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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.07.2008
Aktenzeichen: 11 W 24/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42 Abs. 2
ZPO § 406 Abs. 1
ZPO § 406 Abs. 5, 2. Alt.
ZPO § 569 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

11 W 24/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts am 15. Juli 2008 durch den Richter am Oberlandesgericht Pliester als Einzelrichter (§ 568 S. 1 ZPO)

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 20. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 30.438,17 €

Gründe:

I.

Im Ausgangsverfahren begehrte die Klägerin von den Beklagten als Gesamtschuldner Schadensersatz wegen einer geltend gemachten schuldhaften Vertragspflichtverletzung; Hintergrund ist die Belieferung der Klägerin mit Ziegeln durch die Beklagte zu 1.

Das Landgericht hat eine Beweiserhebung durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet (Beschluss vom 11. Mai 2005; Bl. 144 d.A.). Nachdem sich die Parteien nicht über einen gemeinsamen Vorschlag zur Bestimmung des Sachverständigen haben einigen können, hat das Landgericht Frau Dr. Dipl.-Ing. F... mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt; hiervon ausgenommen ist die Beweisfrage I 1 d des o.g. Beschlusses, der sich auf die Verlegbarkeit der Dachziegel bezieht. Nach Übersendung der Akten an das Universitätsinstitut in W..., dem die Sachverständige angehört, hat sich der Institutsdirektor mit Schreiben vom 14. September 2006 an das Landgericht mit der Bitte um die Formulierung von Beweisfragen gewandt und im Übrigen die Sachverständige für geeignet gehalten. Dem lag offenbar die falsche Einschätzung des Direktors zu Grunde, es handele sich bei der Aktenübersendung nur um eine Anfrage. Eine mit dem Inhalt des Schreibens vom 14. September 2006 begründete Ablehnung der Sachverständigen Dr. F... hat das Landgericht für nicht begründet erachtet (Beschluss vom 06. Oktober 2006; Bl. 196 d.A.).

Nachdem die Sachverständige am 03. März 2008 das Gutachten erstellt hatte, hat die Klägerin die Sachverständige innerhalb der vom Gericht gesetzten und verlängerten Stellungnahmefrist wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung ausgeführt:

Ohne ihre - der Klägerin - Kenntnis seien der Sachverständigen durch die Beklagten fünf Fotografien übermittelt worden, die die Sachverständige in ihrem Gutachten verwertet habe. Die Verwendung der Fotografien habe auch dazu geführt, dass das Gutachten unrichtig sei. Im Übrigen hat die Klägerin ausgeführt, warum sie die Begutachtung für mangelhaft und das Gutachten für unzureichend hält.

Die Beklagten haben ausgeführt, dass die Vorgehensweise - Übersendung der Fotografien durch sie an die Sachverständige - im Ortstermin ausdrücklich thematisiert worden sei; die Klägerin habe dies gebilligt.

Das Landgericht hat den Befangenheitsantrag durch Beschluss vom 20. Mai 2008 (Bl. 343 d.A.) zurückgewiesen und die Entscheidung wie folgt begründet: Es könne dahin stehen, ob die Behauptung der Beklagten zutreffe, die von der Sachverständigen gewählte Vorgehensweise sei von der Klägerin gebilligt worden. Da die Fotografien lediglich dazu angefordert worden seien, den Herstellungsprozess zu illustrieren, sei es für die Klägerin erkennbar gewesen, dass sie nicht geeignet gewesen seien, das Ergebnis der Begutachtung zu beeinflussen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlusses, welcher der Klägerin am 26. Mai 2008 zugestellt worden ist, wird auf die bei den Akten befindliche Leseabschrift (Bl. 347) Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, beim Landgericht eingegangen am 26. Mai 2008. Sie verfolgt ihren Befangenheitsantrag weiter und führt aus: Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine einseitige Sachbesichtigung zwingend zur Ablehnung des Sachverständigen führen müsse. Dies habe etwa das OLG Koblenz in einem Fall entschieden, in dem der Sachverständige sich ein Reststück des im Prozess beanstandeten Materials hat aushändigen lassen, ohne den Gegner zu beteiligen.

Soweit es auf die Einzelheiten des Prozesses der Ziegelfertigung ankomme, sei die Sachverständige ohnehin verpflichtet gewesen, sich an das Gericht zu wenden, um eine Erweiterung des Beweisbeschlusses anzuregen. Im Übrigen habe die Verwendung der Informationen aus den Fotografien ersichtlich dazu geführt, dass das Gutachten unrichtig erstattet worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Klägerin in den Schriftsätzen vom 04. April, 16. April und 26. Mai 2008 Bezug genommen. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen (Beschluss vom 30. Mai 2008; Bl. 353 d.A.).

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft gemäß § 406 Abs. 5, 2. Alt. ZPO und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der Zwei-Wochen-Frist des § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO beim Landgericht eingegangen. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Auffassung vertreten, dass die Sachverständige Dr. F... nicht wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann.

Nach § 406 Abs. 1 in Verbindung mit § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Sachverständiger abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung sind objektive Gründe erforderlich, die aus der Sicht einer verständigen Partei die Befürchtung wecken, der Sachverständige stehe einer Partei nicht unvoreingenommen gegenüber. Anerkannt ist ferner, worauf auch die Klägerin mit Recht hinweist, dass ein Sachverständiger bei seinen Ermittlungen regelmäßig beide Parteien herbeiziehen, ihnen jedenfalls Gelegenheit zur Mitwirkung geben muss. Dies gilt insbesondere für die Durchführung von Ortsterminen und für die Beschaffung von unmittelbar beweiserheblichem Material (wie in dem von der Klägerin herangezogenen Fall des OLG Koblenz MDR 1978, 148).

Ein vergleichbarer Fall liegt hier indes nicht vor. Dies würde ohne weiteres dann gelten, wenn - wie die Beklagte behauptet - die Sachverständige die Vorgehensweise mit beiden Parteien einvernehmlich abgestimmt hätte; in diesem Fall läge in der Nichtprotokollierung lediglich eine leichte Unbeholfenheit, die zur Ablehnung nicht berechtigen würde. Aber auch dann, wenn die Sachverständige die Fotografien eigenmächtig und ohne Vorabsprache einseitig bei der Beklagten angefordert hätte, wäre diese Tatsache nicht geeignet, Misstrauen an ihrer Unparteilichkeit zu wecken. Die Bilder sind, soweit sich dies dem Gutachten und dem Vorbringen der Parteien entnehmen lässt, zu Illustrationszwecken in das Gutachten aufgenommen worden. Schlussfolgerungen aus den Fotografien hat die Sachverständige ausweislich des Gutachtens gerade nicht gezogen; insbesondere weist die Kläger mit Recht darauf hin, dass sich Näheres über die verwendeten Rähmchen den Fotografien gerade nicht entnehmen lässt.

Die Sachverständige hat weiterhin in dem Gutachten - ungefragt - die Quelle der Fotografien offen gelegt (vgl. Anlagenverzeichnis S. 2 des Gutachtens). Zudem war auf Grund der Datumseinblendung auf den Fotografien ersichtlich, dass diese nach dem letzten Ortstermin gefertigt worden sein sollen. Die Sachverständige hat daher keinesfalls den Eindruck erweckt, die in den Fotografien enthaltenen - spärlichen - Informationen seien durch eine Beteiligung beider Parteien, etwa im Rahmen einer gemeinsamen Erörterung über den Inhalt der Fotos, gedeckt.

Vor diesem Hintergrund ist das Vorgehen der Sachverständigen im Zusammenhang mit den Fotos als nicht schwer wiegende Unbeholfenheit oder Ungeschicklichkeit zu bewerten, die aus der Sicht einer vernünftigen Partei nicht den Schluss zulassen, sie stehe einer der Parteien mit Vorbehalten gegenüber.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Als Streitwert erachtet der Senat ein Drittel des erstinstanzlichen Hauptsachestreitwerts für angemessen (§ 3 ZPO; vgl. Zöller § 3 RN 16 Stichwort Ablehnung).

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde, wie von der Beschwerdeführerin ausdrücklich beantragt, ist nicht veranlasst. Die Voraussetzungen, unter denen ein Sachverständiger wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann, sind in der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Die Rechtsauffassung des Senats fügt sich in die Rechtsprechung der anderen Obergerichte ein. Insbesondere liegt eine Divergenz zu dem Beschluss des OLG Koblenz vom 02. September 1977 (4 W 594/77) nicht vor. In jenem Fall hatte der Sachverständige eine Ortsbesichtigung vorgenommen, von der nur Vertreter einer Partei Kenntnis hatten; außerdem hat sich der Sachverständige selbstständig unter Übergehung einer Partei eine Materialprobe bei der anderen Partei besorgt, wobei es für die Beantwortung der Beweisfrage gerade um die Beschaffenheit dieses Materials ging. Dass nicht jede Anforderung von Unterlagen bei einer Partei, ohne dies im Einzelnen mit der anderen Partei abzusprechen, die Besorgnis der Befangenheit wecken muss, ist im Übrigen allgemein anerkannt (vgl. nur OLG Frankfurt OLGR 1997, 306).

Ende der Entscheidung

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