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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: 11 U 96/07
Rechtsgebiete: VZOG, InvVG


Vorschriften:

VZOG § 8
VZOG § 8 Abs. 5
VZOG §§ 11 ff.
VZOG § 13 Abs. 2
VZOG § 13 Abs. 2 Satz 2
VZOG § 13 Abs. 2 Satz 3
VZOG § 21 Abs. 2
InvVG § 10
InvVG § 16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 96/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 16.10.2007

Verkündet am 16.10.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. August 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Hütter und den Richter am Oberlandesgericht Ebling

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30. April 2007 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam (2 O 36/05) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Der Streithelfer der Beklagten trägt seine Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beide Parteien haben die Möglichkeit, die Sicherheit in Gestalt einer unbefristeten, unwiderruflichen, selbstschuldnerischen Bürgschaft eines auf dem Gebiet der Europäischen Union als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil beschwert die Beklagte mit 650.637,73 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf der Grundlage des § 13 Abs. 2 Satz 2 des Vermögenszuordnungsgesetzes (VZOG) auf die Zahlung des Verkehrswertes eines Grundstücks in Anspruch, soweit er einen von der Beklagten erzielten Verkaufserlös übersteigt. Gegenstand der Klage ist ein Teil der Forderung.

Das ehemalige Flurstück 177/3 der Flur 28 - Gemarkung F... - stand seit April 1945 im Eigentum des Deutschen Reiches. Es handelte sich um Reichseisenbahnvermögen. Im Jahre 1956 wurde es in Volkseigentum der ehemaligen DDR überführt. In das Grundbuch eingetragener Rechtsträger war der Rat der Stadt F....

Am 11.10.1990 beschloss die beklagte Stadt die Aufstellung des Bebauungsplans F 2 für südlich des genannten Flurstücks im Außenbereich gelegene Flächen mit dem Ziel der Errichtung nach damaliger Auffassung dringend benötigter Wohnungen.

Am 05.08.1992 erließ die Stadt zu dem gesamten Areal, das von ihrem Bebauungsplanentwurf betroffen war, einen Investitionsvorrangbescheid. Er ist am 01.09.1992 im Bundesanzeiger veröffentlicht und am 15.09.1992 vollziehbar geworden.

Zuvor hatte sie am 07.02.1992 in Bezug auf das Grundstück einen Antrag nach dem Vermögenszuordnungsgesetz gestellt.

Da die Beklagte nicht in der Lage war, die Errichtung der Wohnungen selbst zu finanzieren, beschloss sie eine Zusammenarbeit mit der H... AG, die beabsichtigte, einen Teil ihrer Produktionsstätten nach F... zu verlegen.

Die Beklagte beauftragte den Dipl.-Ing. W... F..., ihren Streithelfer, mit der Ermittlung des Verkehrswertes dieses Grundstücks zum Zeitpunkt der von ihm durchgeführten Besichtigung, nämlich dem 09.08.1992. Sein Ergebnis war, dass der Verkehrswert 1.330.000,00 DM betrage.

Am 23.09.1992 fasste die Beklagte den Beschluss, das Flurstück 177/3 in den Bebauungsplan F 2 einzubeziehen.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 07.10.1992 veräußerte die Beklagte das Grundstück zum Preis von 1.330.000,00 DM an eine aus der H... AG und Herrn P... H... bestehende BGB-Gesellschaft und schloss außerdem am selben Tag mit der H... F... GmbH einen städtebaulichen Vertrag. Der von der Erwerberin zu zahlende Grundstückskaufpreis wurde gestundet. Dies angesichts der noch offenen Frage der Vermögenszuordnung das Flurstück 177/3 betreffend. Die Streitverkündungsempfängerin, die R... Projektmanagement AG, ist die Rechtsnachfolgerin der Erwerbergesellschaft.

Mit Zuordnungsbescheid der Oberfinanzdirektion Cottbus vom 01.12.2000 wurde festgestellt, dass die Klägerin auf der Grundlage der Artikel 21 Abs. 3, 2. Halbsatz, und 26 des Einigungsvertrages am 03.10.1990 das Flurstück 177/3 zu Eigentum übertragen erhalten habe. Mit dem Zeitpunkt der späteren Veräußerung des Grundstücks durch die beklagte Stadt gelte der Erwerb als nicht mehr erfolgt. Daher sei die Stadt zur Zahlung eines Geldbetrages in Höhe des Erlöses an die Deutsche Bahn AG verpflichtet. Unterschreite der Erlös den Verkehrswert offensichtlich und ohne sachlichen Grund, so werde der Verkehrswert geschuldet.

Entsprechend der in dem Kaufvertrag vom 07.10.1992 getroffenen Regelung zahlte die Rechtsnachfolgerin der Erwerberin, die Streitverkündungsempfängerin, im Januar 2001 einen Betrag in Höhe von 389.362,27 € an die Klägerin. Den Rest des vereinbarten Kaufpreises - umgerechnet 568.000,00 DM - behielt sie ein mit der Begründung, in dieser Höhe habe sie Kosten zur Entkontaminierung von Altlasten des Grundstücks aufwenden müssen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der von der Beklagten erzielte Veräußerungserlös unterschreite den wahren Verkehrswert des Grundstücks offensichtlich und ohne sachlichen Grund, so dass ihr nach § 13 Abs. 2, Satz 2 VZOG ein Anspruch auf dessen Zahlung zustehe. Sie hat, gestützt auf das von ihr eingeholte Privatgutachten des Dipl.-Ing. Sp..., behauptet, der Verkehrswert habe tatsächlich 3.634.000,00 DM betragen, allerdings zu dem von ihr für ausschließlich korrekt gehaltenen Stichtag, dem 07.10.1992, dem Tag des Kaufvertragsabschlusses also. Von dem so errechneten Differenzbetrag - 2.304.000,00 DM - hat die Klägerin den Teilbetrag in Höhe von 1.290.847,80 DM (umgerechnet 660.000,00 €) eingeklagt. Im Verlauf des Rechtsstreits hat die Rechtsnachfolgerin der Erwerberin eine Teilfläche von 17.925 Quadratmetern (das heutige Flurstück 1038) an die Beklagte kostenlos zurückübertragen. Sie hat damit § 3 des Kaufvertrages Folge geleistet. Danach war die Käuferseite verpflichtet, nach Fertigstellung der öffentlichen Erschließungsanlagen, der öffentlichen Grünflächen etc. die dafür in Anspruch genommenen Grundstücksflächen an die Verkäuferin zurück zu geben.

Die Beklagte bot der Klägerin ihrerseits die Übertragung als Surrogat für den darauf entfallenden Teil des Kaufpreises bzw. Verkehrswertes an, was diese indessen ablehnte. Die rechtlichen Konsequenzen dieser Ablehnung sind ein wesentlicher Streitpunkt der Prozessparteien.

Zu dem Streitstand erster Instanz im Übrigen wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 660.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben. Auch insoweit nimmt der Senat zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie weiter die vollständige Abweisung der Klage erstrebt.

Zusammengefasst bringt sie zur Begründung ihres Rechtsmittels vor:

Das Landgericht habe mit unzutreffender Begründung ein Bedürfnis für eine neue Wertermittlung angenommen. Tatsächlich aber, so meint sie, habe es einer Beweisaufnahme nicht bedurft. Denn die Klage sei bereits nicht schlüssig. Die Kammer habe den Regelungsgehalt des § 13 Abs. 2 VZOG verkannt. Denn sie, die Beklagte, habe sich mit dem von ihr eingeholten Gutachten ihres Streithelfers hinreichend abgesichert. Dessen Ergebnis hätten Klägerin und Gericht hinzunehmen. In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach, so zitiert sie, sei ein Missverhältnis zwischen Kaufpreis und Verkehrswert grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Kaufpreis einem Verkehrswertgutachten entnommen werde. Ausnahmsweise sei eine neue Wertermittlung - etwa mit dem Ergebnis einer auf § 13 Abs. 2 Satz 2 VZOG gegründeten Mehrforderung - nur dann gerechtfertigt, wenn Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden seien, dass der Verfügungsberechtigte ,hier die Beklagte, wider besseres Wissen oder aber zumindest in vorwerfbarer Verkennung des wahren Grundstückswertes einen zu niedrigen Kaufpreis vereinbart habe. Davon könne aber, so die Beklagte, im Streitfall keine Rede sein. Denn die Angriffe der Klägerin gegen das Gutachten F... entbehrten der Grundlage.

Mit der Klägerin habe das Landgericht zu Unrecht angenommen, der Sachverständige F... habe - auf Veranlassung der Beklagten - seiner Begutachtung einen falschen Bewertungsstichtag, nämlich den 09.08.1992, zugrunde gelegt, und die Beklagte habe angesichts der ihr bekannten Veränderung der bauleitplanungsrechtlichen Lage zwischen diesem Tag und dem Zeitpunkt der Veräußerung, dem 07.10.1992, wissentlich dieses falsche Gutachten verwertet. In Wahrheit, so die Beklagte, sei der 09.08.1992 der richtige Stichtag.

Das Gesetz stelle nämlich auf den "Beginn der Maßnahme" ab. Was damit gemeint sei, könne den Motiven zu § 13 Abs. 2 VZOG entnommen werden (BT-Drucks. 12/5553). Darin werde erwähnt, dass die Vorschrift eine dem § 16 Investitionsvorrangesetz (InvVG) entsprechende Regelung über den Geldausgleich bei erlaubten investiven Verfügungen enthalte. Hieraus ergebe sich ohne Weiteres, so die Beklagte, dass die Entscheidung des BVerwG zum InvVG (V ZR 192/02) herangezogen werden müsse, wonach es auf den Vermögenswert in dem Zustand ankomme, in dem ihn der Berechtigte, wäre es zur Restitution in Natur gekommen, empfangen hätte.

Im Übrigen, so die Beklagte, habe das Landgericht verkannt, dass die Wahl des vermeintlich falschen, nämlich zu frühen, Stichtags sich nicht zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt habe. Denn der Gutachter F... habe bei seiner Bewertung unterstellt, dass das Flurstück bereits in den Planentwurf F 2 einbezogen gewesen sei. Die formal erst später vorgenommene Einbeziehung des Geländes in die Bauleitplanung sei also von ihm quasi vorweg genommen worden.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei ihr Streithelfer zutreffend von einem Wert "Null" der Gemeinbedarfsflächen ausgegangen. Die Gestaltung des Kaufvertrages, insbesondere der darin verankerte Anspruch der Beklagten auf Rückübertragung, rechtfertige diese Sichtweise. Dem sei die Klägerin lediglich mit dem nicht näher substantiierten Hinweis darauf entgegen getreten, dass normalerweise auch die Kosten der Beschaffung der zu erschließenden Flächen in Ansatz gebracht werden müssten.

Mit falscher Begründung habe die Kammer den von der Beklagten erhobenen Einwand der Ersetzungsbefugnis unbeachtet gelassen. Ihr Anspruch auf Rückgabe der der Klägerin bereits angebotenen Teilfläche (Flurstück 1038) ergebe sich aus der Vorschrift des § 8 Abs. 5 VZOG. Daher vermindere sich der an die Klägerin zu zahlende Betrag selbst dann, wenn man im Übrigen die Argumentation des Landgerichts teile, um den Wert der ihr angebotenen, aber nicht angenommenen 17.925 qm Gemeinbedarfsfläche.

Jedenfalls aber sei die Ablehnung der Klägerin rechtsmissbräuchlich. Mit ihrem Zuordnungsantrag habe sie nämlich zu erkennen gegeben, dass sie das Grundstück habe verwerten wollen und dass sie das Wertentwicklungsrisiko zu tragen bereit sei. Mit ihrer Weigerung wolle sie den Verlust nicht nur des Erlösauskehranspruchs, sondern auch des Grundstückseigentums abwenden. Denn dieses würde sie aufgrund der Aufteilungsregelungen im Eisenbahnneuordnungsgesetz nicht behalten, sondern an den Bund verlieren.

Zu Unrecht sei das Landgericht - auf der Basis seiner zu bekämpfenden Rechtsauffassung, es sei über den Verkehrswert des Grundstücks Beweis zu erheben - dem Gutachten des von ihm bestellten Sachverständigen Hu... gefolgt. Tatsächlich sei das Gutachten nicht brauchbar. Es enthalte grundsätzliche Fehler.

Was die Verkehrs- und Grünflächen angehe, sei in der - anzuwendenden - Richtlinie 6.3.2 von einem Anerkennungsbetrag nicht die Rede. Ihn habe der Sachverständige aber zugrunde gelegt. Dabei habe er sich zu Unrecht an dem Muster eines Erschließungsvertrages zwischen ihr und der H... F... GmbH orientiert. Tatsächlich hätten die Grundsätze der Enteignungsentschädigung angewendet werden müssen, was nicht geschehen sei.

Der Sachverständige habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, er wisse nichts von einem Aufwand der Erwerberin in Höhe von DM 568.000.00 zur Beseitigung von Altlasten. Damit habe er zu erkennen gegeben, dass er nicht den ganzen Sachverhalt erfasst habe.

Die Bewertung der Kita-Fläche mit 50 % des Bodenwertes der umliegenden Bauerwartungsfläche habe keine zuverlässige Grundlage. Das habe der Sachverständige offenbart.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 30.04.2007 die Klage abzuweisen.

Der Streithelfer der Beklagten schließt sich deren Antrag an.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen, die im Kern die von ihr bereits in der ersten Instanz eingenommenen Rechtsstandpunkte wiedergeben und vertiefend erläutern. Sie verteidigt insbesondere die vom Landgericht getroffene Anordnung der Beweisaufnahme und würdigt deren Ergebnis ebenso wie die Kammer. Die Klägerin stellt ihre Argumentation nunmehr auf die Grundlage des Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen Hu....

Der Streithelfer der Beklagten tritt deren Ausführungen vor allem in einem Punkt entgegen. Es sei nicht zutreffend, dass in seinem Gutachten bereits der planungsrechtliche Zustand vom 07.10.1992 berücksichtigt worden sei. Vielmehr habe er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erschließung noch nicht gesichert und die Bebauungsplanung nicht abgeschlossen sei. Den Inhalt des Aufstellungsbeschlusses der Beklagten vom 23.09.1992 habe er nicht gekannt und auch gar nicht kennen können.

Wegen des Sach- und Streitstandes beider Instanzen im Übrigen nimmt der Senat auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Schriftsätze und Urkunden ergänzend Bezug.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

III.

In der Sache hat das Rechtsmittel der Beklagten jedoch keinen Erfolg.

Vielmehr hat die Kammer der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Berufungsangriffe der Beklagten dagegen überzeugen nicht.

1.

Der Anspruch der Klägerin beruht auf § 13 Abs. 2 Satz 2 VZOG.

2.

Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anspruchsvoraussetzungen eines "offensichtlich" und "ohne sachlichen Grund" den Verkehrswert des Vermögensgegenstandes unterschreitenden Veräußerungserlöses an (siehe dazu den Beschluss vom 21.11.2002 in BVerwG 3 B 109/02).

Danach ist ein rechtlich beachtliches Missverhältnis beider Werte grundsätzlich auszuschließen, wenn der Verkehrswert Gegenstand eines vor Vertragsschluss eingeholten Gutachtens war und dessen Ergebnis Grundlage des vereinbarten Kaufpreises geworden ist. Ein Fall des § 13 Abs. 2 Satz 2 VZOG liegt nur dann vor, wenn zum Zeitpunkt des Grundstücksverkaufs für den Verfügungsberechtigten "auf der Hand lag", dass das Verhältnis zwischen Erlös und wirklichem Wert ohne sachlichen Grund inadäquat war. Er muss entweder wider besseres Wissen oder aber in vorwerfbarer Verkennung des wahren Wertes den gutachterlich ermittelten Wert zum Vertragsgegenstand gemacht haben (BVerwG a.a.O.).

3.

Das von der Beklagten in Auftrag gegebene Gutachten ihres Streithelfers ist jedenfalls in einem Punkt nicht nur objektiv falsch. Vielmehr ist der Fehler so gestaltet, dass die Beklagte ihn, weil auf der Hand liegend, erkennen musste. Dies hat sie fahrlässig nicht getan. Dass sie wider besseres Wissen gehandelt habe, lässt sich nicht feststellen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Landgericht, abweichend von dem Gutachten des Sachverständigen F..., der allerdings lediglich den Vorgaben der Beklagten gefolgt ist, zutreffend von dem 07.10.1992 als Bewertungsstichtag ausgegangen. Eine Beurteilung des Grundstücks zum 09.08.1992 ist dagegen nicht sachgerecht.

Die Wahl des richtigen Stichtags ist darüber hinaus, anders als die Beklagte meint, von Einfluss auf das Gutachtenergebnis.

Der Rückgriff auf den Zeitpunkt der Vollziehbarkeit des Investitionsvorrangbescheides nach den §§ 10 und 16 des InvVG ist, was die objektive Rechtslage seit dem Inkrafttreten des VZOG angeht, bereits angesichts der in ihm getroffenen Übergangsregelung des § 13 Abs. 2 Satz 3 VZOG ausgeschlossen. Die gegenteilige Argumentation der Beklagten zielt erkennbar auf das Vorhandensein einer vermeintlichen Regelungslücke für so genannte Altfälle ab, solche Verfügungen also, die nach dem 03.10.1990, aber vor dem Inkrafttreten des VZOG in der heutigen Fassung - es gab sie noch nicht am 07.10.1992 - getroffen wurden. Sie werden indessen durch den § 13 Abs. 2 Satz 3 VZOG abschließend geregelt. Eine Regelungslücke gibt es somit nicht.

Die Argumentation der Beklagten unter Bezugnahme auf die Motive zu § 13 Abs. 2 VZOG (BT-Drucksache 12/5553) überzeugt den Senat ebenfalls nicht. Die von ihr postulierte "Gleichstellung" der Verfahren nach dem VZOG einerseits und dem InvVG andererseits, was den maßgeblichen Zeitpunkt der wertbestimmenden "Verfügung" angeht, ist den zitierten Motiven nicht zu entnehmen.

Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg für sich in Anspruch nehmen, sie sei ungeachtet der nachträglich in Ansehung des später in Kraft getretenen VZOG veränderten Rechtslage bei Abschluss des Kaufvertrages vom 07.10.1992 noch davon ausgegangen, der Verkehrswert des Grundstücks bei Bestandskraft ihres Investitionsvorrangbescheids sei maßgebend, was jedenfalls die Verwertung des Gutachtens ihres Streithelfers bei der Ermittlung des Kaufpreises als nicht vorwerfbar erscheinen lasse. Denn bereits der tatsächliche Geschehensablauf spricht gegen eine solche subjektive Vorstellung auf Seiten der Beklagten. Es hätte in diesem Falle für sie nichts näher gelegen, als ihren Streithelfer vor der Fertigstellung seines Gutachtens darauf hinzuweisen, dass sie am 05.08.1992, mithin bereits vier Tage vor dem ihm vorgegebenen Bewertungsstichtag, den Investitionsvorrangbescheid erlassen hatte und dessen Bestandskraft demnächst zu erwarten sei. Selbst von dem Eintritt der Vollziehbarkeit ihres Bescheides, nämlich am 15.09.1992, hat die Beklagte den Sachverständigen nicht in Kenntnis gesetzt. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass sie zum damaligen Zeitpunkt jenem Datum keine Bedeutung hinsichtlich des Verkehrswertes des Grundstücks beimaß. Auch unter anderen tatsächlichen Gesichtspunkten lässt sich die Unterschreitung des Verkehrswertes nicht rechtfertigen, wie noch auszuführen sein wird.

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, ihr Streithelfer habe das Grundstück bereits in seiner planungsrechtlichen Lage am 05.10.1992 bewertet, dem Tag also, an dem ihr zweiter Aufstellungsbeschluss vom 23.09.1992 bekannt gemacht worden ist.

Zum einen war die objektive Planungssituation, was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, am 09.08.1992 noch eine andere, was die Berücksichtigung der späteren Entwicklung des Planungsgeschehens nicht ohne weiteres nahe legt.

Zum anderen hat der Streithelfer der Beklagten im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 30.06.2005 selbst erklärt, er hätte in Kenntnis des Aufstellungsbeschlusses vom 23.09.1992 das Grundstück anders bewertet, als er es tatsächlich getan hat. Das zu widerlegen unternimmt die Beklagte nicht.

Damit steht fest, dass der Streithelfer der Beklagten bei Erstellung seines Gutachtens, zwar ohne eigenes Verschulden, aber nach der Vorgabe der - besser informierten - Beklagten, von einer objektiv falschen Anknüpfungstatsache ausging und dass der darauf beruhende Fehler in den ermittelten Verkehrswert einfloss. Er hat sich in einer Minderbewertung der Flächen um über 250.000,00 € niedergeschlagen, wie den sachverständigen Ausführungen des gerichtlich bestellten Gutachters Hu... im Einzelnen entnommen werden kann. Auch in der Größenordnung dieses Betrags wird die Offensichtlichkeit der Wertunterschreitung offenbar.

Die Verwertung des Gutachtens als Grundlage des von der Beklagten geforderten und ihr versprochenen Kaufpreises ist ihr, abgesehen von der bereits erörterten fehlenden Relevanz des Investitionsvorrangverfahrens, auch subjektiv vorzuwerfen mit der Folge, dass sich die Klägerin daran ausnahmsweise nicht festhalten lassen muss.

Denn niemand besser als die Beklagte wusste über den Stand der Bauleitplanung und deren maßgebliche Veränderung in der Zeit zwischen August und Oktober 1992 Bescheid. Sie selbst hat das Geschehen bestimmt. Die den Verkehrswert beeinflussende Wirkung eines bauleitplanungsrechtlichen Beschlusses kannte die beklagte Stadt. Sie liegt auf der Hand, ist gerichtsbekannt und musste daher auch der Beklagten klar sein. Sie hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Einbeziehung des Flurstücks 177/3 in den Bebauungsplan F 2 ausnahmsweise ohne solche Auswirkung geblieben sei. Im Übrigen hat ihr Streithelfer, wie bereits dargelegt, in diesem Punkt ihrer Argumentation aus sachverständiger Sicht ausdrücklich widersprochen.

Einen sachlichen Grund zur Missachtung des tatsächlichen Verkehrswerts des Grundstücks hatte die Beklagte nicht. Er fehlt in der Regel dann, wenn rationale Ursachen für das Verhalten des Verfügungsberechtigten im Einzelfall und unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Situation nicht bestehen (vgl. Lammert/Rauch/Teige, Fragen der Vermögenszuordnung, 1996, S. 182).

So liegt der Streitfall. Denn die Beklagte hat keinen überzeugenden Grund für ihre Wahl des Bewertungsstichtags vorgetragen. Dass er entgegen der Argumentation der Beklagten ungeachtet des Verfahrens nach dem Investitionsvorranggesetz und dessen zeitlichen Ablaufs objektiv falsch war, steht nach Auffassung des Senats ebenso fest wie die Tatsache, dass die Beklagte von einer abweichenden Rechtslage selbst nicht ausgegangen ist, was allein unter Umständen ihre Vorgehensweise objektiv erklären und darüber hinaus subjektiv rechtfertigen könnte.

Der Umstand, dass die Erwerberin eine erheblich große Teilfläche schließlich wieder an die Beklagte zurück übertragen hat und dies den vertraglich getroffenen Abreden entsprach, vermag die Unterbewertung des veräußerten Grundstücks ebenfalls nicht sachlich zu begründen. Die Baulast, aber auch Verfügungshoheit insoweit wieder der Beklagten als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts zuzuordnen, lag im Interesse beider Vertragspartner, mithin auch dem der Investorin. Die beklagte Stadt will und muss dort hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Das bot der Investorin den wirtschaftlichen und rechtlichen Vorteil, der damit verbundenen Lasten ledig zu sein. Andererseits war die Erschließung der gewinnbringend mit Wohnungen zu bebauenden Grundstücksteile ihr, nicht aber der Beklagten möglich, wie diese unwidersprochen vorträgt. Insgesamt sprach sachlich nichts dafür, die Erwerberin der Grundstücke von der Zahlung eines Kaufpreisanteils zu entlasten.

4.

Aus den dargelegten Gründen sind die rechtlichen Grundlagen des Klageanspruchs zu bejahen, ohne dass es noch auf die Entscheidung der zwischen den Parteien ebenfalls umstrittenen Frage ankommt, ob der Streithelfer der Beklagten einen Teil der Gemeinbedarfsflächen zu Recht mit "Null" bewertet hat. Sie ist unter anderem Gegenstand des von der Beklagten gegen ihn geführten, aber noch nicht entscheidungsreifen Rechtsstreits.

5.

Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Hu... auch keine weiteren Fehler erkennen. Die Kammer ist ihm mit zutreffender Begründung gefolgt. Ihr schließt sich der Senat an. Im Einzelnen:

a)

Keine Minderung des Verkehrswertes infolge einer Bodenbelastung über den vom Sachverständigen berücksichtigten Betrag hinaus.

Die Beklagte macht geltend, die Erwerberin habe umgerechnet 568.000,00 DM aufwenden müssen, um Altlasten beseitigen zu lassen.

Zum einen stellt das nicht ohne weiteres den Betrag dar, um den der Verkehrswert des Grundstücks gemindert war, unterstellt, die Kosten wären tatsächlich in dieser Höhe angefallen. Eine Wertminderung müsste die Beklagte, wie ohne weiteres auf der Hand liegt, anders begründen, sollte sie schlüssig vorgetragen werden. Im vorliegenden Rechtsstreit ist das nicht geschehen. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an.

Denn zum anderen sieht sich die Beklagte in diesem Punkt der Argumentation der Klägerin gegenüber, die sie bislang nicht auszuräumen vermochte, nämlich dass es in dem Bebauungsplan F 2 (5) heiße: "Zur Bewertung eventueller Kontaminationen des Grundwassers und des Bodens wurden chemische Analysen durchgeführt, die nach Art und Umfang keine Verunreinigungen aufwiesen, die eine Anordnung von Sanierungsmaßnahmen notwendig machen." Dies treffe erklärtermaßen auch auf den Bereich des "alten Sees" zu, in dem sich nach den Feststellungen des Streithelfers eine vergleichsweise stärkere Verunreinigung mit Hausmüllrückständen befunden habe. Dem ist die Beklagte nicht mit substanziiertem Vortrag entgegengetreten.

Die von dem Sachverständigen Hu..., wenn auch in weitaus geringerem Umfang, berücksichtigte Minderung infolge Altlastenbeseitigungsaufwandes beruht ausschließlich darauf, dass insbesondere im Bereich der Kindertagesstätte eine Abtragung des Bodens - als Vorsichtsmaßnahme - stattfinden sollte.

Der Sachverständige ist dazu von dem Landgericht auch mündlich befragt worden. Dabei hat er betont, dass ihm keine Erkenntnisse über umfangreiche Bodenverunreinigungen vorlägen. Auch die Beklagte, die ihn ausweislich des landgerichtlichen Protokolls dazu befragte, konnte ihm offenbar diese Erkenntnisse nicht verschaffen. Daher ist es unzutreffend, wenn sie in der Berufungsbegründung beanstandet, der Sachverständige habe eine "Wissenslücke" offenbart. Das ist nicht der Fall.

b)

Der Senat hat ebenso wie das Landgericht keine Bedenken, dem Sachverständigen Hu... bei der Bewertung der für die Errichtung einer Kindertagesstätte vorgesehenen Flächen zu folgen. Er hat die Methode seiner Untersuchung offen gelegt, deren Ergebnis und den Weg dahin nachvollziehbar dargestellt. Der Umstand, dass er nicht einen Vergleichsfall aus dem Gebiet der Stadt F... nennen konnte, entwertet angesichts seiner übrigen Ausführungen sein Gutachten nicht.

c)

Gleiches gilt für die Ausführungen des Sachverständigen bei der Begutachtung der übrigen Bauerwartungsflächen. Er hat seine Darlegungen im Rahmen deren mündlicher Erläuterung vor der Kammer bekräftigt.

Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf das schriftliche Gutachten ebenso wie auf das Protokoll des Landgerichts Bezug.

5.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht ihr eine Ersetzungsbefugnis nicht zu, so dass es bei ihrer Zahlungsverpflichtung bleibt. Die Vorschrift des § 8 Abs. 5 VZOG ist nämlich auf den Streitfall weder direkt noch entsprechend anzuwenden.

Nach § 21 Abs. 2 VZOG gelten für das in Art. 26 des Einigungsvertrages genannte Vermögen (hier: Sondervermögen Deutsche Reichsbahn) die Vorschriften des dritten Abschnitts des VZOG, mithin die §§ 11 ff. Darunter fällt § 8 VZOG nicht.

Somit kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob die Beklagte, ginge man von ihrem Wahlrecht nach § 8 VZOG aus, es bereits mit Bindungswirkung ausgeübt hätte, wie die Klägerin geltend macht.

Die der Klägerin von Beklagtenseite in diesem Zusammenhang entgegengehaltene Treuwidrigkeit erkennt der Senat nicht. Die Klägerin tut nichts anderes, als ihre einmal erworbene Rechtsposition zu verteidigen, wenn auch nicht zu verkennen ist, dass die Veräußerung des Grundstücks durch die Beklagte ihr schließlich einen sonst vielleicht nicht zu erzielen gewesenen wirtschaftlichen Vorteil verschafft haben mag. Dass es ihr ausnahmsweise verwehrt sei, auf ihrem Zahlungsanspruch zu beharren, hat die Beklagte nicht überzeugend dargelegt. Die Tatsache allein, dass die Klägerin einen Vermögenszuordnungsantrag stellte, was ein grundsätzliches Interesse an dem Grundstück vorausgesetzt haben mag, nimmt ihr nicht den Anspruch aus § 13 Abs. 2 Satz 2 VZOG.

Die Kritik der Beklagten richtet sich gegen die gesetzgeberische Entscheidung, über die der Senat indessen nicht zu befinden hat.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und bietet keinen geeigneten Anlass zur Fortbildung des Rechts. Insbesondere die Anspruchsvoraussetzungen nach der Vorschrift des § 13 Abs. 2 Satz 2 VZOG, welche im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung der Parteien stehen, sind in der sonst zuständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit höchstinstanzlich geklärt. Im Übrigen sind die gesetzlichen Regelungen, die die Beklagte zum Gegenstand ihrer Berufungsangriffe gemacht hat, bereits ihrem Wortlaut nach eindeutig. Aufgabe des Senats war es lediglich, den von tatsächlichen Besonderheiten geprägten Sachverhalt entsprechend den bereits erarbeiteten Grundsätzen zu subsumieren. Dabei hat er sich mit keiner anderen höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Entscheidung in Widerspruch gesetzt, so dass auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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