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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 14.01.2003
Aktenzeichen: 11 U 74/02
Rechtsgebiete: VOB/B, ZPO, BGB,


Vorschriften:

VOB/B § 5 Nr. 4
VOB/B § 6 Nr. 2
VOB/B § 6 Nr. 6
VOB/B § 13
VOB/B § 13 Nr. 5
VOB/B § 13 Nr. 5 Abs. 1
VOB/B § 13 Nr. 5 Abs. 2
VOB/B § 13 Nr. 7
ZPO § 301 Abs. 1
ZPO § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7
BGB § 252 S. 1
BGB § 254 Abs. 2
BGB §§ 339 ff
BGB § 340 Abs. 2
AGBG § 9
AGBG § 10
AGBG § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 74/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 14.01.2003

Verkündet am 14.01.2003

in dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Landgerichts Cottbus vom 27. März 2002, Az.: 3 O 216/02, einschließlich des zugrunde liegenden landgerichtlichen Verfahrens aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, zurückverwiesen.

Beschwer beider Parteien: 47.032,52 €

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn.

Die Beklagte beauftragte sie gemäß Schreiben vom 01.09.1999 (Bl. 3 GA) als Subunternehmerin mit Verglasungsarbeiten auf dem ersten Bauabschnitt eines Bauvorhabens J...-Straße in B.... Unter Einbeziehung der Vertragsunterlagen des Hauptauftraggebers galt die VOB/B. Vereinbart war ein Pauschalpreis von 350.000,00 DM netto (406.000,00 DM brutto).

Sie beauftragte die Klägerin gemäß Schreiben vom 10.03.2000 (Bl. 4 GA) mit weiteren Verglasungsarbeiten zum zweiten und dritten Bauabschnitt des vorbezeichneten Bauvorhabens. Die VOB/B galt in gleicher Weise. Vereinbart war ein Pauschalpreis von weiteren 508.620,69 DM netto (590.000,00 DM brutto).

Nach Leistungserbringung erstellte und übermittelte die Klägerin unter dem 24.09.2000 eine Schlussrechnung über die Leistungen zu allen drei Bauabschnitten mit einer Bruttoabrechnungssumme von 996.000,00 DM und einem noch offenen Rest von 724.772,78 DM (vgl. Bl. 7 GA). Auf die Bruttoabrechnungssumme zahlte die Beklagte gemäß ihrer Schlussrechnungsprüfung vom 04.10.2000 (vgl. Anlage A 1, Bl. 59 GA) insgesamt 796.702,10 DM. In ihrem Abrechnungsschreiben setzte sie fünf Positionen mit folgenden Bruttobeträgen in Abzug:

Vertragsstrafe 116.000,00 DM Skonti 8.800,00 DM 5%iger Gewährleistungseinbehalt 44.000,00 DM 1,9 % Umlagekosten 16.720,00 DM Sonderabzug für Kran 1. Bauabschnitt und Planarbeiten 13.777,90 DM

Die Summe von 199.297,89 DM

ergibt die Höhe der Klageforderung, deren Tenorierung die Klägerin erstinstanzlich erbeten hat.

Die Beklagte hat der Klageforderung die eben bezeichneten Kürzungsbeträge entgegengehalten sowie einen Anspruch auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten in Höhe von 29.994,44 DM (vgl. Bl. 184 GA), gestützt auf Ersatzvornahmen zur Mängelbeseitigung nach Abnahme. Den in ihrer Schlussrechnungsprüfung mit 100.000,00 DM netto angesetzten und als Vertragsstrafeanspruch bezeichneten Kürzungsbetrag hat sie nunmehr in Gestalt zweier Hilfsaufrechnungen mit Gegenforderungen von je 58.000,00 DM brutto geltend gemacht. Die erste Gegenforderung hat sie hergeleitet aus dem Wegfall einer Beschleunigungsprämie über 50.000,00 DM netto, der der Klägerin anzulasten sei, die zweite aus einem Preisnachlass, den sie in Höhe von 50.000,00 DM netto mit ihrer Hauptauftraggeberin für den Fall vereinbart habe, dass die bei einer Abnahme am 06.10.2000 festgestellten Mängel aus dem Verantwortungsbereich der Klägerin nicht bis zum 19.10.2000 komplett abgearbeitet seien (vgl. Bl. 81, 204 GA).

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf das angefochtene Teilurteil, mit dem das Landgericht der Klägerin 91.987,62 DM zugesprochen, Kürzungsansprüche des Beklagten in Höhe von 124.800,00 DM verneint und einen restlichen Teil der Klageforderung von nunmehr noch 43.742,34 DM dem Schlussurteil vorbehalten hat.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung erbittet die Beklagte die Abweisung der vollständigen Klage unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Cottbus, hilfsweise um dessen Aufhebung und um Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag, namentlich zum Vorliegen eines nach § 6 Nr. 2 VOB/B ersatzfähigen Schadens in Gestalt der unterbliebenen Beschleunigungs-vergütung in Höhe von 58.000,00 DM brutto, die zudem selbst als entgangener Gewinn wegen Vorliegens der gesteigerten Verschuldensvoraussetzungen ersatzfähig seien. Bei dem am 06.10.2000 vereinbarten Preisnachlass handele es sich um eine Sondervereinbarung über Gewährleistungsrechtsfolgen, die jedenfalls zu Zahlungsansprüchen gegen die Klägerin aus § 13 VOB/B führten. Schließlich rügt sie die Zulässigkeit des Teilurteils.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den zweitinstanzlichen Schriftsatzwechsel und auf sein Terminsprotokoll vom 26.11.2002.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist insoweit erfolgreich, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO.

1.

Das Teilurteil des Landgerichts ist unzulässig. Ein Teilurteil ist nach § 301 Abs. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Streitgegenstand teilbar, nur ein Teil entscheidungsreif und die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist (Schellhammer, Zivilprozess, 9. Aufl., Rn. 920 m.w.N.). Vorliegend ist schon die Gefahr widersprechender Entscheidungen nicht ausgeschlossen.

a) Das Landgericht hat mit dem Teilurteil der Klägerin 91.987,62 DM zugesprochen, Kürzungsansprüche der Beklagten in Höhe von mindestens 124.800,00 DM verneint und eine Klageforderung von 43.772,34 DM dem Schlussurteil vorbehalten. Bejahte man in dem getrennten, nunmehr im Berufungsrechtszug anhängigen Verfahrensteil die vom Landgericht verneinten Kürzungsansprüche der Beklagten, so überstiegen diese den berufungsgegenständlichen Teil des Werklohnanspruches; sie wären mithin in beiden nunmehr getrennten Verfahren erheblich und unterschiedlichen Beurteilungen zugänglich.

b) Die Gefahr widersprechender Entscheidung besteht sodann auch hinsichtlich der Beurteilung der Ersatzfähigkeit der entgangenen Beschleunigungsvergütung im hiesigen Verfahren und der Kranarbeiten in dem beim Landgericht verbliebenen Verfahren. Die Beklagte leitet beide Ansprüche aus einen Verzug vor Abnahme her; damit besteht die Gefahr widersprechender Beurteilungen jeweils identischer, verzugsbegründender oder verzugsbeendender, Tatsachen in getrennten Verfahren.

c) Zudem drohen widersprechende Entscheidungen auch hinsichtlich der Werklohnkürzung um 58.000,00 DM aufgrund nicht rechtzeitiger Mängelbeseitigung zum 19.10.2000 auf der Grundlage der Vereinbarung zwischen der Hauptauftraggeberin und der Beklagten vom 06.10.2000 (vgl. Bl. 181 GA). Das Landgericht qualifiziert die Kürzungsvereinbarung als Vertragsstrafeversprechen nach §§ 339 ff BGB (vgl. Bl. 242 GA). Teilt man diese Bewertung, ergibt sich die Gefahr unvereinbarer Urteile in getrennten Verfahren aus der Anrechnungsvorschrift des § 340 Abs. 2 BGB wegen der noch vom Landgericht zu beurteilenden Ansprüche auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten nach Abnahme. Während die Beklagte nach der vorgenannten Bestimmung materiell-rechtlich gehindert wäre, aufgrund der nämlichen Nichterfüllung von Mängelbeseitigungspflichten neben einer hierdurch verwirkten Vertragsstrafe in voller Höhe und ohne Anrechnung zusätzlicher Ersatzvornahmekosten, etwa unter dem Gesichtspunkt des § 13 Nr. 7 VOB/B zu beanspruchen, könnte eben dieses aufgrund nunmehr getrennter Beurteilung in verschiedenen Verfahren eintreten.

Dasselbe gilt erst recht, wenn man die streitgegenständliche Vereinbarung vom 06.10. als eine Modifikation der Rechtsfolge des § 13 Nr. 5 VOB/B auffasst, etwa als eine (bedingte) Leistung an Erfüllungs statt (vgl. § 364 BGB) wertet, oder als einen pauschalierten Schadensersatz (vgl. § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B), wozu der ausdrückliche Beklagtenvortrag im Landgerichtstermin am 16.01.2002 (vgl. Protokoll Bl. 204 GA) allen Anlass gibt. Bei einer Rechtsfolgenmodifikation dürfte kein Raum mehr sein für die zusätzliche Erstattungsfähigkeit von Ersatzvornahmekosten; desgleichen dürfte ein pauschalierter Schadensersatz der Geltendmachung zusätzlicher Schadensersatzpositionen regelmäßig entgegenstehen.

d) Der Senat hat keine Veranlassung, den beim Landgericht verbliebenen Teil an sich zu ziehen. Die Sache ist aufgrund zahlreich unterbliebener rechtlicher Hinweise und unzureichender prozessleitender Maßnahmen bei weitem noch nicht entscheidungsreif und so entstandene Defizite einer erstinstanzlich nicht geschaffenen Entscheidungsgrundlage durch umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme zu erarbeiten, ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Berufungsgerichts (vgl. nunmehr auch § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

2.

Der Senat weist für das weitere Verfahren auf Folgendes hin:

Auftragserteilung, Leistungserbringung, Abnahme sowie Vorliegen einer prüfbaren Schlussrechnung sind unstreitig, so dass an Einwendungen der Beklagten lediglich zu prüfen sind deren Rechnungsabzüge gemäß Schlussrechnungsprüfung vom 24.04.2001 (vgl. Anlage A 1, Bl. 59 GA), sowie der im Beklagtenschriftsatz vom 10.01.2002 mit einem Rechnungsbetrag von 29.994,44 DM in gleicher Höhe lautende bezifferte Erstattungsanspruch (vgl. Bl. 184 GA).

a) Den in der Schlussrechnungsprüfung mit 100.000,00 DM netto Vertragsstrafe bezifferten Betrag hat die Beklagte nunmehr aufgespalten.

aa) 58.000,00 DM brutto beansprucht sie als Erstattung für eine entgangene Beschleunigungsprämie.

(1) Anders als bei einem Vertragsstrafeversprechen macht sie keinen vertraglich vereinbarten Primäranspruch mehr geltend, so dass diesbezügliche Vertragsstrafevereinbarungen zwischen den Parteien unerheblich sind. Davon abgesehen ließe sich ein Vertragsstrafeversprechen zwischen den Parteien - zustande gekommen durch Inbezugnahme eines solchen zwischen der Beklagten und der Hauptauftraggeberin - nicht damit verneinen, letzteres wäre nach dem 01.09.1999 geschlossen und von der Klägerin nicht anerkannt. Die insoweit bezugsfähige Vertragsstrafenvereinbarung zwischen der Beklagten und der Hauptauftraggeberin erfolgte am 22.01.2000 (vgl. Bl. 68 GA) und kommt insoweit als Bestandteil des Vertrages der Parteien vom 10.03.2000 (vgl. Klägervortrag Bl. 4 GA) in Betracht.

(2) Die Beklagte beansprucht den vorgenannten Betrag nunmehr als vertraglichen Sekundäranspruch, nämlich als Schaden wegen vertraglicher Leistungsstörung, der nach den Bestimmungen des BGB oder der VOB/B ersatzfähig sein kann. Vorliegend dürfte die VOB/B maßgeblich sein. Naheliegende Anspruchsgrundlage ist daher § 5 Nr. 4 VOB/B i.V.m. § 6 Nr. 6 VOB/B.

Soweit das Landgericht einen Schadensersatzanspruch der Beklagten verneint, weil diese für grobe Fahrlässigkeit der Klägerin nicht hinreichend vorgetragen habe, ist diese Begründung aus mehreren Gesichtspunkten nicht tragfähig.

Den geltend gemachten Anspruch oder eine erhobene Einrede einer Partei darf das Gericht im Zivilprozess regelmäßig nur dann wegen fehlender Substanziierung verneinen, wenn die darlegungspflichtige Partei zuvor auf ihre Substanziierungsmängel hingewiesen wurde (vgl. § 139 ZPO). Ist die Substanziierung zur Schlüssigkeit oder Erheblichkeit des Parteivortrages erforderlich, ist die Sache ohne einen entsprechenden Hinweis regelmäßig nicht entscheidungsreif.

Zudem hatte die Beklagte erstinstanzlich keine Veranlassung, zum Vorliegen grober Fahrlässigkeit i.S.d. § 6 Nr. 6 VOB/B vorzutragen, denn sie hat den Verlust der Beschleunigungsprämie erkennbar als Schaden eingestuft; die davon abweichende Qualifizierung als entgangener Gewinn durch das Landgericht stellt daher auch insoweit eine Überraschungsentscheidung dar.

Gegen die Einstufung als entgangener Gewinn sprechen auch materiell-rechtlich in der Sache gewichtige Gesichtspunkte. Ein Gewinnentgang kann nur dann bejaht werden, wenn der Geschädigte durch das schädigende Ereignis einen Ausfall bei der Verwertung seiner Arbeitskraft oder beim Einsatz seiner Produktionsmittel erleidet, insbesondere der Nutzungswert einer erwerbswirtschaftlich eingesetzten Sache verkürzt wird (BGH NJW-RR 1989, 980 m.w.N.). Nach der Entscheidung des Großen Senates in Zivilsachen (BGHZ 98, 212 [219]) erfasst der Gewinnentgang die Verkürzung des Nutzungswertes einer Sache oder einer Fähigkeit des Geschädigten bei ihrem erwerbswirtschaftlichen, produktiven Einsatz. § 252 S. 1 BGB unterstreicht die schadensrechtliche Bedeutung, die der Gesetzgeber Ausfällen im erwerbswirtschaftlichen, vermögensmehrenden Einsatz von Wirtschaftsgütern beigemessen hat. Dementsprechend stellt der BGH bei seiner Entscheidung NJW-RR 1989, 980 auf das Vorliegen eines "Produktionsausfalles" ab, also auf den Nichtgebrauch von Produktionsmitteln oder Produktionsmöglichkeiten. Ein derartiger Produktionsausfall liegt hier indessen nicht vor, denn bei der Beklagten haben sich keine Produktionsmöglichkeiten verkürzt, und es sind dieser keine Auftragsabwicklungen, ganz oder teilweise, entgangen. Der Wegfall der Beschleunigungsvergütung stellt sich daher in gleicher Weise wie bei einer verwirkten Vertragsstrafe als Einbuße ihres ansonsten voll verdienten Werklohnes dar.

Ein Schadensersatzanspruch der Beklagten nach §§ 5 Nr. 4; 6 Nr. 6 VOB/B lässt sich auch nicht verneinen mit dem Argument, die Beklagte habe den nach § 254 Abs. 2 BGB gebotenen Hinweis gegenüber der Klägerin unterlassen. Der vom Landgericht als fehlend beanstandete Hinweis auf die Gefahr eines besonderes hohen Schadens in Gestalt einer der Beklagten drohenden Konventionalstrafe in Höhe von 100.000,00 DM findet sich unmissverständlich im Bauvertrag vom 10.03.2000 (Bl. 4 GA), den die Klägerin selbst mit der Klageschrift zum Nachweis ihrer Beauftragung vorgelegt hat.

bb) Auch soweit das Landgericht der Beklagten die von ihr als Rechnungskürzung weiter geltend gemachten 58.000,00 DM aberkannt hat, weil es sich um eine nachträgliche, die Klägerin benachteiligende Vereinbarung einer Vertragsstrafe handele, die vom Anerkenntnis im Auftrag vom 01.09.1999 nicht gedeckt sei, ist dies nicht tragfähig.

(1) Schon die Einstufung der Vereinbarung zwischen der Hauptauftraggeberin und der Beklagten als Vertragsstrafe stellt eine Überraschungsentscheidung dar, denn die Qualifizierung als Vertragsstrafe widerspricht der rechtlichen Einstufung, die die Beklagte im Termin vor dem Landgericht am 16.01.2002 (vgl. Protokoll Bl. 204 GA) auf richterliche Nachfrage ausdrücklich vorgenommen hat. Mit einer hierzu entgegengesetzten Qualifizierung brauchte sie daher nicht zu rechnen. Bei ordnungsgemäßen Hinweis hätte sie bereits erstinstanzlich die Gelegenheit erhalten, den Preisnachlass von 58.000,00 DM als Sondervereinbarung zur Gewährleistung (vgl. hierzu etwa BGH BauR 1984, 171) geltend zu machen, statt mangels richterlichen Hinweises nunmehr erstmals im Berufungsrechtszug hierzu genötigt zu sein.

(2) Spätestens unter Zugrundelegung des nunmehrigen Beklagtenvorbringens erscheint die Qualifizierung als Vertragsstrafe auch außerordentlich zweifelhaft. Handelt es sich, wie von der Beklagten behauptet, um eine Modifikation der Rechtsfolge des § 13 Nr. 5 VOB/B, etwa um eine bedingte Leistung an Erfüllungs statt oder um einen pauschalierten Schadensersatz, so sind die Nr. 5 und Nr. 7 Abs. 1 des § 13 VOB/B auch im Verhältnis der Prozesspartei als in Betracht zu ziehende Anspruchsgrundlagen nahe liegend.

Bringt der Auftragnehmer durch einen Preisnachlass seine Nachbesserungspflicht nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B oder seine Kostenerstattungspflicht gem. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B zum Erlöschen, so spricht vieles dafür, bei vertretbaren Nachlassvereinbarungen die hierfür erforderlichen Aufwendungen erstattungsfähigen Mängelbeseitigungskosten des Auftragnehmers gegenüber seinem seinerseits erstattungspflichtigen Subunternehmer gleichzustellen.

Ähnliches gilt für eine schadensrechtliche Beurteilung (§ 13 Nr. 7 VOB/B), denn Verbindlichkeiten aus vertretbaren Abfindungsvereinbarungen des Geschädigten können dem Schädiger haftungsrechtlich zugerechnet werden (vg. Palandt/Heinrichs, BGB-Kommentar, 61. Aufl., vor § 249 Rn. 82; BGH NJW 1993, 1139 [1141]).

Einem Auftragnehmer steht es frei, derartige, ihm vorteilhaft erscheinende Rechtsfolgenvereinbarungen auch präventiv zu treffen, etwa im Hinblick auf problematische Mängelbeseitigungsarbeiten. Tut er dies während der Leistungspflicht des damit zugleich betroffenen Sub-unternehmers, so wird er diesen, soweit sich dessen Risiko erhöht, hierüber allerdings in aller Regel zu unterrichten haben (§ 254 Abs. 2 BGB). Auch dies ist hier erfolgt (3. Absatz des Schreibens der Beklagten an die Klägerin vom 06.10.2000, von der Klägerin vorgelegt, Bl. 184 GA), worauf der Senat vorsorglich hinweist.

b) Die landgerichtlichen Ausführungen zu einer im Ergebnis fehlenden Skontoberechtigung der Beklagten (8.800,00 DM brutto) hat diese mit der Berufung nicht angegriffen.

c) Gegen die rechnungskürzende Zubilligung von 44.000,00 DM Sicherungseinbehalt bestehen derzeit Bedenken.

Das Landgericht hat die Berechtigung der Beklagten zum Sicherungseinbehalt hergeleitet aus der Geltung der Nr. 15.2. des Protokolls über die Verhandlungen zwischen ihr und der Hauptauftraggeberin vom 12.03.1999 (vgl. Bl. 90 GA). Bei der Nr. 15.2. spricht vieles für eine AGB-Klausel. Steht die wirksame Einbeziehung einer Klausel in den Vertrag fest, so findet im Prozess von Amts wegen die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle statt (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil, Rn. 20), hier noch nach §§ 9 - 11 AGBG. Die Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages, wonach der Besteller nach Abnahme des Bauwerkes 5 % der Auftragssumme für die Dauer der fünfjährigen Gewährleistungsfrist als Sicherheit einbehalten darf, benachteiligt den Unternehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen; sie ist unwirksam, wenn ihm kein angemessener Ausgleich dafür zugestanden wird. Das dem Unternehmer eingeräumte Recht den Einbehalt durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abzulösen, ist kein angemessener Ausgleich in diesem Sinne (BGH NJW 1997, 2598). Die Klauselnichtigkeit leitet sich aus einem Verstoß gegen § 9 AGB her, so dass ein Fall vorliegt, bei dem die Unwirksamkeit regelmäßig auch Klauseln im Handelsverkehr erfasst.

d) Soweit das Landgericht der Beklagten Umlagekosten als vertraglich vereinbarter Abzug auf der Grundlage der Ziff. 6 des Protokolls über die Verhandlungen zwischen der Hauptauftraggeberin und der Beklagten vom 12.03.1999 (vgl. Bl. 86 GA) zubilligt, stellt sich auch hier die Frage einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil, Rn. 166).

e) Sonderabzüge im Umfang von 13.777,90 DM sind nicht berufungsgegenständlich.

f) Ersatzvornahmekosten in Höhe von 29.994,44 DM hat das Landgericht dem Schlussurteil vorbehalten; im Berufungsverfahren hat die Beklagte eine Hilfsaufrechnung in dieser Höhe geltend gemacht. Bei dem wieder verbundenen Verfahren hat sie die Rangfolge klarzustellen, in der sie ihre Aufrechnungsforderungen, die nach ihrer Behauptung insgesamt die Klageforderung übersteigen, staffelt.

Abgesehen davon, dass zu diesen Ersatzvornahmekosten eine Zahlung nicht vorgetragen ist, insoweit ohnehin allenfalls ein nicht aufrechenbarer Freistellungsanspruch in Betracht käme, dürfte selbst dieser auszuscheiden haben, soweit mit der Vereinbarung vom 06.10.2000 zwischen der Hauptauftraggeberin und der Beklagten die Ersatzvornahmekosten auf 58.000,00 DM eingeschränkt worden sind, wie dies die Beklagte auf Bl. 281 GA nunmehr selbst vorträgt, und soweit die Beklagte in Höhe dieses Betrages gegen die Klägerin Erstattungsansprüche wegen fehlender oder verzögerter Mängelbeseitigung nach Abnahme überhaupt geltend machen kann.

3.

Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht vorzubehalten.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da ihre Entscheidung von keiner Beantwortung einer höchstrichterlichen bisher noch nicht entschiedenen Frage abhängt. Sie gibt auch keine Veranlassung, in den berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen.

Ende der Entscheidung

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