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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 01.04.2008
Aktenzeichen: 11 U 147/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249 Abs. 2
BGB § 253 Abs. 2
BGB § 311 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Grundurteil

11 U 147/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 01.04.2008

Verkündet am 01.04.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2008 durch den Richter am Oberlandesgericht Pliester als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13. Juli 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder abgeändert.

Die Klage wird hinsichtlich des Zahlungsantrags zu Ziff. 1 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer der Beklagten unterschreitet 20.000,00 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung weiterer Ersatzpflicht aus einem Vorfall vom 16. Januar 2006 auf dem Gelände des von der Beklagten betriebenen Kaufmarkts in E.... Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie wegen der Sachanträge wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte die Stelle, an der sich die Halterung für den Poller befunden habe, erkannt werden können; dies ergebe sich auch aus den Lichtbildern.

Gegen dieses Urteil, ihr zugestellt am 25. Juli 2007, wendet sich die Klägerin mit der am Montag, den 27. August 2007, eingegangenen und am 24. September 2007 begründeten Berufung. Sie verfolgt ihre Auffassung weiter, dass ein Hervorstehen der Halterungsbolzen von etwa 3 cm, die sich zudem farblich vom Asphaltuntergrund kaum abhöben, eine Verkehrssicherungspflichtverletzung darstellten.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 233,18 € sowie ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 6.000,00 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (= 20. Juli 2006) zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden, die aus dem Sturz am 16. Januar 2006 auf dem Gelände L... Chaussee 17, E..., K...parkmarkt, entstanden sind, zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 23. November 2007 (Bl. 139 d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einnahme des gerichtlichen Augenscheins. Es hat die Klägerin persönlich angehört und den Zeugen P... M... vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27. Februar 2008 (Bl. 168 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Klage ist hinsichtlich des Zahlungsantrags dem Grunde nach begründet. Der Feststellungsantrag ist dagegen nicht zur Entscheidung reif, ebenso wenig die Entscheidung über die Höhe des Zahlungsanspruchs.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht auf dem Gelände vor dem Einkaufsmarkt nicht nachgekommen ist und die Klägerin hierdurch gestürzt ist. Die Einstandspflicht der Beklagten für die erlittenen materiellen und immateriellen Schäden ergibt sich deshalb dem Grunde nach aus §§ 311 Abs. 2, 823 Abs. 1, 249 Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB.

Im Gegensatz zu der Auffassung des Landgerichts, welches sich auf Fotografien gestützt hat, die den Zustand der Örtlichkeit zum Zeitpunkt des Unfalls gerade nicht zeigen, hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die Zuwegung zum Kaufmarkt nicht verkehrssicher war. Die Schlossschrauben (von den Parteien in erster Instanz technisch falsch als Bolzen bezeichnet) waren, wie die Klägerin in Übereinstimmung mit dem Zeugen bekundet hat, in die Metallplatte eingeschraubt und standen etwa 3,5 bis 4 cm heraus. Hinzu kommt, dass die Unebenheit sich umso mehr ausgewirkt hat, als die Asphaltfläche unmittelbar um den Poller herum schadhaft war, so wie auf der Fotografie Nr. 2 (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 07. Mai 2007) zu erkennen ist. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der klägerischen Darstellung und der Ehrlichkeit des Zeugen P... M... hat das Gericht nicht. Die Darstellung steht in Übereinstimmung mit dem klägerischen Sachvortrag; sowohl der Unfallhergang als auch die Unfallursache sind überaus plausibel. Die Beklagte, die zum tatsächlichen Zustand der Unfallstelle keine konkreten Behauptungen aufgestellt und unter Beweis gestellt hat, hat sich dementsprechend auch nur auf ein Bestreiten beschränkt, welches keine Möglichkeiten zu einer weiteren Sachverhaltserforschung eröffnet.

Der sonach festgestellte Zustand entsprach nicht den Anforderungen, die der maßgebliche Publikumsverkehr an die Ausgestaltung des Platzes stellen konnte. In der Rechtsprechung wird für Gehwege allgemein angenommen, dass die Passanten mit Unebenheiten in der Größenordnungen von 1,5 bis 2 cm rechnen müsse. Für den hier in Rede stehenden Platz können die Besucher nach Auffassung des Gerichts eher mit einer besseren Ausgestaltung rechnen. Der Platz ist insgesamt vorbildlich ausgestattet und ordentlich asphaltiert. Zudem wird die Aufmerksamkeit der Kunden auf die großzügig ausgestalteten Eingangsbereiche des Kaufmarktes gelenkt, so dass sie noch weniger auf den Untergrund achten müssen. Jedenfalls ist eine farblich vom Asphaltuntergrund nicht hinreichend abgegrenzte punktuelle Unebenheit in der Größenordnung von 3 cm unter den hier gegebenen Umständen deutlich zu groß.

Die Klägerin hatte keinen Anlass, mit einer derartigen Unebenheit zu rechnen. Sie war auch nach dem Eindruck des Gerichts beim Ortstermin in keiner Weise unbeholfen und hätte etwa deshalb eine besondere, über das übliche Maß hinaus gehende Vorsicht walten lassen müssen. Sie trifft deshalb auch kein Mitverschulden an dem erlittenen Sturz. Demgemäß stellt sich die Zahlungsklage dem Grunde nach als begründet dar; denn sowohl im Hinblick auf den materiellen als auch den immateriellen Schaden ist mit hinreichender Sicherheit damit zu rechnen, dass es zu einer Verurteilung der Beklagten kommen wird.

Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von Art, Schwere und Dauer der auf den Unfall zurückzuführenden Beeinträchtigungen der Klägerin ab. Insoweit erlauben die bislang zu den Akten gereichten ärztlichen Bescheinigungen keine abschließende Beurteilung; vielmehr ist ein Sachverständigengutachten einzuholen. Die Höhe des Sachschadens wird - nach Erteilung entsprechender Auflagen - teilweise zu schätzen sein.

Erst nach Vorliegen dieses Gutachtens kann auch beurteilt werden, ob die Klägerin für die noch ungewissen Zukunftsfolgen des Unfalls - etwa bei verbleibenden kausalen gesundheitlichen Einschränkungen - ein Feststellungsinteresse geltend machen kann.

Ende der Entscheidung

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