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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 13.10.2005
Aktenzeichen: 10 WF 243/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 572 Abs. 3
ZPO § 616 Abs. 1
ZPO § 640 Abs. 1
BGB § 1592 Nr. 1
BGB §§ 1600 ff.
BGB § 1600 d Abs. 2
BGB § 1600 d Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 243/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 22. August 2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 12. August 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

am 13. Oktober 2005

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzusehen und als solche zulässig.

Die sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Beklagten kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen versagt werden. Die Sache ist gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beklagte nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 114 ZPO (vgl. auch Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 197). Der Akte liegt ein Beiheft "Prozesskostenhilfe" nicht bei, sodass nicht festgestellt werden kann, ob der Beklagte überhaupt schon eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen eingereicht hat, § 117 Abs. 2 ZPO. Das Amtsgericht wird den Beklagten auffordern, eine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie mit Rücksicht auf einen etwaigen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss (vgl. BGH, FamRZ 2004, 1633) auch eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Mutter vorzulegen. Auf dieser Grundlage wird das Amtsgericht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO gegeben sind und danach erneut über den Antrag des Beklagten entscheiden.

Der Rechtsverteidigung des Beklagten kann entgegen der Auffassung des Amtsgerichts die hinreichende Erfolgsaussicht, § 114 ZPO, nicht abgesprochen werden. Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114, Rz. 19; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 254) besteht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beklagte mit seinem Begehren, nämlich der Abweisung der auf Feststellung der Vaterschaft gerichteten Klage, durchdringen wird.

Zur Schlüssigkeit einer - hier nicht gegebenen - Vaterschaftsanfechtungsklage gemäß §§ 1600 ff. BGB bedarf es der Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Annahme, das Kind stamme nicht von dem als Vater geltenden Manne ab. Erforderlich ist etwa die Leugnung des Geschlechtsverkehrs während der Empfängniszeit oder der substanziierte Vortrag von Mehrverkehr (FamVerf/Schael, § 10, Rz. 85). Dabei ist zu beachten, dass im Anfechtungsprozess der anfechtende Mann gemäß § 1592 Nr. 1 BGB von Gesetzes wegen der Vater des Kindes ist. Anders liegt es beim Vaterschaftsfeststellungsprozess, wie vorliegend. Hier wird der Beklagte auf Grund des Umstandes, dass er der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat, lediglich als Vater vermutet, § 1600 d Abs. 2 Satz 1 BGB. Im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes, §§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1 ZPO kommt es primär auf die Feststellung der biologischen Abstammung an, während die Vermutung des § 1600 d Abs. 2 BGB nur subsidiär zum Zuge kommt (BayObLG, FamRZ 1999, 1363, 1364; Scholz/Stein/Eckebrecht, Praxishandbuch Familienrecht, Q Rz. 61). Angesichts dessen sind die Anforderungen an den Vortrag des die Vaterschaft leugnenden Mannes im Vaterschaftsfeststellungsverfahren, gerade im Hinblick auf die Beurteilung der Erfolgsaussicht nach § 114 ZPO, nicht notwendig dieselben wie bei der Vaterschaftsanfechtungsklage. Dem beklagten Mann kann im Vaterschaftsfeststellungsverfahren jedenfalls dann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn er bestreitet, mit der Mutter des Klägers in der gesetzlichen Empfängniszeit Verkehr gehabt zu haben oder wenn er substanziiert Mehrverkehr einwendet (FamVerf/Gutjahr, § 10, Rz. 71). Fraglich ist, ob darüber hinaus auch dann hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen ist, wenn sich der beklagte Mann, obwohl er der Mutter des Klägers in der Empfängniszeit beigewohnt hat, seiner Vaterschaft nicht sicher ist und Mehrverkehr der Mutter lediglich für möglich hält (geringere Anforderungen werden insoweit gestellt von OLG Hamburg, DAVorm 1986, 387; Musielak/Fischer, ZPO, 4. Aufl., § 114, Rz. 28; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 114, Rz. 58; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 430; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl., Rz. 183), oder ob es in jedem Fall der Darlegung ernsthafter Zweifel an der Vaterschaft bedarf (so OLG Hamburg, FamRZ 2000, 1587; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 6; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 114, Rz. 104; Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rz. 50; vgl. auch OLG Karlsruhe, NJW-RR 1998, 1228).

Nach Auffassung des Senats verspricht die Rechtsverteidigung des auf Feststellung der Vaterschaft verklagten Mannes, der der Mutter in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat, was vorliegend auch vom Beklagten eingeräumt wird, nur dann Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO, wenn er Tatsachen vorbringt, die bei verständiger Würdigung ernstzunehmende Zweifel an einer Vaterschaft begründen können. Der Umfang der Darlegungslast richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Von einem Beklagten, der mit der Mutter des Kindes in einer festen Beziehung gelebt oder gar mit ihr zusammen gewohnt hat, ist, was den Einwand des Mehrverkehrs angeht, substanziierter Vortrag zu verlangen. Hingegen kann ein Beklagter, der mit der Mutter des Kindes nur eine flüchtige Bekanntschaft gepflegt hat, mangels Einblicks in deren Lebensverhältnisse nichts Näheres vortragen. Auch liegt im Falle einer nur flüchtigen Beziehung die Annahme eher vielleicht weniger fern, dass die Mutter in der Empfängniszeit anderweitige sexuelle Kontakte hatte (OLG Stuttgart, FamRZ 2005, 1266, 1267). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bietet die Rechtsverteidigung des Beklagten vorliegend hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der Beklagte hat eingeräumt, innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit mit der Mutter des Klägers Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Der Vaterschaftsvermutung nach § 1600 d Abs. 2 Satz 1 BGB steht nicht entgegen, dass der Beklagte behauptet hat, beim Geschlechtsverkehr stets Kondome benutzt zu haben. Auch hat der Beklagte nicht substanziiert Mehrverkehr der Mutter des Klägers eingewendet. Er hat lediglich behauptet, seine Freundschaft mit der Mutter sei in der Zeit von Mitte Juni bis Anfang Juli 2004 unterbrochen worden; in dieser Zeit habe die Mutter enge Kontakte zu einem "N..." aus B... bei M... gepflegt, den sie zu sich nach Hause eingeladen und auch in B... besucht habe. Die Schlussfolgerung des Beklagten auf Grund dieses Sachvortrags, von einem Mehrverkehr der Mutter sei auszugehen, ist nicht zwingend. Darauf kommt es vorliegend aber nicht an. Sowohl die Mutter des Klägers als auch der Beklagte waren bei der Geburt des Klägers 15 Jahre alt und minderjährig. Der Beklagte lebte und lebt im Haushalt seiner Mutter. Damit ist eine gefestigte Beziehung, auf Grund deren der Beklagte hinreichenden Einblick in die Lebensverhältnisse der Mutter des Klägers hätte erlangen können, nicht gegeben. Sein Tatsachenvortrag reicht daher aus, um bei verständiger Würdigung ernstzunehmende Zweifel an seiner Vaterschaft begründen zu können. Eine weitergehende Substanziierung kann von ihm nicht verlangt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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