von den wenigen Angaben, die ihm die Antragsgegnerin gemacht hat, abgesehen, unbekannt ist.

ee)

Dafür, dass das Auskunftsbegehren dem Wohl des Kindes widerspricht, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Nach alledem kann im Prozesskostenhilfeverfahren ein Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin nach § 1686 BGB angenommen werden.

b)

Selbst wenn man eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift des § 1686 BGB im vorliegenden Fall verneint, z. B. deshalb, weil die Antragsgegnerin nach etwa erfolgter Adoption des Kindes nicht mehr in der Lage ist, über dessen gegenwärtige persönliche Verhältnisse Auskunft zu erteilen, kann ein Auskunftsanspruch des Antragstellers im Prozesskostenhilfeverfahren auf eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 1686 BGB gestützt werden.

aa)

Für ein Auskunftsrecht des Antragstellers besteht ein Bedürfnis. Bei summarischer Betrachtung kann angenommen werden, dass sein Interesse an dem Schicksal des Kindes grundrechtlichen Schutz genießt.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, umfasst auch das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung (BVerfG, Urteil vom 31.1.1989 - 1 BvL 17/87 -, FamRZ 1989, 255; Urteil vom 26.4.1994 - 1 BvR 1299/89 -, FamRZ 1994, 881; Beschluss vom 6.5.1997 - 1 BvR 409/90 -, FamRZ 1997, 869). Im Prozesskostenhilfeverfahren kann angenommen werden, dass grundrechtlichen Schutz auch das Recht des Vaters auf Kenntnis von der Geburt und dem weiteren Schicksal des von ihm gezeugten Kindes genießt. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung wird insbesondere damit begründet, dass sich aus der Kenntnis wichtige Anknüpfungspunkte für das Verständnis des familiären Zusammenhangs und für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ergeben, während die Unmöglichkeit, die eigene Abstammung zu klären, den Einzelnen erheblich belasten und verunsichern kann (BVerfG, Urteil vom 26.4.11994, a.a.O.). Mit dieser Begründung, die sich auf den autonomen Bereich privater Lebensgestaltung bezieht, der nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gesichert wird, lässt sich Grundrechtsschutz auch im Hinblick auf die Kenntnis vom weiteren Schicksal des eigenen Kindes herleiten. Insoweit geht es ebenfalls um das Verständnis des familiären Zusammenhangs. Auch die Unmöglichkeit, das weitere Schicksal des eigenen Kindes zu klären, kann den Einzelnen erheblich belasten und verunsichern.

bb)

Wenn das Gesetz im vorliegenden Fall dem Antragsteller kein Auskunftsrecht gewährt, kann die insoweit bestehende Regelungslücke durch analoge Anwendung des § 1686 BGB geschlossen werden.

Mit Rücksicht darauf, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wie ausgeführt, auch das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung umfasst, liegt in einer entsprechenden Anwendung des § 1618 a BGB, auf die ein Auskunftsrecht des Kindes gegen seine Mutter auf Benennung des leiblichen Vaters gestützt wird, keine unzulässige Rechtsfortbildung (BVerfG, Beschluss vom 6.5.1997, a.a.O.). Angesichts dessen wird ein solcher Auskunftsanspruch in der Literatur auch überwiegend bejaht (vgl. die Nachweise bei Palandt/Diederichsen, a.a.O., Einf v § 1591, Rz. 3; vgl. zur Vollstreckung des Auskunftsanspruchs auch OLG Bremen, Beschluss vom 21.7.1999 - 6 W 21/98 -, FamRZ 2000, 618).

Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls im Prozesskostenhilfeverfahren eine entsprechende Anwendung des § 1686 BGB, die es dem Vater ermöglicht, von der Mutter Auskunft über das Schicksal des nach der Trennung der Eltern geborenen Kindes zu erhalten, anzunehmen. Sollte ein grundrechtlicher Schutz für ein solches Auskunftsbegehren bestehen, bietet sich eine ausdehnende Anwendung derjenigen Vorschrift an, die dem Vater ohnehin ein Auskunftsrecht über sein Kind einräumt.

cc)

Bei dem auf die analoge Anwendung einer Vorschrift gestützten Auskunftsrecht ist allerdings zu beachten, dass neben den Grundrechtspositionen des Auskunftsberechtigten auch diejenigen der Auskunftsverpflichteten zu berücksichtigen sind. Die wechselseitigen Interessen sind dabei konkret abzuwägen (BVerfG, Urteil vom 6.5.1997, a.a.O.). Im Prozesskostenhilfeverfahren kann aber angenommen werden, dass diese Abwägung vorliegend zu Gunsten des Antragstellers ausfällt.

2.

Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

a)

Der Prozesskostenhilfebewilligung steht nicht entgegen, dass der Antragsteller Ausländer ist und in Montenegro lebt. Prozesskostenhilfe kann nämlich auch einem im Ausland lebenden Ausländer für die Rechtsverfolgung in Deutschland bewilligt werden (BFH, Beschluss vom 19.3.1996 - VIII S 1/96 -, JurBüro 1997, 201; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.11.1993 -20 W 67/97 -, MDR 1994, 301; Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rz. 5).

b)

Unter Berücksichtigung der Angaben des Antragstellers in seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und im Hinblick auf die in der Hauptakte befindliche Erklärung ist unabhängig von der Frage, wie die allgemeinen Lebensverhältnisse in Montenegro grundsätzlich zu beurteilen sind, davon auszugehen, dass der Antragsteller bedürftig ist.

3.

Mit Rücksicht auf das Mehrkostenverbot nach § 121 Abs. 3 ZPO kann die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers nur zu den Bedingungen einer beim Amtsgericht zugelassenen Rechtsanwältin beigeordnet werden. Von einem konkludenten Einverständnis mit einer entsprechenden Einschränkung der Beiordnung ist auszugehen (BGH, Beschluss vom 10.10.2006 - XI ZB 1/06 -, FamRZ 2007, 37).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

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