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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: 11 W 56/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 256 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

11 W 56/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Landgericht Fischer-Dankworth als Einzelrichterin am 20. Dezember 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 7. November 2006 - Az.: 11 O 219/06 - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 14. November 2006 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Beklagte verteidigt sich gegen Ansprüche der minderjährigen Klägerinnen auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und die Feststellung einer Haftung für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden der Klägerinnen aus den Tathandlungen in der Zeit vom Januar 2004 bis Juni 2005 in F.... Die Klägerinnen begründen ihren Anspruch damit, dass der Beklagte in der Zeit zwischen Januar 2004 und Juni 2005 an ihnen mehrfach sexuelle Handlungen vorgenommen und sie mehrfach pornografisch fotografiert habe. Sie nehmen dabei Bezug auf das zwischenzeitlich rechtskräftige Strafurteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. Februar 2006 zum Az.: 21 Kls 21/05, mit dem der Beklagte u. a. auch wegen der von ihnen behaupteten Handlungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt wurde.

Der Beklagte verteidigt sich damit, dass zwischen den Parteien streitig sei, ob es sich bei seinem Vorgehen um Handlungen mit sexuellem Hintergrund handele oder die Erheblichkeitsschwelle für ein sexuelles Handeln nicht überschritten worden sei. Er bestreitet, dass er durch sein Verhalten den Klägerinnen geschadet habe. Es seien weder Persönlichkeits-, Charakteroder Entwicklungsstörungen bei den Klägerinnen weder innerhalb noch außerhalb des Prozesses feststellbar gewesen; vermeintliche Störungen seien nicht auf sein Verhalten zurückzuführen. Im Übrigen habe der Beklagte weder sexuell noch pornografisch gehandelt.

Auch die zeugenschaftlichen Vernehmungen der Klägerinnen im Strafverfahren habe nicht zu unspezifischen Unruhezuständen geführt, da die vernehmende Jugendstrafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) langjährige Erfahrungen im Umgang mit Kindern sowie die richtige psychologische Herangehensweise bei der Befragung aufzuweisen habe.

Den Klägerinnen ist Prozesskostenhilfe mit Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 05.07.2006 bewilligt worden.

Die Klägerinnen wollen beantragen,

den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen seit dem 01.01.2004 zu zahlen,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihnen sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die aus den Tathandlungen in der Zeit von Januar 2004 bis Juni 2005 in F... resultieren, zu zahlen.

Der Beklagte will beantragen,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 07. November 2006, dem Beklagten am 10. November 2006 zugestellt (Bl. 80 d. A.), hat das Landgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Im Wesentlichen hat die Kammer ausgeführt, dass die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht die notwendige hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Unter Zugrundelegung des seit dem 24. August 2006 rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) im Strafprozess gegen den Beklagten sei dessen zivilrechtliche Verurteilung eher wahrscheinlich als die Klageabweisung. Nachdem der Bundesgerichtshof die Revision nicht angenommen habe, dürfe auch davon auszugehen sein, dass die Erheblichkeitsschwelle für ein sexuelles Handeln überschritten worden sei. Das vom Beklagten gezeigte Verhalten gegenüber den Klägerinnen sei durchaus geeignet, Verhaltensstörungen bei Kindern hervorzurufen. Im Vergleich der Rechtsprechung zu Schmerzensgeldansprüchen im Fall von Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung sei der geltend gemachte Betrag von 7.000,00 € nicht ohne weiteres übersetzt.

Mit Schriftsatz vom 13. November 2006, beim Landgericht Frankfurt (Oder) am selben Tag eingegangen, hat der Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Eine pauschale Bezugnahme auf eine Schmerzensgeldtabelle genüge nicht. Wenn darin ein Mindestschmerzensgeld von 1.000,00 € aufgeführt sei, so sei ihm in Höhe des jeweils 1.000,00 € übersteigenden Betrages Prozesskostenhilfe zu gewähren. Seine Handlungen seien als niederschwellige Eingriffe ohne nachhaltige oder dauerhafte Beeinträchtigungen bei den Klägerinnen zu bewerten.

Mit Beschluss vom 14. November 2006 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen, unter denen einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann, nicht vorliegen, denn die vom Beklagten beabsichtigte Verteidigung bietet nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.

In zutreffender Weise hat das Landgericht im Rahmen der im Prozesskostenhilfeverfahren zulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung eine Haftung des Beklagten dem Grunde nach bejaht (zur Zulässigkeit einer Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren vgl. BVerfG NJW 2003, 2976). Auch soweit sich der Beklagte gegen die von den Klägerinnen angesetzte Höhe des Schmerzensgeldes von je 7.000,00 € wendet, und dazu vorträgt, dass aufgrund der vom Gericht angewandten Schmerzensgeldtabellen auch ein Schmerzensgeld in Höhe von lediglich 1.000,00 € in Betracht käme, hält es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass der Verteidigungseinwand des Antragstellers den notwendigen Erfolg haben wird. Der durch das Tatgericht im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens vorgenommene Vergleich mit bereits zugesprochenen Schmerzensgeldbeträgen in einem Umfang von 1.000,00 € - 50.000,00 € lässt den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Feststellungen im Urteil der Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) als angemessen erscheinen.

Abschließend ist festzustellen, dass die Einwendungen des Beklagten gegen die Feststellungsklage nicht durchgreifen. Eine solche ist immer schon dann gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig, wenn (weitere) Schäden wenigstens entfernt möglich sind (vgl. BGH NJW 2001, 1431). Solche möglichen Schäden haben die Klägerinnen in ihrer Klage dargelegt, indem sie unter anderem ausführen, aufgrund der lang andauernden mehrfachen Tathandlungen und den Vernehmungen eine Reifeverzögerung von ca. einem Jahr erlitten zu haben. Eine solche Reifeverzögerung kann kostenauslösende Fördermaßnahmen bei den Klägerinnen, die sich im Schul- bzw. Vorschulalter befinden, erforderlich machen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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